Wolfang Grams (geb. 1953) war Mitglied der RAF und kam nach einem Schusswechseln mit der GSG9 im Jahr 1993 um. Über seine Geschichte (sowie parallel auch die von Alfred Herrhausen, der zum Opfer der RAF wurde) hat Andreas Veiel (2005) ein ganzes Buch geschrieben:
Black Box BRD: Alfred Herrhausen, die Deutsche Bank, die RAF und Wolfgang Grams. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main.
Veiel hat Informationen aus Gesprächen mit Wolfgangs Bruder Rainer und auch früheren Klassenkameraden wiedergegeben. Daraus werde ich gleich zitieren.
Wolfangs Vater trat 1942 als 17-Jähriger freiwillig in die Waffen-SS ein und kämpfte u.a. an der russischen Front, wobei er auch verwundet wurde. Wie so viele damalige Männer wird dieser Mann wohl auch traumatisiert nach Hause zurückgekehrt sein. Wolfgangs Mutter musste bei Kriegsende mit ihrer Familie aus Ostpreußen vor den russischen Truppen fliehen. Sie träumte davon, irgendwann in die Heimat zurückkehren zu können. Wenig Rücksicht nahm sie bei diesem Thema auf ihren Sohn Wolfgang. „Immer wieder hat Wolfgang Grams seinen Freunden eine Geschichte erzählt, wie ihn die Mutter zum Brötchenholen schickt, acht Jahre mag er alt gewesen sein. Als er vom Bäcker zurückkommt, gibt die Mutter die Brötchen in eine Schale. Dann bläst sie die Tüte auf, ruft Wolfgang herbei und zerschlägt sie mit einem lauten Knall direkt neben seinem Ohr. Dann habe die Mutter über sein Erschrecken gelacht. Sie soll gesagt haben: `Du musst dich an den Gefechtslärm gewöhnen. Es wird Krieg geben. Irgendwann wird die Heimat wieder deutsch werden`“ (S. 27f). So überträgt man Kriegstraumata an die nächste Generation!
Für den Vater stand die Arbeit im Mittelpunkt. „Der beruflich stark eingespannte Werner Grams ist wenig zu Hause, er sieht seine Söhne kaum“ (S. 27). „Erst die Arbeit, dann kommt das Essen. Und dann vielleicht noch wir. Da konnte keine Nähe aufkommen“, berichtet Rainer Grams (S. 29).
Beide Eltern wendeten körperliche Gewalt gegen Wolfgang an. Wolfgang sollte ein Musikinstrument lernen und gut darin werden. Der Druck sei extrem gewesen. „Da wurde vom Vater abends abgefragt, ob richtig geübt worden ist, notfalls wurde Wolfgang mit einer Ohrfeige dazu angehalten“ (S. 30).
Die Mutter von Wolfgang wollte, dass auch Rainer mit Wolfangs Freunden spielen durfte. „Wenn Wolfgang sich nicht daran hält, indem er etwa den jüngeren Bruder rausschickt, setzt es in Anwesenheit der Freunde auch mal eine Ohrfeige. Albert Eisenach erinnert sich noch heute gut an die stumme Wut, die das in Wolfgang Grams hervorruft“ (S. 30).
„Es kommt oft zu Streitigkeiten zwischen Wolfgang und Rainer. Die schlichtet die Mutter, indem sie mit dem Vater droht“ (S. 29). Hat Wolfgang also auch diesen klassischen Satz zu hören bekommen: `Warte nur, bis Papa nach Hause kommt`? In der Erwartung von Prügel? Vieles spricht dafür, dabei vor allem die Berichte über die Routine von Körperstrafen im Hause Grams.
Der Schulfreund Eisenach berichtet, dass Wolfgang sich früh gegen die bürgerliche Existenz auflehnte: „Er hat das gemacht, was er sich in den Kopf gesetzt hat. Da haben ihn auch die Schläge von zu Hause nicht abgehalten, ganz im Gegenteil“ (S. 33).
In der Pubertät haute Wolfgang nach heftigem Streit zu Hause ab, kommt bei seinem Freund Eisenach unter oder, bei anderen Gelegenheiten, in einer Kleingartenkolonie. Wolfgang probiert Haschisch und auch LSD. Er politisiert und radikalisiert sich Stück für Stück immer mehr und findet schließlich den Weg zur RAF und in den Untergrund.
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