Der ehemalige Terrorist Hans-Joachim Klein hat deutliche Einblicke in seine Kindheit innerhalb seiner Autobiografie „Rückkehr in die Menschlichkeit - Appell eines ausgestiegenen Terroristen“ (1979, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek) gegeben.
Kurz nach seiner Geburt im Jahr 1947 starb seine Mutter. Sein Vater gab das Kind danach in ein Heim. Im Alter von drei oder vier Jahren sei er dann zu „sogenannten Pflegeeltern“ gegeben worden (S. 31). Genauer: er lebte von da an bei einer alleinstehenden Frau und ihren Großeltern. Auch wenn er zusammenfasst, dass es dort „im großen und ganzen recht manierlich“ zugegangen sei (S. 31), hängt Klein im nächsten Satz gleich an, dass es Ohrfeigen gab, wenn er nicht spurte. In einem katholischen Kindergarten habe er als kleines Kind einen „fürchterlichen Knacks“ (S. 31) wegbekommen, nachdem eine Nonne ein Huhn geköpft hatte und das Tier ohne Kopf durch die Gegend flatterte. Er konnte in der Folge nicht mehr alleine sein, schlecht schlafen und machte ins Bett. Er berichtet auch von Strafen, nachdem er sich im Kindergarten in die Hose gemacht hatte. Er wurde daraufhin in einen Holzverschlag gesperrt.
Die Schule mochte er nicht. Nachmittags war er Teil einer Kinderbande. Dabei hatte er stets „die Rolle des Prügelknaben (…). Egal, was passierte (…) ich bekam die Prügel für jeden Misserfolg. Ich war halt der schwächste (…) (S. 32).
Als Hans-Joachim ca. 9 oder 10 Jahre alt war, tauchte sein echter Vater, der auch eine neue Frau an seiner Seite hatte, wieder auf und holte ihn zurück.
„Die erste Zeit ging es ganz manierlich zu. Das änderte sich aber schlagartig, als mein Bruder auf die Welt kam. (…) Es setzte Prügel noch und nöcher“ (S. 33). Prügel gab es fürs ins Bett machen, mit dreckigen Händen vom Spielen kommen, fürs zu spät nach Hause kommen usw. Ergänzend bekam er dann auch nichts mehr zu Essen fürs zu spät kommen. „Und die Prügel: erst mit den Händen oder der Faust. Dann erkannte man, dass dies wohl nicht das richtige sei und griff zu allem, was in Reichweite lag. Beliebt waren vor allen Dingen Elektrokabel (…), ein Nudelholz und Kochlöffel. Bei letzteren gab`s noch mal Nachschlag, wenn sie zerbrachen, und das war sehr oft. Einmal brach ich im Winter im Ostpark ins Eis ein, und irgendjemand holte mich da unter Lebensgefahr heraus und brachte mich nach Hause. Anstatt froh zu sein, dass ich noch am Leben war, wurde ich dafür fürchterlich durchgeprügelt. Stubenarrest war auch ein sehr beliebtes Mittel oder 1000 mal denselben Satz aufschreiben. Ich war in der Zeit ungeheuer isoliert (…)“ (S. 33).
Nachdem Hans-Joachim den Wellensittich Bubi zum Fester rausgelassen hatte, damit dieser frei sein könne, wurde er von seinem Vater fast totgeprügelt. Danach lief er von zu Hause weg und ging zum Jugendamt. „Ich also zum Jugendamt – meine erste Rebellion, hatte mächtig schiss – und erzählte der Frau, dass ich nicht mehr nach Hause wolle und zeigte ihr meinen zugerichteten Körper. Kommentar: man lässt ja auch keine `Bubis` fliegen. Ich wurde wieder nach Hause gebracht (….)“ (S. 34). Im Alter von 16 Jahren kam er dann allerdings doch - nachdem er im Jugendclub deutlich gemacht hatte, dass er sich ansonsten umbringen würde - auf eigenen Wunsch für ca. ein Jahr in ein Jugendheim. Auch dort war er nicht vor Gewalt sicher. Gleich am ersten Tag setzte er sich vor ein Schlagzeug und spielte darauf. „Da kam mein `Erzieher`; die allererste Begegnung (…) und haute mir links und rechts in die Fresse, dass ich wirklich vom Hocker kippte. Auf meinen Einwand, er soll das Prügeln lassen – damit, dass dies ein Ende haben soll, deswegen wäre ich freiwillig hierhergekommen -, als Antwort dasselbe noch mal, damit du weißt, wie es hier langgeht. Den Rest kann ich mir sparen zu schildern, wie es Mitte der sechziger Jahre in den `Erziehungsheimen` zuging, wisst ihr ja nur zu genau“ (S. 35). Danach kam er wieder bei seinem Vater unter. Die Prügeleien hörten zwar auf, aber sein Vater ging zu Psychoterror über.
Hans-Joachim Klein wurde als Kind ganz eindeutig schwer traumatisiert! Er fand nirgends Hilfe. Im Gegenteil, von Seiten der Betreuer in Hilfseinrichtungen ging ebenfalls Gewalt und Gleichgültigkeit aus.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen