Dass in der Sprache aber auch in medialen Bildern kindliche Gewalterfahrungen auftauchen, ist nicht nur logisch, sondern auch Bestandteil psychohistorischer Forschung. Bereits der Heraklit Spruch „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ oder Saddam Husseins berühmter Satz von der „Mutter aller Schlachten“ sagt viel über die Hintergründe. Noch Mitte der 60er Jahre galten Schläge bei 80 bis 85 Prozent aller deutschen Eltern als notwendiges Erziehungsmittel. Jedes dritte Kind wurde sogar mit einem Stock verprügelt. (DER SPIEGEL, 22.04.1964) Aktuellere Zahlen zeigen ein etwas besseres Bild, aber trotzdem ist Gewalt gegen Kinder immer noch Alltag in Deutschland. In den deutschen Medien ist die Sprache entsprechend voll mit Andeutungen oder direkten Wörtern, die sich auf kindliche Gewalterfahrungen beziehen und gleichsam unreflektiert für alle möglichen politischen Ereignisse genutzt werden. Die Sendung „Menschen bei Maischberger“ vom 02.11.2010 lief beispielsweise unter dem Titel „Aufschwung XXL: Warum verprügeln wir Schwarz-Gelb?".
„"Mutti Merkel" und ihr Prügelknabe„ titelte der Stern am 23.06.2008 und im Textverlauf heißt es, dass „die CDU-Familie immer häufiger“ diesen Spitznamen verwendet. Wer statt der Autorität „Mutti Merkel“ stellvertretend verprügelt wird erfährt man auch: „Allzu gerne prügeln unzufriedene CDU-Politiker auf CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla ein, wenn sie sich offene Kritik an Angela Merkel nicht trauen.“
Viele Medien nutzen gleich die Titel, um ihre „Prügelsprache“ unterzubringen. Einige Beispiele:
"Prügel für CDU-Reformkonzepte" („Rheinische Post-Online“, 03.12.2003)
„Politische Prügel für die CDU“ (titelte die RP-Online erneut am 13.03.2008)
„Prügel für die SPD“ (mal wieder RP-Online, 06.01.2011)
„Prügel von den Partnern für CDU und SPD“ (titelte Welt-Online, 04.05.2008)
„Verbale Prügel für die Grünen“ (Welt-Online, 25.11.2010)
„CDU im Umfragetief, Merkel abgewatscht“ (bz-berlin.de, 08.07.2011)
„CDU wird herb abgewatscht“ (Südwest Presse, 28.03.2011)
„Fraktionswahl. Steinbach von eigenen Leuten abgewatscht“ (Zeit-Online, 28.09.2010)
„SPD-Parteitag. Wird Scharping abgewatscht?“ (faz.net, 19.11.2001)
"Ohrfeige für CDU und FDP. Sellering hat die Wahl" (n-tv, 04.11.2011)
"Wulff-Affäre. Gabriels Ohrfeige und ihr Nebeneffekt" (Stuttgarter Zeitung, 10.01.2012)
"Südwest-SPD. Basis-Ohrfeige für Spitzenkandidat Schmid" (SPIEGEL-Online, 16.10.2010)
„Hat Merkel die Prügel verdient?“ (Bild.de, 22.05.2010)
„Rösler bricht das Tabu – und bezieht Prügel“ (Focus, 13.09.2011)
„Lafontaine bezieht weiter Prügel“ (Focus, 14.08.2004)
„Eine schallende Ohrfeige für Friedrich“ (Frankfurter Allgemeine, 07.12.2011)
„Prügel für den Buchhalter" (Anmerk. gemeint war die Finanzpolitik von Hans Eichel) (Focus, 08.09.2003)
„Westerwelle steckt von allen Seiten Prügel ein“ (Focus, 29.08.2011)
„Über diese Prügel darf sich die SPD nicht wundern“ (Grafschafter Nachrichten, 30.09.2009)
„Kritik an Bundesregierung. Koalition bezieht Prügel aus eigenen Reihen.“ (Handelsblatt, 02.01.2010)
„SPD bezieht Prügel für Hartz-IV-Vorschläge“ (Handelsblatt, 16.03.2010)
„Bartsch: Weniger Prügel für die SPD“ (Sueddeutsche.de, 03.03.2008)
„Vor NRW-Wahl. Union und SPD prügeln sich wegen Hilfe für Athen“ (Financial Times Deutschland, 28.04.2010)
„Verbale Prügel für Ratsherr Pepmeyer“ (Flensburger Tagesblatt, 24.11.2011)
"Hardliner Koch. Jetzt gibt's was hinter die Löffel Selbst aus der CDU hagelt es Kritik. Und Joschka Fischer prügelt mit." (Berliner Kurier, 15.01.2008)
Aber auch manche Politiker selbst nutzen die „Prügelsprache“:
„Ich bin am Anfang fürchterlich verdroschen worden - sprachlich (…)“ (Gerhard Schröder über seine Anfänge in der Politik. Vgl. sueddeustche.de, 13.05.2005)
Guido Westerwelle im Interview für die Stuttgarter Zeitung: „Beiden ist von Karlsruhe der Hintern versohlt worden.“ Er bezog sich damit auf Merkel und Steinbrück und auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.
Klaus Ernst (DIE LINKE) am 15.12.2011 im Bundestag: "Vor Weihnachten gibt es den Nikolaus, und der Nikolaus hat eine Rute. Ich sage Ihnen: Wenn Sie dem Nikolaus begegnet wären, hätte er Ihnen wegen Ihrer Rentenpolitik so lange den Hintern versohlt, dass Sie bis Weihnachten nicht mehr sitzen könnten. (Beifall bei der LINKEN)"
Auch in Sportberichten, Wirtschaftsnachrichten usw. findet sich ein ähnlicher Sprachstil, wenn man denn danach sucht. Kurzum: Auch wenn diese "wortgewaltigen" Beispiele sicher nicht den Alltag in den Medien bestimmen, sie tauchen immer mal wieder auf. Spannend wäre es, einmal die Mediensprache historisch auszuwerten. Wie oft und in welcher Form tauchten in den 50er und 60er Jahren in den deutschen Medien symbolisch, direkt oder in Bildern kindliche Gewalterfahrungen auf, wie sah das ganze gar in den 20er und 30er Jahren aus? Ein solches Projekt wäre glatt eine Doktorarbeit wert, die vielleicht einmal jemand verfasst.
Freitag, 27. Januar 2012
Donnerstag, 26. Januar 2012
Von der Kindheit des "Terminators" und berühmter Boxer
Irgendwo muss erfahrene Gewalt in der Kindheit hin, sie verpufft nicht einfach, wenn sie nicht therapeutisch aufgearbeitet wird. Und sie verpufft erst recht nicht, wenn die Gewalt häufig erlebt wurde und heftig in ihrer Form war. Menschen sind sehr komplex und entsprechend vielseitig sind die Ausdrucksformen von erlittener Gewalt. Ein Gewalttäter zu werden, ist eine Sache. Andere werden z.B. Bodybuilder und „Terminatoren" auf der Leinwand oder Boxer, wo legal Gewalt ausgeübt werden kann. Letztlich eine kreative Möglichkeit, so man will, auch wenn sie mir nicht wirklich konstruktiv vorkommt.
Zufällig bin ich auf Berichte über die Kindheit von Arnold Schwarzenegger und den Klitschkobrüdern gestoßen. Ich befasse mich eher beiläufig mit Kindheiten von Prominenten, obwohl man da sicherlich viel zu schreiben könnte. Ich finde es immer wieder erhellend, dass Charaktere, die bereits durch ihr Verhalten sehr viel über ihre Kindheit erzählen, auch nachweisbar Gewalt erfahren haben.
Wladimir Klitschko über seine Kindheit: „Als ich mal was ganz Schlimmes getan hatte, wusste ich, dass mir der Po versohlt wird. Also dachte ich: Wenn der Vater abends kommt, wird es hart. Aber ich dachte auch: Wenn die Mutter das schon geklärt hat, wird Vater gnädig sein. Dann habe ich den Gürtel aus einer Hose meines Vaters genommen und bin damit zur Mutter gegangen. Ich sagte ihr, dass ich etwas Schlimmes gemacht habe, und dass es nicht richtig war. Ich gab ihr den Gürtel in die Hand, guckte in ihre Augen und sagte: So, und jetzt schlag zu. Und dann habe ich ihr noch mit Tränen in den Augen gesagt: Komm, schlag! Mach es! Und dann ist unsere Mutter eingeknickt.“ (Tagesspiegel Online, 15.06.2011)
Arniold Schwarzenegger: „Ich wurde an den Haaren gezogen. Ich wurde mit einem Gürtel verprügelt. (…)Damals wurde der Willen von vielen Kindern gebrochen. Das war die österreichisch-deutsche Mentalität.“ Immer, wenn er geschlagen worden sei, so im Artikel weiter, habe er sich gesagt: „Hier bleibe ich nicht mehr lange. Ich will will hier weg. Ich will reich sein. Ich will jemand werden.“ (schwaebische.de, 05.08.2004)
Zufällig bin ich auf Berichte über die Kindheit von Arnold Schwarzenegger und den Klitschkobrüdern gestoßen. Ich befasse mich eher beiläufig mit Kindheiten von Prominenten, obwohl man da sicherlich viel zu schreiben könnte. Ich finde es immer wieder erhellend, dass Charaktere, die bereits durch ihr Verhalten sehr viel über ihre Kindheit erzählen, auch nachweisbar Gewalt erfahren haben.
Wladimir Klitschko über seine Kindheit: „Als ich mal was ganz Schlimmes getan hatte, wusste ich, dass mir der Po versohlt wird. Also dachte ich: Wenn der Vater abends kommt, wird es hart. Aber ich dachte auch: Wenn die Mutter das schon geklärt hat, wird Vater gnädig sein. Dann habe ich den Gürtel aus einer Hose meines Vaters genommen und bin damit zur Mutter gegangen. Ich sagte ihr, dass ich etwas Schlimmes gemacht habe, und dass es nicht richtig war. Ich gab ihr den Gürtel in die Hand, guckte in ihre Augen und sagte: So, und jetzt schlag zu. Und dann habe ich ihr noch mit Tränen in den Augen gesagt: Komm, schlag! Mach es! Und dann ist unsere Mutter eingeknickt.“ (Tagesspiegel Online, 15.06.2011)
Arniold Schwarzenegger: „Ich wurde an den Haaren gezogen. Ich wurde mit einem Gürtel verprügelt. (…)Damals wurde der Willen von vielen Kindern gebrochen. Das war die österreichisch-deutsche Mentalität.“ Immer, wenn er geschlagen worden sei, so im Artikel weiter, habe er sich gesagt: „Hier bleibe ich nicht mehr lange. Ich will will hier weg. Ich will reich sein. Ich will jemand werden.“ (schwaebische.de, 05.08.2004)
Mittwoch, 25. Januar 2012
Steven Pinker: "Eine neue Geschichte der Menschheit" und die alte Blindheit
Der Evolutionspsychologe Steven Pinker hat kürzlich umfassend in seinem Buch „Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit“ (erschienen 2011) dargelegt, dass diverse Formen von Gewalt (inkl. Krieg) und die Opferraten pro 100.000 Einwohner seit Menschengedenken stetig abnahmen und wir uns derzeit in der friedlichsten Epoche der Menschheit befinden. Dieses Buch spricht mir in dieser Hinsicht voll aus dem Herzen, denn auch ich fühle mich mit dem Blick auf die Geschichte sehr gut und sicher in der Zeit, in der ich lebe. Wir befinden uns in der Tat in einem evolutionären Prozess, der alle Bereiche der Gesellschaft immer menschlicher und gewaltloser werden lässt und der sich zudem immer mehr zu beschleunigen scheint. Diese belegte Beobachtung straft viele gängige Thesen Lügen, die z.B. in einem kapitalistischen System den Ursprung von ständiger Kriegsbereitschaft und einem vermeintlichen Anstieg der Gewalt sehen oder die darlegen, dass das einfache Leben der Urvölker und Stämme ein friedvolles Ideal war und wir Opfer unserer modernen Zivilisation und Technik wären.
Bzgl. der Erklärung von Gewalt und Gewaltrückgang teile ich die Sicht des Autors allerding weniger. Pinker beschreibt fünf „innere Dämonen“ (wie er es nennt) des Menschen: Räuberische oder ausbeuterische Gewalt (als Mittel zum Zweck), Herrschaftsstreben, Rache, Sadismus und Ideologie. Dagegen stellt er vier „bessere Engel“, die die Gewalt zurückdrängen: Empathie, Selbstbeherrschung, Moralgefühl und Vernunft. Mit seiner Wortwahl von „Dämonen“, die durch „Engel“ bekämpft werden müssten macht der Autor ein ganz schönes bildliches Fass auf. Pinker stellte zudem dem Kapitel „Der Prozess der Zivilisation“ ein Zitat von Sigmund Freud voran: „Es ist unmöglich zu übersehen, in welchem Ausmaß die Kultur auf Triebverzicht aufgebaut ist“ (S. 106) Auch wenn Pinker gleich zu Anfang sagt, dass ein innerer natürlicher Tötungsdrang oder Blutdurst, der sich von Zeit zu Zeit entladen müsse, aus wissenschaftlicher Sicht nicht belegbar ist (S. 17), geht er wohl doch von einer gewissen natürlichen Disposition zur Gewalt aus, die durch äußere Rahmen aber eben auch durch die vier „Engel“ eingedämmt werden kann. Seinem Kapitel über die „inneren Dämonen“ setzt er während der Einleitung voran: „Ich möchte (…) „Sie zunächst davon überzeugen, dass die meisten von uns – auch Sie, verehrter Leser – zur Gewaltausübung verdrahtet sind, auch wenn wir aller Wahrscheinlichkeit nach nie die Gelegenheit haben werden, diese Verdrahtung zu nutzen.“ (S. 714) und er schiebt gleich nach: „Ein typisches Kleinkind tritt, beißt, schlägt und rauft zumindest manchmal, und im weiteren Verlauf der Kindheit geht die Häufigkeit der körperlichen Aggression dann nach und nach zurück. Tremblay merkt dazu an: „Babys bringen sich gegenseitig nicht um, weil wir ihnen keine Messer und Pistolen geben. Die Frage … die wir seit 30 Jahren zu beantworten versuchen, lautet: Wie lernen Kinder, aggressiv zu sein? (Aber) das ist die falsche Frage. Die richtige lautet: Wie lernen sie, nicht aggressiv zu sein?“ “ (S. 714)
Ich glaube, jeder, der schon mal mit Kleinkindern zu tun hatte, weiß darum, dass diese aggressiv auftreten können bzw. auch gezielt Grenzen überschreiten, um sich auszuprobieren. In der Tat lernen sie soziales Verhalten, wenn ihnen dann Grenzen aufgezeigt werden. Das ist ein ganz natürlicher Prozess. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Aggression und Gewalt, ja gar gezielter Grausamkeit. (Sehr gut hat diesen Unterschied z.B. Joachim Bauer in seinem Buch „Schmerzgrenze. Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt“ herausgearbeitet.) Ich selbst würde einem Kleinkind auch kein Messer in die Hand drücken, weil dieses einfach nicht die Gefahr für sich und andere abschätzen kann. Es ist aber fatal, wenn man einem Kleinkind eine mörderische Aggression unterstellt, so wie sich das in den zitierten Zeilen andeutet. Kleinkinder neigen nicht natürlicherweise zu einer Freude am Leid anderer. Ich habe ganz im Gegenteil oft beobachtet, wie Kleinkinder andere trösten, wenn diese durch ihr verschulden oder das anderer zu Schaden kamen.
Aggression gehört in der Tat zur „menschlichen Verdrahtung“ und ist lebenswichtig, u.a. auch in Situationen, in denen Menschen direkt (existenziell) bedroht werden oder einfach auch, um anderen deutlich zu machen: „Du überschreitest gerade meine Grenze!“ Gewalt, Folter, Mord, Sadismus, Vergewaltigung, Genozid, Krieg, Kindesmisshandlung usw. all die Themen, die Pinker in seinem Buch abhandelt, sind aber etwas Eigenes und stehen auf einer ganz anderen Ebene, als „natürliches Aggressionspotential“. Natürlich bedarf es für Gewalt und Grausamkeit der „Hardware“, den Möglichkeiten, diese überhaupt auszuüben. Aber diese Hardware scheint mir ursächlich weit weniger relevant für Gewalt. Pinker schreibt dagegen: „Das meiste, was Menschen anderen Menschen antun, entspringt Motiven, die jeder normale Mensch in sich trägt. Daraus folgt, dass der Rückgang der Gewalt von Menschen ausgeht, die diese Motive seltener, in geringerem Umfang oder unter weniger Voraussetzungen in die Tat umsetzen. Die besseren Engel, die diese Dämonen unterwerfen, sind Thema des nächsten Kapitels. Aber schon wenn wir diese Dämonen identifizieren, vollziehen wir wahrscheinlich den ersten Schritt, um sie unter Kontrolle zu bringen.“ (S. 844f) Das erinnert wieder etwas an Freud und den eingangs zitierten Satz, nachdem Kultur die Triebe zähmt…
Obwohl sich Pinker mit allen möglichen Fragen und Ursachenmodellen für Gewaltverhalten aber auch Gewaltrückgang befasst, schreibt er letztlich resümierend: „(…) ich bin der Ansicht, dass die vielen Datenbestände, denen zufolge die Gewalt in Wellenlinien nach unten geht, ein bedenkenswertes Rätsel darstellen.“ (ebd.: 1030)
Mit einer wesentlichen Ursache von Gewalt hat er sich aber nicht befasst und man darf dreimal raten, welche das war: Kindliche Gewalterfahrungen. Warum er diesen Erfahrungen wenig Platz einräumt, wird an einer Stelle des Buches deutlich: (…) „Serienmörder kommen nicht durch eine erkennbare Veränderung, eine Schädigung des Gehirns oder Kindheitserlebnisse zu ihrer Nebenbeschäftigung. (Sie sind zwar in ihrer Kindheit häufig Opfer von sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung geworden, aber das gilt auch für Millionen andere Menschen, die nicht zu Serienmördern heranwachsen)“ (S. 813) Dieser Einwand ist klassisch und negiert komplett den möglichen Einfluss von kindlichen Gewalterfahrungen. Also braucht man dann auch nicht weiter darüber zu reden… Klassisch ist auch, dass sich Forschende nicht fragen, ob eine geliebtes, nicht-misshandeltes Kind später je zum Serienmörder und ähnlichem wurde.
Pinker selbst beschreibt auf etlichen Seiten den historischen Rückgang von Kindesmord, Prügelstrafen, Misshandlungen und Schikanen gegenüber Kindern, allerdings ohne daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. (614ff) Und das, obwohl er fünf Bücher bzw. Texte von Lloyd deMause verwendet hat, er nach eigenen Angaben auch deMause persönlich kontaktiert hat, um sich Anregungen für sein Buch zu holen, Pinker einmal ein Zitat (ebd.: 816) anbringt, dass in der Quelle gleich vor dem Kapitel „Die historische Evolution der Kindererziehung und die Abnahme menschlicher Gewalt“ (vgl. deMause 2005: 162) steht und er deMause folgend folterähnliche Erziehungspraktiken bei japanischen Kindern beschreibt und dann in Klammern (!) anmerkt: „(DeMause, der nicht nur Psychohistoriker, sondern auch Psychoanalytiker ist, verfügt also über viel Material, mit dem er die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges erklären konnte.)“ (Pinker 2011, S. 636) Pinker klammert diese Erkenntnisse von deMause ein und dadurch wiederum aus. Für den Forschungsbereich Psychohistorie ist dagegen die sich historisch stetig verbessernde Kindererziehungspraxis der wesentliche Motor der Evolution von Psyche und Gesellschaft, von Fortschritt und Gewaltrückgang. (vgl. deMause 2005: 162ff; 179ff; 278ff) Es ist fast ausgeschlossen, dass Pinker nichts darüber erfahren hat. Nun ist es jedem Forschenden freigestellt, Dinge anders zu sehen und zu interpretieren. Pinker hat die psychohistorischen Thesen aber mit keinem Wort besprochen und kritisiert, so wie er dies mit anderen Ansätzen getan hat. Er hat sie einfach unter den Tisch fallen lassen.
