Kürzlich bekam ich das Gespräch zwischen zwei älteren Männern mit (ca. Mitte 60 und Anfang/Mitte 70). Beide unterhielten sich darüber, dass heutzutage den jungen Leuten in der Ausbildung mehr ihre Rechte als ihre Pflichten aufgezeigt würden. Die Jungen würden zu viel Widerspruch zeigen, aber dabei gleichzeitig ihre Pflichten vernachlässigen. Früher war das anders. Da gab es schon mal von dem Lehrer ordentlich mit dem Rohrstock was auf die Finger. Beide lachten. „Und der Lehrer war auch noch ein Freund meines Vaters.“, sagte der eine. „Wenn ich meinem Vater davon erzählt hätte, hätte ich zu Hause auch noch gleich was hinten drauf bekommen“. Beide lachten wieder.
Hier zeigt sich, wie fatal die Misshandlung von Kindern wirkt. Beide Männer haben offensichtlich keinen emotionalen Zugang zu dem Kind, das sie damals waren. Wenn sie einen Zugang zu ihrer Geschichte hätten, würden sie nicht über das lachen, was sie berichteten. Sie wären ernst und würden sagen: „Das war schlimm und gut das es heute anders ist.“ Ein Vater, der ein Kind schlagen würde, wenn es berichtet, dass es vom Lehrer geschlagen wurde, ist ein Albtraum!
Mir wurde durch diese Beobachtung mal wieder sehr deutlich, was für eine tiefe Umwälzung ja Revolution sich in unserem Land bzgl. des Umgangs mit Kindern vollzogen hat. Eine Revolution (vielleicht die größte Revolution, die unser Land je erlebt hat), die langsam und leise stattfand und über deren enormen Auswirkungen kaum jemand wirklich nachdenkt oder gar wissenschaftlich forscht. Dieser Entwicklungsprozess ist noch im vollen Gange und ist gleichzeitig ein Prozess, der vom öffentlichen Bewusstsein ausgeklammert bleibt. Schade eigentlich.
Freitag, 19. August 2011
Montag, 15. August 2011
Joachim Bauers "Schmerzgrenze" - Ein Kommentar
!! Dieser Beitrag wurde aktualisiert und findet sich jetzt hier. !!
Samstag, 6. August 2011
Studie "Die Sicht der Anderen". Wie Extremismus entsteht.
Auf die Studie "Lützinger, S., Kraus, B., Mathes, C. & Schweer, T.
(2010): Die Sicht der Anderen. Eine qualitative Studie zu Biographien von Extremisten und Terroristen (Polizei + Forschung Bd. 40). BKA – Bundeskriminalamt, Kriminalistisches Institut (Hrsg.). Köln: Luchterhand Fachverlag." hatte ich ja bereits im Zusammenhang mit dem Attentäter Breivik kurz hingewiesen. Jetzt möchte ich darauf noch mal etwas näher eingehen. Für die Studie wurden die Biographien von insgesamt 39 Personen verglichen, die dem Links- oder Rechtsextremismus sowie Islamismus zugeordnet werden können.
Einige zentrale Ergebnisse möchte ich kurz vorstellen:
Innerhalb der Familien der Befragten herrschte allgemein viel Stress, „familiäres Chaos“ und es gab kaum oder keine Bewältigungsstrategien bzgl. Konflikten und Problemen. Allen Familien war gemeinsam, dass problematische Sachverhalte nicht konstruktiv miteinander kommuniziert und bearbeitet, sondern allenfalls in Form von Vorwürfen oder Schuldzuweisungen thematisiert wurden. Die Befragten waren vornehmlich auf sich selbst gestellt, wenn sie Probleme lösen mussten und konnten kaum Hilfe in ihrer Familie erwarten bzw. fühlten sich von dieser allein gelassen. Schon früh waren die Befragten mit zahlreichen Entwicklungsbelastungen wie z.B. Wechsel von Bezugspersonen oder Verlust eines Familienangehörigen konfrontiert. In einigen Fällen entzogen sich Familienmitglieder jedoch auch, indem sie beispielsweise „über Nacht“ die Familie verließen oder es vorzogen, sich auf andere soziale Umfelder (z.B. den Freundeskreis, die Arbeit) zu konzentrieren.
„In allen Familien standen deutliche familiäre Belastungen im Hintergrund, die sich in Suchterkrankungen der Eltern, Verlusterlebnissen und schwerster häuslicher Gewalt ausdrückten. In keinem Fall kann von einem intakten Elternhaus gesprochen werden.“ (S. 28)
„In den meisten Biographien spielten Gewalt und Unterdrückung schon im Kindesalter eine Rolle. Etwa die Hälfte aller Befragten berichtete von gewalttätigen Elternhäusern, in denen sie mit zum Teil erheblichen gewalttätigen Ausschreitungen und Misshandlungen konfrontiert waren. Die rechtsorientierten Befragten berichteten das heftigste Ausmaß. Gewalt richtete sich nicht ausschließlich gegen die Kinder, sondern spielte sich auch zwischen den Eltern ab. So erzählte beispielsweise ein Befragter, die eigene Mutter bewusstlos, in einer Blutlache liegend aufgefunden zu haben. Andere berichteten über schwerste Misshandlungen, die vom mutwilligen Zufügen von Brandwunden bis hin zu Tötungsversuchen reichten.“ (S. 31)
„Resümierend kann festgehalten werden, dass die hier untersuchten Biographien grundlegend entwicklungsbelastete Personen charakterisieren, die mangels eines funktionierenden und eine gesunde und gelingende psychosoziale Entwicklung garantierenden Elternhauses äußerst prekäre soziale Kontakte eingegangen sind. Das jeweilige extremistisch-terroristische Milieu bzw. Gruppenangebot fungierte als Ersatz für ein funktional und strukturell gestörtes Elternhaus." (S. 75f)
Diese qualitative Studie ist sehr interessant und zeigt vor allem eines: Kinder, die in intakten Elternhäusern aufwachsen dürfen, werden nicht zu Extremisten! Die Studie zeigt auch auf, dass bzgl. der Prävention von Gewalt und Extremismus beim Jugend- und Kinderschutz bzw. bei der Jugendarbeit angesetzt werden muss. Auffallend bei den Befragten war, dass sie sich eine „Ersatzfamilie“ bei destruktiven Peergroups oder extremistischen Gruppen suchten und diese eher zufällig je nach vorhandenem Angebot und Milieuzugang auswählten. Hier kann und muss regionale Jugendarbeit ansetzen und konstruktive „Familienersatzangebote“ machen. Interessant für diesen Blog ist auch, dass einige der Befragten zur Bundeswehr gehen wollten, aber oft abgelehnt wurden und andere Wege gingen.
(2010): Die Sicht der Anderen. Eine qualitative Studie zu Biographien von Extremisten und Terroristen (Polizei + Forschung Bd. 40). BKA – Bundeskriminalamt, Kriminalistisches Institut (Hrsg.). Köln: Luchterhand Fachverlag." hatte ich ja bereits im Zusammenhang mit dem Attentäter Breivik kurz hingewiesen. Jetzt möchte ich darauf noch mal etwas näher eingehen. Für die Studie wurden die Biographien von insgesamt 39 Personen verglichen, die dem Links- oder Rechtsextremismus sowie Islamismus zugeordnet werden können.
