Im SPIEGEL vom 03.05.2010 („Mein Vater, ja, diesbezüglich“) ist ein interessantes Interview mit dem Sohn – Martin Miller - von der kürzlich verstorbenen Kindheitsforscherin Alice Miller zu lesen. Darin schildert er die schwierige Situation, Kind von einer so berühmten Analytikerin zu sein, die zudem über ihre eigenen Kriegstraumatisierungen nicht bis kaum sprechen konnte und emotional schwer für ihre Kinder zu erreichen war. Millers Sohn hat nach eigenen Angaben unzählige Versuche unternommen, mit seiner Mutter über ihre Erlebnisse zu sprechen, vergeblich. Er spürte emotional, dass ihr im Krieg etwas zugestoßen war, Fakten erfuhr er nicht. Martin Miller wörtlich: „Mir haben Leute immer gesagt: Eine Mutter, die so einfühlsam schreibt - da musst du eigentlich die beste Mutter gehabt haben. Eine absurde Situation. Die Leute hatten ein Bild von dieser Frau, das mit meinem nicht übereinstimmte. Es war sehr schwierig.“ und „Es ist meine persönliche Tragödie, dass ich es als Kind von Eltern der Kriegsgeneration nicht geschafft habe, eine emotionale Beziehung zu meinen Eltern aufzubauen.“ Erst kurz vor Alice Millers Tod konnte der Sohn sich ihr in einem Gespräch emotional annähern. Seine Mutter hat sich in diesem Gespräch auch bei ihm entschuldigt. Martin schildert auch, wie er Opfer seines Vaters wurde, in Form von körperlicher und psychischer Gewalt. Alice Miller war Zeugin dieser Übergriffe und intervenierte dabei auch, war aber wohl auch hilflos. Später trennte sie sich von ihrem Mann und ihr Sohn Martin ging in ein Internat.
Die SPIEGEL Journalisten äußern im Interview, dass sie auf diese Schilderungen nicht vorbereitet waren. Sie hatten offensichtlich ein anderes Bild von der Familie Miller erwartet. Ich muss gestehen, dass mich Martins Schilderungen nicht wirklich wundern. Ich habe einige Fotos von Alice Miller gesehen und mir einige ihrer selbst gemalten Bilder auf ihrer Homepage angesehen. Außerdem kenne ich einige ihrer Bücher. Sie selbst berichtete nach meiner Erinnerung auch von eigenen Psychotherapien. Insofern hat sie nicht wirklich ihr persönliches Leid verborgen. Ich fand auch schon immer, dass sie nicht glücklich wirkte. Zudem ist es nur logisch, dass gerade Menschen mit schweren eigenen traumatischen Hintergründen über das Thema schreiben. Die meisten bekannten Fachmenschen, die über Kindesmisshandlung, sexuellen Missbrauch und Vernachlässigung schreiben und veröffentlichen, sind höchst wahrscheinlich auf die ein oder andere Weise selbst betroffen. Ich vermute stark, dass Alice Miller auch als Kind Gewalt in ihrer Familie erlebt hat. Martin Miller sagt dazu nichts im Interview, insofern bleibt das ganze natürlich Spekulation. Ihre Bücher und ihre Thesen verlieren durch diese Informationen eh nicht an Bedeutung, ihr Wahrheitsgehalt bleibt bestehen.
Die anderen beiden Leitfiguren in diesem Forschungsbereich - Lloyd deMause und Arno Gruen - haben auch Gewalt als Kind erlebt. Lloyd deMause erwähnte in einem seiner Bücher, dass er selbst geschlagen worden ist. Er selbst ordnet sich in die „sozialisierte Psychoklasse“ ein, seine eigenen Kinder dagegen sieht er im helfenden Modus. Arno Gruens Biografie habe ich vor einiger Zeit kurz durchgeblättert. Ich erinnere Schilderungen über erhebliche Gewalterfahrungen und vor allem auch eine emotional sehr distanzierte Mutter, die Gruen selbst nach seinen ersten Erfolgen nicht wirklich Anerkennung für seine Leistung geben konnte. (Trotzdem entging Gruen ganz offensichtlicher der „Identifikation mit dem Aggressor“)
Der Vater der Psychoanalyse Sigmund Freud berichtete, er sei von seiner Amme als zweijähriger „sexuell verführt“ wurde. (vgl. deMause, L. 1992: Evolution der Kindheit. In: deMause, L. (Hrsg.): Hört ihr die Kinder weinen. Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M, (7. Auflage)
, S. 79ff), also sexuell missbraucht worden. In einem Brief Freuds an seinen damaligen Vertrauten Wilhelm Fließ heißt es: „Leider ist mein Vater einer von den Perversen gewesen und hat die Hysterie meines Bruders und einiger jüngerer Schwestern verschuldet.“ Ein weiteres Freud-Zitat: „Dann die Überraschung, dass in sämtlichen Fällen der Vater als pervers beschuldigt werden mußte, mein eigener nicht ausgenommen.“ (vgl. Focus, Nr. 39, 1993: "Unzucht und frühes Leid") "Pervers" war damals ein Ausdruck für sexuelle Übergriffe seitens männlicher Person. Über diese Passagen wird viel diskutiert. Ich finde, sie sprechen eine deutliche Sprache, Freuds Vater war ein Missbrauchstäter. Carl Gustav Jung - Begründer der Analytischen Psychologie – berichtete einst gegenüber Freud, dass er „als Knabe einem homosexuellen Attentat eines von mir früher verehrten Menschen unterlegen“ war, sprich sexuell missbraucht wurde. (siehe o.g. Focus Artikel)
Ich habe irgendwie im Hinterkopf den Satz für mich gebildet: Ohne Gewalt gegen Kinder und Kindesvernachlässigung gäbe es kaum noch Psychotherapie, weil es erstens kaum PatientInnen gäbe, aber auch zweitens kaum TherapeutInnen. Wer sich mit diesem Thema befasst oder auch Psychotherapeut wird, der hat dafür seine Gründe. (Auch Martin Miller ist beruflich Psychotherapeut) Das selbe gilt sicher auch für MitarbeiterInnen von entsprechenden Beratungsstellen. Eine gewisse Betroffenheit kann dabei ein guter Motor sein, eine zu große Betroffenheit birgt Risiken, wie ich finde.
Warum betreibe ich diesen Blog und warum schreibe ich so viel zu dem Thema? Die Frage stellt sich nach diesem Text natürlich automatisch. Ja, eine gewisse eigene Betroffenheit ist auch meine Grundlage. Wobei ich irgendwie auch ein Spezialfall bin. Ich habe nie elterliche körperliche Gewalt (auch keine leichten Züchtigungen oder Ohrfeigen) erlebt und ich habe nie sexuelle Gewalt erlebt. Zudem hatte ich als Kind sehr viele Freiheiten, die mir meine Eltern einräumten. Ich kannte auch keine Bestrafungen. Strafen gab es bei uns nicht. Meine Betroffenheit ist eher in der Form, dass es sehr viele stark destruktive emotionale Spannungen zwischen meinen Eltern gab und ich mittelbar Opfer davon wurde. Und ich meine letztlich, dass ich viel von dem aufarbeite, was eigentlich Sache meiner Eltern und auch Großeltern gewesen wäre. Mir ist sehr bewusst, warum ich so tief in dem Thema grabe. Ich könnte da viel zu schreiben, was mir aber zu persönlich ist, gerade fürs Internet. Für mich war die Beschäftigung mit dem Thema wichtig, natürlich auch für mich selbst. Niemand beschäftigt sich mit diesem Thema intensiv, wenn es nicht auch um die eigene Person geht.
Doch wenn es jetzt nur noch das wäre, würde ich heute damit aufhören, darüber zu schreiben. Ich tue dies weiter aus einem starken inneren Gefühl heraus, dass diese Art der Bearbeitung von gesellschaftlichen Problemen bzw. die Benennung von den tieferen Ursachen enorm wichtig für die Zukunft unseres Planeten ist. Ich tue dies, weil ich mir dadurch erhoffe, einen Teil dazu beitragen zu können, dass diese Welt besser wird. Das hört sich vielleicht geschwollen an, ist aber die Wahrheit.
(Nebenbei bemerkt habe ich beruflich nichts mit dem Thema zu tun, sondern betreibe diesen Blog als eine Art "Hobby")
Donnerstag, 17. Juni 2010
Samstag, 5. Juni 2010
"Du weinst doch nicht?"
Auf der Suche nach aktuellen Zahlen zu weiblichen Täterinnen bei sexuellem Missbrauch bin ich auch auf einen erschütternden Bericht gestoßen. Betroffenenbericht von „Mona“:
„Das Gesicht meiner Mutter ist ganz nah. ‚Du weinst doch nicht?‘ Sie schlägt meinen Kopf auf den Boden und wiederholt freundlich: ‚Du weinst doch nicht, oder?‘ Es ging ihr nicht darum, mir das Weinen zu verbieten. Sie wollte, dass ich Schmerzen litt und nicht mehr wusste, dass es mir weh tat. Ich sollte lachen, während sie mich quälte. Ich sollte verrückt werden. Das ist ein Stück aus dem Alltag mit meiner grossen Feindin, meiner Mutter. Das ist Teil der sexuellen Ausbeutung. Vor niemandem hatte ich so maßlose Angst wie vor meiner Mutter. Sie kannte mich viel besser. Sie besaß mehr Druckmittel. Sie konnte viel weiter gehen. Sie gab mir zu essen oder verweigerte es mir. Sie wusch mich oder tauchte mir den Kopf ins Wasser. Sie brachte mich ins Bett oder sperrte mich aus der Wohnung. Darüber hinaus war sie den ganzen Tag mit mir allein. Sie konnte mich schlagen, mir Brandwunden zufügen, mich in den Schrank sperren, mich zwingen, stundenlang still zu stehen, und sie konnte mich jederzeit berühren. Sie hatte Zeit. Sie hatte Zeit, zu warten bis meine Kraft nachliess; Zeit ihre Drohungen auszukosten. Ich fühlte mich wie ein Tier auf dem Sprung. Der Tag war eine graue Masse: warten auf den Mittag, warten auf den Abend, warten auf den Morgen, warten bis jemand hereinkam, dann war ich sicher.“ http://www.dgfpi.de/tl_files/bundesverein/praevention/2004_02.pdf (Seite 9)
Ich suche solche Erfahrungsberichte schon länger nicht mehr gezielt, da es der eigenen Psyche nicht gut tut, so etwas zu oft zu lesen. Meine Erfahrung mit dem Thema Gewalt gegen Kinder ist, dass es keine Grenze an Schrecklichkeiten gibt, keinerlei Grenzen nach oben. Immer wieder bin ich in den letzten Jahren auf Berichte gestoßen, die mich sehr erschüttert haben. Die eigene Vorstellungskraft reicht nicht aus, um sich das ausdenken zu können, was die Realität an Grausamkeiten bietet. Der oben beschriebene Fall ist ein extremer Fall. Kaum jemand kann sich allerdings vorstellen, dass auch solche extremen Fälle keine Einzelfälle sind, auch heute noch, hier in Deutschland. Je weiter man den Blick in die Geschichte wagt, desto mehr „Extremfälle“ findet man in der breiten Masse der Betroffenen von Gewalt, das hat mir Lloyd deMause in seinen Beiträgen deutlich vor Augen geführt. Umso mehr verwundert es auch nicht, dass parallel dazu die politischen Grausamkeiten und der Wahnsinn sich, je weiter man in die Geschichte zurückblickt, steigert.
Ich kann mir über „Mona“ kein Bild machen, da ich diese Frau nicht kenne. Jedem muss aber klar sein, dass solche Erfahrungen tiefe Spuren hinterlassen. Mona hat offensichtlich Hilfe gesucht und spricht über ihre leidvollen Erfahrungen. Das ist der Weg, um wieder ins Leben zu finden und Destruktivität zu reduzieren. Viele suchen keine Hilfe, viele reden nicht über ihre Erfahrungen, sondern schließen diese hinter sich zu. Gerade auch in früheren Zeiten gab es so etwas wie Therapie oder psychosoziale Betreuungsangebote gar nicht. Selbst wenn die Menschen reden wollten, gab es gar keinen Rahmen dafür. Wen wundert es da, dass die Gewalterfahrungen auf anderen Bahnen wiederaufgeführt wurden und werden, z.B. in Kriegen. Das Verhalten der Menschen erzählt uns etwas über das Ausmass des Terrors, den sie einst als Kind erlebt haben müssen. (Z.B. Amokläufer, Selbstmörder, Drogenabhängige usw. usf.) Wir befinden uns letztlich immer noch in einem Prozess, in dem die Gesellschaft Stück für Stück die Augen öffnet, öffnen muss. Der unverstellte Blick ohne Scheuklappen zurück auf das, was unsere Vorfahren und wir selbst an Gewalt erfahren haben, ist notwendig, um zu verarbeiten und um Zukunft konstruktiv und friedlich zu gestalten.
Das o.g. Beispiel zeigt auch eindrucksvoll den fatalen psychischen Prozess, der durch Gewalt gegen Kinder erzeugt wird und werden soll. „Du weinst doch nicht?“, sagt die misshandelnden Mutter. Will heißen: „Du fühlst doch keinen Schmerz, wenn ich Dir Gewalt antue. Ich bin doch Deine Mutter, ich liebe Dich und Du liebst mich. Das, was ich mit Dir tue, ist keine Gewalt und Du fühlst auch keinen Schmerz.“
Kinder können solch eine Situation nur aushalten, wenn sie ihre Gefühle abspalten. Dieser Moment ist die Keimzelle der meisten menschlichen destruktiven Verhaltensweisen, die wir auf unserem Planeten vorfinden. Wir erinnern uns auch: Gewalt gegen Kinder ist das häufigste Gewaltdelikt, das in menschlichen Gesellschaften existiert.
Ich erwähnte oben, dass ich nach aktuellen Zahlen suchte. Wie würden die meisten Menschen antworten, wenn sie gefragt würden, wie viel Prozent der TäterInnen bei häuslicher Gewalt ihrer Einschätzung nach männlich und weiblich sind? Ich vermute, die meisten würden hohe Prozentzahlen bei den Männern angeben. Dabei zeigen die Zahlen, dass mindestens über 50 % der TäterInnen bei der körperlichen Kindesmisshandlung Frauen sind. Beim sexuellen Missbrauch schwanken die Zahlen zwischen 1,5 % und 30 % weibliche Täterinnen, je nachdem ob man vom Hellfeld ausgeht oder verschiedene Dunkelfeldstudien und ExpertInneneinschätzungen berücksichtigt. Die Frauenbewegung hat große und notwendige Fortschritte erzielt, was die Wahrnehmung von männlicher, häuslicher Gewalt angeht. Die Berichte, die auch weibliche Täterinnen fokussieren, häufen sich langsam in den letzten Jahren (Ein aktuelles Beispiel: "Wenn Mütter sich an ihren Kindern vergehen."). Auch hier stehen wir vor einem notwendigen Aufklärungs- und Bewusstseinsprozess. Erst wenn alles auf dem Tisch ist, kann die Gesellschaft nachhaltig verarbeiten, aufarbeiten und umfassende Präventionsarbeit leisten.
„Das Gesicht meiner Mutter ist ganz nah. ‚Du weinst doch nicht?‘ Sie schlägt meinen Kopf auf den Boden und wiederholt freundlich: ‚Du weinst doch nicht, oder?‘ Es ging ihr nicht darum, mir das Weinen zu verbieten. Sie wollte, dass ich Schmerzen litt und nicht mehr wusste, dass es mir weh tat. Ich sollte lachen, während sie mich quälte. Ich sollte verrückt werden. Das ist ein Stück aus dem Alltag mit meiner grossen Feindin, meiner Mutter. Das ist Teil der sexuellen Ausbeutung. Vor niemandem hatte ich so maßlose Angst wie vor meiner Mutter. Sie kannte mich viel besser. Sie besaß mehr Druckmittel. Sie konnte viel weiter gehen. Sie gab mir zu essen oder verweigerte es mir. Sie wusch mich oder tauchte mir den Kopf ins Wasser. Sie brachte mich ins Bett oder sperrte mich aus der Wohnung. Darüber hinaus war sie den ganzen Tag mit mir allein. Sie konnte mich schlagen, mir Brandwunden zufügen, mich in den Schrank sperren, mich zwingen, stundenlang still zu stehen, und sie konnte mich jederzeit berühren. Sie hatte Zeit. Sie hatte Zeit, zu warten bis meine Kraft nachliess; Zeit ihre Drohungen auszukosten. Ich fühlte mich wie ein Tier auf dem Sprung. Der Tag war eine graue Masse: warten auf den Mittag, warten auf den Abend, warten auf den Morgen, warten bis jemand hereinkam, dann war ich sicher.“ http://www.dgfpi.de/tl_files/bundesverein/praevention/2004_02.pdf (Seite 9)
Ich suche solche Erfahrungsberichte schon länger nicht mehr gezielt, da es der eigenen Psyche nicht gut tut, so etwas zu oft zu lesen. Meine Erfahrung mit dem Thema Gewalt gegen Kinder ist, dass es keine Grenze an Schrecklichkeiten gibt, keinerlei Grenzen nach oben. Immer wieder bin ich in den letzten Jahren auf Berichte gestoßen, die mich sehr erschüttert haben. Die eigene Vorstellungskraft reicht nicht aus, um sich das ausdenken zu können, was die Realität an Grausamkeiten bietet. Der oben beschriebene Fall ist ein extremer Fall. Kaum jemand kann sich allerdings vorstellen, dass auch solche extremen Fälle keine Einzelfälle sind, auch heute noch, hier in Deutschland. Je weiter man den Blick in die Geschichte wagt, desto mehr „Extremfälle“ findet man in der breiten Masse der Betroffenen von Gewalt, das hat mir Lloyd deMause in seinen Beiträgen deutlich vor Augen geführt. Umso mehr verwundert es auch nicht, dass parallel dazu die politischen Grausamkeiten und der Wahnsinn sich, je weiter man in die Geschichte zurückblickt, steigert.
Ich kann mir über „Mona“ kein Bild machen, da ich diese Frau nicht kenne. Jedem muss aber klar sein, dass solche Erfahrungen tiefe Spuren hinterlassen. Mona hat offensichtlich Hilfe gesucht und spricht über ihre leidvollen Erfahrungen. Das ist der Weg, um wieder ins Leben zu finden und Destruktivität zu reduzieren. Viele suchen keine Hilfe, viele reden nicht über ihre Erfahrungen, sondern schließen diese hinter sich zu. Gerade auch in früheren Zeiten gab es so etwas wie Therapie oder psychosoziale Betreuungsangebote gar nicht. Selbst wenn die Menschen reden wollten, gab es gar keinen Rahmen dafür. Wen wundert es da, dass die Gewalterfahrungen auf anderen Bahnen wiederaufgeführt wurden und werden, z.B. in Kriegen. Das Verhalten der Menschen erzählt uns etwas über das Ausmass des Terrors, den sie einst als Kind erlebt haben müssen. (Z.B. Amokläufer, Selbstmörder, Drogenabhängige usw. usf.) Wir befinden uns letztlich immer noch in einem Prozess, in dem die Gesellschaft Stück für Stück die Augen öffnet, öffnen muss. Der unverstellte Blick ohne Scheuklappen zurück auf das, was unsere Vorfahren und wir selbst an Gewalt erfahren haben, ist notwendig, um zu verarbeiten und um Zukunft konstruktiv und friedlich zu gestalten.
Das o.g. Beispiel zeigt auch eindrucksvoll den fatalen psychischen Prozess, der durch Gewalt gegen Kinder erzeugt wird und werden soll. „Du weinst doch nicht?“, sagt die misshandelnden Mutter. Will heißen: „Du fühlst doch keinen Schmerz, wenn ich Dir Gewalt antue. Ich bin doch Deine Mutter, ich liebe Dich und Du liebst mich. Das, was ich mit Dir tue, ist keine Gewalt und Du fühlst auch keinen Schmerz.“
Kinder können solch eine Situation nur aushalten, wenn sie ihre Gefühle abspalten. Dieser Moment ist die Keimzelle der meisten menschlichen destruktiven Verhaltensweisen, die wir auf unserem Planeten vorfinden. Wir erinnern uns auch: Gewalt gegen Kinder ist das häufigste Gewaltdelikt, das in menschlichen Gesellschaften existiert.
Ich erwähnte oben, dass ich nach aktuellen Zahlen suchte. Wie würden die meisten Menschen antworten, wenn sie gefragt würden, wie viel Prozent der TäterInnen bei häuslicher Gewalt ihrer Einschätzung nach männlich und weiblich sind? Ich vermute, die meisten würden hohe Prozentzahlen bei den Männern angeben. Dabei zeigen die Zahlen, dass mindestens über 50 % der TäterInnen bei der körperlichen Kindesmisshandlung Frauen sind. Beim sexuellen Missbrauch schwanken die Zahlen zwischen 1,5 % und 30 % weibliche Täterinnen, je nachdem ob man vom Hellfeld ausgeht oder verschiedene Dunkelfeldstudien und ExpertInneneinschätzungen berücksichtigt. Die Frauenbewegung hat große und notwendige Fortschritte erzielt, was die Wahrnehmung von männlicher, häuslicher Gewalt angeht. Die Berichte, die auch weibliche Täterinnen fokussieren, häufen sich langsam in den letzten Jahren (Ein aktuelles Beispiel: "Wenn Mütter sich an ihren Kindern vergehen."). Auch hier stehen wir vor einem notwendigen Aufklärungs- und Bewusstseinsprozess. Erst wenn alles auf dem Tisch ist, kann die Gesellschaft nachhaltig verarbeiten, aufarbeiten und umfassende Präventionsarbeit leisten.
Donnerstag, 3. Juni 2010
Das "goldene" Zeitalter des emotionalen Kapitalimus
Geld fühlt nichts. Der im Wirtschaftsprozess handelnde Mensch – der Homo oeconomicus – fühlt nichts, er handelt zweckrational und nutzenmaximierend sagt das klassische ökonomische Modell. Damit sollen gesellschaftliche und ökonomische Prozesse und Phänomene erklärt werden. Das individuelle Verhalten (und erst recht die Emotionen) der Akteure ist in diesem Modell nicht wirklich von Bedeutung, es geht darum zu erklären, was im Großen (z.B. „dem Markt“) stattfindet.
Ich kann das Modell gut nachvollziehen und finde es auch nützlich, um Wirtschaftsprozesse zu erklären und zu verstehen. Worum es mir hier jetzt aber geht ist ein Lob an den Kapitalismus und zwar ein echtes. Ich finde den Kapitalismus nämlich klasse! Wirklich. Es ist das Modell, was einfach am meisten Sinn macht und dem menschlichen Wesen – das gerne Handel treibt und innovativ ist - gerecht wird. Ich halte insofern auch nichts von einer grundlegenden Systemkritik und einer Abschaffung des Kapitalismus, um dann scheinbar eine bessere Welt zu erzeugen.
Was ich im Grunde für das Hauptproblem innerhalb des Systems halte, sind die Emotionen der Menschen oder auch die emotionale Leere von einem Teil der Akteure. Geld fühlt nichts, ja richtig. Aber Menschen fühlen etwas. Sollte man zumindest meinen. Mit Gefühlen verbinden wir vor allem auch Mitgefühl. Doch was passiert, wenn der am Markt teilnehmende Mensch im Extremfall gar nichts fühlt? Wenn er innerlich leer und abgestumpft ist? Wenn er eben kein Mitgefühl kennt?
Geld fühlt nichts, aber, es gibt auch Menschen, die nichts fühlen. Wenn der nicht-fühlende Mensch, der mitgefühllose Mensch kein Einzelfall ist, sondern einen erheblichen Teil der Akteure ausmacht und/oder Einzelpersonen, die über erhebliche Kapitalmengen verfügen, zu dieser Kategorie zählen, dann gibt es Probleme.
Würde der mitfühlende Mensch heute in Aktien eines Rüstungskonzerns investieren, wenn er mit einer 90 % Wahrscheinlichkeit auf Grund von Marktdaten mit einer Verdreifachung seines Kapitals rechnen könnte? Es wäre zweckrational, wenn dieser Mensch sich das Geschäft nicht entgehen lassen würde. Es wäre emotional, wenn er den Gewinn sausen lassen würde.
Und wenn der mitfühlende Mensch Morgen Opas Aktien von einem Rüstungskonzern erbt, was würde er tun? Könnte er damit Leben, Anteile an einem Unternehmen zu besitzen, das Waffen herstellt, damit Menschen getötet werden können? Wahrscheinlich nicht. Opas Aktien gehören also verkauft.
Das Rüstungskonzernbeispiel ist ein deutliches Beispiel, eines von vielen möglichen. Mit der stetigen Verbesserung der Kindererziehungspraxis wird auch der Markt immer emotionaler und mitfühlender werden. Dort wo keine Gewalt gegen Kinder angewandt wurde, mussten auch keine Gefühle abgespalten werden. In dem Moment, wo der emotionale Mensch umfassende Informationen über den Markt bekommt, wird er mit höherer Wahrscheinlichkeit auch emotionaler mit diesen Informationen umgehen, als der Akteur, dessen Gefühle verschüttet wurden. Wenn der emotionale Mensch erfährt, dass ein Produkt, das er gerne kauft, z.B. für erhebliche Umweltschäden verantwortlich ist oder durch das produzierende Unternehmen Menschrechte mit Füßen getreten werden, wird er seine Kaufentscheidung wahrscheinlich ändern. Sein maximaler Nutzen wäre dann ein menschlicher, emotionaler, nämlich sich gut bzw. nicht schlecht zu fühlen mit dem, was er mit seinem Geld tut. Der Boom der ökologisch und sozial verträglich arbeitenden Unternehmen in den letzten 30 Jahren geht meiner Meinung nach zu einem großen Teil auf die Verbesserung der Kindererziehung zurück. Mitfühlende Menschen wollen sozial verträgliche und umweltschonende Produkte. Menschen ohne Gefühle ist dies egal. Der Markt wird sich in den nächsten Jahrzehnten ökologisieren und immer sozialverträglicher werden. Ebenso verändert sich die Informationsbedeutung im Wirtschaftsprozess. Die Menschen wollen immer mehr „emotionale Infos“ über Unternehmen und Produkte. Diverse Label, Medienberichte, Internetportale und Broschüren zeigen dies.