Insofern fasse ich zusammen: Das Buch ist sehr bedeutend bzgl. der umfassenden und anschaulichen Datensammlung zum allgemeinen Rückgang menschlicher Gewalt und sollte in der Tat dazu anregen, die Zukunft optimistisch zu sehen. Das Buch beantwortet trotz seiner 1033 Seiten aber keine wesentlichen Fragen bzgl. der Ursachen von Gewalt und Gewaltrückgang. Letzteres ist für Pinker ein Rätsel und es wird ein Rätsel bleiben, wenn man sich blind macht gegenüber den gesellschaftlichen Auswirkungen, die eine sich stetig verbessernde Kindererziehungspraxis mit sich bringt. Pinker schreibt abschließend: „Der Rückgang der Gewalt dürfte die bedeutsamste und am wenigsten gewürdigte Entwicklung in der Geschichte unserer Spezies sein.“ (S. 1027) Ich würde es so formulieren: „Der stetige (allerdings ungleichzeitige) Rückgang der Gewalt gegen Kinder und der nachfolgende Rückgang anderer Formen von Gewalt und Destruktivität und auch die nachfolgende Evolution von Psyche und Gesellschaft dürften die bedeutsamsten und am wenigsten gewürdigten Entwicklungen in der Geschichte unserer Spezies sein.“
siehe ergänzend auch: Kurzer Email-Austausch mit Steven Pinker
Bzgl. der Erklärung von Gewalt und Gewaltrückgang teile ich die Sicht des Autors allerding weniger. Pinker beschreibt fünf „innere Dämonen“ (wie er es nennt) des Menschen: Räuberische oder ausbeuterische Gewalt (als Mittel zum Zweck), Herrschaftsstreben, Rache, Sadismus und Ideologie. Dagegen stellt er vier „bessere Engel“, die die Gewalt zurückdrängen: Empathie, Selbstbeherrschung, Moralgefühl und Vernunft. Mit seiner Wortwahl von „Dämonen“, die durch „Engel“ bekämpft werden müssten macht der Autor ein ganz schönes bildliches Fass auf. Pinker stellte zudem dem Kapitel „Der Prozess der Zivilisation“ ein Zitat von Sigmund Freud voran: „Es ist unmöglich zu übersehen, in welchem Ausmaß die Kultur auf Triebverzicht aufgebaut ist“ (S. 106) Auch wenn Pinker gleich zu Anfang sagt, dass ein innerer natürlicher Tötungsdrang oder Blutdurst, der sich von Zeit zu Zeit entladen müsse, aus wissenschaftlicher Sicht nicht belegbar ist (S. 17), geht er wohl doch von einer gewissen natürlichen Disposition zur Gewalt aus, die durch äußere Rahmen aber eben auch durch die vier „Engel“ eingedämmt werden kann. Seinem Kapitel über die „inneren Dämonen“ setzt er während der Einleitung voran: „Ich möchte (…) „Sie zunächst davon überzeugen, dass die meisten von uns – auch Sie, verehrter Leser – zur Gewaltausübung verdrahtet sind, auch wenn wir aller Wahrscheinlichkeit nach nie die Gelegenheit haben werden, diese Verdrahtung zu nutzen.“ (S. 714) und er schiebt gleich nach: „Ein typisches Kleinkind tritt, beißt, schlägt und rauft zumindest manchmal, und im weiteren Verlauf der Kindheit geht die Häufigkeit der körperlichen Aggression dann nach und nach zurück. Tremblay merkt dazu an: „Babys bringen sich gegenseitig nicht um, weil wir ihnen keine Messer und Pistolen geben. Die Frage … die wir seit 30 Jahren zu beantworten versuchen, lautet: Wie lernen Kinder, aggressiv zu sein? (Aber) das ist die falsche Frage. Die richtige lautet: Wie lernen sie, nicht aggressiv zu sein?“ “ (S. 714)
Ich glaube, jeder, der schon mal mit Kleinkindern zu tun hatte, weiß darum, dass diese aggressiv auftreten können bzw. auch gezielt Grenzen überschreiten, um sich auszuprobieren. In der Tat lernen sie soziales Verhalten, wenn ihnen dann Grenzen aufgezeigt werden. Das ist ein ganz natürlicher Prozess. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Aggression und Gewalt, ja gar gezielter Grausamkeit. (Sehr gut hat diesen Unterschied z.B. Joachim Bauer in seinem Buch „Schmerzgrenze. Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt“ herausgearbeitet.) Ich selbst würde einem Kleinkind auch kein Messer in die Hand drücken, weil dieses einfach nicht die Gefahr für sich und andere abschätzen kann. Es ist aber fatal, wenn man einem Kleinkind eine mörderische Aggression unterstellt, so wie sich das in den zitierten Zeilen andeutet. Kleinkinder neigen nicht natürlicherweise zu einer Freude am Leid anderer. Ich habe ganz im Gegenteil oft beobachtet, wie Kleinkinder andere trösten, wenn diese durch ihr verschulden oder das anderer zu Schaden kamen.
Aggression gehört in der Tat zur „menschlichen Verdrahtung“ und ist lebenswichtig, u.a. auch in Situationen, in denen Menschen direkt (existenziell) bedroht werden oder einfach auch, um anderen deutlich zu machen: „Du überschreitest gerade meine Grenze!“ Gewalt, Folter, Mord, Sadismus, Vergewaltigung, Genozid, Krieg, Kindesmisshandlung usw. all die Themen, die Pinker in seinem Buch abhandelt, sind aber etwas Eigenes und stehen auf einer ganz anderen Ebene, als „natürliches Aggressionspotential“. Natürlich bedarf es für Gewalt und Grausamkeit der „Hardware“, den Möglichkeiten, diese überhaupt auszuüben. Aber diese Hardware scheint mir ursächlich weit weniger relevant für Gewalt. Pinker schreibt dagegen: „Das meiste, was Menschen anderen Menschen antun, entspringt Motiven, die jeder normale Mensch in sich trägt. Daraus folgt, dass der Rückgang der Gewalt von Menschen ausgeht, die diese Motive seltener, in geringerem Umfang oder unter weniger Voraussetzungen in die Tat umsetzen. Die besseren Engel, die diese Dämonen unterwerfen, sind Thema des nächsten Kapitels. Aber schon wenn wir diese Dämonen identifizieren, vollziehen wir wahrscheinlich den ersten Schritt, um sie unter Kontrolle zu bringen.“ (S. 844f) Das erinnert wieder etwas an Freud und den eingangs zitierten Satz, nachdem Kultur die Triebe zähmt…
Obwohl sich Pinker mit allen möglichen Fragen und Ursachenmodellen für Gewaltverhalten aber auch Gewaltrückgang befasst, schreibt er letztlich resümierend: „(…) ich bin der Ansicht, dass die vielen Datenbestände, denen zufolge die Gewalt in Wellenlinien nach unten geht, ein bedenkenswertes Rätsel darstellen.“ (ebd.: 1030)
Mit einer wesentlichen Ursache von Gewalt hat er sich aber nicht befasst und man darf dreimal raten, welche das war: Kindliche Gewalterfahrungen. Warum er diesen Erfahrungen wenig Platz einräumt, wird an einer Stelle des Buches deutlich: (…) „Serienmörder kommen nicht durch eine erkennbare Veränderung, eine Schädigung des Gehirns oder Kindheitserlebnisse zu ihrer Nebenbeschäftigung. (Sie sind zwar in ihrer Kindheit häufig Opfer von sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung geworden, aber das gilt auch für Millionen andere Menschen, die nicht zu Serienmördern heranwachsen)“ (S. 813) Dieser Einwand ist klassisch und negiert komplett den möglichen Einfluss von kindlichen Gewalterfahrungen. Also braucht man dann auch nicht weiter darüber zu reden… Klassisch ist auch, dass sich Forschende nicht fragen, ob eine geliebtes, nicht-misshandeltes Kind später je zum Serienmörder und ähnlichem wurde.
Pinker selbst beschreibt auf etlichen Seiten den historischen Rückgang von Kindesmord, Prügelstrafen, Misshandlungen und Schikanen gegenüber Kindern, allerdings ohne daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. (614ff) Und das, obwohl er fünf Bücher bzw. Texte von Lloyd deMause verwendet hat, er nach eigenen Angaben auch deMause persönlich kontaktiert hat, um sich Anregungen für sein Buch zu holen, Pinker einmal ein Zitat (ebd.: 816) anbringt, dass in der Quelle gleich vor dem Kapitel „Die historische Evolution der Kindererziehung und die Abnahme menschlicher Gewalt“ (vgl. deMause 2005: 162) steht und er deMause folgend folterähnliche Erziehungspraktiken bei japanischen Kindern beschreibt und dann in Klammern (!) anmerkt: „(DeMause, der nicht nur Psychohistoriker, sondern auch Psychoanalytiker ist, verfügt also über viel Material, mit dem er die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges erklären konnte.)“ (Pinker 2011, S. 636) Pinker klammert diese Erkenntnisse von deMause ein und dadurch wiederum aus. Für den Forschungsbereich Psychohistorie ist dagegen die sich historisch stetig verbessernde Kindererziehungspraxis der wesentliche Motor der Evolution von Psyche und Gesellschaft, von Fortschritt und Gewaltrückgang. (vgl. deMause 2005: 162ff; 179ff; 278ff) Es ist fast ausgeschlossen, dass Pinker nichts darüber erfahren hat. Nun ist es jedem Forschenden freigestellt, Dinge anders zu sehen und zu interpretieren. Pinker hat die psychohistorischen Thesen aber mit keinem Wort besprochen und kritisiert, so wie er dies mit anderen Ansätzen getan hat. Er hat sie einfach unter den Tisch fallen lassen.
Insofern fasse ich zusammen: Das Buch ist sehr bedeutend bzgl. der umfassenden und anschaulichen Datensammlung zum allgemeinen Rückgang menschlicher Gewalt und sollte in der Tat dazu anregen, die Zukunft optimistisch zu sehen. Das Buch beantwortet trotz seiner 1033 Seiten aber keine wesentlichen Fragen bzgl. der Ursachen von Gewalt und Gewaltrückgang. Letzteres ist für Pinker ein Rätsel und es wird ein Rätsel bleiben, wenn man sich blind macht gegenüber den gesellschaftlichen Auswirkungen, die eine sich stetig verbessernde Kindererziehungspraxis mit sich bringt. Pinker schreibt abschließend: „Der Rückgang der Gewalt dürfte die bedeutsamste und am wenigsten gewürdigte Entwicklung in der Geschichte unserer Spezies sein.“ (S. 1027) Ich würde es so formulieren: „Der stetige (allerdings ungleichzeitige) Rückgang der Gewalt gegen Kinder und der nachfolgende Rückgang anderer Formen von Gewalt und Destruktivität und auch die nachfolgende Evolution von Psyche und Gesellschaft dürften die bedeutsamsten und am wenigsten gewürdigten Entwicklungen in der Geschichte unserer Spezies sein.“
siehe ergänzend auch: Kurzer Email-Austausch mit Steven Pinker
Montag, 23. Januar 2012
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Überblick über meine bisherigen Veröffentlichungen außerhalb des Blogs und über (Fach-)Rezensionen meines Buches
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Bereits seit Ende 2008 existiert dieser Blog. Intensiv befasse ich mich allerdings bereits seit ca. 2002 mit dem Thema Kindesmisshandlung-/missbrauch und den entsprechenden Folgen. Während meiner Studienzeit habe ich sogar am Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg ein studentisches Seminar ins Lebens gerufen (also ein Seminar, das - unter Schirrmherrschaft einer Dozentin - nur von Studenten geleitet wird), in dem wir einige Semester zukünftige Pädagogen und Pädagoginnen schwerpunktmäßig über das Thema Sexueller Missbrauch und teils auch Kindesmisshandlung aufgeklärt haben. Damals war dieses Thema kein Bestandteil der pädagogischen Ausbildung, was ich als Lücke empfand.
Ursprünglich war der Blog von mir dazu gedacht, meinen „Grundlagentext“ (der mittlerweile übrigens stark veraltet und auch formal nicht perfekt ist), den ich 2003 in einem politischen Seminar über die Kriegsursachen an der UNI Hamburg als Hausarbeit geschrieben und dann Stück für Stück in meiner Freizeit weiterentwickelt habe, öffentlich zugänglich zu erhalten. Das Ganze wurde allerdings im Laufe der Zeit mehr, als ein Ausläufer meines „Grundlagentextes“.
Bereits meine mündliche Abiturprüfung 1996 habe ich selbstgewählt über Hitler und Stalin gehalten, ohne allerdings damals den Einfluss von Kindheit auf politisches Verhalten erkannt zu haben. Der bedeutsame Einfluss von Kindheit auf die Politik und Gewaltverhalten ist mir erst später aus einem Mix von Begegnungen (sowohl privat als auch u.a. während meiner Zivildienstzeit in einer Hamburger Drogentherapieeinrichtung) mit Menschen, die schwere Gewalterfahrungen erlitten haben und der Lektüre von Alice Miller und Arno Gruen klar geworden. Zudem war ich damals (ca. 2002) zutiefst schockiert, als mir erstmals das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder in Deutschland an Hand von Studien bewusst wurde. Mit der Zeit habe ich verstanden, verstehen müssen, dass das, was wir aktuell an Gewalt gegen Kinder in Deutschland feststellen, ein Teil eines langen "psycho-evolutionären" Prozesses ist und das Kindheit noch nie so gewaltfrei in Deutschland war, wie heute. Dem ersten Schock folgte also ein quasi ein "historischer" Schock, indem ich mich mit der Kindheit in früheren Zeiten befasste. Von beidem habe ich mich mittlerweile ganz gut erholt und blicke heute mit mehr Ruhe auf die Dinge.
Merkwürdigerweise bin ich sehr spät (ca. Ende 2007) auf den Forschungsbereich Psychohistorie gestoßen, obwohl ich Miller und Gruen bereits kannte und auch über die historische Entwicklung der Kindheit in dem Buch „Hört ihr die Kinder weinen: Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit“ von dem Psychohistoriker Lloyd deMause gelesen hatte. Ich dachte, gut, mehr zum Thema gibt es wohl kaum zu entdecken. Dann bekam ich das Buch „Das emotionale Leben der Nationen“ in die Hände und konnte meinen Augen kaum trauen, dass deMause eine komplette Theorie über die (emotionalen) Motivationen in der Geschichte verfasst hatte. Es gibt wirklich noch sehr viel mehr bzgl. des Themas zu entdecken, als ich ursprünglich dachte. DeMause hat vieles bei mir angestoßen. U.a. besonders wichtig finde ich seine Auffassung darüber, dass Kriege vor allem auch selbstmörderisch und selbstdestruktiv sind und sie unterbewusst der Reduzierung von Wohlstand und Wachstum dienen. Die komplexen (selbst-)destruktiven Folgen von Kriegen sind demnach das eigentliche Ziel. Mit dieser Sicht ergibt sich ein ganz anderes Bild und ein ganz anderer Zugang zu Krieg und Terror.
Ich habe zwischen 2001 und 2004 über drei Jahre Soziologie (und auch etwas Politik und Psychologie) studiert und wollte eigentlich Gewaltforscher werden. Während des Studiums merkte ich für mich allerdings immer mehr, dass mich komplexe Gesellschaftstheorien zwar gedanklich anregten, aber mir keine grundlegenden Antworten bzgl. der Ursachen von Gewalt und destruktivem Verhalten gaben. Im Hauptstudium ergriff ich dann im Jahr 2004 eine einmalige Gelegenheit, mich beruflich selbstständig zu machen, was eine gute Entscheidung war. Insofern habe ich beruflich nichts mit dem Thema des Blogs zu tun und das ist auch gut so für mich. Ich bin selbstständiger Kaufmann (gelernter Industriekaufmann) bzw. Unternehmer. Diese kaufmännische Basis fließt auch in meine Arbeit hier ein, da ich einen Hang zu Zahlen habe. Wenn man in der Wirtschaft Entscheidungen treffen muss, schaut man sich zunächst die Daten und die Zahlen an. Ähnlich gehe ich stets auch beim Thema Gewalt gegen Kinder vor, indem ich Länder oder gesellschaftliche/politische Entwicklungen entsprechend entlang der Zahlen über das Ausmaß von Kindesmisshandlung analysiere.
Ich betreibe diesen Blog also eher aus Berufung. Meine Herangehensweise an das Thema entspricht weitgehend auch dem, was unter "Psychohistorie" (englisch: Psychohistory) bekannt ist. Ich selbst bin Mitglied der Gesellschaft für Psychohistorie und Politische Psychologie (GPPP) und habe auch schon Beiträge für die Jahrbücher für psychohistorische Forschung verfasst.
Ich habe lange überlegt, ob ich an dieser Stelle etwas über meinen Großvater berichten soll. Mein Großvater väterlicherseits war ein überzeugter Nazi und bei der SS.. Später kam er in russische Kriegsgefangenschaft. Sein Sohn, mein Vater, lag lebenslang im Streit mit ihm. Ich habe dies hier erst nachträglich eingefügt. Mein Zögern kommt daher, weil ich diese Familiengeschichte nicht - bzgl. meiner Arbeit hier - überbewerten möchte. Die o.g. Erfahrungen haben mich weit mehr geprägt, was meine Entwicklung hin zu diesem Blog angeht. Trotzdem steht natürlich auch fest, dass dieser NS-Großvater schon in meiner Jugend große Fragezeichen nach dem Warum? der NS-Zeit ausgelöst hat. Diese Geschichte gehört zu mir und meiner Familie und auch zu der Geschichte dieses Blogs. Insofern will ich sie - etwas verspätet - auch hier erwähnen. Zu diesem Thema gehört auch mein Beitrag "Die Kinder der NS-Täter und die Kindheit der NS-Täter".
Über meine eigene Kindheit kann ich sagen, dass ich keinerlei körperliche und sexuelle Gewalt erlebt habe. Ich erinnere mich allerdings daran, dass meine Mutter mir bestimmt 10 mal erzählt hat, sie hätte mir als ich ca. zwei Jahre alt war und weggelaufen sei, unter Schock als sie mich wiedergefunden hatte einen leichten Klaps auf den Windelpo gegeben. Sie schaute mich dann immer etwas fragend an, nach dem Motto: „Hoffentlich hat dir das nicht geschadet?“ Bei uns zu Hause gab es auch keine Strafen für irgendetwas, was ich mal falsch gemacht hatte. Ich bekam zudem sehr viele Freiheiten, durfte in der ganzen Wohnung spielen, mein Zimmer so nutzen (inkl. bemalen der Wände), wie ich es wollte, Freunde jederzeit mitbringen, draußen stundenlang unterwegs sein usw. Da meine Eltern selbstständig waren, waren sie für mich zu Hause auch immer erreichbar. Allerdings gab es auch deutliche Schatten, vor allem sehr heftige emotionale Spannungen und Streitigkeiten zwischen meinen Eltern und emotionale Probleme in der Familie. Dies hat mich nachhaltig geprägt und es hat mir auf jeden Fall geschadet. Ich weiß genau, warum ich in diesem Thema so viel gegraben habe. Was anfänglich sicher aus einer gewissen eigenen Betroffenheit heraus begann, ist mittlerweile zu einem Ziel geworden, das über persönlichen Erkenntnisgewinn hinausgeht: Gewalt gegen Kinder zu verhindern, ist für mich mehr, als ein reiner Akt der Menschlichkeit gegenüber konkreten Personen, es ist auch ein Akt der Sicherung einer friedlichen Zukunft für die nächsten Generationen, für meine Kinder und die später Ihrigen. Ich finde es zudem unerträglich, dass weite Teile der Öffentlichkeit immer mit einem hilflosen „Warum?“ vor grausamen aktuellen oder vergangenen Taten stehen, obwohl wir heute über enorm viel Wissen über die tieferen Ursachen der Gewalt verfügen.
Die Ziele dieses Blogs sind insofern ganz eindeutig:
1. Aufklärung über die weite Verbreitung der Gewalt gegen Kinder
2. Aufklärung über die Auswirkungen destruktiver Kindheiten auf späteres Verhalten (vor allem auch auf politisches Verhalten). Dabei auch Schaffung von einem Bewusstsein dafür, wie sich öffentlich in Bildern und Sprache (vor allem auch in den Medien) gewaltvolle Kindheiten wiederaufführen.
3. Motivation zu mehr Forschung und auch Berichterstattung in den Medien zu dem Thema
4. Motivation zu viel mehr gezieltem Kinderschutz, vor allem auch in den Krisenregionen dieser Welt. Würden z.B. westliche Rüstungsausgaben in den weltweiten Kinderschutz investiert, hätten wir innerhalb von 20-30 Jahren kriegerische Konflikte und andere Gewaltakte stark eingedämmt.
Positionierung
Ich bin trotz aller deutlichen Worte immer dafür, Menschen nach ihrem Verhalten zu beurteilen. Ich habe schon diverse absurde Vorschläge gelesen, z.B. von einem psychologischem Zwangstest für Politiker (wo man sich dann außerdem auch fragen muss, wie viel Macht einzelnen Gutachtern zukommt) oder auch die Forderung, Eltern von Gewalttätern quasi in Sippenhaft zu nehmen, da diese deren Verhalten verursacht hätten. Ich glaube dagegen vor allem an die Wirkung von Prävention in Form von Kinderschutz. Und ich glaube an die Eigenverantwortung der Menschen für ihre Taten. Ein als Kind gefolterter Mensch darf in seiner Fantasie alles Mögliche wünschen, Folter und Tod, Massenmord, was weiß ich alles. Es ist nur zu verständlich, wenn Menschen, die schwere Gewalt als Kind erlitten haben, Rache- und Hassfantasien entwickeln. Jeder Mensch kann aber in der heutigen Zeit um Hilfe bitten, wenn er seine Fantasien los werden will oder wenn diese gar drohen, in die Realität umgesetzt zu werden. Wer Verbrechen real begeht, gehört dafür juristisch zur Verantwortung gezogen, egal wie seine Kindheit aussah. (Dieses Thema habe ich auch in dem Beitrag "Fallbeispiel Beate Zschäpe: Opfer vom Opfer = kein Täter?" besprochen)
Entwicklung und Qualität des Blogs
Da der Blog bereits seit dem Jahr 2008 besteht, spiegeln die Beiträge auch etwas meine persönliche Entwicklung wider. Mir ist z.B. bewusst, dass frühere Texte von mir manchmal formal nicht perfekt sind (z.B. Zitierweise, manche Rechtschreibfehler usw.). Manche Verlinkungen sind auch nicht mehr aktuell. Ich habe nicht die Zeit, alles neu zu überarbeiten. Manchmal lese ich auch Beiträge von "früher" und denke mir: "Da musste wohl was raus!" Insofern stehe ich zu meinen Fehlern ;-). Manchmal denke ich aber auch, dass ich früher etwas mehr "emotionale Fahrt" hatte, was nicht immer schlecht sein muss. Manche frühere Texte von mir überraschen mich heute noch selbst. Je mehr die Zeit fortgeschritten ist, desto weniger Beiträge habe ich im Schnitt produziert. Dafür sind neuere Beiträge überlegter und ausgewählter. Und sie folgen eher eine Systematik, einem Gesamtbild, das sich im Inhaltsverzeichnis widerspiegelt.
Distanzierung / Missbrauch meiner Texte für (destruktive) politische Zwecke
Ich bin gegen einen Missbrauch der von mir gesammelten Daten und Zahlen. Leider wurden in der Vergangenheit Texte von mir in rechten Kreisen besprochen und für ein Trommeln gegen Geflüchtete genutzt. Ich distanziere mich deutlich von diesen Seiten und habe dazu einen eigenen Beitrag verfasst: Gegen rechte Besucher, AfD & Co., aber für reife Persönlichkeiten!
Dies ist ein werbefreier, privater Blog, der zum Ziel hat, Menschen über relevante Informationen rund um das Thema Kindesmisshandlung und deren Folgen zu informieren.
Kontakt mit mir / Onlinekommentare
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Über mich und diesen Blog:
Ursprünglich war der Blog von mir dazu gedacht, meinen „Grundlagentext“ (der mittlerweile übrigens stark veraltet und auch formal nicht perfekt ist), den ich 2003 in einem politischen Seminar über die Kriegsursachen an der UNI Hamburg als Hausarbeit geschrieben und dann Stück für Stück in meiner Freizeit weiterentwickelt habe, öffentlich zugänglich zu erhalten. Das Ganze wurde allerdings im Laufe der Zeit mehr, als ein Ausläufer meines „Grundlagentextes“.
Bereits meine mündliche Abiturprüfung 1996 habe ich selbstgewählt über Hitler und Stalin gehalten, ohne allerdings damals den Einfluss von Kindheit auf politisches Verhalten erkannt zu haben. Der bedeutsame Einfluss von Kindheit auf die Politik und Gewaltverhalten ist mir erst später aus einem Mix von Begegnungen (sowohl privat als auch u.a. während meiner Zivildienstzeit in einer Hamburger Drogentherapieeinrichtung) mit Menschen, die schwere Gewalterfahrungen erlitten haben und der Lektüre von Alice Miller und Arno Gruen klar geworden. Zudem war ich damals (ca. 2002) zutiefst schockiert, als mir erstmals das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder in Deutschland an Hand von Studien bewusst wurde. Mit der Zeit habe ich verstanden, verstehen müssen, dass das, was wir aktuell an Gewalt gegen Kinder in Deutschland feststellen, ein Teil eines langen "psycho-evolutionären" Prozesses ist und das Kindheit noch nie so gewaltfrei in Deutschland war, wie heute. Dem ersten Schock folgte also ein quasi ein "historischer" Schock, indem ich mich mit der Kindheit in früheren Zeiten befasste. Von beidem habe ich mich mittlerweile ganz gut erholt und blicke heute mit mehr Ruhe auf die Dinge.
Merkwürdigerweise bin ich sehr spät (ca. Ende 2007) auf den Forschungsbereich Psychohistorie gestoßen, obwohl ich Miller und Gruen bereits kannte und auch über die historische Entwicklung der Kindheit in dem Buch „Hört ihr die Kinder weinen: Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit“ von dem Psychohistoriker Lloyd deMause gelesen hatte. Ich dachte, gut, mehr zum Thema gibt es wohl kaum zu entdecken. Dann bekam ich das Buch „Das emotionale Leben der Nationen“ in die Hände und konnte meinen Augen kaum trauen, dass deMause eine komplette Theorie über die (emotionalen) Motivationen in der Geschichte verfasst hatte. Es gibt wirklich noch sehr viel mehr bzgl. des Themas zu entdecken, als ich ursprünglich dachte. DeMause hat vieles bei mir angestoßen. U.a. besonders wichtig finde ich seine Auffassung darüber, dass Kriege vor allem auch selbstmörderisch und selbstdestruktiv sind und sie unterbewusst der Reduzierung von Wohlstand und Wachstum dienen. Die komplexen (selbst-)destruktiven Folgen von Kriegen sind demnach das eigentliche Ziel. Mit dieser Sicht ergibt sich ein ganz anderes Bild und ein ganz anderer Zugang zu Krieg und Terror.
Ich habe zwischen 2001 und 2004 über drei Jahre Soziologie (und auch etwas Politik und Psychologie) studiert und wollte eigentlich Gewaltforscher werden. Während des Studiums merkte ich für mich allerdings immer mehr, dass mich komplexe Gesellschaftstheorien zwar gedanklich anregten, aber mir keine grundlegenden Antworten bzgl. der Ursachen von Gewalt und destruktivem Verhalten gaben. Im Hauptstudium ergriff ich dann im Jahr 2004 eine einmalige Gelegenheit, mich beruflich selbstständig zu machen, was eine gute Entscheidung war. Insofern habe ich beruflich nichts mit dem Thema des Blogs zu tun und das ist auch gut so für mich. Ich bin selbstständiger Kaufmann (gelernter Industriekaufmann) bzw. Unternehmer. Diese kaufmännische Basis fließt auch in meine Arbeit hier ein, da ich einen Hang zu Zahlen habe. Wenn man in der Wirtschaft Entscheidungen treffen muss, schaut man sich zunächst die Daten und die Zahlen an. Ähnlich gehe ich stets auch beim Thema Gewalt gegen Kinder vor, indem ich Länder oder gesellschaftliche/politische Entwicklungen entsprechend entlang der Zahlen über das Ausmaß von Kindesmisshandlung analysiere.
Ich betreibe diesen Blog also eher aus Berufung. Meine Herangehensweise an das Thema entspricht weitgehend auch dem, was unter "Psychohistorie" (englisch: Psychohistory) bekannt ist. Ich selbst bin Mitglied der Gesellschaft für Psychohistorie und Politische Psychologie (GPPP) und habe auch schon Beiträge für die Jahrbücher für psychohistorische Forschung verfasst.
Ich habe lange überlegt, ob ich an dieser Stelle etwas über meinen Großvater berichten soll. Mein Großvater väterlicherseits war ein überzeugter Nazi und bei der SS.. Später kam er in russische Kriegsgefangenschaft. Sein Sohn, mein Vater, lag lebenslang im Streit mit ihm. Ich habe dies hier erst nachträglich eingefügt. Mein Zögern kommt daher, weil ich diese Familiengeschichte nicht - bzgl. meiner Arbeit hier - überbewerten möchte. Die o.g. Erfahrungen haben mich weit mehr geprägt, was meine Entwicklung hin zu diesem Blog angeht. Trotzdem steht natürlich auch fest, dass dieser NS-Großvater schon in meiner Jugend große Fragezeichen nach dem Warum? der NS-Zeit ausgelöst hat. Diese Geschichte gehört zu mir und meiner Familie und auch zu der Geschichte dieses Blogs. Insofern will ich sie - etwas verspätet - auch hier erwähnen. Zu diesem Thema gehört auch mein Beitrag "Die Kinder der NS-Täter und die Kindheit der NS-Täter".
Über meine eigene Kindheit kann ich sagen, dass ich keinerlei körperliche und sexuelle Gewalt erlebt habe. Ich erinnere mich allerdings daran, dass meine Mutter mir bestimmt 10 mal erzählt hat, sie hätte mir als ich ca. zwei Jahre alt war und weggelaufen sei, unter Schock als sie mich wiedergefunden hatte einen leichten Klaps auf den Windelpo gegeben. Sie schaute mich dann immer etwas fragend an, nach dem Motto: „Hoffentlich hat dir das nicht geschadet?“ Bei uns zu Hause gab es auch keine Strafen für irgendetwas, was ich mal falsch gemacht hatte. Ich bekam zudem sehr viele Freiheiten, durfte in der ganzen Wohnung spielen, mein Zimmer so nutzen (inkl. bemalen der Wände), wie ich es wollte, Freunde jederzeit mitbringen, draußen stundenlang unterwegs sein usw. Da meine Eltern selbstständig waren, waren sie für mich zu Hause auch immer erreichbar. Allerdings gab es auch deutliche Schatten, vor allem sehr heftige emotionale Spannungen und Streitigkeiten zwischen meinen Eltern und emotionale Probleme in der Familie. Dies hat mich nachhaltig geprägt und es hat mir auf jeden Fall geschadet. Ich weiß genau, warum ich in diesem Thema so viel gegraben habe. Was anfänglich sicher aus einer gewissen eigenen Betroffenheit heraus begann, ist mittlerweile zu einem Ziel geworden, das über persönlichen Erkenntnisgewinn hinausgeht: Gewalt gegen Kinder zu verhindern, ist für mich mehr, als ein reiner Akt der Menschlichkeit gegenüber konkreten Personen, es ist auch ein Akt der Sicherung einer friedlichen Zukunft für die nächsten Generationen, für meine Kinder und die später Ihrigen. Ich finde es zudem unerträglich, dass weite Teile der Öffentlichkeit immer mit einem hilflosen „Warum?“ vor grausamen aktuellen oder vergangenen Taten stehen, obwohl wir heute über enorm viel Wissen über die tieferen Ursachen der Gewalt verfügen.
Die Ziele dieses Blogs sind insofern ganz eindeutig:
1. Aufklärung über die weite Verbreitung der Gewalt gegen Kinder
2. Aufklärung über die Auswirkungen destruktiver Kindheiten auf späteres Verhalten (vor allem auch auf politisches Verhalten). Dabei auch Schaffung von einem Bewusstsein dafür, wie sich öffentlich in Bildern und Sprache (vor allem auch in den Medien) gewaltvolle Kindheiten wiederaufführen.
3. Motivation zu mehr Forschung und auch Berichterstattung in den Medien zu dem Thema
4. Motivation zu viel mehr gezieltem Kinderschutz, vor allem auch in den Krisenregionen dieser Welt. Würden z.B. westliche Rüstungsausgaben in den weltweiten Kinderschutz investiert, hätten wir innerhalb von 20-30 Jahren kriegerische Konflikte und andere Gewaltakte stark eingedämmt.
Positionierung
Ich bin trotz aller deutlichen Worte immer dafür, Menschen nach ihrem Verhalten zu beurteilen. Ich habe schon diverse absurde Vorschläge gelesen, z.B. von einem psychologischem Zwangstest für Politiker (wo man sich dann außerdem auch fragen muss, wie viel Macht einzelnen Gutachtern zukommt) oder auch die Forderung, Eltern von Gewalttätern quasi in Sippenhaft zu nehmen, da diese deren Verhalten verursacht hätten. Ich glaube dagegen vor allem an die Wirkung von Prävention in Form von Kinderschutz. Und ich glaube an die Eigenverantwortung der Menschen für ihre Taten. Ein als Kind gefolterter Mensch darf in seiner Fantasie alles Mögliche wünschen, Folter und Tod, Massenmord, was weiß ich alles. Es ist nur zu verständlich, wenn Menschen, die schwere Gewalt als Kind erlitten haben, Rache- und Hassfantasien entwickeln. Jeder Mensch kann aber in der heutigen Zeit um Hilfe bitten, wenn er seine Fantasien los werden will oder wenn diese gar drohen, in die Realität umgesetzt zu werden. Wer Verbrechen real begeht, gehört dafür juristisch zur Verantwortung gezogen, egal wie seine Kindheit aussah. (Dieses Thema habe ich auch in dem Beitrag "Fallbeispiel Beate Zschäpe: Opfer vom Opfer = kein Täter?" besprochen)
Entwicklung und Qualität des Blogs
Da der Blog bereits seit dem Jahr 2008 besteht, spiegeln die Beiträge auch etwas meine persönliche Entwicklung wider. Mir ist z.B. bewusst, dass frühere Texte von mir manchmal formal nicht perfekt sind (z.B. Zitierweise, manche Rechtschreibfehler usw.). Manche Verlinkungen sind auch nicht mehr aktuell. Ich habe nicht die Zeit, alles neu zu überarbeiten. Manchmal lese ich auch Beiträge von "früher" und denke mir: "Da musste wohl was raus!" Insofern stehe ich zu meinen Fehlern ;-). Manchmal denke ich aber auch, dass ich früher etwas mehr "emotionale Fahrt" hatte, was nicht immer schlecht sein muss. Manche frühere Texte von mir überraschen mich heute noch selbst. Je mehr die Zeit fortgeschritten ist, desto weniger Beiträge habe ich im Schnitt produziert. Dafür sind neuere Beiträge überlegter und ausgewählter. Und sie folgen eher eine Systematik, einem Gesamtbild, das sich im Inhaltsverzeichnis widerspiegelt.
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Ich bin gegen einen Missbrauch der von mir gesammelten Daten und Zahlen. Leider wurden in der Vergangenheit Texte von mir in rechten Kreisen besprochen und für ein Trommeln gegen Geflüchtete genutzt. Ich distanziere mich deutlich von diesen Seiten und habe dazu einen eigenen Beitrag verfasst: Gegen rechte Besucher, AfD & Co., aber für reife Persönlichkeiten!
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Samstag, 21. Januar 2012
Alexander der Große und schwärmerische Historiker
Heute Morgen sah ich für ca. 15 Minuten in den Dokumentarfilm „Alexander der Große. Kriegsheld und Lebemann“ von Helen Fitzwilliam auf Phoenix rein. Über die Kindheit dieses grausamen Kriegsherren hatte ich früher bereits versucht etwas herauszufinden, doch es ist nicht viel darüber überliefert worden. Die enorme Brutalität dieses Mannes, seine Launenhaftigkeit und Trunksucht sollten bereits Indizien dafür sein, dass dieser Feldherr emotional schwer gestört war. Aufschlussreich fand ich, dass Alexander seinen Getreuen General Kleitos mit einem Speer bei einem Festgelage eigenhändig umbrachte, nachdem dieser nach Alexanders Monologen über seine Erfolge sinngemäß sagte, dass dies nur aufgrund der Leistungen seines Vaters Philipp II. möglich war.
Wahrscheinlich werden wir wohl nie wirklich erfahren, wie die Kindheit Alexanders aussah. Was mir in der Doku besonders auffiel ist (und das ist der Grund für diesen Beitrag), dass manche interviewten Historiker geradezu schwärmrisch über Alexander sprachen. Alexander überkehrte z.B. einst den Hindukusch, um in Baktrien einzufallen. In der Doku beschrieb ein Historiker die unmöglichen und lebensgefährlichen Bedingungen, die dieses Vorhaben mit sich brachte. Dann glänzten die Augen des Historikers: Doch nur „Alexander der Große“ (betont nach oben ausgesprochen) konnte eine solche Leistung vollbringen, sagte er in etwa. (Historiker übersehen oftmals, dass viele Feldherren im Grunde sterben wollen, dass sie selbstmörderisch handeln. Friedrich der Große kämpfte oft direkt neben seinen Soldaten und es ist nur seinem Glück zu verdanken, dass er im Kampf nicht starb. Hitler legte sich mit den größten Ländern der Welt an und konnte nur scheitern. Für diese beiden sind sehr gewaltvolle Kindheitserfahrungen belegt, die eine Todessehnsucht mit sich bringen. Kriege sind letztlich auch selbstmörderisch.) Ein Militärhistoriker von der US-Akademie „West Point“ erwähnte in der Doku die enorme Grausamkeit Alexanders, doch militärisch habe er letztlich alles richtig gemacht, sagte er nüchtern.
Ich frage mich, ob solche Historiker überhaupt den emotionalen Störungen und Kindheiten der von ihnen untersuchten Feldherren nachgehen wollen und können? Wer mit solcher Bewunderung über diese „militärischen Leistungen“ spricht, wird kaum einen Blick dafür haben.
Wahrscheinlich werden wir wohl nie wirklich erfahren, wie die Kindheit Alexanders aussah. Was mir in der Doku besonders auffiel ist (und das ist der Grund für diesen Beitrag), dass manche interviewten Historiker geradezu schwärmrisch über Alexander sprachen. Alexander überkehrte z.B. einst den Hindukusch, um in Baktrien einzufallen. In der Doku beschrieb ein Historiker die unmöglichen und lebensgefährlichen Bedingungen, die dieses Vorhaben mit sich brachte. Dann glänzten die Augen des Historikers: Doch nur „Alexander der Große“ (betont nach oben ausgesprochen) konnte eine solche Leistung vollbringen, sagte er in etwa. (Historiker übersehen oftmals, dass viele Feldherren im Grunde sterben wollen, dass sie selbstmörderisch handeln. Friedrich der Große kämpfte oft direkt neben seinen Soldaten und es ist nur seinem Glück zu verdanken, dass er im Kampf nicht starb. Hitler legte sich mit den größten Ländern der Welt an und konnte nur scheitern. Für diese beiden sind sehr gewaltvolle Kindheitserfahrungen belegt, die eine Todessehnsucht mit sich bringen. Kriege sind letztlich auch selbstmörderisch.) Ein Militärhistoriker von der US-Akademie „West Point“ erwähnte in der Doku die enorme Grausamkeit Alexanders, doch militärisch habe er letztlich alles richtig gemacht, sagte er nüchtern.
Ich frage mich, ob solche Historiker überhaupt den emotionalen Störungen und Kindheiten der von ihnen untersuchten Feldherren nachgehen wollen und können? Wer mit solcher Bewunderung über diese „militärischen Leistungen“ spricht, wird kaum einen Blick dafür haben.
Mittwoch, 11. Januar 2012
Zwischenmeldung: Entwicklung des Blogs
Derzeit habe ich immer öfter tägliche Besucherzahlen von um die 200, was ca. 6.000 Besucher pro Monat bedeutet, sofern dieser Trend anhält. Diese Zahlen sind sicherlich auch der extrem guten Googel-Positionierung zu verdanken, die dieser Blog hat. Mittlerweile dürften die meisten Menschen, die entsprechende Suchbegriffe bzgl. Krieg, Kriegsursachen, Kindheit und/oder Gewalt gegen Kinder eingeben, auf diesen Blog aufmerksam werden. Bei vielen Suchbegriffen wird der Blog innerhalb der ersten 10 Googel Treffer angezeigt.
Mich freut diese Entwicklung natürlich, auch wenn sie etwas den Druck bzw. die Motivation erhöht, hier anspruchsvolle Texte abzuliefern. Ich selbst sehe meine Möglichkeiten dabei begrenzt, da ich das ganze hier „hobbymäßig“ betreibe. Im Grunde ist vieles, was ich schreibe, auch eher als Anregung gedacht, sich vertiefend mit dem Thema zu befassen und bzgl. Medienleuten und Wissenschaftlern als Ansporn gemeint, dazu mehr zu veröffentlichen und zu forschen. Auch wenn ich relativ selten Rückmeldungen bekomme, ich denke, dass ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, dass Gewaltverhalten besser verstanden wird. Wenn dem dann auch Prävention folgt, ist sehr viel erreicht. Für eine bessere Welt.