Einige zentrale Ergebnisse möchte ich kurz vorstellen:
Innerhalb der Familien der Befragten herrschte allgemein viel Stress, „familiäres Chaos“ und es gab kaum oder keine Bewältigungsstrategien bzgl. Konflikten und Problemen. Allen Familien war gemeinsam, dass problematische Sachverhalte nicht konstruktiv miteinander kommuniziert und bearbeitet, sondern allenfalls in Form von Vorwürfen oder Schuldzuweisungen thematisiert wurden. Die Befragten waren vornehmlich auf sich selbst gestellt, wenn sie Probleme lösen mussten und konnten kaum Hilfe in ihrer Familie erwarten bzw. fühlten sich von dieser allein gelassen. Schon früh waren die Befragten mit zahlreichen Entwicklungsbelastungen wie z.B. Wechsel von Bezugspersonen oder Verlust eines Familienangehörigen konfrontiert. In einigen Fällen entzogen sich Familienmitglieder jedoch auch, indem sie beispielsweise „über Nacht“ die Familie verließen oder es vorzogen, sich auf andere soziale Umfelder (z.B. den Freundeskreis, die Arbeit) zu konzentrieren.
„In allen Familien standen deutliche familiäre Belastungen im Hintergrund, die sich in Suchterkrankungen der Eltern, Verlusterlebnissen und schwerster häuslicher Gewalt ausdrückten. In keinem Fall kann von einem intakten Elternhaus gesprochen werden.“ (S. 28)
„In den meisten Biographien spielten Gewalt und Unterdrückung schon im Kindesalter eine Rolle. Etwa die Hälfte aller Befragten berichtete von gewalttätigen Elternhäusern, in denen sie mit zum Teil erheblichen gewalttätigen Ausschreitungen und Misshandlungen konfrontiert waren. Die rechtsorientierten Befragten berichteten das heftigste Ausmaß. Gewalt richtete sich nicht ausschließlich gegen die Kinder, sondern spielte sich auch zwischen den Eltern ab. So erzählte beispielsweise ein Befragter, die eigene Mutter bewusstlos, in einer Blutlache liegend aufgefunden zu haben. Andere berichteten über schwerste Misshandlungen, die vom mutwilligen Zufügen von Brandwunden bis hin zu Tötungsversuchen reichten.“ (S. 31)
„Resümierend kann festgehalten werden, dass die hier untersuchten Biographien grundlegend entwicklungsbelastete Personen charakterisieren, die mangels eines funktionierenden und eine gesunde und gelingende psychosoziale Entwicklung garantierenden Elternhauses äußerst prekäre soziale Kontakte eingegangen sind. Das jeweilige extremistisch-terroristische Milieu bzw. Gruppenangebot fungierte als Ersatz für ein funktional und strukturell gestörtes Elternhaus." (S. 75f)
Diese qualitative Studie ist sehr interessant und zeigt vor allem eines: Kinder, die in intakten Elternhäusern aufwachsen dürfen, werden nicht zu Extremisten! Die Studie zeigt auch auf, dass bzgl. der Prävention von Gewalt und Extremismus beim Jugend- und Kinderschutz bzw. bei der Jugendarbeit angesetzt werden muss. Auffallend bei den Befragten war, dass sie sich eine „Ersatzfamilie“ bei destruktiven Peergroups oder extremistischen Gruppen suchten und diese eher zufällig je nach vorhandenem Angebot und Milieuzugang auswählten. Hier kann und muss regionale Jugendarbeit ansetzen und konstruktive „Familienersatzangebote“ machen. Interessant für diesen Blog ist auch, dass einige der Befragten zur Bundeswehr gehen wollten, aber oft abgelehnt wurden und andere Wege gingen.
Freitag, 5. August 2011
Nachdenkliches zur aktuellen Medienentwicklung
Einige hundert Medienmeldungen befassen sich derzeit mit der „Panik an den Börsen“, wie ich auf nachrichten.de unter „Wirtschaft“ lesen konnte. (Dabei fiel mir als erstes ein, dass im Grunde der Irak- und auch der Afghanistankrieg die Hauptursachen für die aktuelle Schuldenlast der USA darstellen und somit beide Kriege – wie wohl alle Kriege - sehr viel mit Selbstzerstörung zu tun hatten.)
Was mir merkwürdig dabei ins Auge fiel ist, dass sich parallel in den Medien Berichte über Kindesmissbrauch, Kindesentführung, Kindermord und verhungernden Kindern in Somalia häuften. Alle vier Medienthemen sind nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern entstammen der Realität aktueller Gerichtsurteile und einer realen, katastrophalen Hungersnot. Trotzdem finde ich dieses zeitgleiche Aufeinandertreffen von solchen Themen und den massiven Einbrüchen an den Börsen (und entsprechenden Untergangsängsten) bemerkenswert (dazu kommen noch aktuelle Titelthemen im SPIEGEL, Stern und Focus - siehe unten).
Um für mich gedanklich die aktuellen Medienentwicklungen festzuhalten, fasse ich einfach mal meine Beobachtungen zusammen:
161 Medienmeldungen verzeichnet das Netzwerk nachrichten.de am 05.08.2011 zur Verurteilung des US-Sektenführers Warren Jeffs wegen Kindesmissbrauches.
Beispielhafte Titel lauten „Kindes-Missbrauch: US-Sekten-Chef verurteilt“ 05.08.11, bz-berlin.de, „US-Polygamie-Verfechter des Missbrauchs schuldig“, 05.08.11, suedkurier.de oder „Sektenführer wegen Sex mit Kindern verurteilt“, 05.08.11, morgenpost.de
131 Meldungen befassen sich mit der Verurteilung des wegen Kindesentführung eines vierjährigen Mädchens angeklagten von Kleinmachnow, der heute zu neun Jahren Haft verurteilt wurde.
(http://www.nachrichten.de/panorama/Urteil-Potsdam-Prozess-Staatsanwaltschaft-Angeklagt-cid_6950357/)
103 Medienberichte beschäftigen sich heute mit der Hungersnot in Somalia. (http://www.nachrichten.de/politik/Somalia-Koeln-ARD-Tagesthemen-Bundesdeutsch-Hungerkatastrophe-cid_6948642/meldungen/) Viele Berichte zeigen ausgehungerte Kinder und Babys auf Fotos, z.B. die Berliner Morgenpost oder beziffern die Anzahl toter Kinder.
Ganze 1.640 Meldungen befassten sich innerhalb der letzten Woche mit dem Kindermörder Magnus Gäfgen, der 3.000 € Entschädigung auf Grund von Drohungen eines Polizeibeamten zugesprochen bekommen hat.