Wenn die Fortschritte im Kinderschutz und der Erziehung (und auch in der Psychotherapie, durch die Gefühle zurückerobert werden können) so weitergehen, ist diese ökonomische-emotionale Entwicklung nicht zu stoppen. Der alte neoliberale, mitleidlose Markt wird abgelöst werden, durch den emotionalen Markt. Wir befinden uns mitten in diesem Veränderungsprozess. Insofern freue ich mich schon auf die Zukunft.
Ich kann das Modell gut nachvollziehen und finde es auch nützlich, um Wirtschaftsprozesse zu erklären und zu verstehen. Worum es mir hier jetzt aber geht ist ein Lob an den Kapitalismus und zwar ein echtes. Ich finde den Kapitalismus nämlich klasse! Wirklich. Es ist das Modell, was einfach am meisten Sinn macht und dem menschlichen Wesen – das gerne Handel treibt und innovativ ist - gerecht wird. Ich halte insofern auch nichts von einer grundlegenden Systemkritik und einer Abschaffung des Kapitalismus, um dann scheinbar eine bessere Welt zu erzeugen.
Was ich im Grunde für das Hauptproblem innerhalb des Systems halte, sind die Emotionen der Menschen oder auch die emotionale Leere von einem Teil der Akteure. Geld fühlt nichts, ja richtig. Aber Menschen fühlen etwas. Sollte man zumindest meinen. Mit Gefühlen verbinden wir vor allem auch Mitgefühl. Doch was passiert, wenn der am Markt teilnehmende Mensch im Extremfall gar nichts fühlt? Wenn er innerlich leer und abgestumpft ist? Wenn er eben kein Mitgefühl kennt?
Geld fühlt nichts, aber, es gibt auch Menschen, die nichts fühlen. Wenn der nicht-fühlende Mensch, der mitgefühllose Mensch kein Einzelfall ist, sondern einen erheblichen Teil der Akteure ausmacht und/oder Einzelpersonen, die über erhebliche Kapitalmengen verfügen, zu dieser Kategorie zählen, dann gibt es Probleme.
Würde der mitfühlende Mensch heute in Aktien eines Rüstungskonzerns investieren, wenn er mit einer 90 % Wahrscheinlichkeit auf Grund von Marktdaten mit einer Verdreifachung seines Kapitals rechnen könnte? Es wäre zweckrational, wenn dieser Mensch sich das Geschäft nicht entgehen lassen würde. Es wäre emotional, wenn er den Gewinn sausen lassen würde.
Und wenn der mitfühlende Mensch Morgen Opas Aktien von einem Rüstungskonzern erbt, was würde er tun? Könnte er damit Leben, Anteile an einem Unternehmen zu besitzen, das Waffen herstellt, damit Menschen getötet werden können? Wahrscheinlich nicht. Opas Aktien gehören also verkauft.
Das Rüstungskonzernbeispiel ist ein deutliches Beispiel, eines von vielen möglichen. Mit der stetigen Verbesserung der Kindererziehungspraxis wird auch der Markt immer emotionaler und mitfühlender werden. Dort wo keine Gewalt gegen Kinder angewandt wurde, mussten auch keine Gefühle abgespalten werden. In dem Moment, wo der emotionale Mensch umfassende Informationen über den Markt bekommt, wird er mit höherer Wahrscheinlichkeit auch emotionaler mit diesen Informationen umgehen, als der Akteur, dessen Gefühle verschüttet wurden. Wenn der emotionale Mensch erfährt, dass ein Produkt, das er gerne kauft, z.B. für erhebliche Umweltschäden verantwortlich ist oder durch das produzierende Unternehmen Menschrechte mit Füßen getreten werden, wird er seine Kaufentscheidung wahrscheinlich ändern. Sein maximaler Nutzen wäre dann ein menschlicher, emotionaler, nämlich sich gut bzw. nicht schlecht zu fühlen mit dem, was er mit seinem Geld tut. Der Boom der ökologisch und sozial verträglich arbeitenden Unternehmen in den letzten 30 Jahren geht meiner Meinung nach zu einem großen Teil auf die Verbesserung der Kindererziehung zurück. Mitfühlende Menschen wollen sozial verträgliche und umweltschonende Produkte. Menschen ohne Gefühle ist dies egal. Der Markt wird sich in den nächsten Jahrzehnten ökologisieren und immer sozialverträglicher werden. Ebenso verändert sich die Informationsbedeutung im Wirtschaftsprozess. Die Menschen wollen immer mehr „emotionale Infos“ über Unternehmen und Produkte. Diverse Label, Medienberichte, Internetportale und Broschüren zeigen dies.
Wenn die Fortschritte im Kinderschutz und der Erziehung (und auch in der Psychotherapie, durch die Gefühle zurückerobert werden können) so weitergehen, ist diese ökonomische-emotionale Entwicklung nicht zu stoppen. Der alte neoliberale, mitleidlose Markt wird abgelöst werden, durch den emotionalen Markt. Wir befinden uns mitten in diesem Veränderungsprozess. Insofern freue ich mich schon auf die Zukunft.
Donnerstag, 20. Mai 2010
Eurokrise, Wirtschaftskrisen und die irrationale Angst
Die aktuellen Wirtschaftskrisen sind vor allem emotionale Krisen. Dieser Eindruck drängt sich mir immer mehr auf, wenn ich mir insbesondere die letzten 2-3 Jahre (Lebensmittelkrise, Schweinegrippe, Weltwirtschaftskrise, Bankenpleiten, Staatspleiten, Kriege, dazu monatelange Berichte über sexuellen Missbrauch und misshandelte Heimkinder) vor Augen führe.
Das Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland – mit Ausnahme einiger kleiner Ausrutscher nach unten – stetig gewachsen, was folgende Tabelle eindrücklich zeigt: http://www.pdwb.de/w_biprei.htm
Noch im Mai 2008 wurde berichtet, dass Deutschland das stärkstes Wirtschaftswachstum seit zwölf Jahren erlebt. http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/staerkstes_wirtschaftswachstum_seit_zwoelf_jahren_in_deutschland_1.743811.html#
Den Aufwärtstrend kann man sich auch hier wunderbar anschauen.
Für das Jahr 2010 sind die Prognosen zur Entwicklung des deutschen BIP durchaus positiv.
Auch von einer "Kreditklemme" kann Anfang 2010 nicht mehr die Rede sein. Der deutschen Wirtschaft drohen keine flächendeckende Probleme mit der Kreditversorgung mitten in der konjunkturellen Erholung, wie die Finacial Times Deutschland schreibt.
Ebenso sank die Zahl der Arbeitslosen zwischen 2006 und 2008 stetig und stieg dann 2009 wieder etwas (nicht in einem "krisenhaften" Ausmass) an.
„Urlaubslust statt Krisenfrust“ titelt die repräsentative 26. Deutschen Tourismusanalyse und zeigt, dass die Reiselust der Deutschen auch im Jahr 2010 ungebremst ist. Ähnliche Ergebnisse brachte eine andere Studie aus dem Jahr 2009. Demnach wollten 56 Prozent der Bundesbürger im Sommer 2009 in den Urlaub fahren. Das war nur ein Prozent weniger als im Vorjahr.
Einher mit dem stetigen Wachstum geht die Angst und die Panik und natürlich Kriege in fernen Ländern. Lloyd deMause hat auf das Phänomen „Wachstumspanik“ und „Interne-Opfer-Lösung“ hingewiesen, um das Wachstum und damit verbundene Ängste abzuschwächen. Dazu habe ich ein wenig etwas hier geschrieben. (weiter unten im Text)
Aktuell erleben wir die „EURO-Krise“. Angela Merkel – geübt darin, Angst zu verbreiten – hat in einer aktuellen Regierungserklärung am Mittwoch von einer "existenziellen Bewährungsprobe für Europa" gesprochen. "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.", warnte sie. "Die gegenwärtige Krise des Euros ist die größte Bewährungsprobe, die Europa seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahre 1957 zu bestehen hat." Wir haben ein Bedrohungsszenario und wir haben irrationale, total abgehobene politische Entscheidungen, wie mal eben 750 Mrd. Kredite zu verteilen, finanziert, richtig, natürlich durch Kreditaufnahmen...
Auch der EURO befand sich im Übrigen seit Jahren nur im Höhenflug. http://www.ross-trading.de/a/technische-chartanalysen/chartanalyse-euro.htm Seit dem Jahr 2001 erklomm die Währung einen Rekordwert nach dem anderen! Da hätten die Amerikaner mit ihrem schwachen Dollar ja im Grunde jedes Jahr Rettungsschirme für ihre Währung aufspannen müssen, aber, wie wir wissen, waren und sind sie ja etwas abgelenkt, weil sie den ein und den anderen Krieg führen…
Ist es eine existenzielle Bedrohung für uns, wenn der Euro vielleicht auf das Niveau von 2000 zurückfällt? Ging es uns damals so viel schlechter als heute? Wissen wir nicht auch aus Erfahrung, dass kurzfristige starke Kursschwankungen relativ normal sind, wenn "bad news" anstehen und in ein paar Wochen der Markt schon wieder ganz anders denken könnte, wenn neue andere Nachrichten anstehen? Und haben wir nicht auch alle in der Schule gelernt, dass eine eigene schwache Währung auch positive Effekte für den eigenen Außenhandel haben kann? Gerade auch für den Exportmeister Deutschland?
Rund drei Viertel der Ausfuhren von Waren "Made in Germany" wurden allerdings 2009 in europäische Länder geliefert. Der Anteil der Waren, die in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gingen, betrug 63%, schreibt das statistische Bundesamt. Die Importe Deutschlands kamen ebenfalls zu einem großen Teil aus Europa (71%). Ich bin kein Wirtschaftsexperte (kenne mich aber mit handfesten Wirtschaftsprozessen und der realen Wirtschaft aus, in der ich beruflich sehr aktiv bin). Aber im Ernst, wenn man diese Zahlen ließt, dann ist der EURO doch weiterhin für alle ein Segen! Kursschwankungen traktieren uns weniger, wenn wir letztlich hauptsächlich mit einer Gemeinschaftswährung handeln. Das war ja auch u.a. das Ziel von der Einführung des EURO. Warum sagt das keiner?
Warum sagt eigentlich niemand: "Sicher, wir müssen uns verbesssern, wir haben einige Probleme und Herausforderungen, aber Leute, eigentlich geht es uns doch ganz gut, wir packen das schon!" Jeder, der in der Wirtschaft zu tun hat, weiß, dass nur Motivation und Zusprache hilft, wenn es Probleme gibt. Dies ist vor allem die Aufgabe von Führungskräften. Doch wie es scheint, will die Nation sich schlecht fühlen....
Die aktuellen Krisen scheinen mir vor allem psychologische, emotionale Krisen zu sein. Kindheitserfahrungen könnten ihre Ursache sein, wie die Psychohistorie nachzuweisen versucht. Dem muss weiter nachgegangen werden.
Das Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland – mit Ausnahme einiger kleiner Ausrutscher nach unten – stetig gewachsen, was folgende Tabelle eindrücklich zeigt: http://www.pdwb.de/w_biprei.htm
Noch im Mai 2008 wurde berichtet, dass Deutschland das stärkstes Wirtschaftswachstum seit zwölf Jahren erlebt. http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/staerkstes_wirtschaftswachstum_seit_zwoelf_jahren_in_deutschland_1.743811.html#
Den Aufwärtstrend kann man sich auch hier wunderbar anschauen.
Für das Jahr 2010 sind die Prognosen zur Entwicklung des deutschen BIP durchaus positiv.
Auch von einer "Kreditklemme" kann Anfang 2010 nicht mehr die Rede sein. Der deutschen Wirtschaft drohen keine flächendeckende Probleme mit der Kreditversorgung mitten in der konjunkturellen Erholung, wie die Finacial Times Deutschland schreibt.
Ebenso sank die Zahl der Arbeitslosen zwischen 2006 und 2008 stetig und stieg dann 2009 wieder etwas (nicht in einem "krisenhaften" Ausmass) an.
„Urlaubslust statt Krisenfrust“ titelt die repräsentative 26. Deutschen Tourismusanalyse und zeigt, dass die Reiselust der Deutschen auch im Jahr 2010 ungebremst ist. Ähnliche Ergebnisse brachte eine andere Studie aus dem Jahr 2009. Demnach wollten 56 Prozent der Bundesbürger im Sommer 2009 in den Urlaub fahren. Das war nur ein Prozent weniger als im Vorjahr.
Einher mit dem stetigen Wachstum geht die Angst und die Panik und natürlich Kriege in fernen Ländern. Lloyd deMause hat auf das Phänomen „Wachstumspanik“ und „Interne-Opfer-Lösung“ hingewiesen, um das Wachstum und damit verbundene Ängste abzuschwächen. Dazu habe ich ein wenig etwas hier geschrieben. (weiter unten im Text)
Aktuell erleben wir die „EURO-Krise“. Angela Merkel – geübt darin, Angst zu verbreiten – hat in einer aktuellen Regierungserklärung am Mittwoch von einer "existenziellen Bewährungsprobe für Europa" gesprochen. "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.", warnte sie. "Die gegenwärtige Krise des Euros ist die größte Bewährungsprobe, die Europa seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahre 1957 zu bestehen hat." Wir haben ein Bedrohungsszenario und wir haben irrationale, total abgehobene politische Entscheidungen, wie mal eben 750 Mrd. Kredite zu verteilen, finanziert, richtig, natürlich durch Kreditaufnahmen...
Auch der EURO befand sich im Übrigen seit Jahren nur im Höhenflug. http://www.ross-trading.de/a/technische-chartanalysen/chartanalyse-euro.htm Seit dem Jahr 2001 erklomm die Währung einen Rekordwert nach dem anderen! Da hätten die Amerikaner mit ihrem schwachen Dollar ja im Grunde jedes Jahr Rettungsschirme für ihre Währung aufspannen müssen, aber, wie wir wissen, waren und sind sie ja etwas abgelenkt, weil sie den ein und den anderen Krieg führen…
Ist es eine existenzielle Bedrohung für uns, wenn der Euro vielleicht auf das Niveau von 2000 zurückfällt? Ging es uns damals so viel schlechter als heute? Wissen wir nicht auch aus Erfahrung, dass kurzfristige starke Kursschwankungen relativ normal sind, wenn "bad news" anstehen und in ein paar Wochen der Markt schon wieder ganz anders denken könnte, wenn neue andere Nachrichten anstehen? Und haben wir nicht auch alle in der Schule gelernt, dass eine eigene schwache Währung auch positive Effekte für den eigenen Außenhandel haben kann? Gerade auch für den Exportmeister Deutschland?
Rund drei Viertel der Ausfuhren von Waren "Made in Germany" wurden allerdings 2009 in europäische Länder geliefert. Der Anteil der Waren, die in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gingen, betrug 63%, schreibt das statistische Bundesamt. Die Importe Deutschlands kamen ebenfalls zu einem großen Teil aus Europa (71%). Ich bin kein Wirtschaftsexperte (kenne mich aber mit handfesten Wirtschaftsprozessen und der realen Wirtschaft aus, in der ich beruflich sehr aktiv bin). Aber im Ernst, wenn man diese Zahlen ließt, dann ist der EURO doch weiterhin für alle ein Segen! Kursschwankungen traktieren uns weniger, wenn wir letztlich hauptsächlich mit einer Gemeinschaftswährung handeln. Das war ja auch u.a. das Ziel von der Einführung des EURO. Warum sagt das keiner?
Warum sagt eigentlich niemand: "Sicher, wir müssen uns verbesssern, wir haben einige Probleme und Herausforderungen, aber Leute, eigentlich geht es uns doch ganz gut, wir packen das schon!" Jeder, der in der Wirtschaft zu tun hat, weiß, dass nur Motivation und Zusprache hilft, wenn es Probleme gibt. Dies ist vor allem die Aufgabe von Führungskräften. Doch wie es scheint, will die Nation sich schlecht fühlen....
Die aktuellen Krisen scheinen mir vor allem psychologische, emotionale Krisen zu sein. Kindheitserfahrungen könnten ihre Ursache sein, wie die Psychohistorie nachzuweisen versucht. Dem muss weiter nachgegangen werden.
Samstag, 15. Mai 2010
Massenvergewaltigungen und das vererbte Trauma
In der aktuellen EMMA findet sich ein interessanter Artikel (EMMA, Frühjahr 2010: „Das vererbte Trauma“, S. 92ff) über die Auswirkungen der Massenvergewaltigungen deutscher Mädchen und Frauen 1944/45 auf die nächste Generation. Im Folgeartikel (von Ingo von Münch) wird geschätzt, dass ca. 180.000 Frauen und Mädchen bei Vergewaltigungen oder deren Folgen gestorben sind. Mindestens zwei Millionen Frauen wurden allein in Deutschland vergewaltigt. Nur für die Stadt Wien liegt die Zahl der 1945 vergewaltigten Frauen zwischen 70.000 und 200.000. Ein Projekt erforschte genauere Zahlen: Im Durschnitt erlebten die untersuchten Frauen 17 mal Vergewaltigungen, eine befragte Frau erlitt dies 70 mal…
Wenn die zwei Millionen Frauen im Schnitt zwei Kinder bekommen haben, dann hätten wir mindesten 4 Millionen Menschen, die von dem Trauma mit betroffen sein könnten. Wir wirkte sich dies auf die Gesellschaft aus? Das scheint kaum erforscht zu sein, wie man dem Artikel entnehmen kann. Ich frage mich auch, wie viele Kinder auf Grund der Vergewaltigungen geboren wurden? Und wie gingen dann die Mütter damit und mit ihren Kindern (der Täter) um?
Psychologen, die sich mit dem Thema aktuell u.a. im Projekt Lebenstagesbuch mit dem Thema befassen, stellten erstaunt fest, dass sich nicht nur betroffene Frauen bei ihnen meldeten, sondern viel öfter noch deren Töchter – und manchmal auch die Söhne. „Diese schrecklichen Erlebnisse haben sie selbst sowie ihre Ehe und ihre Beziehungen zu uns Kindern zeitlebens belastet“, schreibt die Tochter einer Mutter, die auf der Flucht Opfer von russischen Soldaten wurde. Eine Schwiegertochter berichtet über ihre Schwiegermutter: „(…) Sie war ständig psychosomatisch krank, wurde tablettenabhängig, viele depressive Schübe belasteten die Partnerschaft und das familiäre Zusammenleben. Eine liebevolle Zuwendung zum Ehemann und die damit verbundene Sexualität fiel ihr sehr schwer, auch das Verhältnis zu den Kindern bestand in der Hauptsache aus der sich gehöhrenden Versorgung, aber eine innige liebvolle, über Körperkontakt zugewandte Annäherung an die beiden Kinder war ihr nur sehr schwer möglich.“
Die Folgen für die nächste Generation werden auch an Hand folgender Symptome der Kriegsgeneration deutlich: „Das Erlebnis der Vergewaltigung zieht sich durch das ganze Leben unserer Patientinnen (…) Viele der Frauen leiden bis heute unter Depressionen, Alpträumen oder sogenannten Flashbacks, also dem Wiedererleben der Tat. (…)“
Die TherapeutInnen berichten über entsprechende Probleme der Kinder der Kriegsgeneration, vor allem von Beziehungsstörungen. „Häufig können sie keine Nähe zulassen, weil sie sie zwischen den Eltern nicht erlebt haben, aber auch von der traumatisierten Mutter nicht bekommen haben. Und oft haben sie sich als Kind selbst die Schuld daran gegeben, wenn die Mutter kühl war“, schreibt eine Therapeutin. Vielen dieser Töchter würde langsam klar, dass sie das Erbe ihrer traumatisierten und zum Schweigen verdammten Mütter angetreten haben. Entsprechend häufen sich die Anfragen für therapeutische Hilfe für die zweite Generation.
Mit den Auswirkungen von Krieg auf die nächste Generation habe ich mich auch hier beschäftigt:
- Die Kriegskinder
- Die Kinder von Holocaust-Überlebenden
Wenn die zwei Millionen Frauen im Schnitt zwei Kinder bekommen haben, dann hätten wir mindesten 4 Millionen Menschen, die von dem Trauma mit betroffen sein könnten. Wir wirkte sich dies auf die Gesellschaft aus? Das scheint kaum erforscht zu sein, wie man dem Artikel entnehmen kann. Ich frage mich auch, wie viele Kinder auf Grund der Vergewaltigungen geboren wurden? Und wie gingen dann die Mütter damit und mit ihren Kindern (der Täter) um?
Psychologen, die sich mit dem Thema aktuell u.a. im Projekt Lebenstagesbuch mit dem Thema befassen, stellten erstaunt fest, dass sich nicht nur betroffene Frauen bei ihnen meldeten, sondern viel öfter noch deren Töchter – und manchmal auch die Söhne. „Diese schrecklichen Erlebnisse haben sie selbst sowie ihre Ehe und ihre Beziehungen zu uns Kindern zeitlebens belastet“, schreibt die Tochter einer Mutter, die auf der Flucht Opfer von russischen Soldaten wurde. Eine Schwiegertochter berichtet über ihre Schwiegermutter: „(…) Sie war ständig psychosomatisch krank, wurde tablettenabhängig, viele depressive Schübe belasteten die Partnerschaft und das familiäre Zusammenleben. Eine liebevolle Zuwendung zum Ehemann und die damit verbundene Sexualität fiel ihr sehr schwer, auch das Verhältnis zu den Kindern bestand in der Hauptsache aus der sich gehöhrenden Versorgung, aber eine innige liebvolle, über Körperkontakt zugewandte Annäherung an die beiden Kinder war ihr nur sehr schwer möglich.“
Die Folgen für die nächste Generation werden auch an Hand folgender Symptome der Kriegsgeneration deutlich: „Das Erlebnis der Vergewaltigung zieht sich durch das ganze Leben unserer Patientinnen (…) Viele der Frauen leiden bis heute unter Depressionen, Alpträumen oder sogenannten Flashbacks, also dem Wiedererleben der Tat. (…)“
Die TherapeutInnen berichten über entsprechende Probleme der Kinder der Kriegsgeneration, vor allem von Beziehungsstörungen. „Häufig können sie keine Nähe zulassen, weil sie sie zwischen den Eltern nicht erlebt haben, aber auch von der traumatisierten Mutter nicht bekommen haben. Und oft haben sie sich als Kind selbst die Schuld daran gegeben, wenn die Mutter kühl war“, schreibt eine Therapeutin. Vielen dieser Töchter würde langsam klar, dass sie das Erbe ihrer traumatisierten und zum Schweigen verdammten Mütter angetreten haben. Entsprechend häufen sich die Anfragen für therapeutische Hilfe für die zweite Generation.
Mit den Auswirkungen von Krieg auf die nächste Generation habe ich mich auch hier beschäftigt:
- Die Kriegskinder
- Die Kinder von Holocaust-Überlebenden
Freitag, 14. Mai 2010
Das Angstgebilde „al-Qaida“ oder "Wie baue ich mir einen Feind?"
Nach dem jüngsten gescheiterten Anschlagversuch am New Yorker Times Square, deren Drahtzieher pakistanische Taliban sein sollen, zu denen der stellvertretende Sicherheitsberater im Weißen Haus, John Brennan, feststellte „Diese Gruppe hat enge Verbindungen mit al-Qaida. Das ist etwas, was wir sehr ernstnehmen" (vgl. http://www.sueddeutsche.de/politik/574/510690/text/) und darauf der Oberbefehlshaber der internationalen Afghanistan-Truppen, US-General Stanley McChrystal, anregte, man solle nun schneller mit dem Töten von pakistanischen Taliban und al-Qaida Kämpfern in Nord-Waziristanich beginnen, muss ich etwas zum Thema „al-Qaida“ schreiben.
„Wie baue ich mir einen Feind?“ Dies scheint die zentrale Frage vor allem in den USA nach dem Zusammenbruch des Feindbildes „Ostblock“ zu sein. Dazu habe ich kürzlich einiges bzgl. des Feindbildes „Irak“ und „Saddam Hussein“ geschrieben. Nun, Saddam ist tot, hunderttausende Iraker auch…, so etwas wie „Terror“ und vor allem „al-Qaida“ bleibt als Bedrohungsszenario. (Schaut man sich beispielsweise die Daten auf wikipedia an, dann beginnen die der Terrorgruppe „al-Qaida“ zugeschriebenen Anschläge im Jahr 1993, drei Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und zwei Jahre, nach dem zweiten Golfkrieg gegen Saddam Hussein) Denn ohne „Feind“ scheint es nicht zu gehen, droht innerer Zusammenbruch.