Mich freut diese Entwicklung natürlich, auch wenn sie etwas den Druck bzw. die Motivation erhöht, hier anspruchsvolle Texte abzuliefern. Ich selbst sehe meine Möglichkeiten dabei begrenzt, da ich das ganze hier „hobbymäßig“ betreibe. Im Grunde ist vieles, was ich schreibe, auch eher als Anregung gedacht, sich vertiefend mit dem Thema zu befassen und bzgl. Medienleuten und Wissenschaftlern als Ansporn gemeint, dazu mehr zu veröffentlichen und zu forschen. Auch wenn ich relativ selten Rückmeldungen bekomme, ich denke, dass ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, dass Gewaltverhalten besser verstanden wird. Wenn dem dann auch Prävention folgt, ist sehr viel erreicht. Für eine bessere Welt.
Donnerstag, 29. Dezember 2011
"Handbuch Kriegstheorien". Ein Kommentar
Ende 2011 erschien das wissenschaftliche Grundlagenbuch „Handbuch Kriegstheorien“ herausgegeben von Thomas Jäger und Rasmus Beckmann. „Dieses Handbuch bietet erstmals einen umfassenden und systematischen Zugang zu den Theorien des Krieges.“, heißt es u.a. in der Buchbeschreibung. Entsprechend werden im ersten Teil des Buches diverse Kriegstheorien vorgestellt. Im zweiten Teil erfährt man etwas über die „Klassiker der Kriegstheorien“ und im dritten Teil geht es um „Empirische Fallstudien zu Kriegstheorien“. (Das Inhaltsverzeichnis und Buchauszüge kann man bei googel books einsehen.)
Ich habe mir das Buch gleich gekauft, da es eine grundlegende Übersicht über die Forschungsbereiche und gängigen Denkansätze zum Thema Krieg bietet, was mir persönlich sehr hilfreich ist. Das vorweg als positive Kritik.
War ich nun erstaunt oder nicht, dass ich nicht einen einzigen Ansatz in dem Buch gefunden habe, der sich in dem Kontext von Krieg mit den Folgen von Kindesmisshandlung und – vernachlässigung bzw. mit psychohistorischen Thesen befasst? Ich war im Grunde nicht wirklich erstaunt oder vielleicht doch ein wenig. Denn ich hätte zumindest in den beiden kriegstheoretischen Texten „Psychologische Kriegstheorien: Psychoanalytische Konstruktionen zum Thema Krieg“ von Gerhard Vinnai und/oder in dem Text „Sozialpsychologie des Krieges: Der Krieg als Massenpsychose und die Rolle der militärisch-männlichen Kampfbereitschaft“ von Rolf Pohl und Marco Roock innerhalb der Texte ein oder zweit Absätze zu dem Thema erwartet. Aber Fehlanzeige, das Thema wird in diesem Grundlagenwerk komplett ausgeklammert.
Aber schauen wir uns die beiden o.g. Texte doch einmal genauer an. Glücklicherweise ist der gesamte Text von Gerhard Vinnai auch online zu lesen, was eine Besprechung noch mal erleichtert. Vinnai schreibt: „Die besondere kulturelle Bedeutung des Tötungstabus verweist auf die ungeheure Macht der Aggressivität, die es bannen soll und die im Krieg offen zum Ausdruck kommt.“ (S. 37) Danach geht er kurz auf Freud und den Aggressionstrieb ein, der sich im Krieg Bahn brechen würde. „Die Annahme einer allgemein vorhandenen aggressiven Triebausstattung, die sich im Krieg Geltung verschafft, hat einiges für sich.“, schreibt der Autor weiter, hängt aber noch an „Sie verführt aber leicht dazu, dass die vielfältigen Formen, die Aggressivität im Krieg annehmen kann, zu wenig beachtet werden.“ Danach leitet er dann dazu ein, die Aggressivität von Zivilisten und Soldaten zu unterscheiden, da letztere durch das soldatische Training eine spezifische Gestalt erhält. U.a. hat Joachim Bauer in seinem Buch "Schmerzgrenze" dargelegt, dass die Grundannahme, der Mensch verfüge über einen natürlichen „Aggressionstrieb“ (einer natürlichen „Lust an der Gewalt“), ein durch heutige Forschungen belegtes unhaltbares Konzept darstellt. Forschende, die bei der Erklärung von Gewalt auf einen „natürlichen Aggressionstrieb“ zurückgreifen, machen sich außerdem zwangsläufig blind gegenüber anderen Erklärungsmöglichkeiten.
Das Militär leistet durch Ausbildung und technische Entwicklungen, so Vinnai, einen Beitrag dazu, Aggressivität freizusetzen bzw. Aggressionshemmungen abzubauen. (vgl. S 37f) Der Autor geht hier erneut von einer latenten, natürlichen Aggression aus, die entweder durch äußere Einflüsse gedeckelt oder befördert wird. Für mich ist das ganz alte Schule vor allem auch geprägt durch (in meinen Augen veraltete) Ansätze der Psychoanalyse. In diesem Zusammenhang verknüpft er auch Männlichkeit mit Krieg, beschreibt, wie Männlichkeitsvorstellungen und –Konstruktionen die Kriegsbereitschaft fördern. Er schreibt u.a.: „Die militärische Ausbildung verbindet Männlichkeit mit Gewaltbereitschaft. Die starken sexuellen Regungen junger Männer können während der militärischen Ausbildung mit der Bereitschaft zu destruktiven Handlungen verknüpft werden. Junge Männer können mit Hilfe der soldatischen Ausbildung dazu gebracht werden, ihre sexuelle Potenz mit militärischer Kampfbereitschaft zu verschweißen.“ Wieder wird hier etwas natürliches (sexuelle Regungen) ursächlich mit Aggression und nachfolgend Gewalt verknüpft.
Geradezu als haarsträubend empfand ich folgende Textstelle: „Da kein Lebendiger bisher seinen Tod überlebt hat und ihn deshalb aus eigenem Erleben nicht kennt, bleibt der Tod immer eine Art schwarzes Loch, auf das vielerlei projiziert werden kann. (…) Das Unbewusste glaubt nicht an den Tod, was das Bewusstsein dazu drängt, ihn zu verleugnen. Die Unfähigkeit, den eigenen Tod wirklich zu akzeptieren, begünstigt die Zustimmung zu Kriegen und das Heldentum im Kriege. Es fördert eine Einstellung, die insgeheim darauf setzt, dass einem im Krieg - trotz aller Gefahren – nichts passieren kann, dass allenfalls andere ihm zum Opfer fallen.“ (S. 38)
Menschen ziehen also mit Freude in den Krieg, weil sie nicht bewusst wissen und fühlen, dass sie sterben werden? Dem kann ich nur vehement widersprechen. Jedes Kind und jeder Erwachsener weiß, dass im Krieg Menschen sterben. Der bereitwillige Gang in den Krieg ist somit vielmehr Ausdruck eines Opferrituals, ein Ausdruck immer auch von Selbstzerstörung und eines kollektiven Selbstmordens. Aus dem Unterbewussten - das sich zentral aus unerträglichen Erfahrungen und vor allem kindlichen, abgespaltenen Gewalterfahrungen speist – entstammt diese Destruktivität. Das Fühlen ist ausgeschaltet und der Tod wird billigend in Kauf genommen, da die eigene seelische Lage derart unerträglich ist, dass man gerne in den Tod geht und sich dort ein Paradies oder eine Heldenverehrung der noch Lebenden herbeisehnt.
Weitestgehend nachvollziehbar und positiv fand ich schließlich den letzten Teil der Ausführungen im Text, den Vinnai „Krieg ohne Ende“ nennt. Hier geht es um die Fortwirkungen von Kriegstraumatisierungen und die Notwendigkeit von Trauer, damit sich die destruktiven Folgen abmildern. Leider verharrt der Autor auch hier wieder in einseitigen Verknüpfungen, was folgender Satz deutlich macht: „Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust sind nur vor dem Hintergrund des Ersten wirklich zu verstehen.“ (S. 43) Ja und vor welchem Hintergrund ist dann der erste Weltkrieg zu verstehen?
Insgesamt bringt der Text von Vinnai keine neuen Erkenntnisse. Er vertritt mit seinen Denkansätzen die „Psychologische Kriegstheorie“ in diesem Buch und ist dabei weit davon entfernt, auf die Auswirkungen der historisch routinemäßigen Misshandlung von Kindern einzugehen. Zudem vertritt er veraltete Ansätze zum Aggressionstrieb.
Sehr viel aufschlussreicher ist dagegen der sozialpsychologische Text von Pohl und Roock in dem Band. Sie machen nachvollziehbar klar, wie im Militär eine Sozialisation zum Töten stattfindet und eine paranoide Kampfhaltung generiert wird. Sie schreiben von durch militärischen Drill erzeugten Abspaltungen von Gefühlen wie Hass, Wut und Angst, die dann auf den Feind projiziert werden. Die Autoren gehen auf die Irrationalität des Krieges ein und analysieren diesen als Massenpsychose. Allerdings klammern auch sie kindliche Gewalterfahrungen komplett aus, obwohl die psychischen Prozesse genau die Selben sind, wie in der militärischen Ausbildung. Vielmehr deutet sich im Text an, dass die Autoren eine „psychotische Reaktionsbereitschaft“ auch als etwas quasi „natürliches“ begreifen. Sie schreiben: „Elemente psychotischer Reaktionsbereitschaften gehören zum Kernbestand auch halbwegs normaler Persönlichkeiten, ihrer Wahrnehmungsorganisation und ihres Affekthaushaltes. In Zeiten ausweglos erscheinender Konflikte und zugespitzter innerer und äußerer Krisen kann auf diese Spaltungs- und Projektionsmechanismen zurückgegriffen werden und die Menschen bedienen sich regressiv einer „primitiven“ Weltsicht, die anscheinend nur unzureichend überwunden worden ist.“ (s. 47) Meine These ist dagegen, dass Menschen unter bestimmten Bedingungen auf Spaltungs- und Projektionsmechanismen zurückgreifen, die ihnen als Kind in Anbetracht vor allem elterlicher Gewalt das Überleben sicherten.
Fazit
„Dieses Handbuch bietet erstmals einen umfassenden und systematischen Zugang zu den Theorien des Krieges.“, steht wie schon gesagt in der Buchbeschreibung. Das „Handbuch Kriegstheorien“ wird mich sicher noch eine Zeit beschäftigen, da mich viele Texte gedanklich anregen. Allerdings trifft die o.g. Beschreibung nicht zu. Das Ausklammern von kindlichen Gewalterfahrungen bzw. psychohistorischen Thesen in einem solchen Grundlagenwerk aus dem Jahr 2011 ist bezeichnend. Fast alle Kriegsursachenforscher, aber auch die Öffentlichkeit an sich sind weiterhin nicht bereit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Um so klarer wird mir, trotz manchmal einer gewissen Müdigkeit, dass mein Blog hier weiterhin wichtig ist, um Anstöße zu leisten. Die Psychohistorie kann nicht alles erklären. Die Welt ist komplex. Die Psychohistorie verdient es aber, genannt und besprochen zu werden. Meine Hoffnung ist, dass in einem Zeitraum von vielleicht 5-10 Jahren kriegstheoretische Handbücher aber auch Medienberichte über Krieg mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auf diesen Forschungsbereich eingehen werden.
Nebenbei bemerkt habe ich die Herausgeber des Buches angeschrieben und gefragt, ob sie den Bereich Psychohistorie einfach nicht kennen oder ob sie ihn ablehnen. Für letzteren Fall habe ich um entsprechende Argumentation gebeten. Ersterer Fall wird zumindest nach meinem Anschreiben nicht mehr zutreffen.
Nachtrag: Siehe Ergebnis meines Anschreibens hier
Ich habe mir das Buch gleich gekauft, da es eine grundlegende Übersicht über die Forschungsbereiche und gängigen Denkansätze zum Thema Krieg bietet, was mir persönlich sehr hilfreich ist. Das vorweg als positive Kritik.
War ich nun erstaunt oder nicht, dass ich nicht einen einzigen Ansatz in dem Buch gefunden habe, der sich in dem Kontext von Krieg mit den Folgen von Kindesmisshandlung und – vernachlässigung bzw. mit psychohistorischen Thesen befasst? Ich war im Grunde nicht wirklich erstaunt oder vielleicht doch ein wenig. Denn ich hätte zumindest in den beiden kriegstheoretischen Texten „Psychologische Kriegstheorien: Psychoanalytische Konstruktionen zum Thema Krieg“ von Gerhard Vinnai und/oder in dem Text „Sozialpsychologie des Krieges: Der Krieg als Massenpsychose und die Rolle der militärisch-männlichen Kampfbereitschaft“ von Rolf Pohl und Marco Roock innerhalb der Texte ein oder zweit Absätze zu dem Thema erwartet. Aber Fehlanzeige, das Thema wird in diesem Grundlagenwerk komplett ausgeklammert.
Aber schauen wir uns die beiden o.g. Texte doch einmal genauer an. Glücklicherweise ist der gesamte Text von Gerhard Vinnai auch online zu lesen, was eine Besprechung noch mal erleichtert. Vinnai schreibt: „Die besondere kulturelle Bedeutung des Tötungstabus verweist auf die ungeheure Macht der Aggressivität, die es bannen soll und die im Krieg offen zum Ausdruck kommt.“ (S. 37) Danach geht er kurz auf Freud und den Aggressionstrieb ein, der sich im Krieg Bahn brechen würde. „Die Annahme einer allgemein vorhandenen aggressiven Triebausstattung, die sich im Krieg Geltung verschafft, hat einiges für sich.“, schreibt der Autor weiter, hängt aber noch an „Sie verführt aber leicht dazu, dass die vielfältigen Formen, die Aggressivität im Krieg annehmen kann, zu wenig beachtet werden.“ Danach leitet er dann dazu ein, die Aggressivität von Zivilisten und Soldaten zu unterscheiden, da letztere durch das soldatische Training eine spezifische Gestalt erhält. U.a. hat Joachim Bauer in seinem Buch "Schmerzgrenze" dargelegt, dass die Grundannahme, der Mensch verfüge über einen natürlichen „Aggressionstrieb“ (einer natürlichen „Lust an der Gewalt“), ein durch heutige Forschungen belegtes unhaltbares Konzept darstellt. Forschende, die bei der Erklärung von Gewalt auf einen „natürlichen Aggressionstrieb“ zurückgreifen, machen sich außerdem zwangsläufig blind gegenüber anderen Erklärungsmöglichkeiten.
Das Militär leistet durch Ausbildung und technische Entwicklungen, so Vinnai, einen Beitrag dazu, Aggressivität freizusetzen bzw. Aggressionshemmungen abzubauen. (vgl. S 37f) Der Autor geht hier erneut von einer latenten, natürlichen Aggression aus, die entweder durch äußere Einflüsse gedeckelt oder befördert wird. Für mich ist das ganz alte Schule vor allem auch geprägt durch (in meinen Augen veraltete) Ansätze der Psychoanalyse. In diesem Zusammenhang verknüpft er auch Männlichkeit mit Krieg, beschreibt, wie Männlichkeitsvorstellungen und –Konstruktionen die Kriegsbereitschaft fördern. Er schreibt u.a.: „Die militärische Ausbildung verbindet Männlichkeit mit Gewaltbereitschaft. Die starken sexuellen Regungen junger Männer können während der militärischen Ausbildung mit der Bereitschaft zu destruktiven Handlungen verknüpft werden. Junge Männer können mit Hilfe der soldatischen Ausbildung dazu gebracht werden, ihre sexuelle Potenz mit militärischer Kampfbereitschaft zu verschweißen.“ Wieder wird hier etwas natürliches (sexuelle Regungen) ursächlich mit Aggression und nachfolgend Gewalt verknüpft.
Geradezu als haarsträubend empfand ich folgende Textstelle: „Da kein Lebendiger bisher seinen Tod überlebt hat und ihn deshalb aus eigenem Erleben nicht kennt, bleibt der Tod immer eine Art schwarzes Loch, auf das vielerlei projiziert werden kann. (…) Das Unbewusste glaubt nicht an den Tod, was das Bewusstsein dazu drängt, ihn zu verleugnen. Die Unfähigkeit, den eigenen Tod wirklich zu akzeptieren, begünstigt die Zustimmung zu Kriegen und das Heldentum im Kriege. Es fördert eine Einstellung, die insgeheim darauf setzt, dass einem im Krieg - trotz aller Gefahren – nichts passieren kann, dass allenfalls andere ihm zum Opfer fallen.“ (S. 38)
Menschen ziehen also mit Freude in den Krieg, weil sie nicht bewusst wissen und fühlen, dass sie sterben werden? Dem kann ich nur vehement widersprechen. Jedes Kind und jeder Erwachsener weiß, dass im Krieg Menschen sterben. Der bereitwillige Gang in den Krieg ist somit vielmehr Ausdruck eines Opferrituals, ein Ausdruck immer auch von Selbstzerstörung und eines kollektiven Selbstmordens. Aus dem Unterbewussten - das sich zentral aus unerträglichen Erfahrungen und vor allem kindlichen, abgespaltenen Gewalterfahrungen speist – entstammt diese Destruktivität. Das Fühlen ist ausgeschaltet und der Tod wird billigend in Kauf genommen, da die eigene seelische Lage derart unerträglich ist, dass man gerne in den Tod geht und sich dort ein Paradies oder eine Heldenverehrung der noch Lebenden herbeisehnt.
Weitestgehend nachvollziehbar und positiv fand ich schließlich den letzten Teil der Ausführungen im Text, den Vinnai „Krieg ohne Ende“ nennt. Hier geht es um die Fortwirkungen von Kriegstraumatisierungen und die Notwendigkeit von Trauer, damit sich die destruktiven Folgen abmildern. Leider verharrt der Autor auch hier wieder in einseitigen Verknüpfungen, was folgender Satz deutlich macht: „Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust sind nur vor dem Hintergrund des Ersten wirklich zu verstehen.“ (S. 43) Ja und vor welchem Hintergrund ist dann der erste Weltkrieg zu verstehen?
Insgesamt bringt der Text von Vinnai keine neuen Erkenntnisse. Er vertritt mit seinen Denkansätzen die „Psychologische Kriegstheorie“ in diesem Buch und ist dabei weit davon entfernt, auf die Auswirkungen der historisch routinemäßigen Misshandlung von Kindern einzugehen. Zudem vertritt er veraltete Ansätze zum Aggressionstrieb.
Sehr viel aufschlussreicher ist dagegen der sozialpsychologische Text von Pohl und Roock in dem Band. Sie machen nachvollziehbar klar, wie im Militär eine Sozialisation zum Töten stattfindet und eine paranoide Kampfhaltung generiert wird. Sie schreiben von durch militärischen Drill erzeugten Abspaltungen von Gefühlen wie Hass, Wut und Angst, die dann auf den Feind projiziert werden. Die Autoren gehen auf die Irrationalität des Krieges ein und analysieren diesen als Massenpsychose. Allerdings klammern auch sie kindliche Gewalterfahrungen komplett aus, obwohl die psychischen Prozesse genau die Selben sind, wie in der militärischen Ausbildung. Vielmehr deutet sich im Text an, dass die Autoren eine „psychotische Reaktionsbereitschaft“ auch als etwas quasi „natürliches“ begreifen. Sie schreiben: „Elemente psychotischer Reaktionsbereitschaften gehören zum Kernbestand auch halbwegs normaler Persönlichkeiten, ihrer Wahrnehmungsorganisation und ihres Affekthaushaltes. In Zeiten ausweglos erscheinender Konflikte und zugespitzter innerer und äußerer Krisen kann auf diese Spaltungs- und Projektionsmechanismen zurückgegriffen werden und die Menschen bedienen sich regressiv einer „primitiven“ Weltsicht, die anscheinend nur unzureichend überwunden worden ist.“ (s. 47) Meine These ist dagegen, dass Menschen unter bestimmten Bedingungen auf Spaltungs- und Projektionsmechanismen zurückgreifen, die ihnen als Kind in Anbetracht vor allem elterlicher Gewalt das Überleben sicherten.
Fazit
„Dieses Handbuch bietet erstmals einen umfassenden und systematischen Zugang zu den Theorien des Krieges.“, steht wie schon gesagt in der Buchbeschreibung. Das „Handbuch Kriegstheorien“ wird mich sicher noch eine Zeit beschäftigen, da mich viele Texte gedanklich anregen. Allerdings trifft die o.g. Beschreibung nicht zu. Das Ausklammern von kindlichen Gewalterfahrungen bzw. psychohistorischen Thesen in einem solchen Grundlagenwerk aus dem Jahr 2011 ist bezeichnend. Fast alle Kriegsursachenforscher, aber auch die Öffentlichkeit an sich sind weiterhin nicht bereit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Um so klarer wird mir, trotz manchmal einer gewissen Müdigkeit, dass mein Blog hier weiterhin wichtig ist, um Anstöße zu leisten. Die Psychohistorie kann nicht alles erklären. Die Welt ist komplex. Die Psychohistorie verdient es aber, genannt und besprochen zu werden. Meine Hoffnung ist, dass in einem Zeitraum von vielleicht 5-10 Jahren kriegstheoretische Handbücher aber auch Medienberichte über Krieg mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auf diesen Forschungsbereich eingehen werden.