(http://www.nachrichten.de/thema/Magnus-Gaefgen/)
Dazu kommt das aktuelle Titelthema des Stern Nr. 32, 4.8.2011
„Verletzte Seele. Wie traumatische Erlebnisse unser Leben beeinträchtigen - und welche Hilfe es gibt.“ Auf dem Titelbild ist eine junge Frau zu sehen, die verschiedene Sätze auf ihr Gesicht geschrieben bekommen hat wie z.B. „Immer wieder kommt diese Angst“ oder „Ich kann nicht vergessen“
Oder der SPIEGEl Nr. 31/2011, der im Titelthema „Die Spur des Bösen“ verfolgt und den Attentäter Breivik in verschwommenen höllenrot dargestellt hat.
Oder der Focus Nr. 31 vom 1. August 2011, der mit „Die Über-Väter“ titelte, „Helmut Kohl, Willy Brandt und Millionen andere Männer: Wie Söhne Macht erleben“.
Ich finde dieses Gemisch an Titeln, Themen und realen Ereignissen äußert bemerkenswert. Realität schafft Berichterstattung, sicher. Aber Berichterstattung erschafft auch Realität. Und (Gruppen)-Fantasien und unbewusste Vorgänge haben wiederum Einfluss auf die Berichterstattung. Gerade auch in Anbetracht der hier in den letzten Wochen gemachten Beobachtungen bzgl. der Suche nach Feinden, Vergiftungsängsten usw. ist die aktuelle Medienlage äußert ... tja…mir fehlt da im Grunde das richtige Wort…irritierend und aufschlussreich zugleich wäre vielleicht das passende. Wir werden sehen, wie die Entwicklungen weitergehen.
Ich glaube, mensch muss sich einmal vorstellen, dass „die Medien“ die Psyche eines einzigen Menschen wäre, um ein wirkliches Erstaunen zu erzeugen und um emotionale Prozesse sichtbar zu machen.
Was mir merkwürdig dabei ins Auge fiel ist, dass sich parallel in den Medien Berichte über Kindesmissbrauch, Kindesentführung, Kindermord und verhungernden Kindern in Somalia häuften. Alle vier Medienthemen sind nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern entstammen der Realität aktueller Gerichtsurteile und einer realen, katastrophalen Hungersnot. Trotzdem finde ich dieses zeitgleiche Aufeinandertreffen von solchen Themen und den massiven Einbrüchen an den Börsen (und entsprechenden Untergangsängsten) bemerkenswert (dazu kommen noch aktuelle Titelthemen im SPIEGEL, Stern und Focus - siehe unten).
Um für mich gedanklich die aktuellen Medienentwicklungen festzuhalten, fasse ich einfach mal meine Beobachtungen zusammen:
161 Medienmeldungen verzeichnet das Netzwerk nachrichten.de am 05.08.2011 zur Verurteilung des US-Sektenführers Warren Jeffs wegen Kindesmissbrauches.
Beispielhafte Titel lauten „Kindes-Missbrauch: US-Sekten-Chef verurteilt“ 05.08.11, bz-berlin.de, „US-Polygamie-Verfechter des Missbrauchs schuldig“, 05.08.11, suedkurier.de oder „Sektenführer wegen Sex mit Kindern verurteilt“, 05.08.11, morgenpost.de
131 Meldungen befassen sich mit der Verurteilung des wegen Kindesentführung eines vierjährigen Mädchens angeklagten von Kleinmachnow, der heute zu neun Jahren Haft verurteilt wurde.
(http://www.nachrichten.de/panorama/Urteil-Potsdam-Prozess-Staatsanwaltschaft-Angeklagt-cid_6950357/)
103 Medienberichte beschäftigen sich heute mit der Hungersnot in Somalia. (http://www.nachrichten.de/politik/Somalia-Koeln-ARD-Tagesthemen-Bundesdeutsch-Hungerkatastrophe-cid_6948642/meldungen/) Viele Berichte zeigen ausgehungerte Kinder und Babys auf Fotos, z.B. die Berliner Morgenpost oder beziffern die Anzahl toter Kinder.
Ganze 1.640 Meldungen befassten sich innerhalb der letzten Woche mit dem Kindermörder Magnus Gäfgen, der 3.000 € Entschädigung auf Grund von Drohungen eines Polizeibeamten zugesprochen bekommen hat.
(http://www.nachrichten.de/thema/Magnus-Gaefgen/)
Dazu kommt das aktuelle Titelthema des Stern Nr. 32, 4.8.2011
„Verletzte Seele. Wie traumatische Erlebnisse unser Leben beeinträchtigen - und welche Hilfe es gibt.“ Auf dem Titelbild ist eine junge Frau zu sehen, die verschiedene Sätze auf ihr Gesicht geschrieben bekommen hat wie z.B. „Immer wieder kommt diese Angst“ oder „Ich kann nicht vergessen“
Oder der SPIEGEl Nr. 31/2011, der im Titelthema „Die Spur des Bösen“ verfolgt und den Attentäter Breivik in verschwommenen höllenrot dargestellt hat.
Oder der Focus Nr. 31 vom 1. August 2011, der mit „Die Über-Väter“ titelte, „Helmut Kohl, Willy Brandt und Millionen andere Männer: Wie Söhne Macht erleben“.
Ich finde dieses Gemisch an Titeln, Themen und realen Ereignissen äußert bemerkenswert. Realität schafft Berichterstattung, sicher. Aber Berichterstattung erschafft auch Realität. Und (Gruppen)-Fantasien und unbewusste Vorgänge haben wiederum Einfluss auf die Berichterstattung. Gerade auch in Anbetracht der hier in den letzten Wochen gemachten Beobachtungen bzgl. der Suche nach Feinden, Vergiftungsängsten usw. ist die aktuelle Medienlage äußert ... tja…mir fehlt da im Grunde das richtige Wort…irritierend und aufschlussreich zugleich wäre vielleicht das passende. Wir werden sehen, wie die Entwicklungen weitergehen.
Ich glaube, mensch muss sich einmal vorstellen, dass „die Medien“ die Psyche eines einzigen Menschen wäre, um ein wirkliches Erstaunen zu erzeugen und um emotionale Prozesse sichtbar zu machen.
Samstag, 30. Juli 2011
Die Lust am Bösen
Eugen Sorgs Buch: "Die Lust am Bösen. Warum Gewalt nicht heilbar ist" zieht derzeit Kreise in Buchbesprechungen. Der Autor – selbst Psychotherapeut und früher für das Rote Kreuz in diversen Krisen- und Kriegsgebieten im Einsatz - meint, dass gängige Analyse- und Erklärungsmodelle für Gewalt offensichtlich an der Realität scheitern. Was er entdeckt, sind emotionale Hochgefühle der Täter und Täterinnen, eben die „Lust am Bösen“. Das drum herum, Ideologie und alles andere wird zur Nebensache erklärt. Eugen Sorg schrieb kürzlich für derstandard.at über „die Lust am Bösen“: „Die meisten Menschen berauschen sich nicht an Ideen, sondern sie benutzen Ideen, um ihren Rausch zu legitimieren.“ Ein Satz, den ich nur unterschreiben kann. Aber dann kommt der nächste Satz des Autors: „Wir tragen in uns ein mächtiges Reservoir an aggressiven Impulsen, ein evolutionsgeschichtliches Erbe animalischer Reflexe.“ und am Ende des Textes „Das Böse begleitet die Humangeschichte. Es ist nicht heilbar, nicht umerziehbar, nicht wegfinanzierbar. Es ist die tragische Bedingung der menschlichen Freiheit, man kann es nur abschaffen, wenn man den Menschen abschafft.“ Und das sehe ich nun wieder ganz anders.