Al-Qaida hier al-Qaida dort, ich kann es nicht mehr hören! Ich glaube nicht an das Zentralorgan „al-Qaida“, das natürlich auch einen bösen Kopf a la Osama Bin Laden braucht. „Al-Qaida, das sind viele Organisationen. (…) Am besten beschrieben ist al-Qaida heute als ein terroristisches Franchise-Unternehmen.“, schreibt die ZEIT in einem sehr guten Artikel über das Thema. Osama bin Ladens Zeit als Gründer und Manager der ersten Generation von al-Qaida sei längst abgelaufen, schreibt die ZEIT weiter. „Die zweite (Mohammed-Atta-)Generation mag von bin Laden als Geld- und Ideengeber profitiert haben. Mittlerweile aber ist die globale Mission gegen die Ungläubigen ein Selbstläufer. (…) Für die jüngste, dritte Generation von Glaubenskämpfern, die sich vor allem aus jungen arbeitslosen Nordafrikanern speist, ist »Scheich Osama« nur noch eine Inspirationsfigur. Ihnen mag er noch Impulse geben, kontrollieren kann er sie nicht. An die Stelle der alten, vertikal organisierten al-Qaida ist ein loses, horizontales Netzwerk aus Netzen getreten.“
Trotz dieser Feststellung lässt der ZEIT-Autor allerdings nicht von dem Wort „al-Qaida“ los, sondern formuliert Sätze wie „Wird al-Qaida Deutschland verschonen? Wahrscheinlich nein.“ Genauso gut hätte er auch schreiben können „Wird es Terroranschläge in Deutschland geben? Wahrscheinlich ja. Durch welche Gruppierung, durch welchen Einzeltäter, das wird sich zeigen.“
Überall auf der Welt gibt es Anschläge (die meisten davon finden dabei nicht im Westen statt, sondern in den Entwicklungsgesellschaften) und meistens wird „al-Qaida“ dahinter vermutet. Ich übersetze für mich schon länger „al-Qaida“ mit „Hass“ oder „Hasser“. „Der „Hass“/ Die „Hasser“ war/waren verantwortlich für den jüngsten Anschlag. „, das ist meine Übersetzung von Mediennachrichten, die mir mehr Sinn zu machen scheint. Die Terroristen sind Hasser, Frauenhasser, Kinderhasser, Selbsthasser, Staatshassser, Modernehasser, Fortschrittshasser. Sie sind vor allem Produkte einer Atmosphäre von Gewalt in ihren Familien, die leider in vielen muslimischen Ländern herrscht, stärker noch als im Westen. Und in der Folge dieser Erfahrungen sind es Menschen, die mit dem aktuellen modernen Fortschritt in allen Teilen der Welt überfordert sind (siehe dazu weitere Anmerkungen hier). Wenn man diesen Hassern ein Feindbild bietet, nehmen sie es nur zu gerne an. Die globalisierte Welt bringt die Ressourcen mit, durch die sich auch der Hass globalisieren kann, der sich früher vor allem auf andere Bahnen entlud (familiäre Gewalt, Frauenunterdrückung, Bürgerkriege, regionale Warlordkämpfe usw. usf.). (Die globalisierte Welt ist aber nicht die Ursache des Hasses.)
Vor allem die USA ist dabei meisterlich darin, sich zum Feindbild zu machen. Ihre ganze Außenpolitik ist seit Jahrzehnten nicht auf echte Sicherheit bedacht, sondern auf Eskalation und darauf, dass die USA als Feindbild bereit steht, für die Hassser dieser Welt. Und wir Europäer haben uns zu einem Teil mit vor den Karren spannen lassen. Wir züchten uns den Hass selbst, lenken ihn auf uns, um dann die Hasser eifrig mit unserer überlegenen Technik zu bekämpfen. Nur echte Hasser lassen sich gut bekämpfen, denn irgendwie braucht unsere Psyche schon einen oberflächlichen „guten Grund“ dafür, dass Menschen sterben sollen. Menschen, die nicht zurückschreien, nicht mit Gewalt und Hass und Drohungen antworten, sind nämlich keine guten Feinde.
Das Wort „al-Qaida“ dient im Grunde einem großen Ziel, der Verbreitung von Angst vor einem großen, realen Feind. Das ist nicht der Verdienst von Osama bin Laden, sondern dieses Angstgebilde haben wir uns in der westlichen Welt selbst aufgebaut, weil wir Angst haben wollen, weil wir die Angst vor einem äußeren Feind brauchen. Denn ohne dieses Außen, drohen die tyrannischen Eltern aus unserer Kindheit wieder in unseren Kopf zu gelangen. Doch diese sehr realen Aggressoren dürfen nicht erkannt werden, müssen verschont bleiben. Also suchen wir uns andere, die wir bestrafen können. Wäre der Afghanistankrieg mit von uns Europäern getragen worden, wenn es so etwas wie das Angstgebilde „al-Qaida“ (das angeblich alles lenkt) nicht gegeben hätte? Wohl kaum. Das Wort „al-Qaida“ sollte entsprechend gestrichen werden. Wenn man es durch „Hasser“ austauscht, wird man näher an die Ursachen kommen und weniger Feindbildgefühle auslösen. Dies würde einen rationaleren Umgang mit dem Problem Terror ermöglichen und unsinnige, unnütze Kriege in fernen Ländern erschweren.
(siehe zu dem Thema auch, wie Angela Merkel Angst verbreitet)
„Wie baue ich mir einen Feind?“ Dies scheint die zentrale Frage vor allem in den USA nach dem Zusammenbruch des Feindbildes „Ostblock“ zu sein. Dazu habe ich kürzlich einiges bzgl. des Feindbildes „Irak“ und „Saddam Hussein“ geschrieben. Nun, Saddam ist tot, hunderttausende Iraker auch…, so etwas wie „Terror“ und vor allem „al-Qaida“ bleibt als Bedrohungsszenario. (Schaut man sich beispielsweise die Daten auf wikipedia an, dann beginnen die der Terrorgruppe „al-Qaida“ zugeschriebenen Anschläge im Jahr 1993, drei Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und zwei Jahre, nach dem zweiten Golfkrieg gegen Saddam Hussein) Denn ohne „Feind“ scheint es nicht zu gehen, droht innerer Zusammenbruch.
Al-Qaida hier al-Qaida dort, ich kann es nicht mehr hören! Ich glaube nicht an das Zentralorgan „al-Qaida“, das natürlich auch einen bösen Kopf a la Osama Bin Laden braucht. „Al-Qaida, das sind viele Organisationen. (…) Am besten beschrieben ist al-Qaida heute als ein terroristisches Franchise-Unternehmen.“, schreibt die ZEIT in einem sehr guten Artikel über das Thema. Osama bin Ladens Zeit als Gründer und Manager der ersten Generation von al-Qaida sei längst abgelaufen, schreibt die ZEIT weiter. „Die zweite (Mohammed-Atta-)Generation mag von bin Laden als Geld- und Ideengeber profitiert haben. Mittlerweile aber ist die globale Mission gegen die Ungläubigen ein Selbstläufer. (…) Für die jüngste, dritte Generation von Glaubenskämpfern, die sich vor allem aus jungen arbeitslosen Nordafrikanern speist, ist »Scheich Osama« nur noch eine Inspirationsfigur. Ihnen mag er noch Impulse geben, kontrollieren kann er sie nicht. An die Stelle der alten, vertikal organisierten al-Qaida ist ein loses, horizontales Netzwerk aus Netzen getreten.“
Trotz dieser Feststellung lässt der ZEIT-Autor allerdings nicht von dem Wort „al-Qaida“ los, sondern formuliert Sätze wie „Wird al-Qaida Deutschland verschonen? Wahrscheinlich nein.“ Genauso gut hätte er auch schreiben können „Wird es Terroranschläge in Deutschland geben? Wahrscheinlich ja. Durch welche Gruppierung, durch welchen Einzeltäter, das wird sich zeigen.“
Überall auf der Welt gibt es Anschläge (die meisten davon finden dabei nicht im Westen statt, sondern in den Entwicklungsgesellschaften) und meistens wird „al-Qaida“ dahinter vermutet. Ich übersetze für mich schon länger „al-Qaida“ mit „Hass“ oder „Hasser“. „Der „Hass“/ Die „Hasser“ war/waren verantwortlich für den jüngsten Anschlag. „, das ist meine Übersetzung von Mediennachrichten, die mir mehr Sinn zu machen scheint. Die Terroristen sind Hasser, Frauenhasser, Kinderhasser, Selbsthasser, Staatshassser, Modernehasser, Fortschrittshasser. Sie sind vor allem Produkte einer Atmosphäre von Gewalt in ihren Familien, die leider in vielen muslimischen Ländern herrscht, stärker noch als im Westen. Und in der Folge dieser Erfahrungen sind es Menschen, die mit dem aktuellen modernen Fortschritt in allen Teilen der Welt überfordert sind (siehe dazu weitere Anmerkungen hier). Wenn man diesen Hassern ein Feindbild bietet, nehmen sie es nur zu gerne an. Die globalisierte Welt bringt die Ressourcen mit, durch die sich auch der Hass globalisieren kann, der sich früher vor allem auf andere Bahnen entlud (familiäre Gewalt, Frauenunterdrückung, Bürgerkriege, regionale Warlordkämpfe usw. usf.). (Die globalisierte Welt ist aber nicht die Ursache des Hasses.)
Vor allem die USA ist dabei meisterlich darin, sich zum Feindbild zu machen. Ihre ganze Außenpolitik ist seit Jahrzehnten nicht auf echte Sicherheit bedacht, sondern auf Eskalation und darauf, dass die USA als Feindbild bereit steht, für die Hassser dieser Welt. Und wir Europäer haben uns zu einem Teil mit vor den Karren spannen lassen. Wir züchten uns den Hass selbst, lenken ihn auf uns, um dann die Hasser eifrig mit unserer überlegenen Technik zu bekämpfen. Nur echte Hasser lassen sich gut bekämpfen, denn irgendwie braucht unsere Psyche schon einen oberflächlichen „guten Grund“ dafür, dass Menschen sterben sollen. Menschen, die nicht zurückschreien, nicht mit Gewalt und Hass und Drohungen antworten, sind nämlich keine guten Feinde.
Das Wort „al-Qaida“ dient im Grunde einem großen Ziel, der Verbreitung von Angst vor einem großen, realen Feind. Das ist nicht der Verdienst von Osama bin Laden, sondern dieses Angstgebilde haben wir uns in der westlichen Welt selbst aufgebaut, weil wir Angst haben wollen, weil wir die Angst vor einem äußeren Feind brauchen. Denn ohne dieses Außen, drohen die tyrannischen Eltern aus unserer Kindheit wieder in unseren Kopf zu gelangen. Doch diese sehr realen Aggressoren dürfen nicht erkannt werden, müssen verschont bleiben. Also suchen wir uns andere, die wir bestrafen können. Wäre der Afghanistankrieg mit von uns Europäern getragen worden, wenn es so etwas wie das Angstgebilde „al-Qaida“ (das angeblich alles lenkt) nicht gegeben hätte? Wohl kaum. Das Wort „al-Qaida“ sollte entsprechend gestrichen werden. Wenn man es durch „Hasser“ austauscht, wird man näher an die Ursachen kommen und weniger Feindbildgefühle auslösen. Dies würde einen rationaleren Umgang mit dem Problem Terror ermöglichen und unsinnige, unnütze Kriege in fernen Ländern erschweren.
(siehe zu dem Thema auch, wie Angela Merkel Angst verbreitet)
Freitag, 7. Mai 2010
Meinungsbild zum Afghanistaneinsatz und Kindheit
Kurz nachdem die Luftangriffe auf Afghanistan seitens der USA Anfang Oktober 2001 begannen, hielten damals knapp 80 Prozent der Deutschen diese für gerechtfertigt. Je länger sich allerdings die Luftangriffe hin zogen, desto weniger Deutsche hielten sie für einen sinnvollen Beitrag zu Bekämpfung des Terrorismus, die Relationen waren schließlich 53 zu 47.
(http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Medien/wittich.html)
„Mitte Oktober wurde in den Medien darüber spekuliert, ob Bundeswehrtruppen bei den Kampfhandlungen in Afghanistan eingesetzt würden. Zu diesem Zeitpunkt waren nur knapp 40 Prozent der deutschen Bevölkerung für einen Bundeswehreinsatz, reichlich 60 Prozent waren dagegen. Anfang März waren diese Einsätze knapp zwei Monate im Gange. Der Nachrichtenlage nach waren dort eingesetzte Bundeswehrangehörige mit Schutz- und Sicherheitsaufgaben betraut, über Verwicklungen in Kampfhandlungen wurde nichts bekannt. Entsprechend hatte sich das Meinungsbild in der deutschen Öffentlichkeit verändert. Nunmehr stimmte 58 Prozent der Deutschen den Einsätzen der Bundeswehr in Afghanistan zu und 42 Prozent lehnten sie ab.“
(http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Medien/wittich.html)
Bei einer Forsa-Umfrage im März 2002 befürwortete eine große Mehrheit von 62 Prozent den Einsatz am Hindukusch, nur knapp ein Drittel wollte damals einen Abzug der Truppen. (http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-umfrage-bundeswehr-soll-raus-aus-afghanistan-704985.html)
Im Jahr 2002 hielten nach einer Emnid Umfrage 55 Prozent der Befragten den Afghanistan Einsatz für richtig, 44 Prozent hielten ihn für falsch. (http://www.focus.de/politik/ausland/umfrage_aid_57018.html)
Eine Forsa Umfrage ergab im September 2005, dass nur knapp ein Drittel der Deutschen (34 Prozent) für einen Abzug aus Afghanistan plädierten. (http://www.welt.de/politik/deutschland/article7174424/62-Prozent-der-Deutschen-fuer-Afghanistan-Abzug.html)
Mitte 2007 lehnten nach einem blutigen Anschlag auf deutsche Soldaten in Kundus 68 Prozent der von Emnid Befragten den Einsatz ab. (http://www.focus.de/politik/ausland/umfrage_aid_57018.html)
Im September 2007 war (laut Forsa) eine Mehrheit von 52 Prozent für einen Rückzug, im September 2008 waren es 59 Prozent. Mit 61 Prozent lehnten im Juli 2009 die Deutschen den Einsatz ab. (http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-umfrage-bundeswehr-soll-raus-aus-afghanistan-704985.html)
Nach dem Bombardement auf zwei Tanklastwagen im September 2009 waren laut Forsa 55 Prozent für eine Rückkehr der deutschen Truppen. (http://www.welt.de/politik/deutschland/article7174424/62-Prozent-der-Deutschen-fuer-Afghanistan-Abzug.html)
62 Prozent der Deutschen sprechen sich in einer aktuellen Forsa-Umfrage im April 2010 für einen Abzug aus Afghanistan aus. Nach einer kürzlich veröffentlichten ARD-Blitzumfrage sind 70 Prozent für einen möglichst schnellen Rückzug der deutschen Soldaten. Nur 26 Prozent sind für eine Fortsetzung des Einsatzes- im Herbst 2009 waren das noch 37 Prozent. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,689243,00.html)
Ein Vergleich zwischen drei repräsentativen Jugendstudien (jeweils 1992, 2002 und 2005) zeigt, dass ca. 30 % (jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 29,6 % und 32 %) der Jugendlichen gewaltfrei erzogen wurden. Die große Mitte sind die „konventionell“ erzogenen, die häufig leichte körperliche Bestrafungen und andere Sanktionen erfahren haben und in deren Erziehung „weitgehend“ auf schwere körperliche Gewalt verzichtet wurde. (Zahlen jeweils in der Reihenfolge der Jahreszahlen: 36,4 %, 51,2 % und 46, 7 %). Eine gewaltbelastete Erziehung (Diese Gruppe weist bei allen Sanktionsarten – inkl. psychischer Gewalt - eine überdurchschnittlich hohe Häufigkeit auf, insbesondere auch schwere Körperstrafen.) erlebten jeweils nach Jahreszahlen 31, 8 %, 19,3 % und 21,3 %.
(vgl. Bundesministerium der Justiz (erstellt von Prof. Dr. Kai-D. Bussmann) 2007: Report über die Auswirkungen des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung. Berlin, S. 18 (http://www.bmj.de/files/-/1375/BussmannReport.pdf))
Wir haben also grob gedacht eine drei Drittel Gesellschaft, wobei es natürlich unzählige Grautöne gibt, was das Gewalterleben angeht. Und diese Drittelung wird sich je nach Geburtsjahrgang weiter verändern. Je älter die Menschen, desto verhältnismäßig mehr Gewalterfahrungen, ist hier meine These. Diese Drittelung ist mir immer wieder ins Auge gefallen, wenn es um gesellschaftliche Themen geht. Z.B. bei Alice Schwarzer, die von einer drei Drittel Mentalität bei den Männern ausgeht. „Viele Erfahrungen, Studien und Umfragen deuten zurzeit auf eine Zwei-Drittel-Männergesellschaft hin: Das erste Drittel steht der Sache der Frauen aufgeschlossen und sympathisierend gegenüber, wenn auch nicht ohne Rückfälle. Das zweite Drittel versucht, sich durchzuschlawinern. Das dritte Drittel hat verstanden und hält hart gegen. Wobei Bewusstsein und Bereitschaft zur Veränderung keineswegs immer eine Frage des Alters sind; die jungen, von emanzipierten Müttern und Schwestern geforderten Männer sind jedoch überproportional im ersten Drittel vertreten.“ (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-17540822.html)
Diese Aufteilung findet sich jetzt auch in interessanten Zahlen bzgl. des Afghanistan Einsatzes (siehe Zahlen oben). 20 Prozent hielten spontan Luftangriffe auf Afghanistan seitens der USA kurz nach dem 11. September – wo alle Emotionen für die USA schlugen - für falsch. Ich glaube, dass diese "20 Prozent" den festen Kern der modernen, gewaltfreien Erziehung in Deutschland repräsentiert. Oder wissenschaftlicher ausgedrückt: Würde man diese 20 Prozent zu ihren Kindheitserfahrungen befragen, würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine große Mehrheit der Befragten eine weitgehend gewaltfreie Erziehung und mehr noch mindestens eine besonders fürsorgliche Elternfigur angeben, davon gehe ich aus. Leider finden solche Art von Befragungen fast nie statt, insofern lässt sich dies schwer überprüfen. Diese 20 % vergrößerten sich dann im Laufe der Zeit – je nach Nachrichtenlage - langsam auf ca. 30-45 Prozent wenn es um den Einsatz der Bundeswehr ging, wie oben dargestellt. Je mehr Opfer publik wurden, desto mehr stieg auch die Ablehnung dem Einsatz gegenüber, ein Zeichen für die gewachsene Empathiefähigkeit von uns Deutschen. Stück für Stück lehnt nun auch eine Mehrheit der Deutschen den Einsatz ab. Ein fester Kern von um die 30-40 % ist immer noch für den Einsatz. In dieser Gruppe der festen 30-40 % vermute ich eine verhältnismäßig große Mehrheit von Menschen, die als Kind schwerere Formen von Gewalt erfahren haben. Auch dies gilt es zu prüfen. Wir werden sehen, ob zukünftig Studien in dieser Art auftauchen werden.
(Menschen, die dies hier lesen, die selbst Gewalt erfahren haben und schon immer gegen den Krieg waren, mögen sich bitte nicht all zu sehr über meine Gedanken ärgern. Die Gedanken beschreiben ein grobes Modell, an den Rändern gibt es immer auch andere Bewegungen und als Menschen sind wir eh zu allem fähig :-).)
Die Mitte – im Sinne wie einleitend oben beschrieben – entscheidet dabei die wesentlichen Richtungen, in die eine Gesellschaft schwenkt, so scheint es. Sie verfügt über beide Anteile, den destruktiven, der sich mit der Macht identifiziert und den konstruktiven, der diese Identifikation auflösen kann und Emphatiefähigkeit zulässt. Die gesellschaftlichen Entwicklungen und Nachrichtenlagen wirken stark auf diese Mitte. Das erste Drittel – die gewaltfrei Erzogenen – stehen grundsätzlich fester im Leben, stehen Krieg aus einem tiefen emotionalen Gefühl heraus ablehnend gegenüber. Insofern sind sie auch weniger durch äußere Einflüsse in ihrer Meinung und Sicht beeinflussbar.
All dies sind meine persönlichen Vermutungen, wie schon gesagt. Einige Zahlen und Indizien (man siehe auch viele Bereiche dieses Blogs) scheinen diese allerdings ein wenig zu bestätigen. Gezielte Studien in dieser Hinsicht wären ein Weg, Kindheitserfahrungen und politische Überzeugungen im Zusammenhang zu betrachten.
Als Schlusswort möchte ich noch loswerden, dass die Deutschen Verantwortung übernehmen müssen. Das Meinungsbild war nicht immer mehrheitlich gegen einen Einsatz der Bundeswehr. Die PolitikerInnen handelten also im Sinne des Volkes mit der Vergabe des Afghanistan Mandats. Auch jeder Wähler und jede Wählerin trägt mit eine Verantwortung dafür, dass weiterhin Menschen in Afghanistan sterben. Umso mehr freut es mich aktuell, dass eine Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile erkannt hat, dass der Einsatz von Soldaten keinen Sinn macht.
(http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Medien/wittich.html)
„Mitte Oktober wurde in den Medien darüber spekuliert, ob Bundeswehrtruppen bei den Kampfhandlungen in Afghanistan eingesetzt würden. Zu diesem Zeitpunkt waren nur knapp 40 Prozent der deutschen Bevölkerung für einen Bundeswehreinsatz, reichlich 60 Prozent waren dagegen. Anfang März waren diese Einsätze knapp zwei Monate im Gange. Der Nachrichtenlage nach waren dort eingesetzte Bundeswehrangehörige mit Schutz- und Sicherheitsaufgaben betraut, über Verwicklungen in Kampfhandlungen wurde nichts bekannt. Entsprechend hatte sich das Meinungsbild in der deutschen Öffentlichkeit verändert. Nunmehr stimmte 58 Prozent der Deutschen den Einsätzen der Bundeswehr in Afghanistan zu und 42 Prozent lehnten sie ab.“
(http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Medien/wittich.html)
Bei einer Forsa-Umfrage im März 2002 befürwortete eine große Mehrheit von 62 Prozent den Einsatz am Hindukusch, nur knapp ein Drittel wollte damals einen Abzug der Truppen. (http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-umfrage-bundeswehr-soll-raus-aus-afghanistan-704985.html)
Im Jahr 2002 hielten nach einer Emnid Umfrage 55 Prozent der Befragten den Afghanistan Einsatz für richtig, 44 Prozent hielten ihn für falsch. (http://www.focus.de/politik/ausland/umfrage_aid_57018.html)
Eine Forsa Umfrage ergab im September 2005, dass nur knapp ein Drittel der Deutschen (34 Prozent) für einen Abzug aus Afghanistan plädierten. (http://www.welt.de/politik/deutschland/article7174424/62-Prozent-der-Deutschen-fuer-Afghanistan-Abzug.html)
Mitte 2007 lehnten nach einem blutigen Anschlag auf deutsche Soldaten in Kundus 68 Prozent der von Emnid Befragten den Einsatz ab. (http://www.focus.de/politik/ausland/umfrage_aid_57018.html)
Im September 2007 war (laut Forsa) eine Mehrheit von 52 Prozent für einen Rückzug, im September 2008 waren es 59 Prozent. Mit 61 Prozent lehnten im Juli 2009 die Deutschen den Einsatz ab. (http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-umfrage-bundeswehr-soll-raus-aus-afghanistan-704985.html)
Nach dem Bombardement auf zwei Tanklastwagen im September 2009 waren laut Forsa 55 Prozent für eine Rückkehr der deutschen Truppen. (http://www.welt.de/politik/deutschland/article7174424/62-Prozent-der-Deutschen-fuer-Afghanistan-Abzug.html)
62 Prozent der Deutschen sprechen sich in einer aktuellen Forsa-Umfrage im April 2010 für einen Abzug aus Afghanistan aus. Nach einer kürzlich veröffentlichten ARD-Blitzumfrage sind 70 Prozent für einen möglichst schnellen Rückzug der deutschen Soldaten. Nur 26 Prozent sind für eine Fortsetzung des Einsatzes- im Herbst 2009 waren das noch 37 Prozent. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,689243,00.html)
Ein Vergleich zwischen drei repräsentativen Jugendstudien (jeweils 1992, 2002 und 2005) zeigt, dass ca. 30 % (jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 29,6 % und 32 %) der Jugendlichen gewaltfrei erzogen wurden. Die große Mitte sind die „konventionell“ erzogenen, die häufig leichte körperliche Bestrafungen und andere Sanktionen erfahren haben und in deren Erziehung „weitgehend“ auf schwere körperliche Gewalt verzichtet wurde. (Zahlen jeweils in der Reihenfolge der Jahreszahlen: 36,4 %, 51,2 % und 46, 7 %). Eine gewaltbelastete Erziehung (Diese Gruppe weist bei allen Sanktionsarten – inkl. psychischer Gewalt - eine überdurchschnittlich hohe Häufigkeit auf, insbesondere auch schwere Körperstrafen.) erlebten jeweils nach Jahreszahlen 31, 8 %, 19,3 % und 21,3 %.
(vgl. Bundesministerium der Justiz (erstellt von Prof. Dr. Kai-D. Bussmann) 2007: Report über die Auswirkungen des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung. Berlin, S. 18 (http://www.bmj.de/files/-/1375/BussmannReport.pdf))
Wir haben also grob gedacht eine drei Drittel Gesellschaft, wobei es natürlich unzählige Grautöne gibt, was das Gewalterleben angeht. Und diese Drittelung wird sich je nach Geburtsjahrgang weiter verändern. Je älter die Menschen, desto verhältnismäßig mehr Gewalterfahrungen, ist hier meine These. Diese Drittelung ist mir immer wieder ins Auge gefallen, wenn es um gesellschaftliche Themen geht. Z.B. bei Alice Schwarzer, die von einer drei Drittel Mentalität bei den Männern ausgeht. „Viele Erfahrungen, Studien und Umfragen deuten zurzeit auf eine Zwei-Drittel-Männergesellschaft hin: Das erste Drittel steht der Sache der Frauen aufgeschlossen und sympathisierend gegenüber, wenn auch nicht ohne Rückfälle. Das zweite Drittel versucht, sich durchzuschlawinern. Das dritte Drittel hat verstanden und hält hart gegen. Wobei Bewusstsein und Bereitschaft zur Veränderung keineswegs immer eine Frage des Alters sind; die jungen, von emanzipierten Müttern und Schwestern geforderten Männer sind jedoch überproportional im ersten Drittel vertreten.“ (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-17540822.html)
Diese Aufteilung findet sich jetzt auch in interessanten Zahlen bzgl. des Afghanistan Einsatzes (siehe Zahlen oben). 20 Prozent hielten spontan Luftangriffe auf Afghanistan seitens der USA kurz nach dem 11. September – wo alle Emotionen für die USA schlugen - für falsch. Ich glaube, dass diese "20 Prozent" den festen Kern der modernen, gewaltfreien Erziehung in Deutschland repräsentiert. Oder wissenschaftlicher ausgedrückt: Würde man diese 20 Prozent zu ihren Kindheitserfahrungen befragen, würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine große Mehrheit der Befragten eine weitgehend gewaltfreie Erziehung und mehr noch mindestens eine besonders fürsorgliche Elternfigur angeben, davon gehe ich aus. Leider finden solche Art von Befragungen fast nie statt, insofern lässt sich dies schwer überprüfen. Diese 20 % vergrößerten sich dann im Laufe der Zeit – je nach Nachrichtenlage - langsam auf ca. 30-45 Prozent wenn es um den Einsatz der Bundeswehr ging, wie oben dargestellt. Je mehr Opfer publik wurden, desto mehr stieg auch die Ablehnung dem Einsatz gegenüber, ein Zeichen für die gewachsene Empathiefähigkeit von uns Deutschen. Stück für Stück lehnt nun auch eine Mehrheit der Deutschen den Einsatz ab. Ein fester Kern von um die 30-40 % ist immer noch für den Einsatz. In dieser Gruppe der festen 30-40 % vermute ich eine verhältnismäßig große Mehrheit von Menschen, die als Kind schwerere Formen von Gewalt erfahren haben. Auch dies gilt es zu prüfen. Wir werden sehen, ob zukünftig Studien in dieser Art auftauchen werden.