Nebenbei bemerkt habe ich die Herausgeber des Buches angeschrieben und gefragt, ob sie den Bereich Psychohistorie einfach nicht kennen oder ob sie ihn ablehnen. Für letzteren Fall habe ich um entsprechende Argumentation gebeten. Ersterer Fall wird zumindest nach meinem Anschreiben nicht mehr zutreffen.
Nachtrag: Siehe Ergebnis meines Anschreibens hier
Freitag, 16. Dezember 2011
Emotionale Gruppenprozesse: Feinde und Bedrohungen in Gestalt von Kraken und Meeresbestien
1. Bild: Vietnam Cartoon von Gib Crockett, veröffentlicht im Washington Star am 27.04.1965 während des Vietnam Krieges. Der Kopf des Kraken ist der von Ho Chi Minh.
2. Bild: Veröffentlicht in "Palestinian daily Al Hayat Al Jadida" auf Grund des Todes der Söhne von Saddam Hussein Uday and Qusay, die durch US-Truppen getötet wurden.
3. Bild: John Bull and his Friends - A Serio-Comic Map of Europe (1900)
4. Bild: Der chinesische Kommunismus als Krake. Veröffentlicht im November 1950 im New Zealand Herald
Die Darstellung von gefährlichen Frauen ist im Zusammenhang von Krieg - so Lloyd deMause - derart häufig, „(…) dass ein Außerirdischer bei einem Besuch auf unserem Planeten fälschlicherweise daraus schließen könnte, das Weibliche wäre das kriegslüsterne Geschlecht. Von Athene bis Freyja, von Marianne bis Britannia sind furchterregende Frauen als Kriegsgöttinnen dargestellt worden, verschlingend, vergewaltigend und ihre Kinder zerfetzend.“ (deMause, 2005, S. 50) Lloyd deMause fand bei seinen Sammlungen von Cartoons und anderen Bildern über Kriegsfeinde heraus, dass ein Bild noch verbreiteter war, als dass von einer gefährlichen Frau/Mutter. „Es war das einer Meeresbestie, oftmals mit vielen Köpfen und Armen dargestellt, ein Drache, eine Hydra, eine große und giftige Schlange oder ein Oktopus, der der Nation drohte, ihr Blut zu vergiften.“ (ebd., S. 54; siehe auch in englisch online hier) Die tieferen Ursprünge für dieses Bild sieht deMause in dem, was er „fötales Drama“ nennt. Wenn die Mutter, raucht, Drogen nimmt, verletzt ist (eigene Anmerkung: Oder auch Gewalt durch den Partner erlebt) oder starke Ängste hat, entfernt die Plazenta die Giftstoffe nicht aus dem fötalen Blut, das folglich verunreinigt und ohne Sauerstoff ist. „Unter diesen stressvollen Bedingungen erlebt der hilflose Fötus eine erstickende Giftige Plazenta, das Urbild für alle späteren Hassbeziehungen, inklusive der mordenden Mutter, des kastrierenden Vaters und der gefährlichen Feinde.“ (ebd., S. 55) Die Darstellungen von Feinden als Meeresbestien und Kraken etc. sind für deMause Ausdruck des fötalen Kampfes gegen die giftige Plazenta.
So ungewohnt solche Überlegungen für viele sein mögen, es ist wahrscheinlich und wissenschaftlich immer mehr im Blickpunkt (deMause beschreibt ab Seite 56 auch Ergebnisse aus der Fötalpsychologie), dass sich entsprechende belastende Faktoren während der Schwangerschaft sowohl auf den Fötus als auch auf das spätere Kind und den Erwachsenen auswirken können. Dass diese frühen Erfahrungen eher im Symbolischen und Bildlichen ihren Ausdruck finden, ist ebenso naheliegend, da sie natürlich nicht konkret erinnert werden können.
Trotzdem teile ich die Auffassung von deMause nur bedingt. Zunächst einmal glaube ich, dass Kinder grundsätzlich in der Lage sind, entsprechende Belastungen im Mutterleib später auszugleichen und sich trotzdem gut entwickeln können. Werden sie liebevoll empfangen und versorgt, werden sie später kaum das Bedürfnis haben, andere Menschen zu opfern und Angstszenarien vor Vergiftungen durch Fremde und Feinde zu entwerfen. Mütter können nicht immer auch dem Fötus ein optimales Aufwachsen ermöglichen, auch wenn sie dies eigentlich wollen. Kriegs- und Gewalterfahrungen kommen von außen, ebenso Umweltgifte, Hunger, Schicksalsschläge oder Unfälle etc. Solche Mütter können dem geborenen Kind trotzdem Liebe und Geborgenheit schenken und seine Entwicklung fördern, wenn sie dem Kind gegenüber positiv eingestellt sind. Handlungen wie Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum während der Schwangerschaft, ggf. auch die Beziehung zu einem misshandelnden Ehemann sprechen dagegen bereits dafür, dass die Mutter entsprechend destruktiv strukturiert ist. Es ist insofern wahrscheinlicher, dass auch das geborene Kind in entsprechend destruktiven Verhältnissen aufwächst. Die späteren Angstbilder kommen dann eben nicht nur auf Grund des „fötalen Dramas“ zu Tage, sondern auch auf Grund realer Gewalt- und/oder Vernachlässigungserfahrungen.
Ein Beispiel: Die Mutter von Saddam Hussein versuchte diesen während der Schwangerschaft abzutreiben und lehnte ihr ungeborenes Kind ab. Der Fötus erlebte entsprechend das „fötale Drama“. Doch auch die Kindheit des geborenen Saddam war von extremer Destruktivität und Gewalt geprägt und das über Jahre (siehe ausführlich hier). Solche Menschen entwickeln ihren Hass auf Feinde und ihre Ängste auf Grund einer Vielzahl von gewaltvollen Erfahrungen, die sich dann auch symbolisch ausdrücken (Stichwort z.B. Saddams bildlicher Ausspruch „Mutter aller Schlachten“). Im Grunde weiß deMause ja auch darum und beschreibt an anderen Stellen immer wieder deutlich den Einfluss kindlicher Gewalterfahrungen auf das spätere Verhalten des Erwachsenen. Doch mir geht es in diesem Text eben besonders um symbolische Angstbilder. Diese beschreibt deMause leider zu einseitig im Zusammenhang mit fötalen Erfahrungen, wie ich finde.
Meine These ist, dass die hier behandelnden Angstbilder vor allem mit der klassischen Kombination „abwesender und wenn anwesend destruktiver und strafender Vater“ auf der einen Seite und einer „anwesenden, das Kind vereinnahmenden, emotional missbrauchenden, vor allem auch die Söhne als Partnerersatz und als Hoffnungsträger/Delegierter für eigene Entbehrungen und geschlechtsspezifische, kulturell determinierte Grenzen der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten gebrauchende , ggf. auch offen gewalttätigen Mutter“ (Nachtrag: Bzgl. Letzterem zeigen Studien, dass Mütter sehr oft auch körperlich gewalttätig gegen Kinder sind) zusammenhängen. Destruktive Väter tragen ihre Gewalt oftmals und „traditionell“ offen aus, brüllen, schlagen, sind abwesend. Destruktive Mütter agieren oftmals und „traditionell“ verdeckter, schleichender, psychologischer, eben wie eine Schlange oder eine Krake, die langsam ihr Opfer umschlingt. Die Bilder von kriegerischen Frauen/Müttern und vor allem die verschlingenden, umschlingenden, vergiftenden Kraken- und Schlangenwesen in Kriegs- und Vorkriegszeiten oder grundsätzlich in Bezug auf Gefahren und Feinde sprechen dafür, dass hier bildlich vor allem der (meist) emotionale mütterliche Missbrauch seinen Ausdruck findet, (gepaart natürlich mit dem abwesenden Vater, der seinen wesentlichen Teil beiträgt) Zu diesen Belastungen mag dann auch das „fötale Drama“ seine ergänzende Wirkung entfalten und so eine kritische Masse bilden. In früheren Zeiten wie auch in der heutigen Zeit waren und sind zudem Karikaturisten meist Männer. Es sind vor allem männliche (Angst)Fantasiebilder, die wir im historischen Rückblick sehen können. Wenn in diesen Bildern verschlingende, gefährliche Frauen und Meeresbestien auftauchen, dann spricht dies einmal mehr dafür, dass eine destruktive, missbrauchende Mutter eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser Bilder spielt.
Ich habe in diesem Blog bereits zwei Beiträge zu solchen möglichen Zusammenhängen geschrieben: „Medusas Söhne“ und „Medusas Kinder in der Antike“. Das Schlangenmoster Medusa, deren Blick zu Stein werden lässt und die in der Psychoanalyse eindeutig als Mutterfigur ausgemacht wurde, sprach früher, wie auch heute noch vor allem Männer an, die wohl in der o.g. Konstellation aufgewachsen sind.
Ein Paradebespiel für entsprechende Angstbilder ist auch Russland, das in der Geschichte häufig als eine gefährliche Krake dargestellt wurde. Russland wird historisch sowohl von sich selbst als auch von anderen Nationen als „Mütterchen Russland“ personifiziert und hat in der Fantasie der Menschen somit eine feste Familienrolle eingenommen. In einem englischen Blog habe ich eine Auflistung einiger solcher Bilder von Russland gefunden, die für sich spricht: http://bigthink.com/ideas/39146?page=all
Aber der gefährliche Krake taucht auch in vielen anderen Kontexten auf. Wenn man im Internet recherchiert, findet man bei entsprechenden Stichwörtern schnell Bilder, die z.B. die Juden/Israel als verschlingende Krake darstellen oder man findet den Iran als Krake, der seine Nachbarn umschlingt. Ebenso findet man Unternehmen wie z.B. Goldman Sachs als Krake dargestellt. Aber auch die EURO-Krise ließ den Kraken wieder auftauchen, er findet sich die Welt umschlingend zusammen mit Euro Zeichen und Griechenlandfahne wieder. Eine arabische Karikatur zeigt den Terrorismus als Krake, der die Welt umschlingt. Usw. usf. Darstellungen von Feinden und Bedrohungen als Krakenmonster findet man letztlich in allen möglichen Kontexten. Eine eindrucksvolle Sammlung von entsprechenden historischen Bildern fand ich hier: http://vulgararmy.com/. (Man kann dort auch nach Jahreszahlen entsprechende Bilder suchen)
Derzeit tauchen gar Schlangen und Kraken in Zusammenhang mit der EURO Krise in der SZ auf. Siehe hier und hier.
Kommentiert wurden beide Karikaturen unter der Rubrik „Nachrichten vom Niedergang der politischen Karikatur“ (hier und hier) von zwei Bloggern, von denen einer u.a. Kinderpsychiater ist. Ja, einen Kinderpsychiater wie wohl auch viele andere Menschen werden solche Bilder heute in Deutschland kaum noch ansprechen. Missbrauch und Gewalt gegen Kinder gehen hierzulande immer mehr zurück. Wahrscheinlich werden auch die Karikaturen von Bestien zukünftig ins Reich der Märchen und Fabeln zurückkehren müssen und kaum noch einen Platz in den modernen Medien finden.
Historisch bleiben die Meeresbestien weiterhin interessant, ebenso aktuell, wenn es um Nationen geht, in denen weiterhin eine große Mehrheit der Kinder missbraucht und misshandelt wird. Die ganzen bekannten psychohistorischen Analysemethoden von Bildern und Cartoons stellen den Teil dieser Forschungen dar, der mich persönlich beim erstmaligen Durchlesen am meisten irritiert hat. Ich war zwar offen für neues, dachte aber im ersten Moment: „Was soll der Quatsch denn jetzt? „ Da werden haufenweise Cartoons und politische Bilder gesammelt und die emotionale Lage der Nation analysiert, teils sogar Zukunftsprognosen daraus abgeleitet. Je mehr ich allerdings dazu gelesen habe und vor allem je mehr ich selbst den Blick offen habe, für emotionale Aussagen von Bildern und Mediendarstellungen und je mehr ich auch historische Bilder angesehen habe, desto mehr bestätigt sich für mich, dass diese Methoden durchaus kein Quatsch sind, sondern Sinn machen. Bzgl. einzelnen Patienten ist es heute durchaus anerkannt, wenn Träume und Bilder therapeutisch analysiert und durchgearbeitet werden, um der Person zu helfen und Prozesse bewusst zu machen. Eine Gesellschaft besteht logischerweise auch aus Menschen, alle haben ihre Emotionen und ihre Psyche. Und natürlich landen auch hier Bilder, Träume und Fantasien auf der gesellschaftlichen Bühne. Dieser Beitrag soll die hier Lesenden mit diesem ganzen „Quatsch“ konfrontieren. Und vielleicht wird der ein oder andere auch zukünftig feststellen, dass ungewohnte Ideen und Methoden manchmal auch neue Erkenntnisse bringen.
Dienstag, 13. Dezember 2011
Der große SPIEGEL Krisenrückblick
Ohne Zweifel müssen Medien auch Geld verdienen, um ihre Existenz zu sichern. „Only bad news are good news.“ heißt es bei JournalistInnen. Sprich Katastrophen, Ängste und schlechte Nachrichten verkaufen sich besser. Dies ist, so man will, das Rationale daran, das ist die Logik der Medienpsychologie. Doch war es das? Ist also alles, was in den Medien passiert und inszeniert wird nur rational? Natürlich nicht. JournalistInnen sind Menschen und bringen immer auch ihre Gefühle und ggf. auch gestörte Emotionen mit ein. Zudem müssen JournalistInnen geradezu Seismographen für die emotionale Lage der Nation sein, denn das, was sie schreiben, soll ja auch begehrlich gelesen werden und die Leute ansprechen.
DER SPIEGEL ist eine der Leitmedien im Lande. DER SPIEGEL macht Meinungen und Emotionen, aber er spielgelt immer auch die Meinungen und Emotionen der Nation wider, greift diese auf, formt sie, leitet sie und gibt sie wieder zurück. Insofern bietet sich dieses Wochenmagazin dafür an, Ende des Jahres 2011 nicht nur einen klassischen Jahresrückblick, sondern gleich einen Rückblick auf die Titelstorys zwischen 2008 und 2011 (den Krisenjahren)zu machen. Wer Lust hat, möge sich einmal die Titelbilder dieser Zeit der Reihenfolge nach anschauen. Alleine dieses Durschauen hinterlässt – so ging es mir – bereits den Eindruck, dass da gewaltige Emotionen ausgedrückt werden, bildlich und sprachlich, und dass neutralere/sachlichere, gar positive Nachrichten die Ausnahme darstellen.
Wenn ich mich diesem Rückblick annähere, dann fällt mir zunächst auf, dass DER SPIEGEL in den letzten zwei Jahren den EURO in seinen Titelbildern hat schmelzen lassen ( 10 / 2010), der Euro wurde zerschossen (49 / 2010), er wurde zu Grabe getragen (25 / 2011), mit Dynamit und Zeitzünder versehen, um ihn in die Luft zu sprengen (39 /2011) und kürzlich noch in zwei Teile zerbrochen (48 / 2011). Schaut man sich nur die Bilder an, dann könnte man glatt zu dem Schluss kommen, dass ein Scheitern der Währung geradezu herbeigesehnt wurde, quasi als selbstzerstörerischer Akt. Dazu kommt, dass in den 206 SPIEGEL Ausgaben seit Anfang 2008 bis zum 10.12.2011 24 mal die Wirschafts- und Finanzkrise Titelthema war, was einem Anteil von ca. 11,6 % ausmacht. Wohlgemerkt, das waren nur die Titelthemen, auch in den anderen Ausgaben war „die Krise“ stets Thema, teils auch mit in den Titel integriert (z.B. Ausgabe 45 /2011, die sich im Titel mit Friedrich dem Großen befasste, aber unten rechts stand in blau/weißer Schrift „Euro-Krise. Italien, das nächste Griechenland?“)
Auffällig bei den Krisen-Titeln ist, dass hier nicht nur die „bad news“ überwiegen, sondern diese oftmals auch sehr emotional sind, mit Angst untermauert werden oder teils mit Gewaltbildern (z.B. Kopfschuss, Bomben, Dynamit, Einschusslöcher), daherkommen . Hier die Liste der entsprechenden Titel:
05 / 2008 Casino Global. Was ist der Einbruch in eine Bank gegen das Verspielen einer Bank?
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-05
24 / 2008 Angriff auf den Wohlstand. Wie Spekulanten das Leben immer teurer machen
Bild Anmerkung: Eine Familie mit zwei Kindern steht zwischen den Beinen eines riesigen Geschäftsmannes, das Wort „Angriff“ nimmt fast 1/3 des Titelbildes ein.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-24
41 / 2008 Angst vor der Angst. Die gefährliche Psychologie der Finanzkrise
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-41
42 / 2008 Not! Halt! Wer stoppt den freien Fall des freien Marktes?
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-42
43 /2008 Das Ende der Gemütlichkeit. Was auf die Deutschen (noch) zukommt
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-43
47 / 2008 Das Kapital-Verbrechen. Anatomie einer Weltkrise, die gerade erst begonnen hat
Bild Anmerkung: Zu sehen ist eine Dollarnote mit Kopfschuss
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-47
05 /2009 Wann ist der Staat eigentlich pleite? Konjunkturpakete, Staatsbürgschaften, Abwrackprämien, Rettungsfonds...
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-05
11 / 2009 Der Jahrhundert-Fehler. Wie die Pleite einer einzigen Bank die Weltkrise auslöste
Bild Anmerkung: Zu sehen ist eine Bank als Streichholschachtel. Das erste Zündholz ist bereits entzündet und droht den Rest abzubrennen.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-11
14 /2009 Rette, wer kann! Wie der Untergang der Weltwirtschaft verhindert werden soll
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-14
18 / 2009 Wiederholt sich die Geschichte doch? Weltkrisen 1929/2009
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-18
29 / 2009 Die gefährlichste Firma der Welt. Wie ein Versicherungskonzern zum größten Risiko für die Weltwirtschaft wurde
Bild Anmerkung: In einer Metropole ist der entsprechende Konzern als große Dynamitstange zu sehen, die Lunte brennt bereits.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-29
38 / 2009 Ein Jahr danach. Warum die Welt durch die Finanzkrise ärmer, aber nicht klüger wurde
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-38
48 / 2009 Die Billionen-Bombe. Warum nach der Jahrhundertkrise schon die nächste droht
Bild Anmerkung: Eine Geldbombe explodiert.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-48
05 /2010 Die Abrechnung. Finanzkrise: Jagd auf die Kapital-Verbrecher
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-05
10 / 2010 DIE EURO-LÜGE
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-10
18 / 2010 Euroland, abgebrannt. Ein Kontinent auf dem Weg in die Pleite
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-18
19 / 2010 Die Schulden Falle. Wie viel Griechenland können wir uns noch leisten?
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-19
44 / 2010 Die verzweifelten Staaten von Amerika. Eine Nation verliert ihren Optimismus
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-44
49 /2010 DAS LETZTE GEFECHT. Wie Europa seine Währung ruiniert http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-49
25 / 2011 Plötzlich und erwartet. Nachruf auf eine gemeinsame Währung
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-25
32 / 2011 Geht die Welt bankrott? US-Verschuldung, Euro-Krise, Börsenchaos
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-32
34 / 2011 Gelduntergang. Die zerstörerische Macht der Finanzmärkte
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-34
39 / 2011 DIE GELDBOMBE. Wie aus einer großen Idee eine Gefahr für Europa werden konnte
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-39
48 / 2011 Und jetzt?
Bild Anmerkungen: Zu sehen ist ein zerbrochener Euro
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-48
Zwischen diesen Krisennachrichten tauchten in bestimmten Abständen Titelthemen auf, die mit Ängsten vor und um Kinder und Jugendlichen zu tun haben. Dies ist interessant, wenn man sich etwas mit den psychohistorischen Thesen von deMause befasst hat.
02 / 2008 Junge Männer: Die gefährlichste Spezies der Welt
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-02
09 / 2008 Wie viel Mutter braucht das Kind? Krippe oder Kinderzimmer
Bild Anmerkung: Im Titelbild hält ein übergroßes Kleinkind seine Miniaturmutter fest im Griff. Das Wort „Mutter“ ist rot abgedruckt, um es hervorzuheben.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-09
22 / 2008 Tausendmal probiert... und nie ist was passiert. Das Geschäft mit der Sehnsucht nach dem Kind
Bild Anmerkung: Zu sehen ist ein übergroßes Baby, die zwei wesentlich kleineren, nackten Eltern sind getrennt jeweils links unten und rechts oben im Bild, wenden sich den Rücken zu und schauen deprimiert zu Boden.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-22
12 / 2009 Wenn Kinder zu Killern werden. Der Amoklauf des Tim K.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-12
15 / 2009 Das starke Ich. Wie Kindern das Leben gelingt
Bild Anmerkung: Ein Kind schultert einen gigantischen Baum, dessen Wurzel/stamm eine Hand bildet
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-15
25 / 2009 Wir Krisenkinder. Wie junge Deutsche Ihre Zukunft sehen
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-25
32 / 2009 Die große Sorge um die lieben Kleinen. Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit in der Erziehung
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-32
15 / 2010 Hilfe! Pubertät! Ein kleiner Ratgeber zum Großwerden
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-15
18 /2011 Mordswut. Die unheimliche Eskalation der Jugendgewalt
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-18
42 / 2011 Das überförderte Kind. Wie viel Ehrgeiz verträgt gute Erziehung?
