(aktualisiert am 15.11.2013)
Der Vater Joseph P. Kennedy galt als „schwieriger wie umstrittener Mann, ein Tyrann, zerfressen von Ehrgeiz und Machtanspruch.“ (Pergande, 2011, S. 13) Der Selfmade-Millionär drillte seine Kinder zudem auf Erfolg, nur das zählte für ihn. Verlierer duldete er nicht. Und natürlich sollte einer seiner Söhne US-Präsident werden. (vgl. GEO Epoche, 12/2009) Joseph wörtlich: „Wir wollen keine Verlierer unter uns haben. In dieser Familie wollen wir nur Gewinner.“ (Pergande, 2011, S. 16)
Joseph war seiner Frau praktisch immer untreu und diese tat ihr Leben lang so, als wisse sie nichts davon. (vgl. Pergande, 2011, S. 14). Revuemädchen, Prostituierte, die Frauen von Geschäftspartnern, überall suchte Joseph Sex und er fasste sogar Freundinnen seiner Töchter an und befummelte sie. (vgl. Geoepoche, 12/2009, S. 28) „Joseph P- Kennedys Söhne lernen, Frauen als Leistungsbeweise in einer steten Jagd nach Bestätigung zu sehen.“ (ebd.) Und so jagte auch John F. (genannt auch „Jack“) den Frauen hinterher. „Sekretärinnen und Stewardessen, Models, Sportlerinnen, „Namen“ aus dem Filmgeschäft: Im Grunde ist es ihm egal. Seine beinahe mechanische Eroberungsobsession übertrifft wohl noch die seines Vaters, auch in der Fixierung auf Selbstbestätigung statt Genuss. (…) Hinter dem Charisma ist nichts als Leere: John F. Kennedy vermag Menschen so routiniert zu verführen, weil sie ihn im Grunde nicht interessieren.“ (ebd., 32+33)
Aber auch Prostituierte gehörten für ihn dazu, was "seinen Personenschutz oft in Bedrängnis bringt, da unbekannte Frauen (...) ohne Sicherheitsüberprüfung in sein Hotelzimmer oder seine New Yorker Privatsuite geleitet werden." (welt.de, 25.06.2013)
John F. war zeitlebens von schweren Krankheiten und Beschwerden geplagt. Schon in seiner Jugend hatte er Scharlach, Keuchhusten, Masern, Astma, Windpocken, Gelbsucht, Magengeschwüre und wiederholte Anfälle von Bronchitis. (vgl. Schild, 1997, S. 12) Die Liste weiterer Beschwerden ist lang und einen frühen Tod hielt er für wahrscheinlich. Einem Freund erklärte John F. einmal, dass er für den Moment lebe. „Er behandele jeden Tag, als wenn es sein letzter sei und suche deshalb ständiges Vergnügen.“ (ebd., S. 13)
(Heute sind sich viele Beobachter einig darüber, dass JFK niemals Präsident geworden wäre, wenn sein Gesundheitszustand öffentlich bekannt geworden wäre.)
Auf den Charakter des Vaters bin ich oben bereits kurz eingegangen. DeMause berichtet auch von körperliche Gewalt. Joseph P. Kennedy schlug die Köpfe der Kinder gegen eine Wand. Aber auch die Mutter verprügelte John F. mit einem Kleiderbügel und einem Gürtel. (vgl. deMause, 2011) Die Mutter schrieb in ihren Erinnerungen:
„Ich glaube, es gehört zu den legendären Vorstellungen, die man sich von einem Präsidenten macht, dass man glaubt, er besäße außergewöhnliche Qualitäten und habe sich als Kind durch unfehlbare Tugendhaftigkeit ausgezeichnet. Ich kann bestätigen, dass dies bei Jack nicht so war (…) oder irgendeinem der anderen Kinder. Wenn sie es verdient hatten, dann war, glaube ich, ein ordentlicher Klaps eine der wirksamsten Methoden ihnen eine Lektion zu erteilen.“ (Pergande, 2011, S. 15) „Meine Mutter ist ein Nichts“ sagte John F. einmal über seine Mutter Rose. (Geoepoche, 12/2009, S. 27ff) „Während seiner Kindheit und Jugend sei sie entweder in Paris einkaufen gewesen oder habe in irgendeiner Kirche auf den Knien gelegen; sei sie doch einmal zu Hause gewesen, habe er sie nie zärtlich erlebt. Sie ist eine offenbar kalte, bigotte, verschwednungssüchtige Person, obsessiv auf soziale Reputation bedacht.“ (ebd.) Jacqueline Kennedy sagte einmal über die Beziehung der Mutter zu John F.: „Seine Mutter liebte ihn nicht wirklich ... Sie liebte es, den Leuten zu erzählen, dass sie die Tochter des Bürgermeisters von Boston war und die Frau des Botschafters ... Sie liebte ihn nicht.“ (Pergande, 2011, S. 16)
JFKs Schwester Jean Kennedy-Smith berichtete noch im hohen Alter über die Strafformen in der Familie: "Unsere Mutter war streng. Wenn wir ungehörig waren, sperrte sie uns in ihren Kleiderschrank. Einmal saß ich schon eine ganze Weile drinnen, ich hatte ihre Schuhe und ihre Kleider längst durchgezählt, als die Tür aufging und Teddy dazu kam. Sie hatte mich einfach vergessen. Also saßen wir zusammen im Dunkeln und unterhielten uns darüber, was für eine gemeine Mutter wir haben." (SPIEGEL-Online, 15.11.2013)