(Menschen, die dies hier lesen, die selbst Gewalt erfahren haben und schon immer gegen den Krieg waren, mögen sich bitte nicht all zu sehr über meine Gedanken ärgern. Die Gedanken beschreiben ein grobes Modell, an den Rändern gibt es immer auch andere Bewegungen und als Menschen sind wir eh zu allem fähig :-).)
Die Mitte – im Sinne wie einleitend oben beschrieben – entscheidet dabei die wesentlichen Richtungen, in die eine Gesellschaft schwenkt, so scheint es. Sie verfügt über beide Anteile, den destruktiven, der sich mit der Macht identifiziert und den konstruktiven, der diese Identifikation auflösen kann und Emphatiefähigkeit zulässt. Die gesellschaftlichen Entwicklungen und Nachrichtenlagen wirken stark auf diese Mitte. Das erste Drittel – die gewaltfrei Erzogenen – stehen grundsätzlich fester im Leben, stehen Krieg aus einem tiefen emotionalen Gefühl heraus ablehnend gegenüber. Insofern sind sie auch weniger durch äußere Einflüsse in ihrer Meinung und Sicht beeinflussbar.
All dies sind meine persönlichen Vermutungen, wie schon gesagt. Einige Zahlen und Indizien (man siehe auch viele Bereiche dieses Blogs) scheinen diese allerdings ein wenig zu bestätigen. Gezielte Studien in dieser Hinsicht wären ein Weg, Kindheitserfahrungen und politische Überzeugungen im Zusammenhang zu betrachten.
Als Schlusswort möchte ich noch loswerden, dass die Deutschen Verantwortung übernehmen müssen. Das Meinungsbild war nicht immer mehrheitlich gegen einen Einsatz der Bundeswehr. Die PolitikerInnen handelten also im Sinne des Volkes mit der Vergabe des Afghanistan Mandats. Auch jeder Wähler und jede Wählerin trägt mit eine Verantwortung dafür, dass weiterhin Menschen in Afghanistan sterben. Umso mehr freut es mich aktuell, dass eine Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile erkannt hat, dass der Einsatz von Soldaten keinen Sinn macht.
Montag, 3. Mai 2010
Analyse der Regierungserklärung von Angela Merkel zum Afghanistan Krieg
Ich habe mir die Rede bzw. Regierungserklärung von Angela Merkel vom 22. April 2010 noch mal genau durchgelesen (Plenarprotokoll 17/37) und möchte hier ein kleines Experiment machen. In dem Buch „Das emotionale Leben der Nationen“ von Lloyd deMause habe ich das erste mal von seiner „Fantasieanalyse“ der Reden politischer Führer gelesen. Bei dieser Technik geht es darum, versteckte emotionale Botschaften, sowie anderes verbales und nonverbales Material aus den Reden herauszustellen. Ich fand das damals beim ersten Lesen nicht wirklich bedeutend und fand einiges auch merkwürdig. DeMause hat wichtigere Dinge geschrieben, die sich wissenschaftlich auch besser nachweisen lassen. Trotzdem will ich jetzt mal Neuland betreten und habe mir die Rede von Angela Merkel, in der sie den Krieg in Afghanistan und die Beteiligung der Bundeswehr rechtfertigte, genau angesehen und dabei versucht, die Kriterien von deMause anzuwenden. Danach dachte ich, nun, ähnliche „Fantasiewörter“ bzw. Schlagwörter könnten doch sicherlich auch im ähnlichem Stil und Ausmass bei Reden von Kriegsgegner auftauchen. Wenn dem so wäre, würde die Analyse von deMause kaum Sinn machen, da Kriegsgegner sicher nicht verdeckt emotionale Botschaften für einen Krieg in ihre Rede (unbewusst) einbringen würden. Deshalb habe ich die Reden von Jürgen Trittin und Gregor Gysi (als Vergleichspersonen) auf die gleiche Weise behandelt. Beide Reden wurden am selben Tag in der gleichen Sitzung gehalten. Meine Ergebnisse finde ich recht interessant:
Angela Merkel (CDU) in ihrer Abgabe einer Regierungserklärung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan:
Gestorben, Terror, Angst, Risiken, Gefahren, missbrauchen, schmerzhaft, missbrauchen, Gefahren, schmerzhaft, Toten, Gefecht, toten Soldaten, Bürgerkrieg, Bürgerkrieg, fürchtet, Opfer, Waffengewalt, Krieg, Gefecht, „Ich habe ihn erschossen. Er oder ich, darum ging es in diesem Fall“, Gefechts, Härte, Krieges, Kriege, Aufopferung, Waffenbrüder, Krieg, Leid, Feindeinwirkung, Leben in Afghanistan verloren, Kampf , Leben verloren, Luftschlag, Tod, Gefahr, Kampfeinsatz, missachtet, Mädchen, katastrophal, Bedrohung, Schattenseiten, Gefahren, Krieges, Terrororganisationen, Terrorangriffe, Terrorismus, Kindern, Piraten, räuberischen Attacken, Gefahr, Gefahren, Kriegen, Bedrohung, Krieges, Krieges, Chaos, Anarchie, Anschläge, Atomterrorismus, Bedrohungen, Nuklearwaffen, Bomben, gefährlich, Gefahr, Nuklearwaffen, Gewalt, Terror, Willkür, Unterdrückung, Anarchie, Chaos, Angst, getötet, Angst, Terrorismus, Leben verloren, Opfer, Terroranschlägen, Angst, verletzt, getötet, Angst, Angst.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Getöteten, verletzten, Eskalation, Aufstandsbekämpfung, Opfer, Aufstandsbekämpfung, Aufstandsbekämpfung, Aufstandsbekämpfung, Risiken, Risiken, Krieg, Hilflosigkeit, Gefährdung, Krieg, Krieges, tödlichen Gefahren, töten, Kriegsrhetorik, kriegerische Zustände, Kriegsrhetorik, Staatszerfall, Bürgerkriege, Staatszerfall.
Gregor Gysi (DIE LINKE):
Krieg, Fiasko, Krieg, Irakkrieg, kämpfen, Verletzte, Tote, sterben, Krieges, sterben, Aufschrei, Fiasko, Tod, Krieg, Gefährdung, geistig gestört, verletzten und toten , verletzten und toten, verletzten und toten, Krieges, toten, Krieg, Krieg, Terrorismus, Krieg Terrorismus, bekämpfen, Terroristen, Terroristen, Terrorismus, bekämpfen, Terrorismus, bekämpfen, Krieg, verfeindeten, Krieg, Hass, Terroristinnen und Terroristen, Krieg, Kriege, Kindersoldaten, Mädchen, Krieg, Terroristen, Atomwaffen, Atomwaffen, Atomwaffen, Irakkrieg, Krieg, kämpfen, Krieg.
Wie erwartet kommen auch in den Reden der Kriegsgegner häufig Worte wie „Krieg“, „Terror“, „töten“ bzw. „Toten“ etc. vor. Was allerdings fehlt sind die häufigen Angstwörter. Sie sprechen höchstens von „Gefährdung“ (jeweils einmal) und Trittin benutzt einmal das Wort „Gefahren“. Bei Merkel häufen sich dagegen die Angstwörter: „Gefahren“, „Gefahr“, „gefährlich“, „Bedrohung“ und „Angst“. Dazu kommt, dass sie während ihrer Rede sage und schreibe 22 mal das Wort „Sicherheit“ benutzt. Zusammen mit sehr emotionalen und starken Wörtern wie z.B. „schmerzhaft“ und „katastrophal“. Man muss nicht unbedingt diese Schlüsselwörter sammeln, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass Angela Merkel in ihrer Rede mit Angst arbeitet. Durch die Herausstellung dieser Wörter wird es aber noch etwas deutlicher. Angst vor „Gefahren“ zu schüren, um den Krieg zu rechtfertigen, scheint der rote Faden ihrer Rede zu sein. Dazu kommen Wörter, die traumatische Kindheitserfahrungen ihrer ZuhörerInnen ansprechen könnten: missbrauchen, Opfer, Mädchen, schmerzhaft, missachtet, Kindern, Leid, „(Waffen)Brüder, katastrophal, verletzt, fürchtet, Willkür, Unterdrückung usw. Auch diese starken emotionalen Ausdrücke fehlen nahezu komplett bei den Kriegsgegnern.
Es hat sich aus meiner Sicht also gelohnt, die Fantasieanalyse hier mal auszuprobieren. Ich fand es recht erkenntnisreich.
Folgender Satz fiel mir in der Rede von Angela Merkel gesondert besonders auf:
„In einem Interview, das am letzten Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist,
hat Hauptfeldwebel Daniel Seibert minutiös ein Gefecht beschrieben, in das er am 4. Juni des letzten Jahres geriet. Auf die Frage, ob er selbst in diesem Gefecht geschossen und einen Menschen getötet hat, antwortet er – ich zitiere –: Ich habe ihn erschossen. Er oder ich, darum ging es in diesem Fall.“ Indirekt aber deutlich verweist sie dann direkt in den Folgesätzen darauf, dass dem Soldaten und den Soldaten an sich Anerkennung und Respekt zu zollen seien, um dann anschließend Obama u.a. mit folgendem Satz zu zitieren: „Der Mut des Soldaten ist ruhmreich, ein Ausdruck der Aufopferung für sein Land, für die Sache und für seine Waffenbrüder.“
Ich finde es gruselig, wenn im deutschen Bundestag vom "Heldentod" deutscher Soldaten gesprochen wird, selbst wenn man sich hier indirekter Hinweise und einem Zitat bedient. Weiter kommentieren muss man diese Rede wohl nicht mehr.
Angela Merkel (CDU) in ihrer Abgabe einer Regierungserklärung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan:
Gestorben, Terror, Angst, Risiken, Gefahren, missbrauchen, schmerzhaft, missbrauchen, Gefahren, schmerzhaft, Toten, Gefecht, toten Soldaten, Bürgerkrieg, Bürgerkrieg, fürchtet, Opfer, Waffengewalt, Krieg, Gefecht, „Ich habe ihn erschossen. Er oder ich, darum ging es in diesem Fall“, Gefechts, Härte, Krieges, Kriege, Aufopferung, Waffenbrüder, Krieg, Leid, Feindeinwirkung, Leben in Afghanistan verloren, Kampf , Leben verloren, Luftschlag, Tod, Gefahr, Kampfeinsatz, missachtet, Mädchen, katastrophal, Bedrohung, Schattenseiten, Gefahren, Krieges, Terrororganisationen, Terrorangriffe, Terrorismus, Kindern, Piraten, räuberischen Attacken, Gefahr, Gefahren, Kriegen, Bedrohung, Krieges, Krieges, Chaos, Anarchie, Anschläge, Atomterrorismus, Bedrohungen, Nuklearwaffen, Bomben, gefährlich, Gefahr, Nuklearwaffen, Gewalt, Terror, Willkür, Unterdrückung, Anarchie, Chaos, Angst, getötet, Angst, Terrorismus, Leben verloren, Opfer, Terroranschlägen, Angst, verletzt, getötet, Angst, Angst.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Getöteten, verletzten, Eskalation, Aufstandsbekämpfung, Opfer, Aufstandsbekämpfung, Aufstandsbekämpfung, Aufstandsbekämpfung, Risiken, Risiken, Krieg, Hilflosigkeit, Gefährdung, Krieg, Krieges, tödlichen Gefahren, töten, Kriegsrhetorik, kriegerische Zustände, Kriegsrhetorik, Staatszerfall, Bürgerkriege, Staatszerfall.
Gregor Gysi (DIE LINKE):
Krieg, Fiasko, Krieg, Irakkrieg, kämpfen, Verletzte, Tote, sterben, Krieges, sterben, Aufschrei, Fiasko, Tod, Krieg, Gefährdung, geistig gestört, verletzten und toten , verletzten und toten, verletzten und toten, Krieges, toten, Krieg, Krieg, Terrorismus, Krieg Terrorismus, bekämpfen, Terroristen, Terroristen, Terrorismus, bekämpfen, Terrorismus, bekämpfen, Krieg, verfeindeten, Krieg, Hass, Terroristinnen und Terroristen, Krieg, Kriege, Kindersoldaten, Mädchen, Krieg, Terroristen, Atomwaffen, Atomwaffen, Atomwaffen, Irakkrieg, Krieg, kämpfen, Krieg.
Wie erwartet kommen auch in den Reden der Kriegsgegner häufig Worte wie „Krieg“, „Terror“, „töten“ bzw. „Toten“ etc. vor. Was allerdings fehlt sind die häufigen Angstwörter. Sie sprechen höchstens von „Gefährdung“ (jeweils einmal) und Trittin benutzt einmal das Wort „Gefahren“. Bei Merkel häufen sich dagegen die Angstwörter: „Gefahren“, „Gefahr“, „gefährlich“, „Bedrohung“ und „Angst“. Dazu kommt, dass sie während ihrer Rede sage und schreibe 22 mal das Wort „Sicherheit“ benutzt. Zusammen mit sehr emotionalen und starken Wörtern wie z.B. „schmerzhaft“ und „katastrophal“. Man muss nicht unbedingt diese Schlüsselwörter sammeln, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass Angela Merkel in ihrer Rede mit Angst arbeitet. Durch die Herausstellung dieser Wörter wird es aber noch etwas deutlicher. Angst vor „Gefahren“ zu schüren, um den Krieg zu rechtfertigen, scheint der rote Faden ihrer Rede zu sein. Dazu kommen Wörter, die traumatische Kindheitserfahrungen ihrer ZuhörerInnen ansprechen könnten: missbrauchen, Opfer, Mädchen, schmerzhaft, missachtet, Kindern, Leid, „(Waffen)Brüder, katastrophal, verletzt, fürchtet, Willkür, Unterdrückung usw. Auch diese starken emotionalen Ausdrücke fehlen nahezu komplett bei den Kriegsgegnern.
Es hat sich aus meiner Sicht also gelohnt, die Fantasieanalyse hier mal auszuprobieren. Ich fand es recht erkenntnisreich.
Folgender Satz fiel mir in der Rede von Angela Merkel gesondert besonders auf:
„In einem Interview, das am letzten Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen ist,
hat Hauptfeldwebel Daniel Seibert minutiös ein Gefecht beschrieben, in das er am 4. Juni des letzten Jahres geriet. Auf die Frage, ob er selbst in diesem Gefecht geschossen und einen Menschen getötet hat, antwortet er – ich zitiere –: Ich habe ihn erschossen. Er oder ich, darum ging es in diesem Fall.“ Indirekt aber deutlich verweist sie dann direkt in den Folgesätzen darauf, dass dem Soldaten und den Soldaten an sich Anerkennung und Respekt zu zollen seien, um dann anschließend Obama u.a. mit folgendem Satz zu zitieren: „Der Mut des Soldaten ist ruhmreich, ein Ausdruck der Aufopferung für sein Land, für die Sache und für seine Waffenbrüder.“
Ich finde es gruselig, wenn im deutschen Bundestag vom "Heldentod" deutscher Soldaten gesprochen wird, selbst wenn man sich hier indirekter Hinweise und einem Zitat bedient. Weiter kommentieren muss man diese Rede wohl nicht mehr.
Samstag, 24. April 2010
Der Golfkrieg als emotionale Störung
Nachfolgende Gedanken und Textauszüge ergänzen das, was ich in den letzten Beiträgen in diesem Blog geschrieben habe. Diese Dinge sollten einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, gerade auch, weil wir uns derzeit immer noch im Krieg befinden:
Ende des Jahres 1989 brach der sogenannte Ostblock endgültig zusammen. Die Welt atmete scheinbar auf, Freiheit für alle war das erreichbare Ziel.
Amerika fühlte sich allerdings nach dem Fall der Berliner Mauer schrecklich, sagt Lloyd deMause:
“ „Die Demokratie gewinnt“, schrieb The New York Times am 3. März 1990, „Das Wettrüsten ist vorbei. Die Schurken sind jetzt freundlich … der so lange begehrte Jackpot gehört jetzt Amerika. Warum also fühlt sich das nicht besser an?“ Überall tauchten Vorhersagen von Niederlagen, Konjunkturrückgang und dem Ende des amerikanischen Traums auf. Die Medien fragten sich, trotz der Tatsache des erreichten Weltfriedens und der expandierenden Wirtschaft Amerikas, warum die „Menschen unglaublich depressiv“ (The New York Times) wären. „In den vergangenen Monaten lag ein deutlicher Geruch von Zusammenbruch und Untergang über der Stadt“ (New York Post). Irgendeine Katastrophe ist im Kommen.“ (Washington Post). Ohne Feind von außen, in den man unsere Ängste projizieren hätte können, hatte Amerika nur eine Chance, die Gefühle der Depression loszuwerden: eine opferartige ökonomische Rezession herbeizuführen, die uns und unsere Familien für unseren Frieden und Wohlstand bestrafen würde. Ein Grund für die Wahl von Bush war sein oft wiederholtes Statement: „Wir müssen alle Opfer bringen.“ (deMause, 2005, S. 21)
In der Tat rutschte die amerikanische Wirtschaft 1990 in eine Rezession. “Es gab nur einen Weg, um keine längere ökonomische Rezession zur Heilung unserer nationalen Depression brauchen zu müssen: Man könnte einen Feind in Übersee erfinden, den man für unsere „Gier“ beschuldigen und dann bestrafen könnte, anstatt uns selbst zu sehr zu bestrafen.“ (ebd., S. 24)
DeMause zeigt in seinen weiteren Ausführungen, dass der zweite Golfkrieg zunächst mit medialen Bildern von Paranoia, Mord und sogar Selbstmord (unbewusst) vorbereitete wurde. Ihm fiel vor allem auch die häufige Darstellung von Kindern und Jugendlichen auf, die geopfert wurden. Kinder wurden in Magazinen und politischen Cartoons gezeigt, die erstochen, erschossen, stranguliert wurden, die auf einen elektrischen Stuhl gesetzt werden sollten und von Klippen gestoßen wurden. Diese Bilder waren derart vorherrschend, dass deMause vier Monate bevor der Irak in Kuwait einmarschierte einen Artikel veröffentlichte, in dem er eindringlich davor warnte, Amerika wäre auf dem Weg, ein neues militärisches Wagnis zu beginnen, um Menschen zu opfern.
„Wenn ein unter schweren Depressionen leidender Patient ohne Bezug zu konkreten Ereignissen in seinem jetztigen Leben eine psychiatrische Klinik aufsucht und erzählt, er hätte Selbstmordgedanken und Träume von Kindern, denen weh getan wird, vermutet der Kliniker die Diagnose eines posttraumatischen Stresssyndroms (PTSS). Das trifft vor allem dann zu, wenn – wie Amerika im Jahr 1990 – der Patient extreme Stimmungsschwankungen, häufige Panikattacken, übertriebe Zukunftsängste, manische Episoden von hektischen Geldausgaben und Kreditaufnahmen, Drogenmissbrauch, Gefühle des Realitätsverlustes und Trennung durchlebt hat. Da dies alles Symtome von PTSS sind, könnte eine der ersten Fragen des Pschiaters sein, ob der Patient Flashbacks von Kindheitstraumata erlebt hat, ob er insbesondere eindringliche Bilder von leid zufügenden Elternfiguren vor sich hat, speziell solche von grausamen oder vernachlässigenden Müttern. Sind diese Gruppenfantasien weit verbreitet – wie meistens im Vorfeld von Kriegen – ist das ein Hinweis auf eine Rückkehr zu frühen Traumata, ein Beweis dafür, dass die Nation eine Krise eines PTSS-Typs durchläuft, eine, gegen die man sich nur wehren kann, wenn man ihre Ängst Feinden aufbürdet.“ (ebd. S. 27)
DeMause zeigt nachvollziehbar und quellenbasiert auf, wie Amerika die Jahre zuvor Saddam Hussein aufgerüstet, aufgebaut und geradezu Saddams Überfall auf Kuwait (mit) provoziert hatte. (ebd., S. 29ff) Am 25. Juli als sich die Irak-Kuwait Krise zuspitzte und gar zu eskalieren drohte, kam die amerikanische Botschafterin April Glaspie nach Bagdad, um über die Krisenlage zu diskutieren. Die Iraker veröffentlichten später das Protokoll des Treffens. Zu Saddams Ankündigung, er werde evtl. Kuwait überfallen sagte sie: „Wir haben keine Meinung zu innerarabischen Konflikten, wie zu ihrem Konflikt mit Kuwait.“ (vgl. Kahn, 2005, S. 203) Dies kam einem Freibrief gleich. Auch Mansur Khan (2005) beschreibt ausführlich in seiner Doktorarbeit, wie die USA diesen Krieg provozierten und förderten. Er schreibt: „Über eine Warnung der US Regierung gegenüber dem Irak schrieben die Autoren Biswas und Murphy: „It is clear that some serious warnung to Iraq by the U.S. that an invasion of Kuwait would meet with U.S. military opposition would have deterred Hussein.“ Eine Regierung, die wirklich besorgt wäre, dass Saddam Hussein Kuwait überfallen würde, hätte wohl daher kaum darauf verzichtet, eine klare Warnung an den Irak und Saddam Hussein zu senden, da sie damit rechnen konnten, dass eine solche den Irak davon abschrecken würde, Kuwait anzugreifen. Eine solche gab es aber nicht, viel mehr könnte man ohne jegliche Übertreibung davon reden, dass die Bush Regierung statt dessen Saddam Hussein ermutigt hatte, Kuwait zu überfallen, was auch letztendlich der Fall war.“ (ebd., S. 191)
Dies sind nur einige Auszüge. Ich will und kann hier nicht alle Abläufe darstellen, dies haben auch andere schon sehr gründlich getan, wer mag kann im Internet dazu weiter recherchieren. Fest steht: Die USA wollten den Konflikt und Krieg mit dem Irak, sie wurden nicht in die Irak-Kuwait-Krise „hineingezogen“, sondern sie zogen die Fäden von Anfang an. Kahn meint, dass dies vor allem aus einem weltweiten Hegemoniestreben heraus geschah. Ich sehe dies anders.
Von Anfang an waren Kinder der emotionale Fokus des Golfkrieges. Mit Beginn des Golfkrieges verschwanden gleichzeitig die politischen Bilder in den Medien von schrecklichen amerikanischen Müttern und Kindesopfern, schreibt deMause. Dafür wurde jetzt Saddam Hussein zur „Schreckensmami“, dargestellt als Kindesmissbraucher, der gerne Kinder tötet. (deMause, 2005, S. 32ff)
Bush sprach öffentlich sogar von der „Vergewaltigung Kuwaits durch den Irak“. (vgl. Kahn, 2005, S. 227) „Aber die wahrscheinlich groteskeste Lüge, die die Bush Regierung produzierte, war eine Geschichte über irakische Greueltaten im besetzten Kuwait. Im Oktober 1990, bezeugte eine weinende Teenagerin in dem House Human Rights Caucus, daß sie Zeugin gewesen wäre, als irakische Soldaten fünfzehn Babys aus ihren Brutkästen holten, um sie dann auf dem Boden des Krankenhauses sterben zulassen. Später stellte sich im New York Times Op-Ed Teil (Januar 6, 1992) heraus dass, das Mädchen die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war, und das ihre Geschichte frei erfunden war.“ (ebd. 228) Die gleiche Geschichte wiederholte sie am 27. November 1990 vor dem UN-Sicherheitsrat. Die Brutkästengeschichte half ungemein bei der Mobilisation für die US Militäraktion. Bush erwähnte die Geschichte, so Kahn, sechs mal in einem Monat und acht mal in 44 Tagen.