Bild Anmerkung: Zu sehen ist ein unter der Last der Anforderungen zusammengebrochenes Kind
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-42
Mir sind in anderen Titeln weitere starke Emotionen aufgefallen, die ich hier nicht weiter zusammenfassen und alle besprechen kann. Ausschnittweise möchte ich auf Titel wie z.B. 26 / 2008 „Fünfzig Jahre Emanzipation. Was vom Mann noch übrig ist“ hinweisen. Zu sehen ist dort ein kleiner nackter Mann. Die Angst vor dem Verlust der Männlichkeit und Identität (auf Grund des Fortschritts der Emanzipation) ist hier offensichtlich. Andere Titel wie 23 / 2011 „Der Feind im Essen. Ehec: Die Geburt einer neuen Seuche“ habe ich hier im Blog bereits ausführlich besprochen. Dazu kommen z.B. Titel die eine große Giftschlange enthalten (17 / 2009) und Ängste vor einem Welt-Virus (19 / 2009). Zwischendrin habe ich acht mal Titel gezählt, die die NS Zeit besprechen, oftmals mit dem Abbild von Adolf Hitler. Hier tauchen quasi die kollektiven Erinnerungen an dieses Trauma immer wieder auf bzw. werden wieder durchgearbeitet (was ja nicht schlecht sein muss).
Ich habe zusätzlich der Reihenfolge nach Titel-Stichwörter, die starke Emotionen ausdrücken, die mit Krieg und Kampf und Familie und Kindern/Jugendlichen zu tun haben herausgesucht. Ein Schrägstrich trennt dabei jeweils eine Wochenausgabe von der anderen. Zwischendrin waren auch manchmal 3 oder 4 Ausgaben hintereinander dabei, die keine „Kraftwörter“ enthielten, manchmal folgten diese Wörter aber auch jeweils einige Wochen hintereinander weg. Hier das Ergebnis:
ALARMSTUFE, Kampf, Attentat, Bombe / Junge Männer, gefährlichste / Anfang vom Untergang / Der Messias, Sehnsucht / Steuersünder, Staatsfeind / Mutter, Kind, Krippe, Kinderzimmer / Täter, Mörder / mörderische / Reformchaos / Das Böse, monströse Doppelleben / Kind / unheimliche / Angriff / Krieg, gefährlichste / unheimliche / Gier und Größenwahn / Angst / gefährliche Nachbar / Krieger, schlagen / Schmerz, Seele / Todeskommando, zerstört / Angst vor der Angst / freien Fall / Ende / Krieger / Vollstrecker, Massenmörder / Verbrechen, Weltkrise / Stress / mutlos, gefährliche, Wirtschaftskrise / Geburt / Urvater / Ende / Geheimnis / Pleite, Weltkrise / Kinder, Killer / lebensgefährlichen / Untergang / Kindern / Verräter / Risiko / gefährlich, Weltvirus / Gier / Judenmord / Tod / geplünderte / Krisenkinder / Rebellion / Einsam, Tragödie / Weltkrieg / gefährlichste , Risiko / Psychogramm, Familien / Ohnmacht, Risiko / große Sorge, Kleinen, Erziehung / Orgie / Krieg / "Gestern wollte ich wieder sterben" / Finanzkrise / Wer erlöst / „Die Angst vor dem Leben“ / Billionen-Bombe, Jahrhundertkrise / töten, Krieg / „Hurra, wir leben noch...“ / „Ein Land stirbt“ / Friedhof / Finanzkrise, Verbrecher/ Triumph der Sünde, Wollust, Habgier/ Schuld / Lüge / deutsche Familie / Krieg, Kampf / Krieg, Töten, Sterben / verführt / abgebrannt, Pleite / Falle / Schutt und Schuld / "Der Druck ist gnadenlos" / Krieg / Katastrophe, tödliche / Kampf / Bürgeraufstand / „Ich wünschte, ich wäre tot" / „Macht der Angst“ / 100.000 Tote / verzweifelten Staaten / Gefecht / Kampf, Streit, Krieg / Rächer, Killer / „DAS ÜBERFORDERTE ICH“ / zerbrechliche Traum, Kampf / Risiko / Eltern, Kinder / Wahnsinn / Mordswut, Jugendgewalt / Feind, Geburt, Seuche / Bruder Todfeind / Familie / Niedergang / Burnout /
Alles in Allem zeigt sich auf den ersten, wie auch auf den zweiten und dritten Blick, dass DER SPIEGEL die hohe Kunst der Medienpsychologie sehr gut beherrscht. Die Titel sprechen die Emotionen der Menschen an, dies beschert dem SPIEGEL sicherlich entsprechend Stammleser. Neben diesem rationalen Handeln transportiert der SPIEGEL aber auch Ängste und andere Emotionen bzw. drückt die emotionale Lage der Nation aus. Er spiegelt Realität ab, aber er erzeugt auch wiederum Realitäten. Ich frage mich, ob es wirklich rational ist, wenn ein solch einflussreiches Blatt derartige Angstbilder dauerhaft verbreitet?
DER SPIEGEL ist eine der Leitmedien im Lande. DER SPIEGEL macht Meinungen und Emotionen, aber er spielgelt immer auch die Meinungen und Emotionen der Nation wider, greift diese auf, formt sie, leitet sie und gibt sie wieder zurück. Insofern bietet sich dieses Wochenmagazin dafür an, Ende des Jahres 2011 nicht nur einen klassischen Jahresrückblick, sondern gleich einen Rückblick auf die Titelstorys zwischen 2008 und 2011 (den Krisenjahren)zu machen. Wer Lust hat, möge sich einmal die Titelbilder dieser Zeit der Reihenfolge nach anschauen. Alleine dieses Durschauen hinterlässt – so ging es mir – bereits den Eindruck, dass da gewaltige Emotionen ausgedrückt werden, bildlich und sprachlich, und dass neutralere/sachlichere, gar positive Nachrichten die Ausnahme darstellen.
Wenn ich mich diesem Rückblick annähere, dann fällt mir zunächst auf, dass DER SPIEGEL in den letzten zwei Jahren den EURO in seinen Titelbildern hat schmelzen lassen ( 10 / 2010), der Euro wurde zerschossen (49 / 2010), er wurde zu Grabe getragen (25 / 2011), mit Dynamit und Zeitzünder versehen, um ihn in die Luft zu sprengen (39 /2011) und kürzlich noch in zwei Teile zerbrochen (48 / 2011). Schaut man sich nur die Bilder an, dann könnte man glatt zu dem Schluss kommen, dass ein Scheitern der Währung geradezu herbeigesehnt wurde, quasi als selbstzerstörerischer Akt. Dazu kommt, dass in den 206 SPIEGEL Ausgaben seit Anfang 2008 bis zum 10.12.2011 24 mal die Wirschafts- und Finanzkrise Titelthema war, was einem Anteil von ca. 11,6 % ausmacht. Wohlgemerkt, das waren nur die Titelthemen, auch in den anderen Ausgaben war „die Krise“ stets Thema, teils auch mit in den Titel integriert (z.B. Ausgabe 45 /2011, die sich im Titel mit Friedrich dem Großen befasste, aber unten rechts stand in blau/weißer Schrift „Euro-Krise. Italien, das nächste Griechenland?“)
Auffällig bei den Krisen-Titeln ist, dass hier nicht nur die „bad news“ überwiegen, sondern diese oftmals auch sehr emotional sind, mit Angst untermauert werden oder teils mit Gewaltbildern (z.B. Kopfschuss, Bomben, Dynamit, Einschusslöcher), daherkommen . Hier die Liste der entsprechenden Titel:
05 / 2008 Casino Global. Was ist der Einbruch in eine Bank gegen das Verspielen einer Bank?
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-05
24 / 2008 Angriff auf den Wohlstand. Wie Spekulanten das Leben immer teurer machen
Bild Anmerkung: Eine Familie mit zwei Kindern steht zwischen den Beinen eines riesigen Geschäftsmannes, das Wort „Angriff“ nimmt fast 1/3 des Titelbildes ein.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-24
41 / 2008 Angst vor der Angst. Die gefährliche Psychologie der Finanzkrise
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-41
42 / 2008 Not! Halt! Wer stoppt den freien Fall des freien Marktes?
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-42
43 /2008 Das Ende der Gemütlichkeit. Was auf die Deutschen (noch) zukommt
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-43
47 / 2008 Das Kapital-Verbrechen. Anatomie einer Weltkrise, die gerade erst begonnen hat
Bild Anmerkung: Zu sehen ist eine Dollarnote mit Kopfschuss
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-47
05 /2009 Wann ist der Staat eigentlich pleite? Konjunkturpakete, Staatsbürgschaften, Abwrackprämien, Rettungsfonds...
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-05
11 / 2009 Der Jahrhundert-Fehler. Wie die Pleite einer einzigen Bank die Weltkrise auslöste
Bild Anmerkung: Zu sehen ist eine Bank als Streichholschachtel. Das erste Zündholz ist bereits entzündet und droht den Rest abzubrennen.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-11
14 /2009 Rette, wer kann! Wie der Untergang der Weltwirtschaft verhindert werden soll
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-14
18 / 2009 Wiederholt sich die Geschichte doch? Weltkrisen 1929/2009
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-18
29 / 2009 Die gefährlichste Firma der Welt. Wie ein Versicherungskonzern zum größten Risiko für die Weltwirtschaft wurde
Bild Anmerkung: In einer Metropole ist der entsprechende Konzern als große Dynamitstange zu sehen, die Lunte brennt bereits.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-29
38 / 2009 Ein Jahr danach. Warum die Welt durch die Finanzkrise ärmer, aber nicht klüger wurde
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-38
48 / 2009 Die Billionen-Bombe. Warum nach der Jahrhundertkrise schon die nächste droht
Bild Anmerkung: Eine Geldbombe explodiert.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-48
05 /2010 Die Abrechnung. Finanzkrise: Jagd auf die Kapital-Verbrecher
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-05
10 / 2010 DIE EURO-LÜGE
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-10
18 / 2010 Euroland, abgebrannt. Ein Kontinent auf dem Weg in die Pleite
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-18
19 / 2010 Die Schulden Falle. Wie viel Griechenland können wir uns noch leisten?
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-19
44 / 2010 Die verzweifelten Staaten von Amerika. Eine Nation verliert ihren Optimismus
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-44
49 /2010 DAS LETZTE GEFECHT. Wie Europa seine Währung ruiniert http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-49
25 / 2011 Plötzlich und erwartet. Nachruf auf eine gemeinsame Währung
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-25
32 / 2011 Geht die Welt bankrott? US-Verschuldung, Euro-Krise, Börsenchaos
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-32
34 / 2011 Gelduntergang. Die zerstörerische Macht der Finanzmärkte
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-34
39 / 2011 DIE GELDBOMBE. Wie aus einer großen Idee eine Gefahr für Europa werden konnte
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-39
48 / 2011 Und jetzt?
Bild Anmerkungen: Zu sehen ist ein zerbrochener Euro
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-48
Zwischen diesen Krisennachrichten tauchten in bestimmten Abständen Titelthemen auf, die mit Ängsten vor und um Kinder und Jugendlichen zu tun haben. Dies ist interessant, wenn man sich etwas mit den psychohistorischen Thesen von deMause befasst hat.
02 / 2008 Junge Männer: Die gefährlichste Spezies der Welt
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-02
09 / 2008 Wie viel Mutter braucht das Kind? Krippe oder Kinderzimmer
Bild Anmerkung: Im Titelbild hält ein übergroßes Kleinkind seine Miniaturmutter fest im Griff. Das Wort „Mutter“ ist rot abgedruckt, um es hervorzuheben.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-09
22 / 2008 Tausendmal probiert... und nie ist was passiert. Das Geschäft mit der Sehnsucht nach dem Kind
Bild Anmerkung: Zu sehen ist ein übergroßes Baby, die zwei wesentlich kleineren, nackten Eltern sind getrennt jeweils links unten und rechts oben im Bild, wenden sich den Rücken zu und schauen deprimiert zu Boden.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2008-22
12 / 2009 Wenn Kinder zu Killern werden. Der Amoklauf des Tim K.
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-12
15 / 2009 Das starke Ich. Wie Kindern das Leben gelingt
Bild Anmerkung: Ein Kind schultert einen gigantischen Baum, dessen Wurzel/stamm eine Hand bildet
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-15
25 / 2009 Wir Krisenkinder. Wie junge Deutsche Ihre Zukunft sehen
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-25
32 / 2009 Die große Sorge um die lieben Kleinen. Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit in der Erziehung
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2009-32
15 / 2010 Hilfe! Pubertät! Ein kleiner Ratgeber zum Großwerden
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2010-15
18 /2011 Mordswut. Die unheimliche Eskalation der Jugendgewalt
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-18
42 / 2011 Das überförderte Kind. Wie viel Ehrgeiz verträgt gute Erziehung?
Bild Anmerkung: Zu sehen ist ein unter der Last der Anforderungen zusammengebrochenes Kind
http://microshop.spiegel.de/einzelhefte/spiegel-2011-42
Mir sind in anderen Titeln weitere starke Emotionen aufgefallen, die ich hier nicht weiter zusammenfassen und alle besprechen kann. Ausschnittweise möchte ich auf Titel wie z.B. 26 / 2008 „Fünfzig Jahre Emanzipation. Was vom Mann noch übrig ist“ hinweisen. Zu sehen ist dort ein kleiner nackter Mann. Die Angst vor dem Verlust der Männlichkeit und Identität (auf Grund des Fortschritts der Emanzipation) ist hier offensichtlich. Andere Titel wie 23 / 2011 „Der Feind im Essen. Ehec: Die Geburt einer neuen Seuche“ habe ich hier im Blog bereits ausführlich besprochen. Dazu kommen z.B. Titel die eine große Giftschlange enthalten (17 / 2009) und Ängste vor einem Welt-Virus (19 / 2009). Zwischendrin habe ich acht mal Titel gezählt, die die NS Zeit besprechen, oftmals mit dem Abbild von Adolf Hitler. Hier tauchen quasi die kollektiven Erinnerungen an dieses Trauma immer wieder auf bzw. werden wieder durchgearbeitet (was ja nicht schlecht sein muss).
Ich habe zusätzlich der Reihenfolge nach Titel-Stichwörter, die starke Emotionen ausdrücken, die mit Krieg und Kampf und Familie und Kindern/Jugendlichen zu tun haben herausgesucht. Ein Schrägstrich trennt dabei jeweils eine Wochenausgabe von der anderen. Zwischendrin waren auch manchmal 3 oder 4 Ausgaben hintereinander dabei, die keine „Kraftwörter“ enthielten, manchmal folgten diese Wörter aber auch jeweils einige Wochen hintereinander weg. Hier das Ergebnis:
ALARMSTUFE, Kampf, Attentat, Bombe / Junge Männer, gefährlichste / Anfang vom Untergang / Der Messias, Sehnsucht / Steuersünder, Staatsfeind / Mutter, Kind, Krippe, Kinderzimmer / Täter, Mörder / mörderische / Reformchaos / Das Böse, monströse Doppelleben / Kind / unheimliche / Angriff / Krieg, gefährlichste / unheimliche / Gier und Größenwahn / Angst / gefährliche Nachbar / Krieger, schlagen / Schmerz, Seele / Todeskommando, zerstört / Angst vor der Angst / freien Fall / Ende / Krieger / Vollstrecker, Massenmörder / Verbrechen, Weltkrise / Stress / mutlos, gefährliche, Wirtschaftskrise / Geburt / Urvater / Ende / Geheimnis / Pleite, Weltkrise / Kinder, Killer / lebensgefährlichen / Untergang / Kindern / Verräter / Risiko / gefährlich, Weltvirus / Gier / Judenmord / Tod / geplünderte / Krisenkinder / Rebellion / Einsam, Tragödie / Weltkrieg / gefährlichste , Risiko / Psychogramm, Familien / Ohnmacht, Risiko / große Sorge, Kleinen, Erziehung / Orgie / Krieg / "Gestern wollte ich wieder sterben" / Finanzkrise / Wer erlöst / „Die Angst vor dem Leben“ / Billionen-Bombe, Jahrhundertkrise / töten, Krieg / „Hurra, wir leben noch...“ / „Ein Land stirbt“ / Friedhof / Finanzkrise, Verbrecher/ Triumph der Sünde, Wollust, Habgier/ Schuld / Lüge / deutsche Familie / Krieg, Kampf / Krieg, Töten, Sterben / verführt / abgebrannt, Pleite / Falle / Schutt und Schuld / "Der Druck ist gnadenlos" / Krieg / Katastrophe, tödliche / Kampf / Bürgeraufstand / „Ich wünschte, ich wäre tot" / „Macht der Angst“ / 100.000 Tote / verzweifelten Staaten / Gefecht / Kampf, Streit, Krieg / Rächer, Killer / „DAS ÜBERFORDERTE ICH“ / zerbrechliche Traum, Kampf / Risiko / Eltern, Kinder / Wahnsinn / Mordswut, Jugendgewalt / Feind, Geburt, Seuche / Bruder Todfeind / Familie / Niedergang / Burnout /
Alles in Allem zeigt sich auf den ersten, wie auch auf den zweiten und dritten Blick, dass DER SPIEGEL die hohe Kunst der Medienpsychologie sehr gut beherrscht. Die Titel sprechen die Emotionen der Menschen an, dies beschert dem SPIEGEL sicherlich entsprechend Stammleser. Neben diesem rationalen Handeln transportiert der SPIEGEL aber auch Ängste und andere Emotionen bzw. drückt die emotionale Lage der Nation aus. Er spiegelt Realität ab, aber er erzeugt auch wiederum Realitäten. Ich frage mich, ob es wirklich rational ist, wenn ein solch einflussreiches Blatt derartige Angstbilder dauerhaft verbreitet?
Freitag, 9. Dezember 2011
Kindheit von Sophie Scholl
Sophie Scholl wuchs die ersten Lebensjahre in Forchtenberg (Württemberg) auf. Ihr Vater, Robert Scholl, war dort Bürgermeister und hatte den Ehrgeiz, den Ort weiterzuentwickeln und zu verändern. Er hatte dabei sehr liberale und fortschrittliche Vorstellungen, was den Bewohnern (vor allem den Bauern und Handwerkern) nicht immer Recht war und ihm teils Feinde machte, später im Jahr 1930 sollte u.a. dies zu seiner Abwahl führen. Leisner (2000) berichtet, dass der Vater die Haushaltsführung und Kindererziehung ganz und gar seiner tüchtigen Frau überließ. (S. 18) Er steckte seine ganze Kraft in sein Amt. Die Familie wohnte allerdings gleich neben den Amtsräumen des Vaters. Insofern war er wohl auf eine Art auch greifbar, auch wenn berichtet wird, dass er manches mal unwirsch war, wenn seine Kinder zu laut in der Wohnung oder im Treppenhaus herumtobten und er Ruhe für seine Arbeit brauchte. (ebd., S. 25) Während dieser Zeit als Bürgermeister war der Vater selten aufgeschlossen und fröhlich. Die Sorgen um den Ort und die Arbeit nahmen ihn voll in Anspruch.
Vinke (1997) gibt die Gespräche mit der Schwester Inge Aicher-Scholl wieder. Über den Vater heißt es: „Er war eine beeindruckende Erscheinung (…), eine natürliche Autorität, die von den Kindern geachtet wurde. Auch wenn es gelegentlich wie in jeder Familie Tränen gab, war er alles andere als ein Tyrann. Die Kinder durften ihre eigenen Wege gehen. Zusammen mit seiner Frau (..) verstand er es, ihnen in einer von Arbeitslosigkeit, Inflation und politischer Gewalt gekennzeichneten Zeit eine Insel der Geborgenheit zu schaffen.“ (Vinke, 1997, S. 16) Im ersten Weltkrieg gehörte der Vater zu den wenigen Pazifisten, die die allgemeine Kriegsbegeisterung im kaiserlichen Deutschland nicht mitmachten. Da er den Kriegsdienst mit der Waffe ablehnte, musste er für das Rote Kreuz verwundete Soldaten betreuen. In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Frau Magdalene kennen, die Krankenschwester war und sich mit Leib und Seele um Kranke und Schwache kümmerte. Sophies Mutter übertrug diese Leidenschaft auch in die Zeit als Frau des Bürgermeisters und kümmerte sich wiederum um Kranke und sozial Schwache in ihrem Ort. Inge über die Mutter: „Was uns Kinder angeht, so interessierte sie sich für alles, was uns berührte und was wir erlebten. Sie lebte total mit uns.“ (ebd., S. 18)
Im Januar 1926 erlebte die Familie einen Schicksalsschlag. Thilde, die im März 1925 geboren worden war und vor allem von ihren Schwestern sehr geliebt wurde, verstarb auf Grund einer Erkrankung. (vgl. Leisner, 2000, S. 20) Wie die Familie mit dieser Tragödie umging, erfährt man in den Quellen nicht.