Im aktuellen Amnesty Journal 08/09 2011 wird sein Buch kurz besprochen. Der Kritiker beginnt seine Besprechung so: „Was wär, wenn alle Erklärungen, nach denen wir suchen, wenn wir über individuelle und kollektive Gewalt sprechen, die Menschen Menschen antun, gar keine Erklärungen wären? Wenn also Armut, Verzweiflung, Fanatismus, traditionelle Rollenbilder, politische und religiöse Verblendung usw. nur „äußere Umstände“ wären, die zwar einen Rahmen bilden, „der dem Einzelnen den Reaktionsspielraum offen lässt“, aber eben nicht die Ursache der gewaltsamen Handlungen?“
Ein Satz, den ich auch so oder so ähnlich hätte schreiben können. Welche Antworten Eugen Sorgs allerdings darauf hat, wurde oben kurz beschrieben. Er scheint sich dabei nicht die Frage zu stellen, WARUM Menschen diesen Rausch, dieses Hochgefühl durch das Quälen und Töten anderer Menschen suchen, ja geradezu brauchen. Ich teile seine Beobachtungen und finde sie sehr interessant bzw. mich bestätigend. TäterInnen empfinden oftmals Freude und Lust an ihren Taten. Dies lässt allerdings nicht auf eine „menschliche Natur zum Bösen“ schließen, sondern darauf, dass emotional eine Menge schief gelaufen sein muss bei diesen Leuten. Eigentlich sollte gerade ein Psychotherapeut darum wissen. Mich erinnert diese Sichtweise an Goldhagens Analyse "Schlimmer als Krieg", die ich hier kommentiert habe. Auch er stellte eine Leidenschaft und Freude bei den TäterInnen fest, zog aber – meiner Meinung nach – falsche Rückschlüsse.
Menschen holen das Opfer in sich hervor, wenn sie zu TäterInnen werden. Sie opfern andere Menschen und fühlen sich dadurch innerlich „befreit“, „geläutert“, „entgiftet“, „gereinigt“, „glücklich“, „mächtig“. Sie verschaffen sich Erleichterung von dem unerträglichen Druck, Schmerz und dem unsäglichen Rachebedürfnis, den das Opfer, das sie einst als Kind waren, in ihnen erzeugt. Wer Kinder schützt, wer Kindern hilft, wer Kindern psychosoziale Betreuung und jegliche Hilfe zukommen lässt, die sie brauchen, der kann etwas gegen „das Böse“ tun. „Das Böse“ wird die Humangeschichte nicht weiter begleiten, wenn Kinder Liebe und Geborgenheit, statt Schläge, Missbrauch und Demütigungen erfahren.
Im aktuellen Amnesty Journal 08/09 2011 wird sein Buch kurz besprochen. Der Kritiker beginnt seine Besprechung so: „Was wär, wenn alle Erklärungen, nach denen wir suchen, wenn wir über individuelle und kollektive Gewalt sprechen, die Menschen Menschen antun, gar keine Erklärungen wären? Wenn also Armut, Verzweiflung, Fanatismus, traditionelle Rollenbilder, politische und religiöse Verblendung usw. nur „äußere Umstände“ wären, die zwar einen Rahmen bilden, „der dem Einzelnen den Reaktionsspielraum offen lässt“, aber eben nicht die Ursache der gewaltsamen Handlungen?“
Ein Satz, den ich auch so oder so ähnlich hätte schreiben können. Welche Antworten Eugen Sorgs allerdings darauf hat, wurde oben kurz beschrieben. Er scheint sich dabei nicht die Frage zu stellen, WARUM Menschen diesen Rausch, dieses Hochgefühl durch das Quälen und Töten anderer Menschen suchen, ja geradezu brauchen. Ich teile seine Beobachtungen und finde sie sehr interessant bzw. mich bestätigend. TäterInnen empfinden oftmals Freude und Lust an ihren Taten. Dies lässt allerdings nicht auf eine „menschliche Natur zum Bösen“ schließen, sondern darauf, dass emotional eine Menge schief gelaufen sein muss bei diesen Leuten. Eigentlich sollte gerade ein Psychotherapeut darum wissen. Mich erinnert diese Sichtweise an Goldhagens Analyse "Schlimmer als Krieg", die ich hier kommentiert habe. Auch er stellte eine Leidenschaft und Freude bei den TäterInnen fest, zog aber – meiner Meinung nach – falsche Rückschlüsse.
Menschen holen das Opfer in sich hervor, wenn sie zu TäterInnen werden. Sie opfern andere Menschen und fühlen sich dadurch innerlich „befreit“, „geläutert“, „entgiftet“, „gereinigt“, „glücklich“, „mächtig“. Sie verschaffen sich Erleichterung von dem unerträglichen Druck, Schmerz und dem unsäglichen Rachebedürfnis, den das Opfer, das sie einst als Kind waren, in ihnen erzeugt. Wer Kinder schützt, wer Kindern hilft, wer Kindern psychosoziale Betreuung und jegliche Hilfe zukommen lässt, die sie brauchen, der kann etwas gegen „das Böse“ tun. „Das Böse“ wird die Humangeschichte nicht weiter begleiten, wenn Kinder Liebe und Geborgenheit, statt Schläge, Missbrauch und Demütigungen erfahren.
Ergänzung: Kindheit von Ludwig XIII.
Das aktuelle Massaker in Norwegen (siehe vorherigen Beitrag) hat mich noch einmal dazu bewegt, die Kindheit von Ludwig XIII. um einen ausführlicheren Bericht über die von ihm erlittenen sexuellen Übergriffe zu ergänzen (was ich schon länger vorhatte).
König Ludwig war eindeutig ein Massenmörder. Ich finde es besonders wichtig, ausführlich auf Gewalterfahrungen von solchen Menschen einzugehen. Denn Gewalt erleben viele Menschen, aber nicht alle werden zu Massenmördern. Ich möchte deutlich machen, dass es einen Unterschied macht, ob jemand manchmal von seinen Eltern geschlagen wurde oder ob jemand tagtäglich misshandelt und missbraucht wird. Letzteres trifft auf Ludwig zu.
