Montag, 17. Februar 2020

NS-Täter. Die Kindheit von Werner Best


Ich habe mir die Kindheitsgeschichte von Werner Best angeschaut. Meine Quelle dafür ist:
Herbert, U. (1996): Best: Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft, 1903-1989. J.H.W. Dietz Nachfolger, Bonn.

Als Stellvertreter Heydrichs bei der Gestapo, Chef der Innenverwaltung im besetzen Frankreich, Reichsbevollmächtigter in Dänemark sowie einflussreicher Ideologe der SS stand Best während der NS-Diktatur immer im Schnittpunkt nationalsozialistischer Weltanschauung und Politik“ (Herbert 1996, Inhaltsangabe)

Werner Best hat seine frühe Kindheit als unbeschwert und behütet dargestellt. Wobei auffällt, dass er sich (den Ausschnitten nach) dabei nur auf Erlebnisse außerhalb der Familie konzentriert: Schlittenfahren, Sommersingen, Theater usw. (S. 46). Als Bruchpunkt beschrieb er den Tod seines Vater, der in Folge einer Verwundung an der Westfront in Frankreich am 04.10.1914 starb. Werner war zu dem Zeitpunkt 11 Jahre alt. Best schreibt: „Der frühe Heldentod meines Vaters hat mich schon mit elf Jahren einsam gemacht, da meine Mutter zusammenbrach und mehr Stütze von seiten ihrer Söhne brauchte, als sie ihnen geben konnte. Ich bin deshalb eher von der Tradition meiner Familie als von meinen Eltern erzogen worden. (…) Mein Vater hatte einen Brief an seine beiden Söhne hinterlassen, in dem er uns die Mutter anbefahl und uns aufforderte, patriotische deutsche Männer zu werden. So fühlte ich mich mit elf Jahren bereits für meine Mutter und meinen jüngeren Bruder verantwortlich. Und vom 15. Lebensjahr ab (1918!) fühlte ich mich verantwortlich für die Wiederaufrichtung Deutschlands. Ich habe deshalb in meiner Jugend nur Ernst und Sorge, Arbeit und Verantwortung gekannt“ (S. 47)
Der Tod des Vaters war für die Familie traumatisch. In der Folge konnte seine Mutter nicht mehr wie vorher für ihre Kinder sorgen, wenn man den Ausführungen folgt. Wenige Wochen nach dem Vater starb zudem auch noch der Großvater (S. 47).

Über den Erziehungsstil und weitere Belastungen in der Familie erfährt man nicht viel in der verwendeten Quelle. Nur so viel: „Der Vater durchlief die höhere Postbeamtenlaufbahn, bei jeder Beförderung wurde er versetzt. Die Familie zog mit, von Darmstadt nach Liegnitz, von Liegnitz nach Dortmund“ (S. 46). Nach dem Tod des Vaters siedelte die Familie erneut um, nach Gosenheim bei Mainz. Das Leben der Kinder und Familie verlief also auch räumlich unstet.

O-Ton Werner Best: „Ich bin in der Atmosphäre deutschen Beamtentums aufgewachsen. Mein Vater war Postbeamter und Sohn eines Eisenbahnbeamten, meine Mutter die Tochter eines Bürgermeisters. Dienst für Volk und Staat, strenge Pflichterfüllung und spartanisch einfache Lebenshaltung waren der Lebensrahmen einer deutschen Beamtenfamilie“ (S. 46)
Hier deutet sich ziemlich klar an, dass viel Wert auf Disziplin und Gehorsam gelegt wurde. Wie genau sich dies im Erziehungsstil niederschlug, wird nicht beschrieben. Fest steht aber auch, dass in der verwendeten Quelle keine Belege für Gewaltfreiheit in der Familie zu finden sind. Überhaupt ist die Informationslage über die Kindheit von Werner Best sehr dünn.

Bei den meisten von mir untersuchten NS-Tätern fällt auf, dass es meisten mehrer Belastungen in der Kindheit gab: Also z.B. strenge, autoritäre Erziehung und Tod eines Elternteils oder strenge, autoritäre Erziehung und lange Trennung von der Familie usw. Bei Werner Best gibt es nur Andeutungen, die eine strenge Erziehung nahe legen. Die traumatischen Belastungen nach dem Tod des Vaters wurde beschrieben. Ebenfalls der Zusammenbruch der Mutter. Eine sehr belastete Kindheit an sich ist insofern belegt.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Aus dem Artikel lässt sich nichts anderes schließen, als dass Kinder die einen Elternteil verloren haben potentielle Naziverbrecher sind.

Sven Fuchs hat gesagt…

Hallo "Anonym",

aus dem Artikel UND der Gesamtsicht meiner Analyse von NS-Verbrechern sowie auch von Rechtsextremisten lässt sich schließen, dass als Kind unbelastete Menschen keine Nazis werden. Leid und Traumata in der Kindheit sind das Fundament, das destruktives, grausames Verhalten möglich macht.

"als dass Kinder die einen Elternteil verloren haben potentielle Naziverbrecher sind." ist mir auch ein zu vereinfachender Kommentar zu dem Artikel.

1. War nicht nur der Verlust des Vaters traumatisch. Seine Mutter brach zusammen und die Söhne mussten sie stützen. Umgekehrt bekamen die Söhne keine Stütze. Es geht hier also um eine "Belastungskette" ab dem Alter von 11 Jahren.

2. Ich habe sehr klar die Stellen herausgearbeitet, die auf eine strenge Erziehung hinweisen. Da wir zahlenmäßig heute wissen, dass die Mehrheit der Kinder um 1900 Zuhause geschlagen wurden (http://kriegsursachen.blogspot.com/2014/02/gewalt-gegen-kinder-in-deutschland-in.html), sind solche Indizien um so bedeutsamer. Es spricht wenig dafür, dass Werner Best gewaltfrei aufgewachsen ist.

3. Naturgemäßiß ist es nicht einfach, ein umfassendes Bild über eine Kindheit zu bekommen, die vor weit über 100 Jahren verlebt wurde. Ich halte es trotzdem für wichtig, diesen Blick zurück zu machen.