Die Familie zog nach der Abwahl des Vaters für zwei Jahre nach Ludwigsburg, danach weiter nach Ulm, der Vater betätigte sich fortan als Steuer- und Wirtschafsberater, reich wurde er aber nicht, sondern hatte ein einfaches Auskommen.
Inge über den Freiraum der Kinder: „Freundinnen oder Nachbarskinder zum Geburtstag einzuladen oder einfach mitzubringen , war kein Problem. Nie sagte meine Mutter: „Aber heute möchte ich hier niemanden sehen, ich habe gerade geputzt.“ Die anderen Mädchen kamen einfach mit. Meistens gab es auch für sie etwas zu essen, und manchmal durften sie sogar über Nacht bleiben.“ (Vinke, 1997, S. 21) Bücher spielten in der Familie Scholl eine große Rolle und zwar seit frühster Kindheit an. Im Elternhaus lernten die Kinder auch zu widersprechen, wenn sie anderer Meinung waren.
Alle Kinder der Scholls werden zudem als sensibel und phantasievoll beschrieben. (vgl. Leisner, 2000, S. 21) Doch vor allem Sophie zeigte sehr früh Mitgefühl und Gerechtigkeitsliebe, was an einigen Beispielen in den Quellen veranschaulicht wird.
Auch politische Diskussionen zwischen dem Vater und vor allem seinem älteren Sohn Hans gehörten zum Familienalltag. (ebd. S. 41f) Der Vater vertrat weiterhin seine liberalen Ansichten und den Parlamentarismus und warnte davor, dass es Krieg geben würde, wenn Adolf Hitler an die Macht käme. Hans verteidigte dagegen immer öfter die Nationalsozialisten, für die er entgegen seiner späteren Entwicklung vorerst sehr schwärmte, gegen seinen Vater. Alle Scholl Kinder, besonders aber die beiden älteren Inge und Hans, waren von der Nazi-Bewegung zunächst begeistert. Sie wollten in die Hitlerjugend, was der Vater strikt ablehnte. Beide Scholl- Eltern hatten entgegen den üblichen Erziehungsmethoden der Zeit Schläge gegen ihre Kinder abgelehnt. Doch gegenüber Inge hatte sich der Vater diesmal so sehr erregt, dass er sie ohrfeigte. Er verbot ihr, in die Hitlerjugend einzutreten. (ebd., S. 52f) Die Mutter sorgte schließlich für Ausgleich und überredete ihren Mann, den beiden ihren Willen und sie ihren Weg gehen zu lassen. Der Vater gab nach. Zum 01.05.1933 traten Inge und Hans in die Hitlerjugend ein, Hans engagierte sich stark und stieg später innerhalb der Organisation stetig auf. Im Januar 1934 trat auch die knapp dreizehnjährige Sophie in die „Jungmädelschaft“ ein und fühlte sich dort ebenfalls sehr wohl. Die Geschwister Scholl waren zunächst „ganz normale Deutsche“ und verehrten die Nazis.
Der große Parteitag in Nürnberg 1936, an dem Hans teilnahm, war wohl der Beginn eines Wandels. Hans kam völlig verändert, müde, deprimiert und verschlossen zurück. (vgl. Vinke, 1997, S. 46) „Er sagte nichts, aber jeder spürte, dass irgendetwas passiert sein musste zwischen ihm und der Hitlerjugend. Nach und nach erfuhren wir auch was. Der unsinnige Drill, die vormilitärischen Aufmärsche, das dumme Geschwätz, die ordinären Witze – das alles hatte ihn vollkommen fertig gemacht. Von morgens bis abends antreten, immer wieder reden, und dann diese aufgesetzte, künstliche Begeisterung. (…) Was in Nürnberg passiert war, irritierte Sophie wie uns alle. Nürnberg – das war noch nicht der Bruch, wohl aber der erste Riss, der uns von dieser Welt der Hitlerjugend und des BDM trennte.“ (ebd.) Nach Nürnberg legte sich auch der Streit zwischen Hans und seinem Vater. Für Hans gewann eine andere Jugendorganisation immer mehr an Bedeutung: die „Deutsche Jugendschaft vom 1.11“. Anfang 1933 wurde diese Organisation verboten. Gerade nach diesem Verbot entwickelte sich in Ulm um Hans Scholl eine „d.j.1.11“ Gruppe. Im Herbst 1937 wurden auf Grund dieser Aktivitäten die Geschwister Inge, Sophie, Hans und Werner von der Gestapo verhaftet und für kurze Zeit inhaftiert. Spätestens seit der Verhaftung gehörte der Streit zwischen Sohn und Vater endgültig der Vergangenheit an. Die weiteren Entwicklungen zu beschreiben, die zum Widerstand führten, würden hier den Rahmen sprengen.
Für mich steht fest, dass die vorangegangene nicht autoritäre, freiheitliche Erziehung und der liberale Geist der Eltern und dabei besonders der des Vaters das Fundament für den Bruch mit den Nazis legten. Es ist kein Zufall, dass gerade die Geschwister Scholl den uns bekannten, eindrucksvollen Widerstand gegen das NS-Regime mit organisiert hatten. Sie durften im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Kindern von klein auf frei denken, ihre Meinung sagen, erlebten Geborgenheit und keine Schläge (außer ausnahmsweise innerhalb des o.g. Konfliktes). Die Geschichte der Geschwister Scholl ist auch ein Lehrstück dafür, dass Fürsorge und Gewaltlosigkeit in der Erziehung Empathie und eigenständiges Denken grundsätzlich fördert.
Der Geschwister Scholl Preis wurde übrigens 2001 an Arno Gruen für sein Buch „Der Fremde in uns“ verliehen, in dem er vor allem die destruktive Erziehung von Kindern für die Entstehung von Gewalt und Fremdenhass ausmacht. In seiner Dankesrede sagte Gruen u.a.: „Für mich waren Sophie und Hans Scholl und ihr Freundeskreis immer außergewöhnliche Beispiele für Menschen, die aus ihrem Herzen heraus das Menschsein zum Kern ihres Seins machten. Ihr grundsätzliches Vertrauen zum Menschsein entsprang nicht ideologischen Ursachen, sondern kam aus tieferen Quellen ihres Mitgefühls sowie ihres Gefühls für Gerechtigkeit und Würde.“
Verwendete Quellen:
Leisner, B. 2000: „Ich würde es genauso wieder mach.„ Sophie Scholl. List Taschenbuch Verlag, München.
Vinke, H. 1997: Das kurze Leben der Sophie Scholl. Ravensburger Taschenbuchverlag,
Vinke (1997) gibt die Gespräche mit der Schwester Inge Aicher-Scholl wieder. Über den Vater heißt es: „Er war eine beeindruckende Erscheinung (…), eine natürliche Autorität, die von den Kindern geachtet wurde. Auch wenn es gelegentlich wie in jeder Familie Tränen gab, war er alles andere als ein Tyrann. Die Kinder durften ihre eigenen Wege gehen. Zusammen mit seiner Frau (..) verstand er es, ihnen in einer von Arbeitslosigkeit, Inflation und politischer Gewalt gekennzeichneten Zeit eine Insel der Geborgenheit zu schaffen.“ (Vinke, 1997, S. 16) Im ersten Weltkrieg gehörte der Vater zu den wenigen Pazifisten, die die allgemeine Kriegsbegeisterung im kaiserlichen Deutschland nicht mitmachten. Da er den Kriegsdienst mit der Waffe ablehnte, musste er für das Rote Kreuz verwundete Soldaten betreuen. In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Frau Magdalene kennen, die Krankenschwester war und sich mit Leib und Seele um Kranke und Schwache kümmerte. Sophies Mutter übertrug diese Leidenschaft auch in die Zeit als Frau des Bürgermeisters und kümmerte sich wiederum um Kranke und sozial Schwache in ihrem Ort. Inge über die Mutter: „Was uns Kinder angeht, so interessierte sie sich für alles, was uns berührte und was wir erlebten. Sie lebte total mit uns.“ (ebd., S. 18)
Im Januar 1926 erlebte die Familie einen Schicksalsschlag. Thilde, die im März 1925 geboren worden war und vor allem von ihren Schwestern sehr geliebt wurde, verstarb auf Grund einer Erkrankung. (vgl. Leisner, 2000, S. 20) Wie die Familie mit dieser Tragödie umging, erfährt man in den Quellen nicht.
Die Familie zog nach der Abwahl des Vaters für zwei Jahre nach Ludwigsburg, danach weiter nach Ulm, der Vater betätigte sich fortan als Steuer- und Wirtschafsberater, reich wurde er aber nicht, sondern hatte ein einfaches Auskommen.
Inge über den Freiraum der Kinder: „Freundinnen oder Nachbarskinder zum Geburtstag einzuladen oder einfach mitzubringen , war kein Problem. Nie sagte meine Mutter: „Aber heute möchte ich hier niemanden sehen, ich habe gerade geputzt.“ Die anderen Mädchen kamen einfach mit. Meistens gab es auch für sie etwas zu essen, und manchmal durften sie sogar über Nacht bleiben.“ (Vinke, 1997, S. 21) Bücher spielten in der Familie Scholl eine große Rolle und zwar seit frühster Kindheit an. Im Elternhaus lernten die Kinder auch zu widersprechen, wenn sie anderer Meinung waren.
Alle Kinder der Scholls werden zudem als sensibel und phantasievoll beschrieben. (vgl. Leisner, 2000, S. 21) Doch vor allem Sophie zeigte sehr früh Mitgefühl und Gerechtigkeitsliebe, was an einigen Beispielen in den Quellen veranschaulicht wird.
Auch politische Diskussionen zwischen dem Vater und vor allem seinem älteren Sohn Hans gehörten zum Familienalltag. (ebd. S. 41f) Der Vater vertrat weiterhin seine liberalen Ansichten und den Parlamentarismus und warnte davor, dass es Krieg geben würde, wenn Adolf Hitler an die Macht käme. Hans verteidigte dagegen immer öfter die Nationalsozialisten, für die er entgegen seiner späteren Entwicklung vorerst sehr schwärmte, gegen seinen Vater. Alle Scholl Kinder, besonders aber die beiden älteren Inge und Hans, waren von der Nazi-Bewegung zunächst begeistert. Sie wollten in die Hitlerjugend, was der Vater strikt ablehnte. Beide Scholl- Eltern hatten entgegen den üblichen Erziehungsmethoden der Zeit Schläge gegen ihre Kinder abgelehnt. Doch gegenüber Inge hatte sich der Vater diesmal so sehr erregt, dass er sie ohrfeigte. Er verbot ihr, in die Hitlerjugend einzutreten. (ebd., S. 52f) Die Mutter sorgte schließlich für Ausgleich und überredete ihren Mann, den beiden ihren Willen und sie ihren Weg gehen zu lassen. Der Vater gab nach. Zum 01.05.1933 traten Inge und Hans in die Hitlerjugend ein, Hans engagierte sich stark und stieg später innerhalb der Organisation stetig auf. Im Januar 1934 trat auch die knapp dreizehnjährige Sophie in die „Jungmädelschaft“ ein und fühlte sich dort ebenfalls sehr wohl. Die Geschwister Scholl waren zunächst „ganz normale Deutsche“ und verehrten die Nazis.
Der große Parteitag in Nürnberg 1936, an dem Hans teilnahm, war wohl der Beginn eines Wandels. Hans kam völlig verändert, müde, deprimiert und verschlossen zurück. (vgl. Vinke, 1997, S. 46) „Er sagte nichts, aber jeder spürte, dass irgendetwas passiert sein musste zwischen ihm und der Hitlerjugend. Nach und nach erfuhren wir auch was. Der unsinnige Drill, die vormilitärischen Aufmärsche, das dumme Geschwätz, die ordinären Witze – das alles hatte ihn vollkommen fertig gemacht. Von morgens bis abends antreten, immer wieder reden, und dann diese aufgesetzte, künstliche Begeisterung. (…) Was in Nürnberg passiert war, irritierte Sophie wie uns alle. Nürnberg – das war noch nicht der Bruch, wohl aber der erste Riss, der uns von dieser Welt der Hitlerjugend und des BDM trennte.“ (ebd.) Nach Nürnberg legte sich auch der Streit zwischen Hans und seinem Vater. Für Hans gewann eine andere Jugendorganisation immer mehr an Bedeutung: die „Deutsche Jugendschaft vom 1.11“. Anfang 1933 wurde diese Organisation verboten. Gerade nach diesem Verbot entwickelte sich in Ulm um Hans Scholl eine „d.j.1.11“ Gruppe. Im Herbst 1937 wurden auf Grund dieser Aktivitäten die Geschwister Inge, Sophie, Hans und Werner von der Gestapo verhaftet und für kurze Zeit inhaftiert. Spätestens seit der Verhaftung gehörte der Streit zwischen Sohn und Vater endgültig der Vergangenheit an. Die weiteren Entwicklungen zu beschreiben, die zum Widerstand führten, würden hier den Rahmen sprengen.
Für mich steht fest, dass die vorangegangene nicht autoritäre, freiheitliche Erziehung und der liberale Geist der Eltern und dabei besonders der des Vaters das Fundament für den Bruch mit den Nazis legten. Es ist kein Zufall, dass gerade die Geschwister Scholl den uns bekannten, eindrucksvollen Widerstand gegen das NS-Regime mit organisiert hatten. Sie durften im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Kindern von klein auf frei denken, ihre Meinung sagen, erlebten Geborgenheit und keine Schläge (außer ausnahmsweise innerhalb des o.g. Konfliktes). Die Geschichte der Geschwister Scholl ist auch ein Lehrstück dafür, dass Fürsorge und Gewaltlosigkeit in der Erziehung Empathie und eigenständiges Denken grundsätzlich fördert.
Der Geschwister Scholl Preis wurde übrigens 2001 an Arno Gruen für sein Buch „Der Fremde in uns“ verliehen, in dem er vor allem die destruktive Erziehung von Kindern für die Entstehung von Gewalt und Fremdenhass ausmacht. In seiner Dankesrede sagte Gruen u.a.: „Für mich waren Sophie und Hans Scholl und ihr Freundeskreis immer außergewöhnliche Beispiele für Menschen, die aus ihrem Herzen heraus das Menschsein zum Kern ihres Seins machten. Ihr grundsätzliches Vertrauen zum Menschsein entsprang nicht ideologischen Ursachen, sondern kam aus tieferen Quellen ihres Mitgefühls sowie ihres Gefühls für Gerechtigkeit und Würde.“
Verwendete Quellen:
Leisner, B. 2000: „Ich würde es genauso wieder mach.„ Sophie Scholl. List Taschenbuch Verlag, München.
Vinke, H. 1997: Das kurze Leben der Sophie Scholl. Ravensburger Taschenbuchverlag,
Mittwoch, 7. Dezember 2011
Kindheit von Reinhard Mey
Hinweis: Reinhard Mey ist in der Vergangenheit juristisch gegen Fanseiten vorgegangen, die zu viel über sein Privatleben berichtet haben. Ich berufe mich hier auf das Recht (Urheberrecht § 51), aus Büchern im Rahmen des gesetzlich Erlaubten frei zitieren zu dürfen. Mey berichtet in seiner Biografie frei und für alle zugänglich über seine Kindheit. Insofern kann ich mir kaum vorstellen, dass dieser Beitrag seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Sollte der Beitrag für Herrn Mey oder seine Plattenfirma/Anwälte dennoch ein Problem darstellen, bin ich gerne bereit, ihn zu kürzen oder schlimmstenfalls zu löschen.
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Die Lieder von Reinhard Mey habe ich persönlich erst vor ca. zwei Jahren für mich entdeckt und habe bis heute leider immer noch viel zu wenig von diesem Liedermacher gehört (vielleicht 15-20 Lieder). Besonders anrührend und interessant fand ich folgende vier Lieder: Zeugnistag, Keine ruhige Minute, Aller guten Dinge sind drei, Nein, meine Söhne geb' ich nicht!
Um wirklich zu verstehen, was ich in diesem Beitrag meine, sollte man die Songtexte nachlesen oder die Lieder hören. Alle vier Lieder handeln im Kern von der bedingungslosen Liebe von Eltern zu ihren Kindern (trotz aller Höhen und Tiefen). Letzteres Lied ist zudem ein deutliches, sehr gelungenes Antikriegslied, das an den Wurzeln ansetzt. Denn all zu oft in der Geschichte haben Eltern ihre Kinder für den Krieg gebrauchsfähig gemacht und sie mit Stolz in den Tod geschickt. Reinhard Mey singt dagegen von einer Erziehung, die Achtung, Liebe, Erbarmen und Vergebung als höchste Werte ansieht, die Ungehorsam und Eigenständigkeit lehrt und die absolut unvereinbar mit dem Krieg ist. Er singt von dem Wahn des Krieges und davon, dass er um keinen Preis der Welt seine Söhne für den Krieg hergeben, sondern eher mit ihnen fliehen würde.
Als ich diese Lieder hörte fragte ich mich, wie denn wohl die Kindheit von Reinhard Mey ausgesehen hat. Für mich lag sogleich die Vermutung nahe, dass es eine sehr liebevolle und respektvolle Kindheit gewesen sein muss, seine Texte sprechen da eine deutliche Sprache, denn auch geliebte Kinder führen ihre Kindheit auf der gesellschaftlichen Bühne wieder auf. Vor allem bei dem Lied „Zeugnistag“ fragte ich mich, ob der Liedermacher da nicht evtl. von den eigenen Eltern berichtet.
Ich wusste, dass es eine Biografie von Mey gibt, ich ging aber nicht davon aus, dass seine Kindheit einen großen Raum einnehmen würde, da wohl eher der Lebensweg des Musikers von Interesse ist, so dachte ich. Ich überlegte sogar, ob ich Mey nicht anschreiben sollte, falls ich nichts Weiteres finden sollte, um ihn nach einigen kurzen Gegebenheiten zu seiner Kindheit zu befragen. Ein abwegiger, absurder Gedanke, natürlich. Warum sollte dieser Mensch einem wildfremden Menschen etwas über seine Kindheit berichten, nur weil dieser “hobbymäßig“ dazu forscht?
Um so erstaunter und erfreuter war ich, als ich in seiner Biografie „Was ich noch zu sagen hätte“ (2005) mit Bernd Schroeder (erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag) ausführliche Berichte über seine Kindheit fand. Ich hörte mich ein lautes „Jaa“ rufen, als Mey auf die Frage von Bernd Schroeder, ob das Lied „Zeugnistag“ autobiographisch sei und er Eltern hatte, die aus diesem Holz geschnitzt waren, antwortete: „Ja, die waren so.“ Mein Hobbyforscher Herz fühlte sich einfach bestätigt!
Reinhard Mey wurde Ende 1942 in Berlin geboren und erlebte somit das Kriegs- und Nachkriegsdeutschland mit. Armut und Not erlebte er als Kleinkind, ebenso die Abwesenheit des Vaters, der erst 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam. Seine ältere Schwester lernte er ebenfalls erst 1946 kennen, sie war 1943 evakuiert worden und kam bei Verwandten unter. Insofern war er ein Kind wie so viele um diese Zeit. Aber eines war anders, die Art und Weise der Erziehung und Zuwendung. Reinhard wuchs bis zur Rückkehr des Vaters rein unter der liebevollen Obhut dreier Frauen auf: Seiner Mutter, Oma und seiner Tante Illi. Diese wollten ihm trotz aller Not unbedingt eine glückliche Kindheit bieten.
