Ich bin auf eine weitere umfassende und erschreckende Studie über das Ausmaß an Gewalt in afrikanischen Ländern gestoßen: The African Child Policy Forum, 2006: Violence Against Girls in Africa: A Retrospective Survey in Ethiopia, Kenya and Uganda. Ethiopia. (Hauptautorin: Joanna Stavropoulos)
In dieser Studie wurden jeweils 500 junge Frauen im Alter von 18 bis 24, die aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammen, in den Hauptstädten von Äthiopien, Kenia und Uganda zu Gewalterfahrungen vor dem 18. Lebensjahr befragt.
Die wesentlichen Ergebnisse:
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Körperliche Gewalt
Mindestens eine Form von körperliche Gewalt (definiert als Schläge mit einem Gegenstand, Prügel, Tritte, Würgen/Verbrennungen, sehr harte Arbeit, Heißes oder bitteres Essen in den Mund der Mädchen einflößen, Einsperren, Essensgabe verweigern) erlebten in
Kenia: 99 %
Uganda: 94,2 % (Zusatzinfo: 59 % der Frauen, die Schläge erlebten, hielten diese für gerechtfertigt)
Äthiopien : 84 % (wobei dieses Land von den drei untersuchten die höchste Rate an Gewalt gegen Mädchen unter fünf Jahren aufweist!)
Unterteilung einiger Formen von Gewalt:
Schläge mit einem Gegenstand erlebten in
Kenia: 81 %
Uganda: 86 %
Äthiopien: 71 %
Davon zwischen 35 bis 42 % der Befragten öfter als 10 mal (der höchste mögliche Wert)
Prügel erlebten in
Kenia: 60 %
Uganda: 55 %
Äthiopien : 60 %
Davon in Äthiopien und Kenia über 30 % und in Uganda um die 15 % öfter als 10 mal (der höchste mögliche Wert)
Tritte erlebten in
Kenia: 40 %
Uganda: 27 %
Äthiopien : 43 %
Davon in Äthiopien und Uganda um die 10 % und in Kenia um die 18 % öfter als 10 mal (der höchste mögliche Wert)
Würgen/Verbrennungen erlebten in
Kenia: 21 %
Uganda: 20 %
Äthiopien : 12 %
Einsperren erlebten in
Kenia: 14 %
Uganda: 18 %
Äthiopien: 10 %
Die Gewalt fand in allen drei Ländern am häufigsten im Alter zwischen 10 und 13 statt. Unter 5 Jahren wurde am wenigsten Gewalt berichtet, dazu muss angemerkt werden, dass gerade in dieser Altersspanne sehr viel vergessen wird. Die TäterInnen waren meist Familienangehörige und Lehrer. In Äthiopien und Kenia führen fast durchgängig die Mütter die Rangliste an, während in Uganda vor allem Stiefmütter als Täterinnen am häufigsten genannte wurden. Die schwersten Formen der Gewalt bezogen auf die Folgen erlebten die Mädchen in Uganda. Je nach den ersten beiden o.g. Gewaltformen mussten 60 bis 70 % auf Grund von Prügel/Schlägen einen Arzt aufsuchen. In Äthiopien und Kenia dagegen ca. 15 bis 20 %. Über die Hälfte der äthiopischen Mädchen, die Schläge oder Tritte erlebten, berichten zudem in Folge dieser Gewalt von Prellungen/Blutergüsse, Schrammen, Blutungen, gebrochenen Knochen oder ausgeschlagenen Zähnen. Über 32% berichten von denselben Folgen auf Grund von Schlägen durch einen Gegenstand. Insofern muss man hier fragen, ob den Mädchen vielleicht kein Arzt zur Verfügung stand, weil nur 15 % wie oben angegeben einen aufsuchten.