John F. Kennedy ist wohl gerade uns Deutschen durch seinen Satz „Ich bin ein Berliner“ ein Symbol und genießt wohl auch im Rückblick hierzulande viel Sympathie. Er war aber auch ein Präsident, der durch die Operation in der Schweinebucht auf Cuba ein hohes Risiko einging und eine mögliche Eskalation des Konfliktes in Kauf nahm. Kennedy war während der späteren Cuba Krise (Stationierung von nuklearen Waffen auf Cuba) bereit, einen Atomkrieg zu führen und rechnete mit 200 Millionen toten Amerikanern (vgl. deMause 2011). Die gefährlichsten zwei Wochen der Menschheitsgeschichte im Jahr 1962 gingen glücklicherweise friedlich aus. Wäre der Konflikt tatsächlich eskaliert, wäre Kennedy zusammen mit dem sowjetischen Führer Chruschtschow bei den wenigen überlebenden Menschen des Atomkrieges als Symbol des absoluten Untergangs in Erinnerung geblieben…
Außerdem hatte Kennedy bereits in seinem Wahlkampf im Jahr 1959 die Notwendigkeit betont, Amerikas Anwesenheit in Berlin notfalls mit einem Atomkrieg zu verteidigen: "Unsere Position in Europa ist einen Atomkrieg wert, denn wenn wir aus Berlin vertrieben werden, werden wir aus Deutschland vertrieben. Und wenn wir aus Europa vertrieben werden, werden wir aus Asien und Afrika vertrieben, und dann sind wir als Nächste dran. (...) Wir müssen unsere Bereitschaft signalisieren, die ultimative Waffe einzusetzen." (welt.de, 25.06.2013)
Kennedy war trotz anderer öffentlicher Bekundungen alles andere als ein Friedensbringer. Er ordnete gleich nach Amtsantritt eine Überprüfung der amerikanischen Verteidigungsstrategie und eine Erhöhung der Militärausgaben an. „Die USA begann die größte Aufrüstungsaktion ihrer Geschichte in Friedenszeiten: In den ersten drei Monaten seiner Amtszeit beantragte Kennedy eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes um sechs Milliarden Dollar. (…) Insgesamt wurde das Militärbudget unter Kennedy von 47 auf knapp 60 Milliarden Dollar pro Jahr gesteigert.“ (Schild, 1997, S. 80) Auch das militärische Engagement in Vietnam nahm unter Kennedy größere Dimensionen an. Er lieferte Waffen nach Vietnam, befahl US-Militärpiloten Entlaubungsmittel über den Dschungel zu versprühen und steigerte die Zahl der „Militärberater“, die heimlich immer mehr wie reguläre Soldaten operierten, bis Ende 1963 auf 16.000. (vgl. GEO Epoche, 12/2009) Ende 1961 stimmte Kennedy auch dem Einsatz von Napalm zu. (vgl. Ausstellung des Deutschen Historischen Museums über Kennedy Ende 2003) Unter Kennedy verstrickten sich die USA immer mehr in den Vietnam Krieg.
DeMause (2005, S. 13ff; siehe auch online in englisch hier) vertritt die These, dass die amerikanische Nation damals emotional für einen Krieg bereit war und mit Wut reagierte, als die Cuba Krise ohne jeden Krieg endete. Ihre Wut richtete sich sodann gegen ihren eigenen Führer. In Reden und politischen Cartoons bauten sich Mordfantasien gegen Kennedy auf. DeMause weist parallel dazu auch nach, dass Kennedy selbst die tödliche Gefahr für sich vorausahnte und Warnungen nach Dallas zu reisen ignorierte. Kennedy habe, so deMause, unbewusst die Märtyrerrolle angenommen.
Als die Cuba Krise mit einer Erklärung der Russen bzgl. des Abzugs der Raketen am 28.10.1962 endete, sagte Kennedy am Abend des selben Tages zu seinem Bruder: „Ich sollte ins Theater gehen.“ „Ein finsterer Scherz, der auf das Ende des legendären US-Präsidenten Abraham Lincoln anspielt. Der hatte knapp 100 Jahre zuvor unter unendlichen Opfern den Amerikanischen Bürgerkrieg gewonnen. Und war endgültig zum Mythos geworden, als er kurz nach seinem Sieg in einem Theater von einem Attentäter ermordet wurde.“ (GEO EPOCHE 12/2009, S. 114)
Quellen:
deMause, L.2005: Das emotionale Leben der Nationen. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec.
deMause L. 2011: Global Wars to Restore U.S. Masculinity. In: The Journal of Psychohistory (Hrsg. deMause, L.), Volume 28, No 4. New York, 290-312 (Text ist auch online: http://www.psychohistory.com/originsofwar/11_globalWars.html)
GEO Epoche 12/2009, Nr. 40: John F. Kennedy.
Pergande, F. 2011: John F. Kennedy. Vom mächtigsten Mann der Welt zum Mythos. Bucher Verlag, München.
Schild, G. 1997: John F. Kennedy. Mensch und Mythos. Muster-Schmidt Verlag. Göttingen – Zürich.
SPIEGEL-Online, 15.11.2013, "Treffen mit Kennedy-Schwester Jean: Mein Bruder JFK" (von Karin Assmann)
welt.de, 25.06.2013, "JFK brauchte Sex, Drogen und spielte mit der Bombe" (von Alan Posener)