„Diese drei Frauen waren ein Dreigestirn, das mich mit Liebe überschütte und mir die Gewissheit gegeben hat, geliebt zu werden, was unermesslich wichtig für eine Kindheit ist. Materiell gab es natürlich nichts, und ich war wie alle kleinen Jungen abgemagert und halb am Verhungern. Die drei hatten die Priorität, wie kriegen wir den Kleinen über die Zeit. Sie haben alles versucht, es mir schön zu machen und mir viel Zuwendung gegeben, haben mich in allem gefördert.“ (S. 13) Die Oma („eine wunderbare, liebevolle Frau“) war seine „heimliche Komplizin“, gab es mal Ärger mit Mutter oder Tante wusste die Rat und bog alles wieder gerade. Tante Illi war „eine begnadete Kinderversteherin, ein Bezugspunkt, den sogar unsere Kinder noch sehr geliebt haben.“ (S. 16) Seine Mutter beschreibt Mey als künstlerisch begabt, intelligent, diplomatisch, liebenswürdig, aufmüpfig und als sehr emanzipiert. (Sie hat zeitlebens mehr Geld verdient, als der Vater)
Über den Vater war ihm während dessen Abwesenheit immer viel erzählt worden, insofern empfand er ihn nicht als so fremd, als dieser heimkehrte. Über die Ehe der beiden Eltern und über seine Kindheit sagt Mey:
„Meine Eltern haben mir eine sehr gleichberechtigte Partnerschaft vorgelebt. Mein Vater hat sogar Haushaltsarbeiten übernommen, was damals in anderen Familien noch undenkbar war. Jeder hat bei uns dort angepackt, wo Not am Mann war. In jeder Hinsicht gleichberechtigt, ganz egal wie alt man war, ob Mann oder Frau. Das hat mich ganz sicher sehr geprägt. Die Erziehung durch diese drei Frauen und meinen Vater, der überhaupt kein Macho war, haben positiven Einfluss auf mich gehabt. Ich hatte wirklich eine glückliche Kindheit.“ (S. 17+18) Seiner Mutter widmete Mey das liebevolle Lied „Das Foto vor mir auf dem Tisch“. Schroeder fragt darauf: „War denn an diesen Eltern nie zu zweifeln?“ Antwort: „Nein, nie. Ich sage mir jeden Morgen, dass ich dankbar bin, dass sie mich so frei haben aufwachsen lassen, mit einer unglaublichen Toleranz. Mein Vater war auch völlig damit einverstanden, wie die drei Frauen mich erzogen haben. (…) als er wieder da war, ging meine Erziehung ganz genauso weiter.“ (S. 21f) Über seine Eltern berichtet Mey weiter, dass sie immer zärtlich miteinander umgegangen sind, mit großem Respekt und Liebe, bis zum Tod des Vaters gingen sie Hand in Hand zum Kaufmannsladen.
Über seine eigene Rolle als Vater berichtet Mey:
„Ja, man lernt es. Man lernt es sicher schon durch das Elternhaus. Ich glaube, ich hatte das alles gelernt, ohne es zu wissen, aus dem Vorbild, das meine Eltern gegeben haben. Ich habe eben sehr viel Zuwendung und Geduld geschenkt gekriegt, als ich klein war. Das ist mir alles nicht so klar gewesen, aber im Unterbewusstsein hatte sich dieser Schatz bestimmt angehäuft, deswegen ahnte ich oder wusste ich, wie man es machen muss. Im Grunde genommen musst du alle Fehler machen, aber solange du mit Liebe und mit Zärtlichkeit und Geduld dabei bist, macht das gar nichts. Die Liebe und die Zuwendung wetzen alle diese Scharten wieder aus.“ (S. 158)
Reinhard Mey gab ganz offensichtlich die gleiche Liebe und Fürsorge an seine Kinder weiter, die er selbst erlebt hatte. Auch seine ganzen Texte legen Zeugnis davon ab, das Mey lebensbejahend und liebevoll in die Welt geführt wurde (Trotz aller Schrecklichkeiten und der Not der Kriegs- und Nachkriegsjahre). Menschen wie Reinhard Mey sind automatisch aus einem tiefen inneren Gefühl heraus gegen Krieg und Gewalt, wirken konstruktiv und nicht selbst- oder fremdzerstörerisch, weil sie es selbst so erlebt haben. Wie sagte noch Astrid Lindgren in ihrer Rede „Niemals Gewalt!“? „Ein Kind, das von seinen Eltern liebevoll behandelt wird und das seine Eltern liebt, gewinnt dadurch ein liebevolles Verhältnis zu seiner Umwelt und bewahrt diese Grundeinstellung sein Leben lang.“ Menschen bzw. die Kindheit von Reinhard Mey beweisen, dass diese Welt durch Liebe gegenüber Kindern gesichert werden und sich in eine aussichtsreiche, hoffnungsvolle Zukunft entwickeln kann.
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Die Lieder von Reinhard Mey habe ich persönlich erst vor ca. zwei Jahren für mich entdeckt und habe bis heute leider immer noch viel zu wenig von diesem Liedermacher gehört (vielleicht 15-20 Lieder). Besonders anrührend und interessant fand ich folgende vier Lieder: Zeugnistag, Keine ruhige Minute, Aller guten Dinge sind drei, Nein, meine Söhne geb' ich nicht!
Um wirklich zu verstehen, was ich in diesem Beitrag meine, sollte man die Songtexte nachlesen oder die Lieder hören. Alle vier Lieder handeln im Kern von der bedingungslosen Liebe von Eltern zu ihren Kindern (trotz aller Höhen und Tiefen). Letzteres Lied ist zudem ein deutliches, sehr gelungenes Antikriegslied, das an den Wurzeln ansetzt. Denn all zu oft in der Geschichte haben Eltern ihre Kinder für den Krieg gebrauchsfähig gemacht und sie mit Stolz in den Tod geschickt. Reinhard Mey singt dagegen von einer Erziehung, die Achtung, Liebe, Erbarmen und Vergebung als höchste Werte ansieht, die Ungehorsam und Eigenständigkeit lehrt und die absolut unvereinbar mit dem Krieg ist. Er singt von dem Wahn des Krieges und davon, dass er um keinen Preis der Welt seine Söhne für den Krieg hergeben, sondern eher mit ihnen fliehen würde.
Als ich diese Lieder hörte fragte ich mich, wie denn wohl die Kindheit von Reinhard Mey ausgesehen hat. Für mich lag sogleich die Vermutung nahe, dass es eine sehr liebevolle und respektvolle Kindheit gewesen sein muss, seine Texte sprechen da eine deutliche Sprache, denn auch geliebte Kinder führen ihre Kindheit auf der gesellschaftlichen Bühne wieder auf. Vor allem bei dem Lied „Zeugnistag“ fragte ich mich, ob der Liedermacher da nicht evtl. von den eigenen Eltern berichtet.
Ich wusste, dass es eine Biografie von Mey gibt, ich ging aber nicht davon aus, dass seine Kindheit einen großen Raum einnehmen würde, da wohl eher der Lebensweg des Musikers von Interesse ist, so dachte ich. Ich überlegte sogar, ob ich Mey nicht anschreiben sollte, falls ich nichts Weiteres finden sollte, um ihn nach einigen kurzen Gegebenheiten zu seiner Kindheit zu befragen. Ein abwegiger, absurder Gedanke, natürlich. Warum sollte dieser Mensch einem wildfremden Menschen etwas über seine Kindheit berichten, nur weil dieser “hobbymäßig“ dazu forscht?
Um so erstaunter und erfreuter war ich, als ich in seiner Biografie „Was ich noch zu sagen hätte“ (2005) mit Bernd Schroeder (erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag) ausführliche Berichte über seine Kindheit fand. Ich hörte mich ein lautes „Jaa“ rufen, als Mey auf die Frage von Bernd Schroeder, ob das Lied „Zeugnistag“ autobiographisch sei und er Eltern hatte, die aus diesem Holz geschnitzt waren, antwortete: „Ja, die waren so.“ Mein Hobbyforscher Herz fühlte sich einfach bestätigt!
Reinhard Mey wurde Ende 1942 in Berlin geboren und erlebte somit das Kriegs- und Nachkriegsdeutschland mit. Armut und Not erlebte er als Kleinkind, ebenso die Abwesenheit des Vaters, der erst 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam. Seine ältere Schwester lernte er ebenfalls erst 1946 kennen, sie war 1943 evakuiert worden und kam bei Verwandten unter. Insofern war er ein Kind wie so viele um diese Zeit. Aber eines war anders, die Art und Weise der Erziehung und Zuwendung. Reinhard wuchs bis zur Rückkehr des Vaters rein unter der liebevollen Obhut dreier Frauen auf: Seiner Mutter, Oma und seiner Tante Illi. Diese wollten ihm trotz aller Not unbedingt eine glückliche Kindheit bieten.
„Diese drei Frauen waren ein Dreigestirn, das mich mit Liebe überschütte und mir die Gewissheit gegeben hat, geliebt zu werden, was unermesslich wichtig für eine Kindheit ist. Materiell gab es natürlich nichts, und ich war wie alle kleinen Jungen abgemagert und halb am Verhungern. Die drei hatten die Priorität, wie kriegen wir den Kleinen über die Zeit. Sie haben alles versucht, es mir schön zu machen und mir viel Zuwendung gegeben, haben mich in allem gefördert.“ (S. 13) Die Oma („eine wunderbare, liebevolle Frau“) war seine „heimliche Komplizin“, gab es mal Ärger mit Mutter oder Tante wusste die Rat und bog alles wieder gerade. Tante Illi war „eine begnadete Kinderversteherin, ein Bezugspunkt, den sogar unsere Kinder noch sehr geliebt haben.“ (S. 16) Seine Mutter beschreibt Mey als künstlerisch begabt, intelligent, diplomatisch, liebenswürdig, aufmüpfig und als sehr emanzipiert. (Sie hat zeitlebens mehr Geld verdient, als der Vater)
Über den Vater war ihm während dessen Abwesenheit immer viel erzählt worden, insofern empfand er ihn nicht als so fremd, als dieser heimkehrte. Über die Ehe der beiden Eltern und über seine Kindheit sagt Mey:
„Meine Eltern haben mir eine sehr gleichberechtigte Partnerschaft vorgelebt. Mein Vater hat sogar Haushaltsarbeiten übernommen, was damals in anderen Familien noch undenkbar war. Jeder hat bei uns dort angepackt, wo Not am Mann war. In jeder Hinsicht gleichberechtigt, ganz egal wie alt man war, ob Mann oder Frau. Das hat mich ganz sicher sehr geprägt. Die Erziehung durch diese drei Frauen und meinen Vater, der überhaupt kein Macho war, haben positiven Einfluss auf mich gehabt. Ich hatte wirklich eine glückliche Kindheit.“ (S. 17+18) Seiner Mutter widmete Mey das liebevolle Lied „Das Foto vor mir auf dem Tisch“. Schroeder fragt darauf: „War denn an diesen Eltern nie zu zweifeln?“ Antwort: „Nein, nie. Ich sage mir jeden Morgen, dass ich dankbar bin, dass sie mich so frei haben aufwachsen lassen, mit einer unglaublichen Toleranz. Mein Vater war auch völlig damit einverstanden, wie die drei Frauen mich erzogen haben. (…) als er wieder da war, ging meine Erziehung ganz genauso weiter.“ (S. 21f) Über seine Eltern berichtet Mey weiter, dass sie immer zärtlich miteinander umgegangen sind, mit großem Respekt und Liebe, bis zum Tod des Vaters gingen sie Hand in Hand zum Kaufmannsladen.
Über seine eigene Rolle als Vater berichtet Mey:
„Ja, man lernt es. Man lernt es sicher schon durch das Elternhaus. Ich glaube, ich hatte das alles gelernt, ohne es zu wissen, aus dem Vorbild, das meine Eltern gegeben haben. Ich habe eben sehr viel Zuwendung und Geduld geschenkt gekriegt, als ich klein war. Das ist mir alles nicht so klar gewesen, aber im Unterbewusstsein hatte sich dieser Schatz bestimmt angehäuft, deswegen ahnte ich oder wusste ich, wie man es machen muss. Im Grunde genommen musst du alle Fehler machen, aber solange du mit Liebe und mit Zärtlichkeit und Geduld dabei bist, macht das gar nichts. Die Liebe und die Zuwendung wetzen alle diese Scharten wieder aus.“ (S. 158)
Reinhard Mey gab ganz offensichtlich die gleiche Liebe und Fürsorge an seine Kinder weiter, die er selbst erlebt hatte. Auch seine ganzen Texte legen Zeugnis davon ab, das Mey lebensbejahend und liebevoll in die Welt geführt wurde (Trotz aller Schrecklichkeiten und der Not der Kriegs- und Nachkriegsjahre). Menschen wie Reinhard Mey sind automatisch aus einem tiefen inneren Gefühl heraus gegen Krieg und Gewalt, wirken konstruktiv und nicht selbst- oder fremdzerstörerisch, weil sie es selbst so erlebt haben. Wie sagte noch Astrid Lindgren in ihrer Rede „Niemals Gewalt!“? „Ein Kind, das von seinen Eltern liebevoll behandelt wird und das seine Eltern liebt, gewinnt dadurch ein liebevolles Verhältnis zu seiner Umwelt und bewahrt diese Grundeinstellung sein Leben lang.“ Menschen bzw. die Kindheit von Reinhard Mey beweisen, dass diese Welt durch Liebe gegenüber Kindern gesichert werden und sich in eine aussichtsreiche, hoffnungsvolle Zukunft entwickeln kann.
Freitag, 2. Dezember 2011
Kindheit von Rosa Luxemburg
Ich bin sicher kein guter Kenner oder gar Bewunderer von Rosa Luxemburg. Ich weiß über sie, dass sie gegen den ersten Weltkrieg war, sich dagegen aktiv engagierte, dass sie sehr intelligent und redegewandt war, dass sie sich gegen Autoritäten auflehnte und sich als Frau für damalige Verhältnisse sehr viele Freiheiten nahm. Dazu kommt ihr politisches Engagement, das ich hier nicht weiter ausführen und beurteilen will. Augenscheinlich war diese Frau anders und sehr außergewöhnlich für ihre Zeit. Vor allem war sie von Anfang an nicht bereit, sich bzgl. der Kriegslust der Deutschen verblenden zu lassen. Dies macht mich neugierig auf ihre Biographie und Kindheit, wofür ich das Buch „Rosa Luxemburg. Im Lebensrausch, trotz alledem.“ von Annelies Laschitza (2010) durchgesehen habe.
Rosa Luxemburg war die Jüngste von fünf Kindern. Rosas Vater war Kaufmann und gehörte zur jüdischen Intelligenz seines Wohnortes. Er unterstützte alle möglichen Kultur- und Bildungsbestrebungen. Rosas Mutter brachte all diesen Betätigungen vollstes Verständnis entgegen, „so dass der ganze Ton des Hauses in kultureller Beziehung auf sehr hoher Stufe stand.“ (S. 18) Sie wird als sanfter, milder Charakter beschrieben „und aus dem Munde dieser geliebten Mutter vernahm die aufnahmefähige kleine Rosa die ersten Märchen und Fabeln.“ (ebd.) Die Mutter scheint sich voll auf ihre traditionelle Rolle als Mutter und Ehefrau eingelassen zu haben.
„Rose Luxemburg wuchs in einem behaglichen Familienkreis auf, in dem vorwiegend polnisch gesprochen wurde und großes Interesse an anderen Sprachen, Religionen und Kulturen geweckt und gefördert wurde. (…) Trotz strenger Zensur besorgte der freisinnige Vater, die Respektsperson der Familie, insgeheim ausländische Zeitungen, die gelesen und besprochen wurden. Jedes Kind konnte seinen Neigungen nachgehen und sich nach Herzenslust ausleben.“ ( S. 25)
Als Nesthäkchen wurde Rosa von ihren Geschwistern verwöhnt, besonders auch in der Zeit, als sie im Alter von fünf Jahren krankheitsbedingt fast ein Jahr im Bett oder Zimmer verbringen musste. In dieser Zeit lernte das aufgeweckte Kind auch lesen und schreiben. Nach einer Erkrankung des Vaters ging es der Familie finanziell allerdings schlecht. Ein Jugendfreund Rosas berichtete, dass sie Familie Mangel zu leiden hatte (allerdings ohne zu verbittern, wie er sagte), nicht selten wurde sogar das Bett zum Wucherer gegeben. „Ich erinnere mich, wie Rosa erzählte, sie hätte einst mit einem Papierfetzen die Lampe angezündet, später jedoch erwies sich, dass es das letzte Geld im Hause gewesen war, das der Vater mit Mühe erworben hatte; der Alte bestrafte seine Tochter nicht, sondern tröstete sie, nachdem er sich von dem ersten Eindruck erholt hatte, mit Scherzen über das teure Streichhölzchen.“ (S. 20)
Über Rosas Kindheit existieren nur wenig Daten. Diese Szene beschreibt allerdings einen für damalige Verhältnisse absolut ungewöhnlichen Vater. Die Tochter verbrennt das letzte Geld, sie ist ein Kind und wusste es halt nicht besser. Der Vater versteht dies und tröstet sie, statt sie auszuschimpfen oder zu bestrafen. In solchen Szenen zeigt sich, ob Eltern destruktiv oder liebevoll sind. Rosas Vater war offensichtlich ein liebevoller Vater.
Mit zehn Jahren gab es allerdings einen Bruch in Rosas Leben. Weihnachten 1881 erlebte sie ein Pogrom gegen Juden mit. Viele Juden wurden verletzt, gedemütigt, manche getötet. Ein wütender Mob zog auch durch die Straße, in der Rosa und ihre Familie wohnte. Diese schrecklichen Erlebnisse vergrub Rosa tief in sich und nahm sich in der Folge vor, sich für ein menschliches Leben einzusetzen, in dem solche Gewaltexzesse unmöglich sein sollten. (vgl. S. 33)
Rosa Luxemburg war die Jüngste von fünf Kindern. Rosas Vater war Kaufmann und gehörte zur jüdischen Intelligenz seines Wohnortes. Er unterstützte alle möglichen Kultur- und Bildungsbestrebungen. Rosas Mutter brachte all diesen Betätigungen vollstes Verständnis entgegen, „so dass der ganze Ton des Hauses in kultureller Beziehung auf sehr hoher Stufe stand.“ (S. 18) Sie wird als sanfter, milder Charakter beschrieben „und aus dem Munde dieser geliebten Mutter vernahm die aufnahmefähige kleine Rosa die ersten Märchen und Fabeln.“ (ebd.) Die Mutter scheint sich voll auf ihre traditionelle Rolle als Mutter und Ehefrau eingelassen zu haben.
„Rose Luxemburg wuchs in einem behaglichen Familienkreis auf, in dem vorwiegend polnisch gesprochen wurde und großes Interesse an anderen Sprachen, Religionen und Kulturen geweckt und gefördert wurde. (…) Trotz strenger Zensur besorgte der freisinnige Vater, die Respektsperson der Familie, insgeheim ausländische Zeitungen, die gelesen und besprochen wurden. Jedes Kind konnte seinen Neigungen nachgehen und sich nach Herzenslust ausleben.“ ( S. 25)
Als Nesthäkchen wurde Rosa von ihren Geschwistern verwöhnt, besonders auch in der Zeit, als sie im Alter von fünf Jahren krankheitsbedingt fast ein Jahr im Bett oder Zimmer verbringen musste. In dieser Zeit lernte das aufgeweckte Kind auch lesen und schreiben. Nach einer Erkrankung des Vaters ging es der Familie finanziell allerdings schlecht. Ein Jugendfreund Rosas berichtete, dass sie Familie Mangel zu leiden hatte (allerdings ohne zu verbittern, wie er sagte), nicht selten wurde sogar das Bett zum Wucherer gegeben. „Ich erinnere mich, wie Rosa erzählte, sie hätte einst mit einem Papierfetzen die Lampe angezündet, später jedoch erwies sich, dass es das letzte Geld im Hause gewesen war, das der Vater mit Mühe erworben hatte; der Alte bestrafte seine Tochter nicht, sondern tröstete sie, nachdem er sich von dem ersten Eindruck erholt hatte, mit Scherzen über das teure Streichhölzchen.“ (S. 20)
Über Rosas Kindheit existieren nur wenig Daten. Diese Szene beschreibt allerdings einen für damalige Verhältnisse absolut ungewöhnlichen Vater. Die Tochter verbrennt das letzte Geld, sie ist ein Kind und wusste es halt nicht besser. Der Vater versteht dies und tröstet sie, statt sie auszuschimpfen oder zu bestrafen. In solchen Szenen zeigt sich, ob Eltern destruktiv oder liebevoll sind. Rosas Vater war offensichtlich ein liebevoller Vater.
Mit zehn Jahren gab es allerdings einen Bruch in Rosas Leben. Weihnachten 1881 erlebte sie ein Pogrom gegen Juden mit. Viele Juden wurden verletzt, gedemütigt, manche getötet. Ein wütender Mob zog auch durch die Straße, in der Rosa und ihre Familie wohnte. Diese schrecklichen Erlebnisse vergrub Rosa tief in sich und nahm sich in der Folge vor, sich für ein menschliches Leben einzusetzen, in dem solche Gewaltexzesse unmöglich sein sollten. (vgl. S. 33)
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