Mein ergänzter Text unter "3.1. Ein kurzer Abriss über Diktatoren und destruktive Politiker":
----------------------------------------------
Die ersten Lebensjahre von Ludwig XIII. waren zusätzlich von einer Fülle sexueller Übergriffe und Grenzüberschreitungen begleitet. Er ist noch kein Jahr alt, dokumentiert Philippe Aries, als seine Kinderfrau ihn masturbiert. (vgl. Aries, 1975, S.175) Als er ein Jahr alt ist, wird sein Penis von allen möglichen Leuten „geküsst“. „Während der ersten drei Jahre seine Lebens findet niemand etwas dabei, zum Scherz das Geschlechtsteil dieses Kindes zu berühren.“ (ebd., S. 176) Seine Amme fasst ihn – so Aries - ebenso an, wie die Dienerschaft, „einfältige Jugendliche“, „leichtlebige Frauen“, die eigene Mutter und auch der Vater. Dazu kommen perverse Drohungen (zum „Scherz“). „Seine Amme hatte ihm eingeschärft: Monsieur, lassen Sie nur niemanden Ihre Hoden anrühren, auch ihren Piephahn nicht, sonst wird er Ihnen abgeschnitten.“ (ebd.) Der kleine Ludwig wurde auch zusammen mit seiner Schwester nackt zum König – seinem Vater – ins Bett gelegt, „wo sie sich küssen, miteinander flüstern und dem König großes Vergnügen bereiten.“ Als er vier Jahre alt ist, ist – in Worten von Aries - „seine sexuelle Aufklärung so gut wie abgeschlossen.“ Ab dem Alter von fünf oder sechs Jahren nahmen diese Übergriffe dann ab. Seine eigentliche Erziehung begann kaum vor dem siebten Lebensjahr. Davor – so scheint es – war er freigegeben für alle erdenklichen „sexuellen Scherze“ und Übergriffe, jeder konnte mit ihm tun, was er oder sie wollte. Ab dem Alter von sieben Jahren galt er als kleiner Mann und man ließ von ihm ab. Ludwig selbst entwickelte in dieser Zeit bereits sadistische Züge. So z.B. bzgl. dem Umgang mit seiner Amme. „Er treibt seine Späße mit ihr, lässt sie die Zehen bewegen, die Beine hochheben, sagt seiner Amme, sie solle Ruten holen, um sie durchzuhauen, lässt diesen Auftrag ausführen (…)“ (ebd., S. 177) Ludwig ist etwas über vierzehn Jahre alt, da drängte man ihn nahezu gewaltsam ins Bett seiner ihm versprochenen Frau. Nach der Trauungzeremonie musste er in Gegenwart der eigenen Mutter mit seiner Frau schlafen. Ludwig XIII. wurde als Kind ganz eindeutig schwer sexuell missbraucht und traumatisiert.
König Ludwig war eindeutig ein Massenmörder. Ich finde es besonders wichtig, ausführlich auf Gewalterfahrungen von solchen Menschen einzugehen. Denn Gewalt erleben viele Menschen, aber nicht alle werden zu Massenmördern. Ich möchte deutlich machen, dass es einen Unterschied macht, ob jemand manchmal von seinen Eltern geschlagen wurde oder ob jemand tagtäglich misshandelt und missbraucht wird. Letzteres trifft auf Ludwig zu.
Mein ergänzter Text unter "3.1. Ein kurzer Abriss über Diktatoren und destruktive Politiker":
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Die ersten Lebensjahre von Ludwig XIII. waren zusätzlich von einer Fülle sexueller Übergriffe und Grenzüberschreitungen begleitet. Er ist noch kein Jahr alt, dokumentiert Philippe Aries, als seine Kinderfrau ihn masturbiert. (vgl. Aries, 1975, S.175) Als er ein Jahr alt ist, wird sein Penis von allen möglichen Leuten „geküsst“. „Während der ersten drei Jahre seine Lebens findet niemand etwas dabei, zum Scherz das Geschlechtsteil dieses Kindes zu berühren.“ (ebd., S. 176) Seine Amme fasst ihn – so Aries - ebenso an, wie die Dienerschaft, „einfältige Jugendliche“, „leichtlebige Frauen“, die eigene Mutter und auch der Vater. Dazu kommen perverse Drohungen (zum „Scherz“). „Seine Amme hatte ihm eingeschärft: Monsieur, lassen Sie nur niemanden Ihre Hoden anrühren, auch ihren Piephahn nicht, sonst wird er Ihnen abgeschnitten.“ (ebd.) Der kleine Ludwig wurde auch zusammen mit seiner Schwester nackt zum König – seinem Vater – ins Bett gelegt, „wo sie sich küssen, miteinander flüstern und dem König großes Vergnügen bereiten.“ Als er vier Jahre alt ist, ist – in Worten von Aries - „seine sexuelle Aufklärung so gut wie abgeschlossen.“ Ab dem Alter von fünf oder sechs Jahren nahmen diese Übergriffe dann ab. Seine eigentliche Erziehung begann kaum vor dem siebten Lebensjahr. Davor – so scheint es – war er freigegeben für alle erdenklichen „sexuellen Scherze“ und Übergriffe, jeder konnte mit ihm tun, was er oder sie wollte. Ab dem Alter von sieben Jahren galt er als kleiner Mann und man ließ von ihm ab. Ludwig selbst entwickelte in dieser Zeit bereits sadistische Züge. So z.B. bzgl. dem Umgang mit seiner Amme. „Er treibt seine Späße mit ihr, lässt sie die Zehen bewegen, die Beine hochheben, sagt seiner Amme, sie solle Ruten holen, um sie durchzuhauen, lässt diesen Auftrag ausführen (…)“ (ebd., S. 177) Ludwig ist etwas über vierzehn Jahre alt, da drängte man ihn nahezu gewaltsam ins Bett seiner ihm versprochenen Frau. Nach der Trauungzeremonie musste er in Gegenwart der eigenen Mutter mit seiner Frau schlafen. Ludwig XIII. wurde als Kind ganz eindeutig schwer sexuell missbraucht und traumatisiert.
Donnerstag, 28. Juli 2011
Attentäter Breivik: Natural born Killer?
“I haven´t really had any negative experiences in my childhood in any way.”, schrieb der norwegische Attentäter Anders in einem mit sich selbst geführten Interview (innerhalb seines kranken „Manifestes“ auf Seite ca. 1387, dass ich glücklicherweise dank Suchfunktion nur sehr kurz lesen musste… ) im vollen Bewusstsein dessen, dass diese Zeilen nach seiner Tat gelesen würden, um nach den Ursachen zu suchen. (Nachtrag vom 20.04.2012: Und er blieb auch später diesem Satz treu. Bei einer Befragung durch die Staatsanwältin sagte er wörtlich: "Ich hatte eine gute Kindheit. Sie ist nicht der Grund dafür, dass ich ein militanter Nationalist bin."; vgl. SPIEGEL-Online, 17.04.2012)
Kann das stimmen? Kann ein Mensch, der zu solch brutalem, kaltblütigem Massenmord und Terror fähig ist, „keine negativen Erfahrungen“ in seiner Kindheit bzw. demnach also positive, liebevolle Erfahrungen gemacht haben? Dann wäre der Massenmörder Anders Behring Breivik sozusagen ein „natural born Killer“, einer, der „einfach so“ zum Killer wurde, quasi biologisch determiniert wohl auf Grund eines angeborenen kranken Geistes, dem später womöglich die falschen Bücher in die Hände fielen...
