Die Kindheit und Jugend des Neonazis und Söldners Wolfgang Niederreiter gehört zu den mit grausamsten Kindheiten, über die ich bisher recherchiert habe. Das Wort Kindesmisshandlung trifft es hier nicht. Viel mehr erlebte er Folter und Terror! Außerdem wuchs er in einer Kultur der Gewalt auf, inkl. in dem Kinderheim, in das er später kam.
Meine Quelle: Santer, C. & Niederreiter, W. (1995): Ich geh jetzt Rambo spielen. Müllkind, Neonazi, Söldner in Bosnien, Bekehrung - und ein Mordprozess. Aufbau Verlag, Berlin.
Schon die Geburt von Wolfgang war belastet, er kam als Frühgeburt. Über seine Kindheit sagt er:
„Wenn ich an diese Zeit denke, steigt vor allem Wut in mir auf. Aber ich sage mir: Wenn ich meine Kindheit überlebt habe, dann kann es wohl nicht mehr viel schlimmer kommen. (…) Meine ersten Erinnerungen bestehen aus den Schlägen, die wir vier Kinder (….) von unserem Vater ständig bekommen. Er haut uns ins Gesicht oder drischt uns auf den nackten Arsch. Meine Mutter hat auch nichts zu melden. Die schönsten Zeiten sind für uns die Stunden, wenn er Besuch von Bekannten erhält, denn für diese Zeit sind wir vor ihm sicher. Wenn wir Kinder unseren Eltern zu schlimm sind, werden wir ins Kinderzimmer gesperrt. Vor das Fenster kommt eine Platte, damit wir nicht abhauen können. Wir sind dann dazu verurteilt, den ganzen Tag im Bett zu bleiben, öfters sind es auch mehrere Tage. Natürlich werden wir auch zusätzlich gestraft, indem wir nichts zu essen bekommen“ (S. 11f.).
„Ich erinnere mich noch an die Weihnachtstage, als ich vier Jahre alt bin. Am Morgen nach dem Heiligen Abend spielen wir mit den neuen Spielsachen. Dadurch wacht mein Vater auf. Er wird wütend und lässt uns in einer Reihe antreten. Auf den ausgestreckten Armen müssen wir ihm unsere Spielsachen präsentieren, die er uns auf dem Kopf zerschlägt. Und schließlich müssen wir auf Holzscheiten knien und bekommen auf die ausgestreckten Arme Bücher gelegt. Jedesmal, wenn eines herunterfällt, legt er zwei drauf. Ich weiß noch, dass ich vor lauter Erschöpfung umkippe“ (S. 13).
Zur Strafe sperrte der Vater die Kinder auch in ihre Zimmer und schraubte die Türklinken ab. Es gab dann kein Essen und kein Trinken. „Vorsichtshalber haben wir uns schon ein Vorratslager mit rohen Kartoffeln und Zwiebeln angelegt, die wir jetzt essen. Wir werden schließlich so durstig, dass wir unsere eigene Pisse trinken. Wir haben einen Eimer im Zimmer, den wir als Toilette benutzen müssen. Ich hasse diesen Geruch, der dann im Zimmer liegt“ (S. 13f.).
„Als ich und mein kleiner Bruder mit dem Essen herumspielen, werden wir in den Keller gesperrt. Dort unten ist es völlig dunkel, weil es kein Licht gibt. Ich habe große Angst. Mein Vater hatte mir immer wieder erklärt, dass es in diesem Keller Schlangen gäbe“ (S. 15f.).
Die Mutter bietet keinen Schutz, im Gegenteil, sie meldet „Fehlverhalten“ dem Vater, der dann die Kinder verprügelt. Ansonsten bleibt die Rolle der Mutter schemenhaft, man erfährt fast nichts über sie. Der Vater selbst ist in einem Kinderheim aufgewachsen. Später droht er oft: „Ich hätte euch gleich schon ins Heim geben sollen, als ihr noch ganz klein wart, dann hätte ich mir den ganzen Ärger mit euch erspart“ (S. 19).
Wenn die Kinder nicht eingesperrt sind, müssen sie die Nachmittage im Freien verbringen, auch im Winter. Das Haus bleibt für sie versperrt. Die Kinder reagieren wiederum mit destruktivem Verhalten, sie zünden z.B. ihre Teddybären an, der älteste Bruder nimmt die Spielsachen der Jüngeren weg und zerstört sie. Wolfgang ist lange Zeit Bettnässer. Als ältere Kinder sind Wolfgang und sein Bruder ständig in Schlägereien verwickelt.
Die Familie ist zudem arm. Oft reicht das Geld nicht, um die Kinderzimmer zu heizen. Der Vater sammelt Spielzeug vom Müll. Beim Jugendamt ist die Familie bekannt. Als Wolfgang dreizehn Jahre alt ist, wird er schließlich auf Veranlassung des Jugendamtes in ein Kinderheim gebracht. Auch dort herrscht das Gesetz des Stärkeren und Wolfgang setzt sich mit Gewalt durch. Während seiner Lehre versucht Wolfang sich mit Schlaftabletten umzubringen. Er kommt ins Krankenhaus und wird gerettet. Auch später wird er weiter Suizidgedanken haben.
Später schlägt Wolfang zusammen mit einem Kumpel einen Mann zusammen. Die Polizei nimmt sie fest. Wolfang schlägt einen Polizisten und wird daraufhin von Polizisten verprügelt. Wie psychisch gespalten er bereits ist, zeigt sich in folgender Aussage dazu. „Ab einer gewissen Schmerzgrenze spüre ich nichts mehr. Obwohl ich mittendrin bin im Geschehen, kommt`s mir dann so vor, als wäre ich gar nicht daran beteiligt. Ich ziehe mich auf einen Platz in mir selbst zurück, wo mich niemand mehr verletzen kann, völlig egal, was mit mir geschieht“ (S. 43). Die Traumafolgen zeigen sich hier überdeutlich!
Wolfang Niederreiter wird schließlich zum Neonazi und geht später als Söldner nach Bosnien. Er bringt Menschen um und wird dafür bezahlt...
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