Mittwoch, 3. November 2021

"Generation Greta" und was Kindheit damit zu tun haben könnte

In der EMMA (Ausgabe Nov/Dez 2021, Nr. 6) schreibt die Journalistin und Autorin Bettina Weiguny unter dem Titel „Junge Rebellinnen“: „Hier wächst eine politische Generation heran. Junge Menschen setzen sich fürs Klima ein, für sauberes Trinkwasser und soziale Gerechtigkeit; gegen Kinderehe und Diskriminierung. Sie finden sich nicht damit ab, die Welt zu belassen wie sie ist, wenn es doch besser sein könnte. Keine Protestbewegung vor ihnen war so global vernetzt, so jung und so weiblich wie die `Generation Greta`.“ (S. 48)

Das greenpeace magazin hat die aktuelle Ausgabe (6.21 Okt / Nov 2021) mit „YES SHE CAN. Wie Frauen weltweit um Klima, Umwelt und Gerechtigkeit ringen“ betitelt. Die gesamte Ausgabe befasst sich mit dem Wirken von starken und mutigen Frauen in aller Welt und das Magazin hält fest: „Frauen for Future“. 

Ich kann diese Feststellungen nur teilen: Frauen, vor allem der jüngeren Generation, sind weltweit im Aufbruch. Viele Jungs stehen an ihrer Seite. All das kann nur gut sein! 

Ich möchte diese Entwicklungen aber in einer Hinsicht kommentieren, die oft nicht bedacht wird: Was ebenfalls „im Aufbruch“ und in stetiger (positiver) Entwicklung war und ist, sind die Kindheitsbedingungen. Ich bin der Auffassung, dass beides miteinander in einem starken Zusammenhang steht. 

Kaum jemand hat so präzise auf den Punkt gebracht, um was es mir geht, wie der Kriminologe Christian Pfeiffer. In seinem Buch „Gegen die Gewalt: Warum Liebe und Gerechtigkeit unsere besten Waffen sind“ (2019) stellt er zunächst auf Grundlage empirischer Daten einen massiven Wandel der elterlichen Erziehung fest (vor allem ein Mehr an Zuwendung und ein Weniger an elterlicher Gewalt). Gleichzeitig zeigt Pfeiffer einen massiven Rückgang von Gewalt, Kriminalität, Rauschmittelkonsum und Suizid bei der jüngeren Generation auf. Er spitzt diese Beobachtungen in einem einfachen Satz zu: „Je jünger die Altersgruppe, desto positiver ihre Entwicklung“ (Pfeiffer 2019, S. 67) An anderer Stelle im Buch fasst er eindrucksvoll zusammen:
Damit liegt eine Hypothese auf der Hand: Je jünger die heute in Deutschland lebenden Menschen sind, desto stärker haben sie vom Wandel der Erziehungskultur profitiert. Sogleich stellt sich eine naheliegende Frage: Haben wir heute möglicherweise in vielerlei Hinsicht die beste Jugend, die es in Deutschland seit der Wiedervereinigung gegeben hat?“ (Pfeiffer 2019, S. 64)

Nun, warum eigentlich ab der Wiedervereinigung? Vielleicht haben wir sogar die beste Jugend, die es jemals gab? Und: Der positive Wandel der Erziehungskultur schreitet weiter fort und wird das Land weiter nachhaltig verändern. 

Luisa Neubauer, Pauline Brünger, Carla Reemtsma und wie sie alle heißen (inkl. der vielen unbekannten Namen). Sind diese mutigen, stolzen, selbstbewussten und engagierten Frauen als Kind geschlagen, gedemütigt und niedergemacht worden? Sind diese Frauen als Kind nicht geliebt worden? Ich kann diese Frage nicht beantworten, weil ich keine Informationen dazu gefunden habe. Ich kann mich aber auf Pfeiffers allgemeine Daten beziehen und diese zeigen eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein hohes Maß an elterlicher Zuwendung und elterlicher Gewaltfreiheit dieser Generation. Aber auch ohne diese Daten würde ich beide Fragen aus meiner Erfahrung und aus meinem Bauchgefühl heraus mit einem Nein oder einem "eher nicht" beantworten.
Vor allem Mädchen und junge Frauen profitieren besonders von den errungenen Freiheiten durch ihre Mütter und Großmütter, was für ihre Brüder schon vorher selbstverständlich war. Friedlichere, weniger belastete Kindheiten plus mehr Freiheit zur Entfaltung ist ein sehr produktiver Mix.

Diese Generation ist so wenig als Kind traumatisiert worden wie keine Generation zuvor. Dies schafft Raum für den geraden Blick auf Realitäten, für eine gesunde Wahrnehmung, für Vertrauen, Kooperation und für konstruktive Konfliktlösungen. 


4 Kommentare:

Michael Kumpmann hat gesagt…

Greta hat vor ihrer Berühmtheit an MASSIVEN psychischen Störungen, inklusive Essstörung, Sozialen Phobien und Depressionen gelitten. Die hat sich erst durch ihre Berühmtheit da raus kämpfen könnnen. Und insbesondere deren Schulzeit war von extrem traumatischem Mobbing geprägt.

Deren Mutter hat mehrfach gesagt, dass sie sich total überfordert fühlte und keinen Weg wusste, ihrem Kind zu helfen,

Michael Kumpmann hat gesagt…

Ich persönlich finde Greta zwar ehrlichgesagt auch cool (und ärgere mich, dass Ich mich das während meiner Schulzeit nicht traute), aber man darf nicht untern Teppich kehren, dass die massive Traumata hat.

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Kumpmann, ich glaube, die Aufgabe der Eltern liegt in erster Linie darin, das Kind nicht alleine zu lassen. Und Gretas Eltern haben diese Arbeit gemacht (und machen weiter). Jedes Kind kann Probleme bekommen. Gerade Kinder mit dem Asperger-Syndrom können in massive Schwierigkeit geraten, besonderes dann, wenn die Umgebung kein/wenig Verständnis zeigt.
Die Qualität der Eltern wird nicht daran gemessen, ob ihr Kind - in welchem Maße wie auch immer - Probleme hat. Sondern, ob sie es auch durch die schwierige Zeit begleiten. Letztendlich können Eltern, mindestens ab dem bestimmten Alter, den Kindern nicht mehr direkt helfen. Sie können etwas anbieten oder vielleicht erstmal nur warten. Ob das, was man tat, richtig ist, weiß man häufig nicht so klar. Ich finde, das wichtigste ist dem Kind immer durch das eigene Verhalten zu zeigen, dass man es als eine individuelle Person anerkennt und seine Qualität schätzt.
Ich glaube, Gretas Eltern haben sich wirklich um ihre Tochter gekümmert und sie ernst genommen. Das zeigt z.B. in der Episode: sie haben auf Gretas Kritik wegen dem Fliegen mit dem Versprechen reagiert, dass sie künftig am Boden bleiben würden.
Gretas "coolness" kommt bestimmt auch durch solches Miteinander in der Familie.
Schöne Grüße Maika

Sven Fuchs hat gesagt…

Schöner Kommentar, Maika, Danke!