„Keiner von denen, die diese Aussage hörten“, schreibt deMause zu der Brutkästengeschichte, „und keiner von den Hunderten von Reportern, welche die Geschichte schluckten, dachten daran, irgendein Detail von ihr nachzugehen, da sie die unbewussten Fantasien der Nation bestätigte. (…) wie brauchten Geschichten vom Kindesmissbrauch. Wir waren dabei, unsere Kindheitstraumata wiederaufzuführen, so wie posttraumatische Stresspatienten häufig ihren Kindern oder sich selbst Leid zufügen, damit sie sich vorübergehend von ihrer inneren Not Erleichterung verschaffen können. Wir mussten daher unsere Fantasien von schrecklichen Mamis und leidenden Kindern objektivieren, um für den Eintritt in den Krieg vorbereitet zu sein.“ (deMause, 2005, S. 32f)
Parallel fühlte sich Amerika „wiederbelebt“ durch den Krieg, man hatte wieder einen Feind, „Gut“ und „Böse“ waren wieder klar getrennt. The New Republic schrieb: „Saddam Hussein tat der Welt mit der Invasion Kuwaits einen Gefallen“. „Danke, Saddam, Wir brauchen das.“ übertitelte ein anderer Reporter seine Kolumne über die irakische Invasion. (ebd., S. 32)
Im Golfkrieg flog die Airforce 43 Tage lang pausenlose Einsätze, bis die Armee zum Einsatz kam, aber schon vor deren Einsatz war der Krieg längst entschieden. In nur drei Wochen wurde mit einer Sprengkraft bombardiert, die alle Bombardments des 2. Weltkrieg übertraf, dabei wurden ca. 250.000 Irakis getötet (vgl. Kahn, 2005, S. 308) 70 % der abgeworfenen Bomben verfehlten ihre Ziele und trafen Zivilisten. (deMause, 2005, S. 35) DeMause zitiert Ramsey Clark und geht davon aus, dass allein in den 43 Tagen ca. 500.000 Kinder umkamen. (ebd. S. 37)
Auch in der Folge des Irakkrieges starben vor allem Zivilisten (je nach Schätzung zwischen 500.000 und 1.500.000), insbesondere starben Kinder, durch Bomben oder auf Grund mangelnder Ernährung und Epedemien, die USA hatte durch ihre Angriffe gerade auch Bewässerungskanäle und Lebensmittel erzeugende Anlagen zerstört und zudem ein wirksames Embargo verhängt. Das Bayrische Landesministerium für politische Bildung schreibt: „Seit 1991 sind nach Schätzungen internationaler humanitärer Organisationen rund 1,5 Millionen Iraker, darunter über 550 000 Kinder unter fünf Jahren, den Folgen dieser Wirtschaftssanktionen zum Opfer gefallen - durch Mangelernährung und unzureichende medizinische Versorgung. Das entspricht rund sieben Prozent der irakischen Bevölkerung.“ (http://www.km.bayern.de/blz/web/irak/golfkriege.html)
Das Embargo wird als das unerbittlichste und destruktivste in der Geschichte beschrieben, die Auswirkungen waren schlimmer als die des Krieges. „Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) war 1993 auf fast das Niveau von 1960 abgesackt. Damit war fast ein Halbes Jahrhundert an ökonomischem Wachstum und Verbesserungen des Lebensstandards der irakischen Bevölkerung zu Nichte gemacht.“ (Kahn, 2005, S. 303f)
Die Stimmung in Amerika wurde durch das menschliche Blutbad allerdings wiedebelebt, so deMause. Die Popularitätswerte des Präsidenten stiegen auf 91 Prozent, die höchsten, die ein amerikanischer Machthaber jemals hatte. Die Börsenwerte schnellten in die Höhe. Leitartikel im ganzen Land gratulierten dem Präsidenten zu seinem „Sieg über das Böse“. Wir alle erinnern uns an die Bilder von heimkehrenden US-Truppen, die von Menschenmassen und Blumen empfangen und bejubelt wurden. Die Truppen hatten ihren Soll erfüllt. Bush ließ Saddam an der Macht, er ahnte offensichtlich, dass Amerika später einen zuverlässigen Feind brauchen würde. Im März 2003 begann die erneute Invasion im Irak, diesmal durch George W. Bush Junior... Laut einer Studie starben seit Beginn der militärischen Intervention im März 2003 bis zum Juli 2006 mehr als 600.000 Iraker durch direkte Gewalteinwirkung wie Bomben und Schüsse, weitere 50.000 kamen durch andere, kriegsbedingte Missstände wie Wassermangel, fehlende Elektrizität und Seuchen ums Leben. (http://www.zeit.de/online/2006/41/irak-opfer-studie, siehe auch http://www.sueddeutsche.de/politik/205/362027/text/) Ein andere Studie kommt zu dem Schluss, dass zwischen März 2003 und Juni 2006 zwischen 104.000 und 223.000 Iraker ums Leben kamen. (http://www.sueddeutsche.de/politik/704/429457/text/) Wieviele Opfer der bürgerkriegsähnlichen Zustände oder durch US-Soldaten wurden, ist den Berichten nicht zu entnehmen. Dass US-Soldaten häufig Zivilisten töten, ist u.a. einem Bericht im Focus zu entnehmen: Viele ehemalige Soldaten berichten über den Krieg im Irak. "Dutzende der Interviewten wurden Zeugen, wie ihre Kameraden irakische Zivilisten niederschossen, darunter auch Kinder (...) sie beschreiben die Gräueltaten als alltäglich – nur werden die Vorfälle in der Regel nicht gemeldet und werden auch fast nie bestraft. (...) Veteranen beschreiben in „The Nation“, dass US-Soldaten rücksichtslos um sich feuern, sobald sie das Militärgelände verlassen. Einige schossen demnach Löcher in Benzinkanister, die am Wegesrand verkauft werden, um dann Granaten in die Benzinpfützen zu werfen. Andere eröffnen das Feuer auf Kinder – unter den Augen der Iraker." (http://www.focus.de/politik/ausland/tid-6860/irak-krieg_aid_66751.html)
Deutliche Ergebnisse zeigt eine Studie amerikanischer und irakischer Gesundheitsexperten, die die Fachzeitschrift der britischen Ärzte, „The Lancet“, veröffentlichte. Demnach seien seit März 2003 bis Ende 2004 schätzungsweise 100.000 Zivilisten umgekommen sind. Die meisten Opfer seien Frauen und Kinder. Sie seien vor allem bei Luftangriffen der Amerikaner und ihrer Verbündeten umgekommen, erklärt das Team der Wissenschaftler unter der Leitung von Les Roberts von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public. (http://www.tagesspiegel.de/politik/studie-100000-tote-durch-irakkrieg/558630.html)
Es scheint in der Tat so zu sein, dass das Elend der Menschen, dass tote Kinder und eine Reduzierung von Wirtschaftskraft die eigentlichen Ergebnisse und zugleich Ziele von Kriegen sind. Wir müssen anfangen, uns mehr mit diesen Dingen auseinanderzusetzen und die „emotionalen Störungen“ der Nationen zu bearbeiten.
Der Teil aus „Das emotionale Leben der Nationen“ über den Golfkrieg ist komplett in englisch (Chapter 2--"The Gulf War as a Mental Disorder") unter http://www.psychohistory.com/htm/eln02_gulf.html zu lesen. Für alle, die obige Dinge ausführlich nachlesen möchten.
Verwendete Quellen:
deMause, L.2005: Das emotionale Leben der Nationen. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec.
Khan, M. 2005: Der zweite Golfkrieg (1990-1991): Verteidigung des Völkerrechts oder hegemoniales Bestreben? Eine Kriegsursachenforschung. Dissertation am Fachbereich der Politikwissenschaften der Universität Kassel. (https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2006051211576/1/Mansur_Diss1.pdf)
Ende des Jahres 1989 brach der sogenannte Ostblock endgültig zusammen. Die Welt atmete scheinbar auf, Freiheit für alle war das erreichbare Ziel.
Amerika fühlte sich allerdings nach dem Fall der Berliner Mauer schrecklich, sagt Lloyd deMause:
“ „Die Demokratie gewinnt“, schrieb The New York Times am 3. März 1990, „Das Wettrüsten ist vorbei. Die Schurken sind jetzt freundlich … der so lange begehrte Jackpot gehört jetzt Amerika. Warum also fühlt sich das nicht besser an?“ Überall tauchten Vorhersagen von Niederlagen, Konjunkturrückgang und dem Ende des amerikanischen Traums auf. Die Medien fragten sich, trotz der Tatsache des erreichten Weltfriedens und der expandierenden Wirtschaft Amerikas, warum die „Menschen unglaublich depressiv“ (The New York Times) wären. „In den vergangenen Monaten lag ein deutlicher Geruch von Zusammenbruch und Untergang über der Stadt“ (New York Post). Irgendeine Katastrophe ist im Kommen.“ (Washington Post). Ohne Feind von außen, in den man unsere Ängste projizieren hätte können, hatte Amerika nur eine Chance, die Gefühle der Depression loszuwerden: eine opferartige ökonomische Rezession herbeizuführen, die uns und unsere Familien für unseren Frieden und Wohlstand bestrafen würde. Ein Grund für die Wahl von Bush war sein oft wiederholtes Statement: „Wir müssen alle Opfer bringen.“ (deMause, 2005, S. 21)
In der Tat rutschte die amerikanische Wirtschaft 1990 in eine Rezession. “Es gab nur einen Weg, um keine längere ökonomische Rezession zur Heilung unserer nationalen Depression brauchen zu müssen: Man könnte einen Feind in Übersee erfinden, den man für unsere „Gier“ beschuldigen und dann bestrafen könnte, anstatt uns selbst zu sehr zu bestrafen.“ (ebd., S. 24)
DeMause zeigt in seinen weiteren Ausführungen, dass der zweite Golfkrieg zunächst mit medialen Bildern von Paranoia, Mord und sogar Selbstmord (unbewusst) vorbereitete wurde. Ihm fiel vor allem auch die häufige Darstellung von Kindern und Jugendlichen auf, die geopfert wurden. Kinder wurden in Magazinen und politischen Cartoons gezeigt, die erstochen, erschossen, stranguliert wurden, die auf einen elektrischen Stuhl gesetzt werden sollten und von Klippen gestoßen wurden. Diese Bilder waren derart vorherrschend, dass deMause vier Monate bevor der Irak in Kuwait einmarschierte einen Artikel veröffentlichte, in dem er eindringlich davor warnte, Amerika wäre auf dem Weg, ein neues militärisches Wagnis zu beginnen, um Menschen zu opfern.
„Wenn ein unter schweren Depressionen leidender Patient ohne Bezug zu konkreten Ereignissen in seinem jetztigen Leben eine psychiatrische Klinik aufsucht und erzählt, er hätte Selbstmordgedanken und Träume von Kindern, denen weh getan wird, vermutet der Kliniker die Diagnose eines posttraumatischen Stresssyndroms (PTSS). Das trifft vor allem dann zu, wenn – wie Amerika im Jahr 1990 – der Patient extreme Stimmungsschwankungen, häufige Panikattacken, übertriebe Zukunftsängste, manische Episoden von hektischen Geldausgaben und Kreditaufnahmen, Drogenmissbrauch, Gefühle des Realitätsverlustes und Trennung durchlebt hat. Da dies alles Symtome von PTSS sind, könnte eine der ersten Fragen des Pschiaters sein, ob der Patient Flashbacks von Kindheitstraumata erlebt hat, ob er insbesondere eindringliche Bilder von leid zufügenden Elternfiguren vor sich hat, speziell solche von grausamen oder vernachlässigenden Müttern. Sind diese Gruppenfantasien weit verbreitet – wie meistens im Vorfeld von Kriegen – ist das ein Hinweis auf eine Rückkehr zu frühen Traumata, ein Beweis dafür, dass die Nation eine Krise eines PTSS-Typs durchläuft, eine, gegen die man sich nur wehren kann, wenn man ihre Ängst Feinden aufbürdet.“ (ebd. S. 27)
DeMause zeigt nachvollziehbar und quellenbasiert auf, wie Amerika die Jahre zuvor Saddam Hussein aufgerüstet, aufgebaut und geradezu Saddams Überfall auf Kuwait (mit) provoziert hatte. (ebd., S. 29ff) Am 25. Juli als sich die Irak-Kuwait Krise zuspitzte und gar zu eskalieren drohte, kam die amerikanische Botschafterin April Glaspie nach Bagdad, um über die Krisenlage zu diskutieren. Die Iraker veröffentlichten später das Protokoll des Treffens. Zu Saddams Ankündigung, er werde evtl. Kuwait überfallen sagte sie: „Wir haben keine Meinung zu innerarabischen Konflikten, wie zu ihrem Konflikt mit Kuwait.“ (vgl. Kahn, 2005, S. 203) Dies kam einem Freibrief gleich. Auch Mansur Khan (2005) beschreibt ausführlich in seiner Doktorarbeit, wie die USA diesen Krieg provozierten und förderten. Er schreibt: „Über eine Warnung der US Regierung gegenüber dem Irak schrieben die Autoren Biswas und Murphy: „It is clear that some serious warnung to Iraq by the U.S. that an invasion of Kuwait would meet with U.S. military opposition would have deterred Hussein.“ Eine Regierung, die wirklich besorgt wäre, dass Saddam Hussein Kuwait überfallen würde, hätte wohl daher kaum darauf verzichtet, eine klare Warnung an den Irak und Saddam Hussein zu senden, da sie damit rechnen konnten, dass eine solche den Irak davon abschrecken würde, Kuwait anzugreifen. Eine solche gab es aber nicht, viel mehr könnte man ohne jegliche Übertreibung davon reden, dass die Bush Regierung statt dessen Saddam Hussein ermutigt hatte, Kuwait zu überfallen, was auch letztendlich der Fall war.“ (ebd., S. 191)
Dies sind nur einige Auszüge. Ich will und kann hier nicht alle Abläufe darstellen, dies haben auch andere schon sehr gründlich getan, wer mag kann im Internet dazu weiter recherchieren. Fest steht: Die USA wollten den Konflikt und Krieg mit dem Irak, sie wurden nicht in die Irak-Kuwait-Krise „hineingezogen“, sondern sie zogen die Fäden von Anfang an. Kahn meint, dass dies vor allem aus einem weltweiten Hegemoniestreben heraus geschah. Ich sehe dies anders.
Von Anfang an waren Kinder der emotionale Fokus des Golfkrieges. Mit Beginn des Golfkrieges verschwanden gleichzeitig die politischen Bilder in den Medien von schrecklichen amerikanischen Müttern und Kindesopfern, schreibt deMause. Dafür wurde jetzt Saddam Hussein zur „Schreckensmami“, dargestellt als Kindesmissbraucher, der gerne Kinder tötet. (deMause, 2005, S. 32ff)
Bush sprach öffentlich sogar von der „Vergewaltigung Kuwaits durch den Irak“. (vgl. Kahn, 2005, S. 227) „Aber die wahrscheinlich groteskeste Lüge, die die Bush Regierung produzierte, war eine Geschichte über irakische Greueltaten im besetzten Kuwait. Im Oktober 1990, bezeugte eine weinende Teenagerin in dem House Human Rights Caucus, daß sie Zeugin gewesen wäre, als irakische Soldaten fünfzehn Babys aus ihren Brutkästen holten, um sie dann auf dem Boden des Krankenhauses sterben zulassen. Später stellte sich im New York Times Op-Ed Teil (Januar 6, 1992) heraus dass, das Mädchen die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war, und das ihre Geschichte frei erfunden war.“ (ebd. 228) Die gleiche Geschichte wiederholte sie am 27. November 1990 vor dem UN-Sicherheitsrat. Die Brutkästengeschichte half ungemein bei der Mobilisation für die US Militäraktion. Bush erwähnte die Geschichte, so Kahn, sechs mal in einem Monat und acht mal in 44 Tagen.
„Keiner von denen, die diese Aussage hörten“, schreibt deMause zu der Brutkästengeschichte, „und keiner von den Hunderten von Reportern, welche die Geschichte schluckten, dachten daran, irgendein Detail von ihr nachzugehen, da sie die unbewussten Fantasien der Nation bestätigte. (…) wie brauchten Geschichten vom Kindesmissbrauch. Wir waren dabei, unsere Kindheitstraumata wiederaufzuführen, so wie posttraumatische Stresspatienten häufig ihren Kindern oder sich selbst Leid zufügen, damit sie sich vorübergehend von ihrer inneren Not Erleichterung verschaffen können. Wir mussten daher unsere Fantasien von schrecklichen Mamis und leidenden Kindern objektivieren, um für den Eintritt in den Krieg vorbereitet zu sein.“ (deMause, 2005, S. 32f)
Parallel fühlte sich Amerika „wiederbelebt“ durch den Krieg, man hatte wieder einen Feind, „Gut“ und „Böse“ waren wieder klar getrennt. The New Republic schrieb: „Saddam Hussein tat der Welt mit der Invasion Kuwaits einen Gefallen“. „Danke, Saddam, Wir brauchen das.“ übertitelte ein anderer Reporter seine Kolumne über die irakische Invasion. (ebd., S. 32)
Im Golfkrieg flog die Airforce 43 Tage lang pausenlose Einsätze, bis die Armee zum Einsatz kam, aber schon vor deren Einsatz war der Krieg längst entschieden. In nur drei Wochen wurde mit einer Sprengkraft bombardiert, die alle Bombardments des 2. Weltkrieg übertraf, dabei wurden ca. 250.000 Irakis getötet (vgl. Kahn, 2005, S. 308) 70 % der abgeworfenen Bomben verfehlten ihre Ziele und trafen Zivilisten. (deMause, 2005, S. 35) DeMause zitiert Ramsey Clark und geht davon aus, dass allein in den 43 Tagen ca. 500.000 Kinder umkamen. (ebd. S. 37)
Auch in der Folge des Irakkrieges starben vor allem Zivilisten (je nach Schätzung zwischen 500.000 und 1.500.000), insbesondere starben Kinder, durch Bomben oder auf Grund mangelnder Ernährung und Epedemien, die USA hatte durch ihre Angriffe gerade auch Bewässerungskanäle und Lebensmittel erzeugende Anlagen zerstört und zudem ein wirksames Embargo verhängt. Das Bayrische Landesministerium für politische Bildung schreibt: „Seit 1991 sind nach Schätzungen internationaler humanitärer Organisationen rund 1,5 Millionen Iraker, darunter über 550 000 Kinder unter fünf Jahren, den Folgen dieser Wirtschaftssanktionen zum Opfer gefallen - durch Mangelernährung und unzureichende medizinische Versorgung. Das entspricht rund sieben Prozent der irakischen Bevölkerung.“ (http://www.km.bayern.de/blz/web/irak/golfkriege.html)
Das Embargo wird als das unerbittlichste und destruktivste in der Geschichte beschrieben, die Auswirkungen waren schlimmer als die des Krieges. „Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) war 1993 auf fast das Niveau von 1960 abgesackt. Damit war fast ein Halbes Jahrhundert an ökonomischem Wachstum und Verbesserungen des Lebensstandards der irakischen Bevölkerung zu Nichte gemacht.“ (Kahn, 2005, S. 303f)
Die Stimmung in Amerika wurde durch das menschliche Blutbad allerdings wiedebelebt, so deMause. Die Popularitätswerte des Präsidenten stiegen auf 91 Prozent, die höchsten, die ein amerikanischer Machthaber jemals hatte. Die Börsenwerte schnellten in die Höhe. Leitartikel im ganzen Land gratulierten dem Präsidenten zu seinem „Sieg über das Böse“. Wir alle erinnern uns an die Bilder von heimkehrenden US-Truppen, die von Menschenmassen und Blumen empfangen und bejubelt wurden. Die Truppen hatten ihren Soll erfüllt. Bush ließ Saddam an der Macht, er ahnte offensichtlich, dass Amerika später einen zuverlässigen Feind brauchen würde. Im März 2003 begann die erneute Invasion im Irak, diesmal durch George W. Bush Junior... Laut einer Studie starben seit Beginn der militärischen Intervention im März 2003 bis zum Juli 2006 mehr als 600.000 Iraker durch direkte Gewalteinwirkung wie Bomben und Schüsse, weitere 50.000 kamen durch andere, kriegsbedingte Missstände wie Wassermangel, fehlende Elektrizität und Seuchen ums Leben. (http://www.zeit.de/online/2006/41/irak-opfer-studie, siehe auch http://www.sueddeutsche.de/politik/205/362027/text/) Ein andere Studie kommt zu dem Schluss, dass zwischen März 2003 und Juni 2006 zwischen 104.000 und 223.000 Iraker ums Leben kamen. (http://www.sueddeutsche.de/politik/704/429457/text/) Wieviele Opfer der bürgerkriegsähnlichen Zustände oder durch US-Soldaten wurden, ist den Berichten nicht zu entnehmen. Dass US-Soldaten häufig Zivilisten töten, ist u.a. einem Bericht im Focus zu entnehmen: Viele ehemalige Soldaten berichten über den Krieg im Irak. "Dutzende der Interviewten wurden Zeugen, wie ihre Kameraden irakische Zivilisten niederschossen, darunter auch Kinder (...) sie beschreiben die Gräueltaten als alltäglich – nur werden die Vorfälle in der Regel nicht gemeldet und werden auch fast nie bestraft. (...) Veteranen beschreiben in „The Nation“, dass US-Soldaten rücksichtslos um sich feuern, sobald sie das Militärgelände verlassen. Einige schossen demnach Löcher in Benzinkanister, die am Wegesrand verkauft werden, um dann Granaten in die Benzinpfützen zu werfen. Andere eröffnen das Feuer auf Kinder – unter den Augen der Iraker." (http://www.focus.de/politik/ausland/tid-6860/irak-krieg_aid_66751.html)
Deutliche Ergebnisse zeigt eine Studie amerikanischer und irakischer Gesundheitsexperten, die die Fachzeitschrift der britischen Ärzte, „The Lancet“, veröffentlichte. Demnach seien seit März 2003 bis Ende 2004 schätzungsweise 100.000 Zivilisten umgekommen sind. Die meisten Opfer seien Frauen und Kinder. Sie seien vor allem bei Luftangriffen der Amerikaner und ihrer Verbündeten umgekommen, erklärt das Team der Wissenschaftler unter der Leitung von Les Roberts von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public. (http://www.tagesspiegel.de/politik/studie-100000-tote-durch-irakkrieg/558630.html)
Es scheint in der Tat so zu sein, dass das Elend der Menschen, dass tote Kinder und eine Reduzierung von Wirtschaftskraft die eigentlichen Ergebnisse und zugleich Ziele von Kriegen sind. Wir müssen anfangen, uns mehr mit diesen Dingen auseinanderzusetzen und die „emotionalen Störungen“ der Nationen zu bearbeiten.
Der Teil aus „Das emotionale Leben der Nationen“ über den Golfkrieg ist komplett in englisch (Chapter 2--"The Gulf War as a Mental Disorder") unter http://www.psychohistory.com/htm/eln02_gulf.html zu lesen. Für alle, die obige Dinge ausführlich nachlesen möchten.
Verwendete Quellen:
deMause, L.2005: Das emotionale Leben der Nationen. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec.
Khan, M. 2005: Der zweite Golfkrieg (1990-1991): Verteidigung des Völkerrechts oder hegemoniales Bestreben? Eine Kriegsursachenforschung. Dissertation am Fachbereich der Politikwissenschaften der Universität Kassel. (https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2006051211576/1/Mansur_Diss1.pdf)
Freitag, 23. April 2010
Alice Miller ist gestorben
Die Kindheitsforscherin Alice Miller starb am 12. April im Alter von 87 Jahren, wie der Suhrkamp Verlag erst kürzlich mitteilte. Ihre Bücher sind Bestseller und wurden in 30 Sprachen übersetzt.
Der Tod von Alice Miller wird - so glaube ich - allerdings nicht das bewirken, was sie sich seit Jahrzehnten wünscht: Ein umfassendes gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass das, was Kindern jeden Tag millionenfach an Leid (vor allem durch ihre Eltern) zugefügt wird, sich in deren späteren Leben enorm destruktiv auswirkt und vor allem auch auf der gesellschaftlichen, politischen Bühne wiederaufgeführt wird, in Form von Krieg, Terror, politischen Konflikten usw. usf.
Die Medien hätten jetzt die Chance, das Wissen, was Miller hinterlässt, umfassend aufzubereiten, es zu diskutieren und es zu verbreiten. Gerade in der heutigen Zeit, wo Krieg durch westliche Länder wieder auflebt, sollte dies Thema sein. Ich bin nicht sicher, ob die Medienschaffenden den Mut und den Willen, vielleicht mehr noch die Emphatie dazu haben werden. Wir werden sehen.
Der Tod von Alice Miller wird - so glaube ich - allerdings nicht das bewirken, was sie sich seit Jahrzehnten wünscht: Ein umfassendes gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass das, was Kindern jeden Tag millionenfach an Leid (vor allem durch ihre Eltern) zugefügt wird, sich in deren späteren Leben enorm destruktiv auswirkt und vor allem auch auf der gesellschaftlichen, politischen Bühne wiederaufgeführt wird, in Form von Krieg, Terror, politischen Konflikten usw. usf.
Die Medien hätten jetzt die Chance, das Wissen, was Miller hinterlässt, umfassend aufzubereiten, es zu diskutieren und es zu verbreiten. Gerade in der heutigen Zeit, wo Krieg durch westliche Länder wieder auflebt, sollte dies Thema sein. Ich bin nicht sicher, ob die Medienschaffenden den Mut und den Willen, vielleicht mehr noch die Emphatie dazu haben werden. Wir werden sehen.
Donnerstag, 22. April 2010
Hat Angela Merkel Angst vor imaginären Feinden?
In ihrer heutigen Regierungserklärung zitierte Angela Merkel den früheren SPD-Verteidigungsminister Peter Struck: „Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt". Sie habe bisher keine treffendere Zusammenfassung gehört, als diesen Satz, sagte sie. "Dieses Mandat ist über jeden vernünftigen völkerrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben." (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,690503,00.html)
und die Soldaten in Afghanistan lebten in ständiger Angst um ihr Leben, "damit wir in Deutschland nicht in Angst leben müssen". (http://www.angela-merkel.de/page/102_457.htm) dies war der Schlusssatz ihrer Rede, dem sie offenbar eine besondere Bedeutung beimessen wollte.
Warum hat unsere Staatschefin Angst vor Menschen, die auf der anderen Seite der Welt leben und i.d.R. sicherlich nicht mal wissen, wo Deutschland überhaupt liegt? Nun, nachdem deutsche Truppen vor Ort sind, wissen es jetzt vielleicht ein paar Leute mehr. Angst vor einem imaginären Feind… das macht mich sehr nachdenklich, dies von Frau Merkel zu hören.
Gestern erschien in der ZEIT-Online auch ein Artikel über einen traumatisierten, deutschen Soldat.