Wichtiger Nachtrag/Hinweis: An dieser Stelle sei auf meinen späteren Beitrag Aage Borchgrevink: "A Norwegian Tragedy". Ein Lehrstück über die tieferen Ursachen von Terror. verwiesen, in dem viele Details von Breiviks traumatischer Kindheit ausgeführt sind. Ich lasse diesen älteren Beitrag hier trotzdem bestehen, weil er meine gedankliche Entwicklung in diesem Fall deutlich macht!
Der Psychologe Christian Lüdke sagte in einem aktuellen Interview mit WELT-Online zu diesem Terrorakt u.a.:
„Die Ursachen gehen oft weit bis in die die frühe Jugend und Kindheit zurück“ um dann mit einem Komma anzuhängen „,etwa die Unfähigkeit, mit Enttäuschungen umzugehen.“ Mit einem solchen Nebensatz nimmt der Psychologe gleich wieder die Luft raus. Kein Wort von möglichem elterlichen Terror, Missbrauch, Demütigungen und Gewalt. Breivik lernte also womöglich als Kind nicht, mit Enttäuschungen umzugehen. Und das macht einen Menschen dann zum potentiellen Killer? Ich habe schon so oft Interviews von Psychologen zu Amokläufern und Kriegsverbrechern gelesen. Wenn überhaupt Andeutungen bzgl. der Kindheit auftauchen, dann bleibt es bei diesen leichten Andeutungen oder es folgen Ablenkungen, die das ganze wieder in eine ganz andere Richtung drehen, wie oben aufgeführt. Dabei sagt Lüdke auch: „Der Attentäter muss voller Wut und Hass sein.“ Wo aber kommt dieser abgrundtiefe Hass her? Keine Antwort vom Psychologen.
Ein anderer Psychologe wird von SPIEGEL-Online zitiert. Das ganze sei „ein biologisches Programm“, Experten nennen es kalte Aggression. "Der Täter befindet sich in einem Jagdmodus", erklärt Psychologe und Forscher Jens Hoffmann. „Er handelt kalkulierend und planend, die Emotionen sind komplett ausgeschaltet." Prinzipiell sei dieser Jagdmodus in jedem Menschen biologisch verankert, erklärt der Psychologe. „Einst benötigten ihn die Menschen für die Jagd nach Fleisch. Breivik aktivierte ihn, um Menschen zu jagen.“, schreibt SPIEGEL-Online. Auch hier wird wieder das Bild vom „Natural born Killer“ aufgemacht.
Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller geht in seinem Interview erst gar nicht auf Ursachen ein, sondern beschreibt rein die gestörte Persönlichkeit.
Auf WELT-Online schreibt der Autor Henryk M. Broder: „Wer Lebensmittel im Supermarkt klaut, der hat Hunger, wer nachts Autos abfackelt, der hat was gegen Reiche, wer ein Kind missbraucht, der hatte selbst eine schwere Kindheit. Was aber hat einer, der als Polizist verkleidet Kinder und Jugendliche wie herumfliegende Tonscheiben abknallt? Wie wäre es damit: Spaß am Töten?“ Warum wird auch hier nicht ein Schritt zurückgedacht, wo doch das Thema Kindheit schon im Raum war?
(Nachtrag 23.08.11) „Wie ist es möglich, so ganz ohne Mitleid zu sein?“, fragt sich für Die Presse.com Thomas Kramar, um am Schluss zu schreiben: "Dass Grausamkeit nicht, wie noch vor 20Jahren viele glaubten – allen voran die Psychologin Alice Miller („Im Anfang war Erziehung“) –, nur eine (durch Erziehung und Kultur) erworbene Eigenschaft ist, darauf können sich heute die meisten einigen. Auf viel mehr nicht. Die Psychologie steht, so scheint es, weiterhin hilflos vor dem grausamen Bruder."
Nun, die Beispiele ließen sich sicher noch fortführen. Ich finde es immer wieder erstaunlich, warum sich die Gesellschaft so sehr davor sträubt, einfachste psychische Wahrheiten direkt auszusprechen und zu akzeptieren.
Ein oder zwei Tage vor dem Attentat in Norwegen fügte ich meiner Blogleiste folgendes Zitat von Prof. Dr. med. Peter Riedesser (der verstorbene ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) hinzu:
Die Biographie von Selbstmordattentätern "(...) muss geprägt sein von hohem destruktivem Potential, sonst wäre eine so rücksichtslose, zielgerichtete mörderische Planung nicht möglich. Wer eine wirklich gute Kindheit hatte, ist immun gegen die Verführung zum ideologisch motivierten Selbstmordattentat."
Das ist die simple Wahrheit. Wer eine wirklich gute Kindheit hatte, ist zu solchen und ähnlichen Taten nicht in der Lage. UND: Es gehört ein „hohem destruktivem Potential“ vor allem innerhalb der frühen Erfahrungen dazu, damit ein Mensch zu solchen Taten fähig wird. Ich habe in diesem Blog etliche Diktatoren und ähnliche Personen bzgl. ihrer Kindheit analysiert. (siehe hier) Ich bin von Anfang an davon ausgegangen, dass ich Gewalterfahrungen finden würde. Was ich fand übertraf all meine Vorstellungen, es waren nicht nur einfach Gewalterfahrungen. Es waren häufige, manchmal tägliche Bedrohungen und Demütigungen, Hohn, Missbrauch, schwere Vernachlässigung, schwere Schläge, überall Ausgrenzung, sich schlagend, streitende Eltern, tote Geschwister usw. usf.
Man wird nicht zum Massenmörder, wenn man ein paar mal von seinen Eltern geschlagen wurde oder ein Trennungskind ist. Die Menschen, die zu Massenmördern wurden und werden, erlebten schweren Terror, Hass und die reine Hölle bereits in ihrer Kindheit. Diese Geschichte führen sie auf die eine oder andere Art wieder auf. Hass und Gewalt ist die einzige Sprache, die sie von Geburt an lernten.
Diktatoren wurden aber auch über Jahre und Jahrzehnte analysiert und von Biografen skizziert. Entsprechend ließen sich hier einige nützliche Infoformationen finden. Bzgl. Anders Behring Breivik wird das schon schwieriger.
Seine Eltern trennten sich in England als er 1 Jahr alt war, schrieb er in sein "Manifest". Seine Mutter zog darauf mit ihren Kindern zurück nach Norwegen und leierte sich bald mit einem neuen Mann, einem Major in der norwegischen Armee. Anders beschreibt diesen Mann – seinen Stiefvater - als „primitives sexuelles Biest“, der viel Zeit „mit Prostituierten in Thailand“ verbracht hätte. Sein Stiefvater hätte mehr als 500 Sexualpartnerinnen gehabt, seine Mutter wusste darum und litt darunter, so Breivik. Sie fing sich dadurch auch eine folgenreiche Geschlechtskrankheit ein, aus der eine fatale Gehirnentzündung wurde, die den Verstand der Mutter auf das Niveau „einer Zehnjährigen“ reduzierte. („Auch eine seiner Halbschwestern habe sich mit einer solchen Krankheit angesteckt“, schreibt Caroline Fetscher, die für den Tagesspiegel das „Manifest“ durchgearbeitet hat. )
Zu seinem biologischen Vater hielt er losen Kontakt mit ca. einmal jährlichen Besuchen, so weit ich es verstanden habe. Ab seinem 15. Lebensjahr hätte er den Vater dann nicht mehr gesprochen und getroffen.
