Der Diktator und Massenmörder Suharto führte lange Jahre Indonesien. Über seine Kindheit fand ich einige wesentliche Schlüsselinformationen.
Vorweg ein Hinweis: Suharto wurde 1921 geboren, einer Zeit,
in der Kinder deutlich schlechter behandelt wurden, als heute. Aktuelle Daten aus Indonesien zeigen, dass die große Mehrheit der dortigen Kinder regelmäßig
psychische und körperliche Gewalt im Elternhaus erlebt. Auch die Gesetzeslage
ist in Indonesien noch sehr rückschrittlich: Gewalt gegen Kinder ist bis heute u.a.
im Elternhaus, in Kindergärten und in Schulen legal. Ich habe in Suhartos Biografie
keine Belege für elterliche Übergriffe gefunden (aber andere, schwere
Belastungen). Historisch und statistisch und mit Blick auf seine Persönlichkeit
und sein Handeln habe ich keine Zweifel, dass er als Kind auch direkte Gewalt
erlitten hat. Diese „errechnete“ Gewalt muss zusammengedacht werden mit den
Belastungen, die ich gleich aufzeigen werde.
Meine Quelle für die nachfolgenden Infos ist:
Elson, R. E.
(2001): Suharto: A Political Biography. Cambridge University Press, Cambridge.
Suharto wurde in einer armen Familie geboren. Es sei keine
glanzvolle („glittering“), sondern eher eine schroffe Kindheit gewesen, so wird
aus seiner Autobiografie zitiert (S. 1). Suharto selbst erinnerte sich folgendermaßen
an seine Kindheit: „I had to endure much suffering which perhaps others have
not experienced“ (S. 1).
Bereits 5 Wochen nach seiner Geburt ließen sich seine Eltern scheiden. Zu vermuten
ist entsprechend, dass sowohl während der Schwangerschaft, als auch direkt nach
der Geburt eine sehr konfliktreiche Atmosphäre zwischen den Eltern
vorherrschte. Davon abgesehen gibt es aber auch handfeste Belege für eine
schwere Krise: Weder der Vater, noch die Mutter (Sukirah) scheinen, dem Autor nach,
eine wichtige Rolle beim Aufwachsen von Suharto gespielt zu haben, „his father
seems to have disappeared from his life (…) after the divorce, while his
mother appear to have suffered from severe emotional difficulties, perhaps a
nervous breakdown, following his birth“ (S. 2).
Noch bevor Suharto 40 Tage alt
war, zog sich seine emotional angeschlagene Mutter sowohl innerlich, als auch
physisch (sie zog - oder floh - in ein Haus im Dorf) zurück. „Silent and unable to be found for
a week, and with the family in a panic, at last she was discovered in a badly
weakened condition. In such circumstances, with Sukirah unable to nurse her
child and little immediate prospect of her raising him, Suharto was given over to his paternal
great-aunt (…)“ (S. 2).
Sein Vater heiratete erneut. Suharto zog erst ab seinem 4.
Lebensjahr wieder zu seiner Mutter, die ebenfalls neu geheiratete hatte und
zusammen mit ihrem neuen Mann 7 Kinder hatte. Ihre häufigen Schwangerschaften
und die Lebensumstände bei seiner Mutter bedingten, dass wenig Zeit und
Aufmerksamkeit für Sukirah da waren. Man möchte an dieser Stelle das Wort
Vernachlässigung in den Mund nehmen.
Suhartos Vater war unzufrieden mit den Lebensumständen seines Sohnes. Im Alter
von 8 Jahren wurde Suharto auf Anlass seines Vaters gezwungen, zu seiner Tante
väterlicherseits zu ziehen und in dem Ort seine Schule zu beenden. Der Vater
holte seinen Sohn heimlich und ohne die Mutter zu verständigen ab und brachte
ihn in die neue Unterkunft (vgl. S. 2).
Nach ungefähr einem Jahr kehrte er allerdings wieder zu seiner Mutter zurück,
sein Stiefvater holte ihn ab. Er blieb etwas weniger als ein Jahr und kam dann
wieder zu seiner Tante zurück. Elson benennt dieses hin und her als „tug of
war between parents“ (S. 3).
Suharto, so scheint es, musste ziemlich alleine mit dieser verwirrenden,
bedrohlichen Welt und Situation in seiner frühen Kindheit umgehen. Später
beschwor er die Vorteile für sein Leben, die ihm dieser frühe Leidensweg
gebracht hätte (vgl. S. 3).
Ich sehe ein vernachlässigtes Kind, das einer emotional
angeschlagenen und viel beschäftigten Mutter und einem rein taktisch agierenden (abwesenden) Vater gegenüberstand.
Ich sehe schwere Trennungserfahrungen und ein traumatisiertes Kind.
Zusammengedacht mit den an sich gewaltvollen Lebensumständen von Kindern in
dieser Region (siehe Einleitung oben) zeigt sich erneut, dass als Kind geliebte
Menschen keine Diktatoren werden.
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