„In Afghanistan überlebte er 2002 knapp die Explosion einer Rakete, als eine Entschärfung durch Sprengmeister misslang. Fünf Kameraden, drei Dänen und zwei Deutsche, zerfetzte die Detonation. In seinen Flashbacks, den Tagalpträumen, sieht Robert Sedlatzek-Müller immer wieder die Bilder vom Explosionsort bei Kabul. (…) Verwandte und Freunde wussten nichts von Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden. Was Sedlatzek-Müller und andere Elitesoldaten in Afghanistan machten, ahnte in Deutschland kaum einer. Brunnen bohren, Mädchenschulen aufbauen, das verbanden seine Bekannten mit der Mission am Hindukusch.“ (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/Veteranen_traumatisiert)
Es ist nur ein Nebensatz in diesem Artikel, „Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden“. Mal ehrlich, das Bild in der Öffentlichkeit von den deutschen Soldaten ist doch ein anderes. Razzien übernehmen die Amerikaner (mir all ihren schrecklichen „Nebenwirkungen“ und „Kollateralschäden“), wir Deutschen unterstützen den zivilen Aufbau, ist doch klar. Der oben zitierte Soldat spricht über das, was er in Afghanistan machte. Auch Deutsche verbreiten also Schrecken und Terror in afghanischen Dörfern. Woran erkennt man denn einen Taliban, wenn man nachts ein Haus einer Familie in irgendeinem verarmten Dorf durchsucht, Frau Merkel? Haben sie wirklich Angst vor afghanischen Familien, denken sie, dass diese die Mittel haben, in Deutschland ihren geliebten Bundestag oder andere Einrichtungen anzugreifen? Und wenn es 1-2 Terroristen aus diesem Land wirklich gelingen würde, dies zu tun, wollen sie dann die Truppen in Afghanistan aufstocken, um Rache zu nehmen? Und woran erkennen sie dann, dass ihre Rache die „Richtigen“ trifft?
Gregor Gysi warnte in der Diskussion vor einem Fiasko. "Man kann mittels Krieg Terrorismus nicht bekämpfen, man erzeugt nur neuen." und nachdem Gysi auf die mangelhafte psychologische Unterstützung von SoldatInnen hinwies rief Dr. Martin Lindner (FDP) ihm zu: "Sie brauchen auch einen (Psychiater)!" "Sie können mich ruhig als geistig gestört betrachten, aber das sagt etwas über Ihr Niveau, nicht über mein Niveau.", antwortete Gysi. (http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1310122181)
Als verrückt gilt der, der gegen Krieg ist, das durchzieht den Lauf der Geschichte und dies sagt in der Tat viel über die emotionalen Zustände in der Welt aus. Glücklicherweise werden die Menschen Stück für Stück immer emphatischer, eben weil sich die Emphatie gegenüber Kindern weiterentwickelt. Deutschland wird es irgendwann schaffen, sich auch ohne Krieg und militärische Aufrüstung sicher und ohne Angst zu fühlen, da bin ich sicher.
Gysi berichtet u.a. auch folgende Erfolgsstory des Krieges: "Die UNO berichtete, dass nach fast neun Jahren Krieg neben einigen Fortschritten Folgendes festzustellen ist: Die Zahl der Menschen, die in Afghanistan in Armut lebt, ist von 33 auf 42 Prozent gestiegen. Unterernährt sind nicht mehr 30 Prozent, sondern 39 Prozent der Afghaninnen und Afghanen. Zugang zu sanitären Einrichtungen haben nicht mehr 12 Prozent der Bevölkerung, sondern nur noch 5,2 Prozent der Bevölkerung. In Slums leben nicht mehr 2,4 Millionen, sondern 4,5 Millionen Menschen. All das belegen die Zahlen der UNO. Von den Jugendlichen sind nicht mehr nur 26 Prozent, sondern 47 Prozent arbeitslos. Mohnfelder zur Gewinnung von Rauschgift umfassen nicht mehr 131000, sondern 193000 Hektar."
Frau Merkel sollte sich übrigens mal u.a. anhören, was aktuell Daniel Ellsberg zum Afghanistan Krieg zu sagen hat. Ellsberg hatte während des Vietnam Krieges geheime Dokumente veröffentlicht, die mit dazu beitrugen, dass dieser Krieg beendet wurde. "Das beste Instrument unserer Feinde, neue Kämpfer zu rekrutieren," sei damals wie heute "die Präsenz ausländischer Truppen", sagte Ellsberg mahnend.(http://www.jungewelt.de/2010/04-01/036.php) Auch damals brachten Truppenaufstockungen immer mehr Gewalt und keine Lösung.
und die Soldaten in Afghanistan lebten in ständiger Angst um ihr Leben, "damit wir in Deutschland nicht in Angst leben müssen". (http://www.angela-merkel.de/page/102_457.htm) dies war der Schlusssatz ihrer Rede, dem sie offenbar eine besondere Bedeutung beimessen wollte.
Warum hat unsere Staatschefin Angst vor Menschen, die auf der anderen Seite der Welt leben und i.d.R. sicherlich nicht mal wissen, wo Deutschland überhaupt liegt? Nun, nachdem deutsche Truppen vor Ort sind, wissen es jetzt vielleicht ein paar Leute mehr. Angst vor einem imaginären Feind… das macht mich sehr nachdenklich, dies von Frau Merkel zu hören.
Gestern erschien in der ZEIT-Online auch ein Artikel über einen traumatisierten, deutschen Soldat.
„In Afghanistan überlebte er 2002 knapp die Explosion einer Rakete, als eine Entschärfung durch Sprengmeister misslang. Fünf Kameraden, drei Dänen und zwei Deutsche, zerfetzte die Detonation. In seinen Flashbacks, den Tagalpträumen, sieht Robert Sedlatzek-Müller immer wieder die Bilder vom Explosionsort bei Kabul. (…) Verwandte und Freunde wussten nichts von Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden. Was Sedlatzek-Müller und andere Elitesoldaten in Afghanistan machten, ahnte in Deutschland kaum einer. Brunnen bohren, Mädchenschulen aufbauen, das verbanden seine Bekannten mit der Mission am Hindukusch.“ (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/Veteranen_traumatisiert)
Es ist nur ein Nebensatz in diesem Artikel, „Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden“. Mal ehrlich, das Bild in der Öffentlichkeit von den deutschen Soldaten ist doch ein anderes. Razzien übernehmen die Amerikaner (mir all ihren schrecklichen „Nebenwirkungen“ und „Kollateralschäden“), wir Deutschen unterstützen den zivilen Aufbau, ist doch klar. Der oben zitierte Soldat spricht über das, was er in Afghanistan machte. Auch Deutsche verbreiten also Schrecken und Terror in afghanischen Dörfern. Woran erkennt man denn einen Taliban, wenn man nachts ein Haus einer Familie in irgendeinem verarmten Dorf durchsucht, Frau Merkel? Haben sie wirklich Angst vor afghanischen Familien, denken sie, dass diese die Mittel haben, in Deutschland ihren geliebten Bundestag oder andere Einrichtungen anzugreifen? Und wenn es 1-2 Terroristen aus diesem Land wirklich gelingen würde, dies zu tun, wollen sie dann die Truppen in Afghanistan aufstocken, um Rache zu nehmen? Und woran erkennen sie dann, dass ihre Rache die „Richtigen“ trifft?
Gregor Gysi warnte in der Diskussion vor einem Fiasko. "Man kann mittels Krieg Terrorismus nicht bekämpfen, man erzeugt nur neuen." und nachdem Gysi auf die mangelhafte psychologische Unterstützung von SoldatInnen hinwies rief Dr. Martin Lindner (FDP) ihm zu: "Sie brauchen auch einen (Psychiater)!" "Sie können mich ruhig als geistig gestört betrachten, aber das sagt etwas über Ihr Niveau, nicht über mein Niveau.", antwortete Gysi. (http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1310122181)
Als verrückt gilt der, der gegen Krieg ist, das durchzieht den Lauf der Geschichte und dies sagt in der Tat viel über die emotionalen Zustände in der Welt aus. Glücklicherweise werden die Menschen Stück für Stück immer emphatischer, eben weil sich die Emphatie gegenüber Kindern weiterentwickelt. Deutschland wird es irgendwann schaffen, sich auch ohne Krieg und militärische Aufrüstung sicher und ohne Angst zu fühlen, da bin ich sicher.
Gysi berichtet u.a. auch folgende Erfolgsstory des Krieges: "Die UNO berichtete, dass nach fast neun Jahren Krieg neben einigen Fortschritten Folgendes festzustellen ist: Die Zahl der Menschen, die in Afghanistan in Armut lebt, ist von 33 auf 42 Prozent gestiegen. Unterernährt sind nicht mehr 30 Prozent, sondern 39 Prozent der Afghaninnen und Afghanen. Zugang zu sanitären Einrichtungen haben nicht mehr 12 Prozent der Bevölkerung, sondern nur noch 5,2 Prozent der Bevölkerung. In Slums leben nicht mehr 2,4 Millionen, sondern 4,5 Millionen Menschen. All das belegen die Zahlen der UNO. Von den Jugendlichen sind nicht mehr nur 26 Prozent, sondern 47 Prozent arbeitslos. Mohnfelder zur Gewinnung von Rauschgift umfassen nicht mehr 131000, sondern 193000 Hektar."
Frau Merkel sollte sich übrigens mal u.a. anhören, was aktuell Daniel Ellsberg zum Afghanistan Krieg zu sagen hat. Ellsberg hatte während des Vietnam Krieges geheime Dokumente veröffentlicht, die mit dazu beitrugen, dass dieser Krieg beendet wurde. "Das beste Instrument unserer Feinde, neue Kämpfer zu rekrutieren," sei damals wie heute "die Präsenz ausländischer Truppen", sagte Ellsberg mahnend.(http://www.jungewelt.de/2010/04-01/036.php) Auch damals brachten Truppenaufstockungen immer mehr Gewalt und keine Lösung.
Mittwoch, 21. April 2010
Irakkrieg: Das Märchen vom Krieg ums Öl
„Kein Blut für Öl!“ war der Slogan, der im zweiten Golfkrieg 1990/1991 galt und der auch nach dem dritten Golfkrieg ab 2003 oft zu hören war. Die USA führten in Wahrheit Krieg gegen den Irak – so wird behauptet - , weil es im Grunde um Öl ginge. Die Benennung von zweckrationalen, ökonomischen Beweggründen für den Krieg erfreuen sich weiter Verbreitung.
Wenn es um ökonomische Gesichtspunkte geht, muss man sich zu allererst die Zahlen anschauen:
Im Jahr 2003 – dem Jahr, in dem der Krieg begann – importierte die USA insgesamt ca. 4.476.501.000 Barrel Rohöl und Ölprodukte. Nur 175.663.000 Barrel kamen dabei aus dem Irak, was einem Anteil von 3,92 % ausmacht. (http://www.eia.doe.gov/; eigene Berechnung auf Grundlage der vorliegenden Daten) Bezieht man mit ein, dass die USA 2003 auch 2.073.454.000 Barrel selbst förderten und herstellten, dann macht der Anteil der Importe aus dem Irak gegenüber der Gesamtmenge, die der USA zur Verfügung standen, gerade einmal 2,68 % aus.
Ab 2003 war der Irak von den Truppen der „Koalition der Willigen“ besetzt, Saddam wurde gestürzt. Doch was geschah in der Folge mit den Ölimporten? Folgt man der These vom Ölkrieg, müsste doch eine Ausbeutung der Ölfelder seitens der USA einsetzen. Schaut man sich die Importe zwischen 2004 und 2009 an, dann hält sich der Anteil an der Gesamtimportmenge allerdings wacker um die 4 % (wie im Jahr 2003). In den Vorjahren zwischen 1999 und 2001 lagen die Importe in absoluten Zahlen (Im Mittelwert um die 260.000.000 Barrel ) sogar etwas höher als in den Jahren nach dem Krieg. Der Irak ist und war was das ÖL angeht für die USA offensichtlich von geringerer Bedeutung.
In einem Artikel in der Zeitschrift „Internationale Politik“ vom März 2003 (http://www.dgap.org/fi/europa/transatlantische_beziehungen/publikationen/view/d2f8c9f8ceb211daa2e819156dc160fb60fb.html) wurde darauf hingewiesen, dass weltweit etwa 77,4 Millionen Barrel Rohöl pro Tag (B/T) produziert werden, davon produziert der Irak etwa 2,0 (also ca. 2,58 %) Millionen B/T. Auch diese Zahl zeigt, dass die Ölproduktion des Irak nicht eine dominierende Rolle spielt und ein Ausfall der Rohöllieferungen keine Bedrohung der Weltwirtschaft darstellen würde. Es ist ganz im Gegenteil vielmehr so, dass die ökonomische Abhängigkeit des Iraks vom Ölexport um ein Vielfaches höher ist, als die des Westens von Ölimporten aus diesem Land. Die wichtigsten Exportgüter des Iraks sind Erdöl und Erdgas. Mehr als 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus deren Ausfuhr. (http://www.wp-irak.de/index.php/wirtschaft/export) Ein Ausfuhrstopp hat fatale Folgen für den Irak, was das frühere Embargo zeigte.
Wenn der Irak 2 Mio Barrel pro Tag produziert, dann sind das im Jahr 730 Mio Barrel. Davon gingen in den letzten Jahren ca. 200 Mio Barrel pro Jahr an die USA, was einen Anteil von ca 27 % des irakischen Rohöls ausmacht. Wer ist hier also von wem abhängig?
Man kann über die USA viel sagen und schreiben, das Land ist allerdings faktisch eine Demokratie und wir leben nicht mehr im Mittelalter. Es ist klar, dass ein „Raubbeutefeldzug“ durch die USA nicht möglich wäre. Man stelle sich das Szenario vor: Die USA besetzten unter einem Vorwand den Irak, erbeuten alle Ölfelder, steigern die Produktion und liefern das Öl prompt und ohne dafür zu bezahlen als „Kriegsgewinn“ in ihr Heimatland… Dies entspricht nicht der heutigen Realität. Ein Artikel in der ZEIT-Online zeigt, wie aktuell die Regeln des Marktes gelten, wenn es um Öl im Irak geht. Bei der Versteigerung von Ausbeutungsrechten hatten die Chinesen die Nase vorn, einfach weil sie das bessere Angebot machten. „Die irakische Regierung kann es sich derzeit gar nicht leisten, die Alliierten bei Ölverträgen zu bevorzugen. Die Stimmung in der Bevölkerung ist zu antiamerikanisch.“, schreibt die ZEIT. (http://www.zeit.de/2010/12/Irak-China-USA)
Das Öl scheint also auf Grund der Faktenlage im Grunde nicht eine entscheidende Rolle in dem Konflikt zu spielen. Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat die Kosten des Irakkriegs hochgerechnet und ist auf eine Summe von 3 Billionen US-Dollar gekommen. (http://www.zeit.de/online/2008/09/stiglitz-irakkrieg-kosten?page=1) Der Ökonom stellt auch fest, dass der Irakkrieg die Ökonomie der USA eher verlangsamen werde.
Warum „investieren“ die USA 3 Billionen Dollar (Mit dieser Summe könnte man z.B. auf einen Schlag die gesamte Staatsverschuldung Deutschlands tilgen und hätte dann immer noch richtig viel Geld übrig) in einen Krieg, der ihnen keine Rendite einbringt, der die eigene Wirtschaft schwächt und das Ansehen der USA in der Welt schwer beschädigt hat (was ggf. auch wirtschaftlich negative Effekte nach sich ziehen könnte)? Diese Frage sollen mir mal all die vielen KriegsursachenforschrInnen und JournalistInnen beantworten, die Krieg als eine zweckrationale, ökonomische Handlung deuten.
Wissenschaftler skizzieren erstmals in einem detaillierten Konzept namens "Solar Grand Plan", wie die USA bis 2050 mit Solarstrom versorgt werden kann - der Bau von Mega-Sonnenkraftwerken sei keineswegs unrealistisch, schreibt SPIEGEL-Online. Dafür müssten große Landflächen mit Solarmodulen und thermischen Parabolrinnenanlagen überdeckt und eine Haupttrasse für den Transport von Gleichstrom errichtet werden. Die nötige Technologie gibt es, und sie ist anwendungsreif. Mit dem Konzept ließe sich im Jahr 2050 rund 70 Prozent des Strombedarfs und 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs einschließlich Transport- und Verkehrswesen der USA aus Solarenergie erzeugen. Um das bis 2050 zu realisieren, müsste die Regierung in den kommenden 40 Jahren 420 Milliarden US-Dollar investieren. (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,539315,00.html) Diese Summe stellt nur einen Bruchteil der Irakkriegskosten dar. Die USA hätten ihre Unabhängigkeit vom Öl rasant ausbauen können, wenn sie logisch gehandelt hätte.
Ich selbst glaube, dass man die Dinge so sehen muss, wie sie sind. Der Irakkrieg macht rational und erst recht ökonomisch keinen Sinn. Seine tieferen Gründe müssen also emotionaler Natur sein.
siehe ergänzend:
- Irakkrieg: Das Märchen vom Krieg ums Öl- Teil 2
- Der Golfkrieg als emotionale Störung
Wenn es um ökonomische Gesichtspunkte geht, muss man sich zu allererst die Zahlen anschauen:
Im Jahr 2003 – dem Jahr, in dem der Krieg begann – importierte die USA insgesamt ca. 4.476.501.000 Barrel Rohöl und Ölprodukte. Nur 175.663.000 Barrel kamen dabei aus dem Irak, was einem Anteil von 3,92 % ausmacht. (http://www.eia.doe.gov/; eigene Berechnung auf Grundlage der vorliegenden Daten) Bezieht man mit ein, dass die USA 2003 auch 2.073.454.000 Barrel selbst förderten und herstellten, dann macht der Anteil der Importe aus dem Irak gegenüber der Gesamtmenge, die der USA zur Verfügung standen, gerade einmal 2,68 % aus.
Ab 2003 war der Irak von den Truppen der „Koalition der Willigen“ besetzt, Saddam wurde gestürzt. Doch was geschah in der Folge mit den Ölimporten? Folgt man der These vom Ölkrieg, müsste doch eine Ausbeutung der Ölfelder seitens der USA einsetzen. Schaut man sich die Importe zwischen 2004 und 2009 an, dann hält sich der Anteil an der Gesamtimportmenge allerdings wacker um die 4 % (wie im Jahr 2003). In den Vorjahren zwischen 1999 und 2001 lagen die Importe in absoluten Zahlen (Im Mittelwert um die 260.000.000 Barrel ) sogar etwas höher als in den Jahren nach dem Krieg. Der Irak ist und war was das ÖL angeht für die USA offensichtlich von geringerer Bedeutung.
In einem Artikel in der Zeitschrift „Internationale Politik“ vom März 2003 (http://www.dgap.org/fi/europa/transatlantische_beziehungen/publikationen/view/d2f8c9f8ceb211daa2e819156dc160fb60fb.html) wurde darauf hingewiesen, dass weltweit etwa 77,4 Millionen Barrel Rohöl pro Tag (B/T) produziert werden, davon produziert der Irak etwa 2,0 (also ca. 2,58 %) Millionen B/T. Auch diese Zahl zeigt, dass die Ölproduktion des Irak nicht eine dominierende Rolle spielt und ein Ausfall der Rohöllieferungen keine Bedrohung der Weltwirtschaft darstellen würde. Es ist ganz im Gegenteil vielmehr so, dass die ökonomische Abhängigkeit des Iraks vom Ölexport um ein Vielfaches höher ist, als die des Westens von Ölimporten aus diesem Land. Die wichtigsten Exportgüter des Iraks sind Erdöl und Erdgas. Mehr als 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus deren Ausfuhr. (http://www.wp-irak.de/index.php/wirtschaft/export) Ein Ausfuhrstopp hat fatale Folgen für den Irak, was das frühere Embargo zeigte.
Wenn der Irak 2 Mio Barrel pro Tag produziert, dann sind das im Jahr 730 Mio Barrel. Davon gingen in den letzten Jahren ca. 200 Mio Barrel pro Jahr an die USA, was einen Anteil von ca 27 % des irakischen Rohöls ausmacht. Wer ist hier also von wem abhängig?
Man kann über die USA viel sagen und schreiben, das Land ist allerdings faktisch eine Demokratie und wir leben nicht mehr im Mittelalter. Es ist klar, dass ein „Raubbeutefeldzug“ durch die USA nicht möglich wäre. Man stelle sich das Szenario vor: Die USA besetzten unter einem Vorwand den Irak, erbeuten alle Ölfelder, steigern die Produktion und liefern das Öl prompt und ohne dafür zu bezahlen als „Kriegsgewinn“ in ihr Heimatland… Dies entspricht nicht der heutigen Realität. Ein Artikel in der ZEIT-Online zeigt, wie aktuell die Regeln des Marktes gelten, wenn es um Öl im Irak geht. Bei der Versteigerung von Ausbeutungsrechten hatten die Chinesen die Nase vorn, einfach weil sie das bessere Angebot machten. „Die irakische Regierung kann es sich derzeit gar nicht leisten, die Alliierten bei Ölverträgen zu bevorzugen. Die Stimmung in der Bevölkerung ist zu antiamerikanisch.“, schreibt die ZEIT. (http://www.zeit.de/2010/12/Irak-China-USA)
Das Öl scheint also auf Grund der Faktenlage im Grunde nicht eine entscheidende Rolle in dem Konflikt zu spielen. Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat die Kosten des Irakkriegs hochgerechnet und ist auf eine Summe von 3 Billionen US-Dollar gekommen. (http://www.zeit.de/online/2008/09/stiglitz-irakkrieg-kosten?page=1) Der Ökonom stellt auch fest, dass der Irakkrieg die Ökonomie der USA eher verlangsamen werde.
Warum „investieren“ die USA 3 Billionen Dollar (Mit dieser Summe könnte man z.B. auf einen Schlag die gesamte Staatsverschuldung Deutschlands tilgen und hätte dann immer noch richtig viel Geld übrig) in einen Krieg, der ihnen keine Rendite einbringt, der die eigene Wirtschaft schwächt und das Ansehen der USA in der Welt schwer beschädigt hat (was ggf. auch wirtschaftlich negative Effekte nach sich ziehen könnte)? Diese Frage sollen mir mal all die vielen KriegsursachenforschrInnen und JournalistInnen beantworten, die Krieg als eine zweckrationale, ökonomische Handlung deuten.
Wissenschaftler skizzieren erstmals in einem detaillierten Konzept namens "Solar Grand Plan", wie die USA bis 2050 mit Solarstrom versorgt werden kann - der Bau von Mega-Sonnenkraftwerken sei keineswegs unrealistisch, schreibt SPIEGEL-Online. Dafür müssten große Landflächen mit Solarmodulen und thermischen Parabolrinnenanlagen überdeckt und eine Haupttrasse für den Transport von Gleichstrom errichtet werden. Die nötige Technologie gibt es, und sie ist anwendungsreif. Mit dem Konzept ließe sich im Jahr 2050 rund 70 Prozent des Strombedarfs und 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs einschließlich Transport- und Verkehrswesen der USA aus Solarenergie erzeugen. Um das bis 2050 zu realisieren, müsste die Regierung in den kommenden 40 Jahren 420 Milliarden US-Dollar investieren. (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,539315,00.html) Diese Summe stellt nur einen Bruchteil der Irakkriegskosten dar. Die USA hätten ihre Unabhängigkeit vom Öl rasant ausbauen können, wenn sie logisch gehandelt hätte.
Ich selbst glaube, dass man die Dinge so sehen muss, wie sie sind. Der Irakkrieg macht rational und erst recht ökonomisch keinen Sinn. Seine tieferen Gründe müssen also emotionaler Natur sein.
siehe ergänzend:
- Irakkrieg: Das Märchen vom Krieg ums Öl- Teil 2
- Der Golfkrieg als emotionale Störung
Freitag, 9. April 2010
Afghanistan-Krieg. Das Märchen von den ökonomischen Ursachen
Mein aktueller Beitrag zum Töten von Zivilisten hat mich noch mal motiviert, etwas zum Afghanistan-Krieg zu schreiben.
Die Nato hat selbsterklärt militärisch in Afghanistan interveniert, weil al-Qaida von dort aus die Attentate des 11. September plante. Dieser offizielle Kriegsgrund ist derart absurd und geradezu peinlich, dass es erstaunlich ist, wie offen er genannt wurde. Um es mal überspitzt zu formulieren: Die Nato hätte sich dann ja auch in Hamburg-Harburg - einem sozialen Brennpunkt - etwas in die Stadtteilpolitik einmischen müssen – Bomben über Harburg wären gegenüber einem Verbündeten ja nicht angemessen - , wohnte und plante doch der Attentäter Mohammed Atta von dort aus… Realistischer: Die Welt ist ziemlich groß, überall gibt es Orte, wo kaum Kontrolle und Demokratie herrscht. Al-Qaida wird den Terror planen und durchführen, wenn nicht aus Afghanistan, dann halt aus einem anderen Ort heraus (derzeit wohl vor allem aus Pakistan). Einen souveränen Staat - mit derzeit 100.000 Soldaten -zu besetzen, weil eine relativ kleine Gruppe (aktuell wurde vom US Geheimdienst geschätzt, dass derzeit noch ca. 100 al-Qaida Kämpfer in Afghanistan sind, abcnews) aus diesem heraus Terror plante, das kann man sich gar nicht ausdenken, so etwas passiert nur in der Realität. Wohlgemerkt: Al-Qaida verfügt ja nicht über Langstreckenraketen oder ähnliches, mit denen die USA aus Afghanistan beschossen wurde. Sie bauten dort auch keine Armee auf, mit der sie die USA besetzen wollten. (beides hätte allerdings auch keine unmittelbare Gefahr für die USA dargestellt, liegt Afghanistan doch am anderen Ende der Welt) Rein die Planung und Organisation fand dort statt (wird uns zumindest gesagt). Selbst die Ausbildung für die Terroranschläge vom 11. September fand ja im Grunde in westlichen Ländern statt, in Form von Pilotenlehrgängen… Vergessen wir das also mit al-Qaida als Kriegsgrund, dummes Zeug.