(Nachtrag:) Die Welt berichtet über die wohl bedeutsamsten Details aus Breiviks Kindheit:
„Als Anders Behring Breivik vier Jahre alt ist, soll die Mutter die Kinderschutzbehörde um Entlastung gebeten haben, und ein Psychologe wurde benannt, um den Bedarf zu beurteilen. Aber Entlastung war dem Psychologen zufolge nicht genug. Er beurteilte die Situation als so ernst, dass er empfahl, den Jungen unverzüglich und dauerhaft in ein Kinderheim zu bringen. Der Psychologe war der Auffassung, dass die Mutter ein gefühlsmäßig instabiles Verhältnis zum Sohn hatte. Er fürchtete, dass das Kind psychischen Schaden nehmen könnte. Der Junge kam nicht ins Kinderheim. Aber der Vierjährige wohnte eine Zeit lang bei einer Pflegefamilie. Auch die Pflegeeltern sollen besorgte Meldungen abgegeben haben.“
Ich denke, dass hier der Schlüssel liegt. Leider sind bisher keine konkreteren Details bzgl. der Mutter-Sohn-Beziehung öffentlich geworden, was sich zukünftig vielleicht noch ändert. Ein abwesender, desinteressierter Vater, ein destruktiver Stiefvater und ein derart destruktive Mutter, dass ursprünglich sogleich eine Heimunterbringung im Raum stand. Bis heute (Stand 20.04.2012) ist vor allem letzteres Detail von den deutschen Medien – außer von der „Welt“ – ignoriert worden. Breivik titelte in seinem Manifest zu Beginn des Abschnittes „Planning the operation" - in dem er ausführte, wie einzelne Menschen Attentate vorbereiten sollen - mit den Worten „Violence is the mother of change“. Ein Satz, der in die Tiefe blicken lässt. (Nachtrag Ende 2012): Mittlerweile gibt es wieder neue Details. Belegt ist, dass Breivik als Kleinkind von seiner Mutter geschlagen wurde und sie vielfach ihm gegenüber geäußert hat, dass sie seinen Tod wünsche. Siehe mehr dazu hier.
Aufschlussreich fand ich auch folgenden Satz von ihm: „The Illusion about love in a relationship between a man and a woman is the sum of irrational feelings based on desire.“ Für Breivik gibt es keine Liebe, Mann und Frau kommen einzig dazu zusammen, Kinder zu bekommen, schreibt er an anderer Stelle. Diese Passagen erzählen uns etwas über die Atmosphäre in der Familie. Für Liebe war hier wohl kein Platz.
Sehr wichtig finde ich weitere Informationen, die Caroline Fetscher im Tagesspiegel (siehe Link oben) herausgearbeitet hat: Breivik gibt an, noch nie eine feste Beziehung zu einem weiblichen Wesen gehabt zu haben(, was psychologisch aufschlussreich ist und auf eine tiefe Bindungsstörung hinweist). Am wichtigsten finde ich allerdings die Info, dass der Attentäter schreibt, die körperliche Züchtigung von Kindern – in allen skandinavischen Ländern gesetzlich verboten – müsse wieder rechtens werden, damit die „traditionelle Familie“ sich neu etabliert. Hier findet sich DIE Andeutung dafür, dass er selbst körperliche Gewalt erlebt hat. Ein nicht geschlagenes Kind kommt später nicht auf Idee zu sagen: "Mir und anderen Kindern fehlten Schläge." Nur einst geschlagene Kinder idealisieren später die schwarze Pädagogik. Fetscher schreibt: „Von Adornos analytischen Studien zur autoritären Persönlichkeit, deren Erträge sich inzwischen im „Erziehungskartell“ ausgebreitet hätten, fühlt sich Behring Breivik merklich narzisstisch gekränkt, angegriffen, beleidigt und bedroht. Auf „servile“, beflissene Weise würden wegen solcher Thesen „Sensibilisierungstraining“ und „Sprachcodes“ in der Erziehung verwendet, die auf „Massenpsychologie“ basieren. Kinder würden daher nicht mehr „gemäß ihrer Geschlechterrollen und biologischen Unterschiede“ erzogen. Ja, ganz Europa sei auf dem Weg der „Feminisierung“.“
Kinder, vor allem Jungen, müssen wieder härter in der Erziehung angepackt werden, könnte man hier auch zusammenfassen. Diese Sicht auf Erziehung verrät viel über das, was Breivik wohl selbst als Kind erlebt haben dürfte. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass der 32jährige immer noch bei seiner Mutter lebte und seinen Stiefvater, nachdem er ihn als "sexuelles Biest" bezeichnet und ihm Vorwürfe gemacht hat, gleichzeitig einen "guten, liebenswerten Menschen" nennt. Wenn Anders Breivik von beiden Gewalt auf die ein oder andere Art erfuhr, was ich für sehr sehr wahrscheinlich halte, dann hat er seinen Schmerz und seinen Hass ihnen gegenüber oder kurz gesagt das Opfer in sich abgespalten.
Wenn die Gesellschaft wirklich wissen wollte, was in der Familie des Attentäters alles vor sich ging, könnte sie es erfahren. Dafür müsste die Gesellschaft aber auch hinsehen wollen, sie müsste die richtigen Fragen stellen und umfassende Nachforschungen betreiben. Die obigen zitierten Medienberichte zeigen leider, dass dieses Hinsehen nicht immer gewollt ist.
Allerdings spricht bereits die grauenvolle, kaltblütige Tat als solche eine deutliche Sprache. Hervorheben möchte ich dabei, dass Breivik die eigentlichen erklärten politischen Feinde und Symbole „nur“ mit einer anonymen Bombe treffen wollte, während er den Kindern und Jugendlichen Auge in Auge gegenüber stand, während er sie tötete. Mehr noch, der Attentäter hatte sich als Polizist verkleidet und nach Augenzeugenaussagen Hilfe und Schutz angeboten, um die zu ihm kommenden jungen Menschen dann zu erschießen. Ein Polizist, der Freund und Helfer in Uniform, jemand, dem man sonst vertraut, er ist der Mörder. Ähnlich erleben es schwer misshandelte und missbrauchte Kinder. Ihre Eltern stehen für und sprechen von Liebe und Schutz, dann schlagen sie zu, missbrauchen, demütigen, im Namen der Liebe. Breivik hat seinem Manifest übrigens einige Fotos von sich angehängt. Mal sich mit Waffe, mal er in Uniform usw. Das letzte Bild zeigt ihn, wohl eine seiner Schwestern und seine Mutter in trauter Dreisamkeit. Für mich ist das sehr symbolisch, dass er ein Familienfoto an letzte Stelle stellt und dadurch besonders hervorhebt.