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Sexuelle Gewalt
Mindestens eine Form sexueller Gewalt erlebten in
Kenia: 85,2 %
Uganda: 95 %
Äthiopien: 68,5 %
(Ca, 40 – 50 % der Befragten erlebten sexuelle Gewalt durch Berührungen)
Vergewaltigung erlebten in
Kenia: 26,3 %
Uganda: 42 %
Äthiopien: 29,7 %
(Ja nach Land erlebten 40 bis über 70 % Vergewaltigungen unter 5 mal (die geringste mögliche Form). Alle anderen erlebten dies über fünf mal!)
Zudem wurde gefragt, ob die Befragten als Mädchen/Jugendliche für sexuelle Dienste verkauft wurden. Dies erlebten in
Kenia: 5,2 %
Uganda: 10,2 %
Äthiopien: 9,3 %
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Psychische Gewalt
Mindestens eine Form von psychischer Gewalt (Bloßstellen, Beschimpfungen, Anschreien, Drohung verlassen zu werden, Ignoriert werden, Wegnahme von Geld und Besitz, Diskriminierung auf Grund der Rasse, Ethnie oder Religion, Familienmitglied sagte, das Mädchen wäre am besten nicht geboren worden, Miterleben von Gewalt und Tötung eines Menschen, Gezwungen werden, einem anderen körperliche Gewalt zuzufügen oder eine Waffe zu benutzen, Androhung von Verletzungen und Tod) erlebten in
Kenia: 96,4 %
Uganda: 99,6 %
Äthiopien: 100 %
Unterteillung von vier ausgesuchten Formen von psychischer Gewalt
Ein bis zwei mal (niedrigste Stufe, wobei die höchste Stufe über 10 mal ist) Mitansehen müssen, wie eine bekannte Person umgebracht wird:
Kenia: 59,6 %
Uganda: 89,3%
Äthiopien: 77,3 %
Ein bis zweimal (niedrigste Stufe, wobei die höchste Stufe über 10 mal ist) Androhung von körperlichen Verletzungen oder Tod
Kenia: 60,9 %
Uganda: 61,5 %
Äthiopien: 67,2 %
Familienmitglied sagte ein bis zwei mal (niedrigste Stufe, wobei die höchste Stufe über 10 mal ist) das Mädchen wäre am besten nicht geboren worden (als Täterin am meisten genannt Mütter und Stiefmütter)
Kenia: 33,3 %
Uganda: 49,7 %
Äthiopien: 26,4 %
Ein bis zweimal (niedrigste Stufe, wobei die höchste Stufe über 10 mal ist) Androhung, verlassen zu werden (als Täterin am meisten genannt Mütter und Stiefmütter, gefolgt von Vätern und Stiefvätern)
Kenia: 44,8 %
Uganda: 29 %
Äthiopien: 28,4 %
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Insgesamt ist dies ein unglaublich erschütterndes Bild. Bzgl. der Folgen lässt sich in Anbetracht dieser Gewalterfahrungen stark vermuten, dass ein großer Teil der dortigen Frauen auf Grund ihrer Erfahrungen schwer traumatisiert sind.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die befragten Frauen in den jeweiligen Hauptstädten leben. Studien (z.B. auch aus Äthiopien, siehe Link unten) und Erfahrungswerte zeigen allerdings, dass Kinder auf dem Land meist häufiger und schwerer von Gewalt betroffen sind, als Kinder in der Stadt. Man fragt sich in Anbetracht obiger Zahlen, ob es denn überhaupt noch schlimmer geht? Leider muss ich bzgl. der Gewalt gegen Kinder sagen: Es geht immer schlimmer, man kann sich kaum vorstellen, was Kindern alles angetan wird.
Die Grundsätzliche Besprechung der Zahlen siehe unter “Gewalt gegen Kinder in Afrika”
Die Schlussworte der Studie enden mit dem Zitat einer jungen kenianischen Frau. Auch ich möchte dieses als Schlusswort nutzen:
“Thank you for conducting this research. I like to be treated like a human being not an animal.”
Samstag, 5. November 2011
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