Die meisten Diskussionen sind davon bestimmt und viele würden wohl der These zustimmen, dass die „geheimen“ Ursachen des Afghanistan Krieges militärstrategischer und mehr noch wirtschaftlicher Natur sind. Es ginge um Ressourcen und Märkte, vor allem um Pipelines, Öl und Erdgas. Auf Grund der geographischen Lage sei es vor allem für die USA zudem wichtig, militärisch vor Ort präsent zu sein. Manch einer schreibt gar, es ginge um die Sicherung des Opium-Anbaus, weil West-Menschen ja gerne mal was nehmen…?! Das klingt grundsätzlich erst mal logisch, also die ersten beiden Punkte. Geld verdienen wollen ist ja auch nichts Schlechtes.
Grundinfo: Das Pentagon bezifferte die Ausgaben speziell zum Afghanistan-Einsatz der US-Armee auf 78,1 Milliarden Dollar – für sechs Jahre Krieg seit 2001. (vgl. stern.de, 12.10.2007, Einsatzkosten Afghanistan "Dingos, Drohnen und Auslandszulagen") – Stand 2007.
Im US-amerikanischen Etat für das Jahr 2010 sind schon alleine 65 Milliarden Dollar für Afghanistan eingeplant, im Etatjahr 2009 waren es 47 Milliarden Dollar für den Afghanistankrieg. (diepresse.com,08.05.2009, „US-Militärkosten: Afghanistan erstmals teurer als Irak“)
(Und Deutschland wird für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr alleine im Jahr 2010 voraussichtlich 785 Millionen Euro ausgeben. (DIE ZEIT, 25.11.2009, „Kosten für Afghanistan-Einsatz steigen enorm an“) )
Ich gehe an solche Sachen mit einem ganz einfachen Gedanken heran. 78,1 Milliarden für 2001-2007, 2008 habe ich nicht gefunden, schätze also mal auf Grund der Zahl 2009 auf ca. 30 Milliarden, plus 2009 47 Mrd. + 2010 65 Mrd. = 220 Milliarden US Dollar für den Krieg. Dazu kommen die Milliarden der amerikanischen Verbündeten.
Das afghanische Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt (Stand 2008) beträgt 758 US-Dollar, zudem ist das Land für seine Korruptionsstruktur bekannt.
Wenn ich US-Präsident wäre, der mit allen möglichen Leuten aus der Ölindustrie verbandelt ist usw., wenn ich Hunger nach Geld hätte und zudem ein wenig kriminelle Energie, ich würde ein paar Milliarden nehmen (aber nicht annähernd 220 Mrd.) und die wichtigen Leute in Afghanistan „schmieren“ …äh beschenken. Man, mit so viel Geld könnte ich jeden Warlord kaufen und meinen Freund nennen. (Schmiergeldzahlungen im Ausland waren bis vor gar nicht all zu langer Zeit zumindest in Deutschland sogar steuerlich absetzbar. Könnte man ohne diese doch in vielen Ländern nicht wirtschaftlich aktiv sein...) Und dann würde ich Handel treiben, Pipelines bauen usw. Ich würde viel Geld verdienen, die Afghanen würden viel Geld verdienen, wir hätten keinen Krieg, keiner meiner Leute müsste sterben, wenn mir jemand mit meiner Pipeline Probleme macht, rufe ich meine Freunde die Warlords an, meine nächste Wiederwahl wäre nicht bedroht, weil ich mein Land durch einen Krieg ruiniere, alles wäre ganz toll. Zu Hause würde ich Dollarnoten rauchen und mit den Ölbossen essen gehen.
Afghanistan hat ca. 25 Millionen Einwohner. Wenn ich denn unbedingt 220 Mrd. ausgeben möchte, hätte ich natürlich auch jeden einzelnen Afghanen mit 8.800 US-Dollar beschenken können. Das entspräche dem 11-12fachen Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt. Ich glaube, dann hätte ich 25 Millionen Freunde.
Aber was machte George W. Bush und was führt Obama fort? Sie führen Krieg, töten Menschen, verbreiten Chaos und Schrecken, bomben das Land in die Steinzeit, ruinieren ihren demokratischen Ruf und ihre Wirtschaft, schaffen einen Konfliktherd in Afghanistan, wie er vor der Invasion nicht bestand und sie werden so wohl nie Geld mit Öl vor Ort machen, weil jetzt alles noch viel unsicherer ist und sein wird. Die beteiligten westlichen Länder sind aktuell auf dem besten Wege, sich 25 Millionen Feinde zu machen. Sehr schlechte Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg....
Meine Gedanken scheinen sehr simpel, vielleicht ist dies dem ein oder anderen zu naiv, drum herum mag es noch viel dafür oder dagegen zu sagen geben. Der Kern des Ganzen, das Offensichtliche scheint mir allerdings wirklich simpel. Der Einsatz macht rational einfach keinen Sinn, seine tieferen Ursachen müssen also emotionaler Natur sein!
Man könnte jetzt auf den Gedanken kommen, dass die politischen Entscheidungsträger einfach dumm sind, wenn sie dergleichen destruktive, undurchdachte Feldzüge starten, die ihnen ein großes Minus einbringen. Das glaube ich allerdings nicht. Diese Leute sind relativ intelligent. Doch wenn es um Krieg geht, schaltet der Verstand offensichtlich ab. Auch die amerikanischen Soldaten, die ein Dutzend Zivilisten töteten (siehe vorherigen Beitrag), obwohl diese offensichtlich keine Gefahr waren, dachten nicht nach. Sie wollten einfach töten, Punkt. Genauso scheint es auch im Großen zu sein. Die PolitikerInnen wollen Afghanen töten, sie brauchen ein Feindbild, deshalb sind die Truppen vor Ort. Und die PolikerInnen werden dabei eifrig vom Volk gestützt, aus dem die SoldatenInnen und WählerInnen stammen.
Niemand würde dies in eine Kamera sagen, die meisten denken wohl wirklich, sie handeln, um Mädchenschulen in Afghanistan zu gründen und freie Wahlen zu ermöglichen. Der Wunsch zu töten und einen Feind zu haben ist sicherlich auch innerlich sehr verdeckt, aber er ist da. Ich glaube den PolitikernInnen sogar ein wenig, dass sie erschüttert sind, wenn Zivilisten starben. Wer schon mal mit psychisch Kranken zu tun hatte, wird es vielleicht kennen. Diese Menschen laufen immer wieder in die gleiche Sackgasse, treten in die gleichen Fettnäpfchen, immer und immer wieder. Sie suchen sich wieder einen Partner, der sie schlägt, sie bringen sich wieder in Situationen, die ihr Leben in einen Alptraum verwandeln, Glück wird unmöglich, weil sie wirklich alles tun, damit ihr Leben eine Katastrophe wird. Trotzdem leiden sie darunter, wollen es anders, können rational Ziele formulieren, wie es anders gehen könnte, schaffen es aber nicht ohne fremde Hilfe und Therapie. Auch Kriege sind Wünsche, sie sind gewollt, trotzdem der Verstand immer wieder sagt: "Nein, das wollen wir nicht." Trotzdem tun wir alles, um in einen Krieg zu geraten. Warum dies so ist, das ist Thema dieses Blogs.
Ich verweise an dieser Stelle auf einige Beiträge:
„Lösungen für Afghanistan“
„Die Irrationalität des Krieges“
Oder ergänzend auch „Nahostkonflikt: Krieg in Gaza – eine Ursachensuche“
"Kindheit von George W. Bush"
"Barack Obama, Friedensnobelpreis & imaginäre Feinde"
Die Nato hat selbsterklärt militärisch in Afghanistan interveniert, weil al-Qaida von dort aus die Attentate des 11. September plante. Dieser offizielle Kriegsgrund ist derart absurd und geradezu peinlich, dass es erstaunlich ist, wie offen er genannt wurde. Um es mal überspitzt zu formulieren: Die Nato hätte sich dann ja auch in Hamburg-Harburg - einem sozialen Brennpunkt - etwas in die Stadtteilpolitik einmischen müssen – Bomben über Harburg wären gegenüber einem Verbündeten ja nicht angemessen - , wohnte und plante doch der Attentäter Mohammed Atta von dort aus… Realistischer: Die Welt ist ziemlich groß, überall gibt es Orte, wo kaum Kontrolle und Demokratie herrscht. Al-Qaida wird den Terror planen und durchführen, wenn nicht aus Afghanistan, dann halt aus einem anderen Ort heraus (derzeit wohl vor allem aus Pakistan). Einen souveränen Staat - mit derzeit 100.000 Soldaten -zu besetzen, weil eine relativ kleine Gruppe (aktuell wurde vom US Geheimdienst geschätzt, dass derzeit noch ca. 100 al-Qaida Kämpfer in Afghanistan sind, abcnews) aus diesem heraus Terror plante, das kann man sich gar nicht ausdenken, so etwas passiert nur in der Realität. Wohlgemerkt: Al-Qaida verfügt ja nicht über Langstreckenraketen oder ähnliches, mit denen die USA aus Afghanistan beschossen wurde. Sie bauten dort auch keine Armee auf, mit der sie die USA besetzen wollten. (beides hätte allerdings auch keine unmittelbare Gefahr für die USA dargestellt, liegt Afghanistan doch am anderen Ende der Welt) Rein die Planung und Organisation fand dort statt (wird uns zumindest gesagt). Selbst die Ausbildung für die Terroranschläge vom 11. September fand ja im Grunde in westlichen Ländern statt, in Form von Pilotenlehrgängen… Vergessen wir das also mit al-Qaida als Kriegsgrund, dummes Zeug.
Die meisten Diskussionen sind davon bestimmt und viele würden wohl der These zustimmen, dass die „geheimen“ Ursachen des Afghanistan Krieges militärstrategischer und mehr noch wirtschaftlicher Natur sind. Es ginge um Ressourcen und Märkte, vor allem um Pipelines, Öl und Erdgas. Auf Grund der geographischen Lage sei es vor allem für die USA zudem wichtig, militärisch vor Ort präsent zu sein. Manch einer schreibt gar, es ginge um die Sicherung des Opium-Anbaus, weil West-Menschen ja gerne mal was nehmen…?! Das klingt grundsätzlich erst mal logisch, also die ersten beiden Punkte. Geld verdienen wollen ist ja auch nichts Schlechtes.
Grundinfo: Das Pentagon bezifferte die Ausgaben speziell zum Afghanistan-Einsatz der US-Armee auf 78,1 Milliarden Dollar – für sechs Jahre Krieg seit 2001. (vgl. stern.de, 12.10.2007, Einsatzkosten Afghanistan "Dingos, Drohnen und Auslandszulagen") – Stand 2007.
Im US-amerikanischen Etat für das Jahr 2010 sind schon alleine 65 Milliarden Dollar für Afghanistan eingeplant, im Etatjahr 2009 waren es 47 Milliarden Dollar für den Afghanistankrieg. (diepresse.com,08.05.2009, „US-Militärkosten: Afghanistan erstmals teurer als Irak“)
(Und Deutschland wird für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr alleine im Jahr 2010 voraussichtlich 785 Millionen Euro ausgeben. (DIE ZEIT, 25.11.2009, „Kosten für Afghanistan-Einsatz steigen enorm an“) )
Ich gehe an solche Sachen mit einem ganz einfachen Gedanken heran. 78,1 Milliarden für 2001-2007, 2008 habe ich nicht gefunden, schätze also mal auf Grund der Zahl 2009 auf ca. 30 Milliarden, plus 2009 47 Mrd. + 2010 65 Mrd. = 220 Milliarden US Dollar für den Krieg. Dazu kommen die Milliarden der amerikanischen Verbündeten.
Das afghanische Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt (Stand 2008) beträgt 758 US-Dollar, zudem ist das Land für seine Korruptionsstruktur bekannt.
Wenn ich US-Präsident wäre, der mit allen möglichen Leuten aus der Ölindustrie verbandelt ist usw., wenn ich Hunger nach Geld hätte und zudem ein wenig kriminelle Energie, ich würde ein paar Milliarden nehmen (aber nicht annähernd 220 Mrd.) und die wichtigen Leute in Afghanistan „schmieren“ …äh beschenken. Man, mit so viel Geld könnte ich jeden Warlord kaufen und meinen Freund nennen. (Schmiergeldzahlungen im Ausland waren bis vor gar nicht all zu langer Zeit zumindest in Deutschland sogar steuerlich absetzbar. Könnte man ohne diese doch in vielen Ländern nicht wirtschaftlich aktiv sein...) Und dann würde ich Handel treiben, Pipelines bauen usw. Ich würde viel Geld verdienen, die Afghanen würden viel Geld verdienen, wir hätten keinen Krieg, keiner meiner Leute müsste sterben, wenn mir jemand mit meiner Pipeline Probleme macht, rufe ich meine Freunde die Warlords an, meine nächste Wiederwahl wäre nicht bedroht, weil ich mein Land durch einen Krieg ruiniere, alles wäre ganz toll. Zu Hause würde ich Dollarnoten rauchen und mit den Ölbossen essen gehen.
Afghanistan hat ca. 25 Millionen Einwohner. Wenn ich denn unbedingt 220 Mrd. ausgeben möchte, hätte ich natürlich auch jeden einzelnen Afghanen mit 8.800 US-Dollar beschenken können. Das entspräche dem 11-12fachen Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt. Ich glaube, dann hätte ich 25 Millionen Freunde.
Aber was machte George W. Bush und was führt Obama fort? Sie führen Krieg, töten Menschen, verbreiten Chaos und Schrecken, bomben das Land in die Steinzeit, ruinieren ihren demokratischen Ruf und ihre Wirtschaft, schaffen einen Konfliktherd in Afghanistan, wie er vor der Invasion nicht bestand und sie werden so wohl nie Geld mit Öl vor Ort machen, weil jetzt alles noch viel unsicherer ist und sein wird. Die beteiligten westlichen Länder sind aktuell auf dem besten Wege, sich 25 Millionen Feinde zu machen. Sehr schlechte Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg....
Meine Gedanken scheinen sehr simpel, vielleicht ist dies dem ein oder anderen zu naiv, drum herum mag es noch viel dafür oder dagegen zu sagen geben. Der Kern des Ganzen, das Offensichtliche scheint mir allerdings wirklich simpel. Der Einsatz macht rational einfach keinen Sinn, seine tieferen Ursachen müssen also emotionaler Natur sein!
Man könnte jetzt auf den Gedanken kommen, dass die politischen Entscheidungsträger einfach dumm sind, wenn sie dergleichen destruktive, undurchdachte Feldzüge starten, die ihnen ein großes Minus einbringen. Das glaube ich allerdings nicht. Diese Leute sind relativ intelligent. Doch wenn es um Krieg geht, schaltet der Verstand offensichtlich ab. Auch die amerikanischen Soldaten, die ein Dutzend Zivilisten töteten (siehe vorherigen Beitrag), obwohl diese offensichtlich keine Gefahr waren, dachten nicht nach. Sie wollten einfach töten, Punkt. Genauso scheint es auch im Großen zu sein. Die PolitikerInnen wollen Afghanen töten, sie brauchen ein Feindbild, deshalb sind die Truppen vor Ort. Und die PolikerInnen werden dabei eifrig vom Volk gestützt, aus dem die SoldatenInnen und WählerInnen stammen.
Niemand würde dies in eine Kamera sagen, die meisten denken wohl wirklich, sie handeln, um Mädchenschulen in Afghanistan zu gründen und freie Wahlen zu ermöglichen. Der Wunsch zu töten und einen Feind zu haben ist sicherlich auch innerlich sehr verdeckt, aber er ist da. Ich glaube den PolitikernInnen sogar ein wenig, dass sie erschüttert sind, wenn Zivilisten starben. Wer schon mal mit psychisch Kranken zu tun hatte, wird es vielleicht kennen. Diese Menschen laufen immer wieder in die gleiche Sackgasse, treten in die gleichen Fettnäpfchen, immer und immer wieder. Sie suchen sich wieder einen Partner, der sie schlägt, sie bringen sich wieder in Situationen, die ihr Leben in einen Alptraum verwandeln, Glück wird unmöglich, weil sie wirklich alles tun, damit ihr Leben eine Katastrophe wird. Trotzdem leiden sie darunter, wollen es anders, können rational Ziele formulieren, wie es anders gehen könnte, schaffen es aber nicht ohne fremde Hilfe und Therapie. Auch Kriege sind Wünsche, sie sind gewollt, trotzdem der Verstand immer wieder sagt: "Nein, das wollen wir nicht." Trotzdem tun wir alles, um in einen Krieg zu geraten. Warum dies so ist, das ist Thema dieses Blogs.
Ich verweise an dieser Stelle auf einige Beiträge:
„Lösungen für Afghanistan“
„Die Irrationalität des Krieges“
Oder ergänzend auch „Nahostkonflikt: Krieg in Gaza – eine Ursachensuche“
"Kindheit von George W. Bush"
"Barack Obama, Friedensnobelpreis & imaginäre Feinde"
Innerer Tod und das Töten. Oder: Wie US-Soldaten Zivilisten umbringen
Ein Dutzend Zivilisten starben am 12. Juli 2007 im Feuer zweier Apache-Helikopter der Amerikaner, unter den Opfern waren zwei Reporter von Reuters, auch zwei Kinder wurden bei dem Angriff verletzt. Die Reporter hatten Kameras bei sich, die von den Amerikanern für Raketenwerfer gehalten wurden. Die US-Armee vertuschte den Vorfall. Schockierende Bilder - die diesen Montag veröffentlich wurden - werden in einem Video unter http://www.collateralmurder.com/ gezeigt.
Die Soldaten eröffnen das Feuer (einer von Ihnen trägt den Codenamen "Crazyhorse"). Die meisten der Gruppe sind sofort tot. „Alles klar, hahaha, ich hab ihn erwischt“, sagte der Schütze, nachdem er einen Flüchtigen erschossen hatte. „Da unten kriecht noch einer, wir schießen nochmal“
"oh ja, Schau diese toten Bastarde", ist einer der US-Soldaten zu hören. "Hübsch", antwortet ein anderer. "Gut geschossen." „Danke“ kommt als Antwort.
Ein Mann kriecht verletzt am Boden und wird von den Soldaten per Zielfernrohr beobachtet. „Alles was du tun musst, ist eine Waffe aufzuheben“, hofft einer der Männer, der unbedingt weiterschießen möchte. Den Bildern nach ist klar zu sehen, dass der Verletzte keine Gefahr mehr sein könnte. Dann kommt ein Wagen mit Leuten. Diese wollen dem Verletzten helfen und ihn in den Wagen schaffen. Ein Soldat bittet mehrmals darum, schießen zu dürfen. Auch diese Leute wirken deutlich nicht als eine Gefahr. Schließlich eröffnen die Soldaten erneut das Feuer.
Sie umfliegen den Platz und zählen die Toten. Sie schauen per Nahaufnahme auf den zerstörten Wagen, „Schau dir das an. Durchs Fenster.“ „Ha Ha“, lacht einer und zählt 4 bis 5 Tote in dem Wagen.
Bodentruppen erreichen wenig später den Platz und finden die toten Zivilisten und 2 verletze Kinder. "Ist ja ihre eigene Schuld, wenn sie ihre Kinder mit in die Schlacht nehmen.", „Stimmt“ antwortet der andere Soldat...
Die Gefühllosigkeit von Soldaten im Krieg wird hier erschreckend anschaulich. Auch die Lust und Freude am Töten wird deutlich. Diese Gefühllosigkeit und der „Killerinstinkt“ wird gerade auch in der US-Grundausbildung von Soldaten gezielt erzeugt. Diese Ausbildung baut nach meinen Darstellungen auf eine Kindheit auf, die bereits von Gewalt geprägt war und in der der spaltende Umgang mit sich und der Welt grundlegend erlernt wurde. Dadurch suchen diese Menschen nach Feinden, die sie für eigens erlebte traumatische Gewalt bestrafen können. Im Krieg können sie dies tun, ohne Gefahr zu laufen, dafür belangt zu werden.
Diese Menschen sind jeden Tag mit ihren hoch modernen und effizienten Waffen in Afghanistan und im Irak im "Namen der Freiheit der westlichen Welt" unterwegs. Das obige Video wurde wahrscheinlich nur veröffentlich und erhält so viel Aufmerksamkeit , weil auch zwei Reporter starben. Was alles passiert dort jeden Tag, ohne dass die Weltöffentlichkeit davon erfährt?
Weitere Kommentare zu dem Fall unter:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,687427,00.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-04/us-armee-luegen?page=2
Die Soldaten eröffnen das Feuer (einer von Ihnen trägt den Codenamen "Crazyhorse"). Die meisten der Gruppe sind sofort tot. „Alles klar, hahaha, ich hab ihn erwischt“, sagte der Schütze, nachdem er einen Flüchtigen erschossen hatte. „Da unten kriecht noch einer, wir schießen nochmal“
"oh ja, Schau diese toten Bastarde", ist einer der US-Soldaten zu hören. "Hübsch", antwortet ein anderer. "Gut geschossen." „Danke“ kommt als Antwort.
Ein Mann kriecht verletzt am Boden und wird von den Soldaten per Zielfernrohr beobachtet. „Alles was du tun musst, ist eine Waffe aufzuheben“, hofft einer der Männer, der unbedingt weiterschießen möchte. Den Bildern nach ist klar zu sehen, dass der Verletzte keine Gefahr mehr sein könnte. Dann kommt ein Wagen mit Leuten. Diese wollen dem Verletzten helfen und ihn in den Wagen schaffen. Ein Soldat bittet mehrmals darum, schießen zu dürfen. Auch diese Leute wirken deutlich nicht als eine Gefahr. Schließlich eröffnen die Soldaten erneut das Feuer.
Sie umfliegen den Platz und zählen die Toten. Sie schauen per Nahaufnahme auf den zerstörten Wagen, „Schau dir das an. Durchs Fenster.“ „Ha Ha“, lacht einer und zählt 4 bis 5 Tote in dem Wagen.
Bodentruppen erreichen wenig später den Platz und finden die toten Zivilisten und 2 verletze Kinder. "Ist ja ihre eigene Schuld, wenn sie ihre Kinder mit in die Schlacht nehmen.", „Stimmt“ antwortet der andere Soldat...
Die Gefühllosigkeit von Soldaten im Krieg wird hier erschreckend anschaulich. Auch die Lust und Freude am Töten wird deutlich. Diese Gefühllosigkeit und der „Killerinstinkt“ wird gerade auch in der US-Grundausbildung von Soldaten gezielt erzeugt. Diese Ausbildung baut nach meinen Darstellungen auf eine Kindheit auf, die bereits von Gewalt geprägt war und in der der spaltende Umgang mit sich und der Welt grundlegend erlernt wurde. Dadurch suchen diese Menschen nach Feinden, die sie für eigens erlebte traumatische Gewalt bestrafen können. Im Krieg können sie dies tun, ohne Gefahr zu laufen, dafür belangt zu werden.
Diese Menschen sind jeden Tag mit ihren hoch modernen und effizienten Waffen in Afghanistan und im Irak im "Namen der Freiheit der westlichen Welt" unterwegs. Das obige Video wurde wahrscheinlich nur veröffentlich und erhält so viel Aufmerksamkeit , weil auch zwei Reporter starben. Was alles passiert dort jeden Tag, ohne dass die Weltöffentlichkeit davon erfährt?
Weitere Kommentare zu dem Fall unter:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,687427,00.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-04/us-armee-luegen?page=2
Donnerstag, 1. April 2010
Ja aber...
Meinen Text über Francos scheinbar glückliche Kindheit habe ich auch in einem Forum einer Zeitung gepostet. Ich bekam genau einen Kommentar, den ich allerdings interessant finde.
Im ersten Satz wurde mir zugestimmt. „Geliebte Kinder werden jeder Machtausübung misstrauen.“ Dann wurde aber auf so etwas wie eine „Besitzliebe“ gegenüber Kindern hingewiesen, die sich ja auch destruktiv auf die Entwicklung auswirken dürfte. „Die desolate unglückliche Kindheit muss nicht allein unbedingt Lehrstube künftiger Diktatoren sein“, heißt es dann im nächsten Satz und ergänzend wird auf ganz unterschiedliche, verschiedene Erziehungsstile hingewiesen. Dann wieder Zustimmung in der Form, dass man zwei mal schlucken musste beim Lesen des Textes und dann Erleichterung empfand, als ich den Spannungsbogen auflöste (also als ich klar machte, Franco war doch kein geliebtes Kind). Der letzte Satz weist dann wieder darauf hin, dass „noch eine ganze Menge anderer Faktoren eine (vielleicht größere) Rolle als die Erfahrungen der Kindheit“ spielen, damit jemand zum Diktator wird.
Dieses hin und her in Reaktionen auf das Thema ist mir schon öfter aufgefallen. Meistens jedoch erhält man gar keine Reaktion. Der obige Kommentator ist insofern schon eine Ausnahme, da er sich überhaupt äußert. Und trotzdem wirkt dieses „Es stimmt, nein es stimmt nicht, es stimmt, nein es stimmt nicht“ in seinen Worten. Dabei fällt auch ein Widerspruch besonders auf. Mit einem „Aber“ wird auf eine mögliche „Besitzliebe“ hingewiesen, um meinem Text etwas entgegenzusetzen. Dabei ist eine „Besitzliebe“ eben gerade keine Liebe, sondern bedeutet für ein Kind bereits eine Entwertung und psychische Gewalt. Das Verhätscheln von Kindern (auf diese „Liebe“ wollte der Autor denke ich u.a. hinaus) zeigt keine Liebe, sondern die Unfähigkeit der Erziehungsperson, sich in die eigentlichen Bedürfnisse von Kindern hineinzuversetzen und diese als eigene Person wahrzunehmen.
Das „ich musste zwei mal schlucken“ war Ziel meines Textes. Instinktiv wissen wir, dass eine liebevolle, geborgene Kindheit und späteres brutales Gewaltverhalten nicht zusammenpasst. Dieser Instinkt wird heute wissenschaftlich immer wieder bestätigt. Trotzdem wollen wir es irgendwie nicht wahrhaben. Und dies hat sicher immer auch etwas mit eigenen Verletzungen zu tun.
Reaktionen auf meinen Grundlagentext bekam ich in der Vergangenheit fast keine. Über 3 Jahre steht der Text schon online (zwei davon auf meiner alten Homepage) und die Online-Statistik zeigt mir, dass er oft gelesen wurde und wird. Vor ca. einem Jahr, als ich meine alte Homepage schloss, schrieb ich einfach mal alle möglichen Organisationen und Vereinigungen an, die mit dem Thema zu tun hatten. Friedensbüros, Kriegsgegner, Menschenrechtler usw. usf. und wies auf meinen Grundlagentext hin. Ein Kriegsursachenforscher fand das Kapitel über historische Persönlichkeiten und deren destruktive Kindheit aufschlussreich, ein Vertreter von Kriegsdienstverweigerern fand den Text unbedingt erhaltenswert und wichtig. Ansonsten herrschte Schweigen, keine Reaktion.
Nun könnte es daran liegen, dass ich Spinnkram schreibe. Dann verstehe ich die Nicht-Reaktion. Ich bin allerdings vom Typ her Realist und bei klarem Verstand. Was ich schrieb ist kein Spinnkram, sondern macht erschreckend Sinn. Sinn macht auch dieser Blog, solange, bis sich das Thema in dieser Art der Bearbeitung breiter Aufmerksamkeit erfreut. Dies alles ist eine Frage von Zeit. Ich bin vom Charakter allerdings sehr ungeduldig. Was mich manchmal etwas verzweifeln lässt. Nun, in einigen Jahren oder ein paar Jahrzehnten wird es immer weniger Skeptiker geben und es werden die wesentlichen psychohistorischen Kriegsursachen gesehen und verstanden werden. Alleine weil die Kindererziehungspraxis rasant fortschreitet, werden zukünftige Generationen mit weit aus weniger Angst und inneren Schrecken auf das Thema schauen können.
Im ersten Satz wurde mir zugestimmt. „Geliebte Kinder werden jeder Machtausübung misstrauen.“ Dann wurde aber auf so etwas wie eine „Besitzliebe“ gegenüber Kindern hingewiesen, die sich ja auch destruktiv auf die Entwicklung auswirken dürfte. „Die desolate unglückliche Kindheit muss nicht allein unbedingt Lehrstube künftiger Diktatoren sein“, heißt es dann im nächsten Satz und ergänzend wird auf ganz unterschiedliche, verschiedene Erziehungsstile hingewiesen. Dann wieder Zustimmung in der Form, dass man zwei mal schlucken musste beim Lesen des Textes und dann Erleichterung empfand, als ich den Spannungsbogen auflöste (also als ich klar machte, Franco war doch kein geliebtes Kind). Der letzte Satz weist dann wieder darauf hin, dass „noch eine ganze Menge anderer Faktoren eine (vielleicht größere) Rolle als die Erfahrungen der Kindheit“ spielen, damit jemand zum Diktator wird.
Dieses hin und her in Reaktionen auf das Thema ist mir schon öfter aufgefallen. Meistens jedoch erhält man gar keine Reaktion. Der obige Kommentator ist insofern schon eine Ausnahme, da er sich überhaupt äußert. Und trotzdem wirkt dieses „Es stimmt, nein es stimmt nicht, es stimmt, nein es stimmt nicht“ in seinen Worten. Dabei fällt auch ein Widerspruch besonders auf. Mit einem „Aber“ wird auf eine mögliche „Besitzliebe“ hingewiesen, um meinem Text etwas entgegenzusetzen. Dabei ist eine „Besitzliebe“ eben gerade keine Liebe, sondern bedeutet für ein Kind bereits eine Entwertung und psychische Gewalt. Das Verhätscheln von Kindern (auf diese „Liebe“ wollte der Autor denke ich u.a. hinaus) zeigt keine Liebe, sondern die Unfähigkeit der Erziehungsperson, sich in die eigentlichen Bedürfnisse von Kindern hineinzuversetzen und diese als eigene Person wahrzunehmen.
Das „ich musste zwei mal schlucken“ war Ziel meines Textes. Instinktiv wissen wir, dass eine liebevolle, geborgene Kindheit und späteres brutales Gewaltverhalten nicht zusammenpasst. Dieser Instinkt wird heute wissenschaftlich immer wieder bestätigt. Trotzdem wollen wir es irgendwie nicht wahrhaben. Und dies hat sicher immer auch etwas mit eigenen Verletzungen zu tun.
Reaktionen auf meinen Grundlagentext bekam ich in der Vergangenheit fast keine. Über 3 Jahre steht der Text schon online (zwei davon auf meiner alten Homepage) und die Online-Statistik zeigt mir, dass er oft gelesen wurde und wird. Vor ca. einem Jahr, als ich meine alte Homepage schloss, schrieb ich einfach mal alle möglichen Organisationen und Vereinigungen an, die mit dem Thema zu tun hatten. Friedensbüros, Kriegsgegner, Menschenrechtler usw. usf. und wies auf meinen Grundlagentext hin. Ein Kriegsursachenforscher fand das Kapitel über historische Persönlichkeiten und deren destruktive Kindheit aufschlussreich, ein Vertreter von Kriegsdienstverweigerern fand den Text unbedingt erhaltenswert und wichtig. Ansonsten herrschte Schweigen, keine Reaktion.
Nun könnte es daran liegen, dass ich Spinnkram schreibe. Dann verstehe ich die Nicht-Reaktion. Ich bin allerdings vom Typ her Realist und bei klarem Verstand. Was ich schrieb ist kein Spinnkram, sondern macht erschreckend Sinn. Sinn macht auch dieser Blog, solange, bis sich das Thema in dieser Art der Bearbeitung breiter Aufmerksamkeit erfreut. Dies alles ist eine Frage von Zeit. Ich bin vom Charakter allerdings sehr ungeduldig. Was mich manchmal etwas verzweifeln lässt. Nun, in einigen Jahren oder ein paar Jahrzehnten wird es immer weniger Skeptiker geben und es werden die wesentlichen psychohistorischen Kriegsursachen gesehen und verstanden werden. Alleine weil die Kindererziehungspraxis rasant fortschreitet, werden zukünftige Generationen mit weit aus weniger Angst und inneren Schrecken auf das Thema schauen können.
Samstag, 27. März 2010
Francisco Franco. Geliebte Kinder werden zu Diktatoren
Wer war Francisco Franco? Genauer, was trieb diesen Tyrannen an? Mindestens 30.000 politische Gefangene wurden unter Francos Regime zwischen 1939 und 1945 nach Informationen des SPIEGEL in Spanien hingerichtet. Über eine Viertelmillion Republikaner wurde eingekerkert und gefoltert, eine halbe Million musste ins Exil fliehen. Noch 1946 befand Franco: "Es gibt keine Erlösung ohne Blut" (DER SPIEGEL 51/1992: "Brutale Lächerlichkeit").
Wie ein Mensch dazu kommt, solche Verbrechen zu begehen, zeigen neuste Enthüllungen über Francos Kindheit, die seine persönliche Entwicklung offensichtlich stark bestimmte. Franco wuchs mit vier Geschwistern in einer liberalen Familie auf. Sein Vater Nicolás Franco und dessen Frau Pilar führten eine liebevolle Ehe. Bei den Francos herrschte gegenseitiger Respekt. Jedem Familienmitglied wurde große Bewegungsfreiheit und Ausdrucksfähigkeit zugestanden. Keines der Kinder wurde geschlagen oder gedemütigt. Innerhalb der Familie gab es oft lebhafte, vielseitige und gefühlsbetonte Kommunikation. Auch das Zusammengehörigkeitsgefühl war allgemein sehr stark bei den Francos. In einer solch großen Familie blieb es auch nicht aus, dass Aufgaben des Alltags an die Kinder delegiert wurden. Schon früh lernte Franco so schon die Übernahme von Verantwortung. Franco selbst sagte einmal rückblickend gegenüber seinem offiziellen Biografen: „Es war schön, Kind dieser Eltern zu sein.“ Und im nächsten Satz berichtete er von den „tollen Gute-Nacht-Geschichten“, die ihm seine Mutter als Kind oft vorgelesen hatte.
Willkür, Brutalität und Gefühlskälte kennzeichneten den späteren Diktator Spaniens, der sich im Militär schnell nach oben gearbeitet und nach dem blutigen Bürgerkrieg die Macht übernommen hatte. Offensichtlich führt Liebe und Geborgenheit in der Kindheit zu politischen Wahn und Terror! Geliebte Kinder werden zu Diktatoren. Liebe Leserin, lieber Leser, ich kann dich beruhigen und du wirst schon ahnen, dass ich die Wahrheit hier etwas verdreht habe. Verzeihe mir, falls ich dir einen Schrecken eingejagt haben sollte. Francisco Francos Kindheit war ein Albtraum! Sie war beherrscht von Gewalt, Wutausbrüchen des Vaters gegen Kinder und Frau, Hohn und Spott, Trunksucht, Ehebruch, Trennung der Eltern, Vernachlässigung, emotionalen Missbrauch und dem krankheitsbedingten Tod von seiner kleinen Schwester Paz. (siehe dazu und auch zur Kindheit anderer Diktatoren hier http://kriegsursachen.blogspot.com/2008/10/31-ein-kurzer-abriss-ber-diktatoren-und.html)
Wie ein Mensch dazu kommt, solche Verbrechen zu begehen, zeigen neuste Enthüllungen über Francos Kindheit, die seine persönliche Entwicklung offensichtlich stark bestimmte. Franco wuchs mit vier Geschwistern in einer liberalen Familie auf. Sein Vater Nicolás Franco und dessen Frau Pilar führten eine liebevolle Ehe. Bei den Francos herrschte gegenseitiger Respekt. Jedem Familienmitglied wurde große Bewegungsfreiheit und Ausdrucksfähigkeit zugestanden. Keines der Kinder wurde geschlagen oder gedemütigt. Innerhalb der Familie gab es oft lebhafte, vielseitige und gefühlsbetonte Kommunikation. Auch das Zusammengehörigkeitsgefühl war allgemein sehr stark bei den Francos. In einer solch großen Familie blieb es auch nicht aus, dass Aufgaben des Alltags an die Kinder delegiert wurden. Schon früh lernte Franco so schon die Übernahme von Verantwortung. Franco selbst sagte einmal rückblickend gegenüber seinem offiziellen Biografen: „Es war schön, Kind dieser Eltern zu sein.“ Und im nächsten Satz berichtete er von den „tollen Gute-Nacht-Geschichten“, die ihm seine Mutter als Kind oft vorgelesen hatte.
Willkür, Brutalität und Gefühlskälte kennzeichneten den späteren Diktator Spaniens, der sich im Militär schnell nach oben gearbeitet und nach dem blutigen Bürgerkrieg die Macht übernommen hatte. Offensichtlich führt Liebe und Geborgenheit in der Kindheit zu politischen Wahn und Terror! Geliebte Kinder werden zu Diktatoren. Liebe Leserin, lieber Leser, ich kann dich beruhigen und du wirst schon ahnen, dass ich die Wahrheit hier etwas verdreht habe. Verzeihe mir, falls ich dir einen Schrecken eingejagt haben sollte. Francisco Francos Kindheit war ein Albtraum! Sie war beherrscht von Gewalt, Wutausbrüchen des Vaters gegen Kinder und Frau, Hohn und Spott, Trunksucht, Ehebruch, Trennung der Eltern, Vernachlässigung, emotionalen Missbrauch und dem krankheitsbedingten Tod von seiner kleinen Schwester Paz. (siehe dazu und auch zur Kindheit anderer Diktatoren hier http://kriegsursachen.blogspot.com/2008/10/31-ein-kurzer-abriss-ber-diktatoren-und.html)
Seit einigen Jahren befasse ich mich u.a. mit der Kindheit von Diktatoren und Kriegstreibern. Bei keinem einzigen fand ich eine liebevolle Kindheit. Ob Wilhelm II, Napoleon Bonaparte, Mussolini, Ceauşescu, Slobodan Milosevic, Hitler, Stalin, Saddam Hussein oder George W. Bush (um einige zu nennen), sie alle zeichnet eines aus: Sie hatten eine traurige Kindheit, die von erheblicher Gewalt und Entbehrungen bestimmt war.
„Zu einfach, diese Erklärungen sind zu vereinfacht!“, magst du jetzt denken. Erinnere dich daran, was du beim Lesen meiner kleinen Schwindelei oben gedacht und gefühlt hast. Glaubst du ernsthaft, dass geliebte Kinder zu Diktatoren werden?
Freitag, 26. März 2010
Kriegsheimkehrer: Militarisierung des Zivilen
"Schätzungsweise 300.000 US-Veteranen leiden an PTBS. (Anmerkung: Posttraumatischer Belastungsstörung) (...) Im Jahr 2009 starben mehr US-Soldaten durch Suizid (334) als auf dem Schlachtfeld im Irak (149). Schon 2008 stellten Militärärzte fest, dass jeden Monat 1000 Veteranen versuchen, sich das Leben zu nehmen. Weit über 100 Ex-Kämpfer aus dem Irak und aus Afghanistan sind durchgedreht und haben Menschen getötet; ein Drittel der Opfer waren Freundinnen, Ehefrauen oder andere Familienmitglieder."
(SPIEGEL-Online, 25.03.2010, "Dämonen im Kopf")
siehe zu diesem Thema in diesem blog: "(demoralisierte) Soldaten und ihre Familien"
(SPIEGEL-Online, 25.03.2010, "Dämonen im Kopf")
siehe zu diesem Thema in diesem blog: "(demoralisierte) Soldaten und ihre Familien"
Dienstag, 23. März 2010
katholische Kirche, Kindesmissbrauch & eigene emotionale Verstrickungen
Kindesmissbrauch und Kirche. Merkwürdiges geht da vor in den Medien. Wie so oft, wenn es um das Thema Kindesmissbrauch geht. In den letzten Wochen flutete eine Welle von Artikeln und medialen Beiträgen durch die Öffentlichkeit, oftmals mit sehr viel Wortgewalt. Worum geht es? „Heilige“ katholische Kirchenmitglieder missbrauchten und missbrauchen Kinder. Und die Kirche verdrängte, wehrte ab, schwieg, schützte Täter. Das erhitzt zu Recht die Gemüter.
Was bei der Diskussion vordergründig auffällt ist das Thema Sex und Zölibat. Und genau das hat hier so gar überhaupt nichts zu suchen! In jedem vernünftigen Fachbuch über Kindesmissbrauch steht: „Kindesmissbrauch ist eine sexuelle Form von Gewalt“. Oder wie es einmal eine Betroffene ausdrückte: "Vergewaltigung ist nicht Sex; denn wenn Dir einer mit 'ner Bratpfanne eines überzieht, würdest Du das auch nicht als Kochen bezeichnen." Sehr deutliche Worte findet auch der amerikanische Psychoanalytiker Robert J. Stoller in seinem Buch mit dem bereits alles sagenden Titel: „Perversion: Die erotische Form von Hass“. Die „Pädophilen“ lieben also keine Kinder, wie diese Bezeichnung an sich es vermittelt, sondern sie hassen Kinder, sie wollen sie zerstören, sie entmenschlichen, sie demütigen, ihr Leid und ihre Angst sehen. Kindesmissbrauch als „Sex“ oder „Liebe“ zu bezeichnen ist übrigens wortgleich die Sprache der Täter, eine Sprache, die die Wahrnehmung der Opfer oft auf Dauer verzerrt, da sie selbst die Handlungen nicht einordnen können, sind sie doch Kinder, wenn es geschieht. Diese Sprache findet sich jetzt leider all zu oft in der Besprechung des Themas wieder.
Die Wurzeln dieses Hasses liegen wiederum in der Kindheit der Täter selbst, schreibt Stoller. Prof. Dr. med. Peter Riedesser - der leider verstorbene, ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf - sagte während einer Rede am 09.10.2000. „Die misshandelnden Eltern von heute sind die misshandelten Kinder von gestern, die traumatisierten Kinder von heute sind die potentiellen Täter von morgen.“ (http://www.uke.de/kliniken/kinderpsychiatrie/index_4899.php) Auch andere Kindheitsforscher wie die Bestsellerautoren Alice Miller, Arno Gruen oder Lloyd deMause weisen seit Jahren auf diese Zusammenhänge hin. Also gilt auch: Die missbrauchenden Priester sind die missbrauchten Kinder von gestern. Nicht das Zölibat oder die „Liebe“ zu Kindern treiben sie, es ist der angestaute (oft abgespaltene) Hass aus ihrer eigenen Kindheit, der sich an den Kindern von heute entlädt und wiederaufgeführt wird.
Mich stört diese Vermischung von Sex und Gewalt in den Medien, einfach weil diese Vermischung falsch ist, viel von Unaufgeklärtheit zeugt und auch die Blindheit der Gesellschaft bzgl. dieses Themas an sich deutlich macht. Mich stört noch viel mehr, dass kaum jemand die tieferen Ursachen solcher Taten in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Man hält sich mit Oberflächlichkeiten auf, lenkt den Blick auf Dinge, die nebensächlich sind und in ein paar Wochen wird ja sowieso wieder alles in Vergessenheit geraten (ähnliches findet regelmäßig nach Amokläufen statt).
Der SPIEGEL hat aktuell 250 Verdachtsfälle sexueller Übergriffe durch Geistliche in Deutschland dokumentiert. (http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,684769,00.html) Die Dokumentation beginnt dabei Ende der 60er Jahre. Der Vatikan hat nach eigenen Angaben seit 2001 von rund 3000 Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche aus den vergangenen 50 Jahren erfahren, schreibt die Süddeutsche Zeitung. (http://www.sueddeutsche.de/politik/682/505869/text/3/) Diese Zahl gilt wohlgemerkt nicht für Deutschland, sondern für die gesamte katholische Kirche.
Mir scheint im Angesicht dieser „relativ“ niedrigen Zahlen die ganze Diskussion mächtig überladen und überhitzt zu sein. Natürlich wird es hinter diesen Zahlen ein erheblich größeres Dunkelfeld geben. Natürlich sollte den Opfern zugehört und beigestanden werden. Das alles ist keine Frage.
Fest steht jedenfalls nach dem aktuellen Forschungsstand, dass der sexuelle Missbrauch ein sehr weit verbreitetes Phänomen ist, das in allen Gesellschaftsschichten vorkommt. Die Vermutung liegt demnach nahe, dass auf dem Sonderfeld „Missbrauch in der Kirche“ viel in der Öffentlichkeit ausagiert wird, was eigentlich mit eigenen Kindheitserfahrungen zusammenhängt. Denn die bisherigen Zahlen rechtfertigen keine groß angelegte, wochenlange Medienkampagne, welche somit emotionale Gründe haben muss.
Gewalt gegen Kinder speziell innerhalb von Familien ist das größte Gewaltproblem weltweit, noch vor Kriegen und allem anderen. Doch trotz dieser Tatsache gab es in der Vergangenheit keine wochenlange ausführliche Berichterstattung mit Titelthemen und Schlagzeilen, die sich diesem Problem in seiner ganzen Dimension und Vielschichtigkeit annahm. Zu tief scheint die Angst davor, die eigenen Eltern anzuklagen. Zu viele Wunden wollen vergessen und nicht angerührt werden. Wenn dann aber über Missbrauch in der Kirche gesprochen wird, kann man seine Emotionen für ein kleines Zeitfenster lang heraus lassen. Das öffentliche Entsetzten und Schimpfen, das Anklagen, teils die Hysterie um den Missbrauch in der Kirche hat viel mit dem zu tun, was wir als Kind selbst an Leid erfahren haben, davon bin ich überzeugt. Dies verschafft uns kurzweilig eine Erleichterung, ohne etwas auf uns selbst beziehen zu müssen und ohne den Deckel zu weit zu öffnen, der auf dem inneren, emotionalen Abgrund liegt.
Es wird Zeit, dass über Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung ausführlich und vernünftig in den Medien gesprochen wird. Es wird Zeit, diese Dinge nicht in einem Außenfeld (z.B. irgendwo im Vatikan) fest zu machen, sondern auf uns selbst zu schauen. Dies könnte vielleicht helfen, eine ganze Menge in Bewegung zu setzen. Ein hysterischer Zeigefinger auf die „scheinheilige“ Kirche ist dagegen wenig hilfreich.
Was bei der Diskussion vordergründig auffällt ist das Thema Sex und Zölibat. Und genau das hat hier so gar überhaupt nichts zu suchen! In jedem vernünftigen Fachbuch über Kindesmissbrauch steht: „Kindesmissbrauch ist eine sexuelle Form von Gewalt“. Oder wie es einmal eine Betroffene ausdrückte: "Vergewaltigung ist nicht Sex; denn wenn Dir einer mit 'ner Bratpfanne eines überzieht, würdest Du das auch nicht als Kochen bezeichnen." Sehr deutliche Worte findet auch der amerikanische Psychoanalytiker Robert J. Stoller in seinem Buch mit dem bereits alles sagenden Titel: „Perversion: Die erotische Form von Hass“. Die „Pädophilen“ lieben also keine Kinder, wie diese Bezeichnung an sich es vermittelt, sondern sie hassen Kinder, sie wollen sie zerstören, sie entmenschlichen, sie demütigen, ihr Leid und ihre Angst sehen. Kindesmissbrauch als „Sex“ oder „Liebe“ zu bezeichnen ist übrigens wortgleich die Sprache der Täter, eine Sprache, die die Wahrnehmung der Opfer oft auf Dauer verzerrt, da sie selbst die Handlungen nicht einordnen können, sind sie doch Kinder, wenn es geschieht. Diese Sprache findet sich jetzt leider all zu oft in der Besprechung des Themas wieder.
Die Wurzeln dieses Hasses liegen wiederum in der Kindheit der Täter selbst, schreibt Stoller. Prof. Dr. med. Peter Riedesser - der leider verstorbene, ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf - sagte während einer Rede am 09.10.2000. „Die misshandelnden Eltern von heute sind die misshandelten Kinder von gestern, die traumatisierten Kinder von heute sind die potentiellen Täter von morgen.“ (http://www.uke.de/kliniken/kinderpsychiatrie/index_4899.php) Auch andere Kindheitsforscher wie die Bestsellerautoren Alice Miller, Arno Gruen oder Lloyd deMause weisen seit Jahren auf diese Zusammenhänge hin. Also gilt auch: Die missbrauchenden Priester sind die missbrauchten Kinder von gestern. Nicht das Zölibat oder die „Liebe“ zu Kindern treiben sie, es ist der angestaute (oft abgespaltene) Hass aus ihrer eigenen Kindheit, der sich an den Kindern von heute entlädt und wiederaufgeführt wird.
Mich stört diese Vermischung von Sex und Gewalt in den Medien, einfach weil diese Vermischung falsch ist, viel von Unaufgeklärtheit zeugt und auch die Blindheit der Gesellschaft bzgl. dieses Themas an sich deutlich macht. Mich stört noch viel mehr, dass kaum jemand die tieferen Ursachen solcher Taten in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Man hält sich mit Oberflächlichkeiten auf, lenkt den Blick auf Dinge, die nebensächlich sind und in ein paar Wochen wird ja sowieso wieder alles in Vergessenheit geraten (ähnliches findet regelmäßig nach Amokläufen statt).
Der SPIEGEL hat aktuell 250 Verdachtsfälle sexueller Übergriffe durch Geistliche in Deutschland dokumentiert. (http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,684769,00.html) Die Dokumentation beginnt dabei Ende der 60er Jahre. Der Vatikan hat nach eigenen Angaben seit 2001 von rund 3000 Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche aus den vergangenen 50 Jahren erfahren, schreibt die Süddeutsche Zeitung. (http://www.sueddeutsche.de/politik/682/505869/text/3/) Diese Zahl gilt wohlgemerkt nicht für Deutschland, sondern für die gesamte katholische Kirche.
Mir scheint im Angesicht dieser „relativ“ niedrigen Zahlen die ganze Diskussion mächtig überladen und überhitzt zu sein. Natürlich wird es hinter diesen Zahlen ein erheblich größeres Dunkelfeld geben. Natürlich sollte den Opfern zugehört und beigestanden werden. Das alles ist keine Frage.
Fest steht jedenfalls nach dem aktuellen Forschungsstand, dass der sexuelle Missbrauch ein sehr weit verbreitetes Phänomen ist, das in allen Gesellschaftsschichten vorkommt. Die Vermutung liegt demnach nahe, dass auf dem Sonderfeld „Missbrauch in der Kirche“ viel in der Öffentlichkeit ausagiert wird, was eigentlich mit eigenen Kindheitserfahrungen zusammenhängt. Denn die bisherigen Zahlen rechtfertigen keine groß angelegte, wochenlange Medienkampagne, welche somit emotionale Gründe haben muss.
Gewalt gegen Kinder speziell innerhalb von Familien ist das größte Gewaltproblem weltweit, noch vor Kriegen und allem anderen. Doch trotz dieser Tatsache gab es in der Vergangenheit keine wochenlange ausführliche Berichterstattung mit Titelthemen und Schlagzeilen, die sich diesem Problem in seiner ganzen Dimension und Vielschichtigkeit annahm. Zu tief scheint die Angst davor, die eigenen Eltern anzuklagen. Zu viele Wunden wollen vergessen und nicht angerührt werden. Wenn dann aber über Missbrauch in der Kirche gesprochen wird, kann man seine Emotionen für ein kleines Zeitfenster lang heraus lassen. Das öffentliche Entsetzten und Schimpfen, das Anklagen, teils die Hysterie um den Missbrauch in der Kirche hat viel mit dem zu tun, was wir als Kind selbst an Leid erfahren haben, davon bin ich überzeugt. Dies verschafft uns kurzweilig eine Erleichterung, ohne etwas auf uns selbst beziehen zu müssen und ohne den Deckel zu weit zu öffnen, der auf dem inneren, emotionalen Abgrund liegt.
Es wird Zeit, dass über Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung ausführlich und vernünftig in den Medien gesprochen wird. Es wird Zeit, diese Dinge nicht in einem Außenfeld (z.B. irgendwo im Vatikan) fest zu machen, sondern auf uns selbst zu schauen. Dies könnte vielleicht helfen, eine ganze Menge in Bewegung zu setzen. Ein hysterischer Zeigefinger auf die „scheinheilige“ Kirche ist dagegen wenig hilfreich.
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