Mir fiel nach dieser Tat der Film „Natural born Killers“ von Oliver Stone ein, den ich als Jugendlicher einmal gesehen habe. Ich fand den Film damals ziemlich irritierend, schwer auszuhalten und merkwürdig. Ein junges Paar entdeckt den Spaß am Töten und zieht mordend – und von den Medien teils gefeiert - durch die USA. In Zwischenszenen, Flashbacks und Zeitsprüngen tauchen Erinnerungsblitze an die Kindheit der Akteure auf. Mallory wurde häufig von ihrem Vater sexuell missbraucht, ihre Mutter unternahm nichts dagegen. Gemeinsam mit ihrem Freund Mickey tötete sie ihre Eltern. Im Rausch erschießt Mickey in einer Wüste einen Indianer und erinnert sich dann an Misshandlungen durch seine Eltern und den Selbstmord seines Vaters. Der Film bekam damals viel Kritik. Dabei hatte er eine deutliche Message. Beide Massenmörder waren keine „Natural born Killers“, nicht von Natur aus böse. Der Titel legte dies nahe, im Film erfuhr man allerdings die wirklichen, tieferen Hintergründe. Die lustvollen Mörder wurden einst dazu geformt, durch Gewalt, Missbrauch und Terror in ihrer Kindheit. Der Film und sein Titel zeigten der Gesellschaft, was die tieferen Ursachen der Gewalt sind. Auch damals wurde das nicht richtig verstanden.
Eine interessante Studie, zitiert am 23.07.11 vom Tagesspiegel möchte hier noch erwähnen: „In einer Studie des Bundeskriminalamts und der Universität Duisburg/Essen – „Die Sicht der Anderen“ – wurden 24 Rechtsextremisten, neun Linksextremisten und sechs Islamisten, alle mit Gewalterfahrungen, eingehend befragt. Ihnen allen war gemeinsam, dass die Wurzel ihres Hasses in der Kindheit und der gestörten Beziehung zu den Eltern liegt. Gewalt gehörte schon früh zum Alltag. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es bei den meisten Befragten Zufall war, welcher Ideologie sie sich anschlossen. Es hing davon ab, welche extremistische Gruppe ein soziales Kontaktangebot schuf.“
Das ist genau das, was ich schon oft geschrieben habe, Zufälle, äußere Rahmenbedingungen und Möglichkeiten entscheiden über die Farbe der Gewalt, die Ursachen liegen immer in der Kindheit.
Kann das stimmen? Kann ein Mensch, der zu solch brutalem, kaltblütigem Massenmord und Terror fähig ist, „keine negativen Erfahrungen“ in seiner Kindheit bzw. demnach also positive, liebevolle Erfahrungen gemacht haben? Dann wäre der Massenmörder Anders Behring Breivik sozusagen ein „natural born Killer“, einer, der „einfach so“ zum Killer wurde, quasi biologisch determiniert wohl auf Grund eines angeborenen kranken Geistes, dem später womöglich die falschen Bücher in die Hände fielen...
Wichtiger Nachtrag/Hinweis: An dieser Stelle sei auf meinen späteren Beitrag Aage Borchgrevink: "A Norwegian Tragedy". Ein Lehrstück über die tieferen Ursachen von Terror. verwiesen, in dem viele Details von Breiviks traumatischer Kindheit ausgeführt sind. Ich lasse diesen älteren Beitrag hier trotzdem bestehen, weil er meine gedankliche Entwicklung in diesem Fall deutlich macht!
Der Psychologe Christian Lüdke sagte in einem aktuellen Interview mit WELT-Online zu diesem Terrorakt u.a.:
„Die Ursachen gehen oft weit bis in die die frühe Jugend und Kindheit zurück“ um dann mit einem Komma anzuhängen „,etwa die Unfähigkeit, mit Enttäuschungen umzugehen.“ Mit einem solchen Nebensatz nimmt der Psychologe gleich wieder die Luft raus. Kein Wort von möglichem elterlichen Terror, Missbrauch, Demütigungen und Gewalt. Breivik lernte also womöglich als Kind nicht, mit Enttäuschungen umzugehen. Und das macht einen Menschen dann zum potentiellen Killer? Ich habe schon so oft Interviews von Psychologen zu Amokläufern und Kriegsverbrechern gelesen. Wenn überhaupt Andeutungen bzgl. der Kindheit auftauchen, dann bleibt es bei diesen leichten Andeutungen oder es folgen Ablenkungen, die das ganze wieder in eine ganz andere Richtung drehen, wie oben aufgeführt. Dabei sagt Lüdke auch: „Der Attentäter muss voller Wut und Hass sein.“ Wo aber kommt dieser abgrundtiefe Hass her? Keine Antwort vom Psychologen.
Ein anderer Psychologe wird von SPIEGEL-Online zitiert. Das ganze sei „ein biologisches Programm“, Experten nennen es kalte Aggression. "Der Täter befindet sich in einem Jagdmodus", erklärt Psychologe und Forscher Jens Hoffmann. „Er handelt kalkulierend und planend, die Emotionen sind komplett ausgeschaltet." Prinzipiell sei dieser Jagdmodus in jedem Menschen biologisch verankert, erklärt der Psychologe. „Einst benötigten ihn die Menschen für die Jagd nach Fleisch. Breivik aktivierte ihn, um Menschen zu jagen.“, schreibt SPIEGEL-Online. Auch hier wird wieder das Bild vom „Natural born Killer“ aufgemacht.
Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller geht in seinem Interview erst gar nicht auf Ursachen ein, sondern beschreibt rein die gestörte Persönlichkeit.
Auf WELT-Online schreibt der Autor Henryk M. Broder: „Wer Lebensmittel im Supermarkt klaut, der hat Hunger, wer nachts Autos abfackelt, der hat was gegen Reiche, wer ein Kind missbraucht, der hatte selbst eine schwere Kindheit. Was aber hat einer, der als Polizist verkleidet Kinder und Jugendliche wie herumfliegende Tonscheiben abknallt? Wie wäre es damit: Spaß am Töten?“ Warum wird auch hier nicht ein Schritt zurückgedacht, wo doch das Thema Kindheit schon im Raum war?
(Nachtrag 23.08.11) „Wie ist es möglich, so ganz ohne Mitleid zu sein?“, fragt sich für Die Presse.com Thomas Kramar, um am Schluss zu schreiben: "Dass Grausamkeit nicht, wie noch vor 20Jahren viele glaubten – allen voran die Psychologin Alice Miller („Im Anfang war Erziehung“) –, nur eine (durch Erziehung und Kultur) erworbene Eigenschaft ist, darauf können sich heute die meisten einigen. Auf viel mehr nicht. Die Psychologie steht, so scheint es, weiterhin hilflos vor dem grausamen Bruder."
Nun, die Beispiele ließen sich sicher noch fortführen. Ich finde es immer wieder erstaunlich, warum sich die Gesellschaft so sehr davor sträubt, einfachste psychische Wahrheiten direkt auszusprechen und zu akzeptieren.
Ein oder zwei Tage vor dem Attentat in Norwegen fügte ich meiner Blogleiste folgendes Zitat von Prof. Dr. med. Peter Riedesser (der verstorbene ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) hinzu:
Die Biographie von Selbstmordattentätern "(...) muss geprägt sein von hohem destruktivem Potential, sonst wäre eine so rücksichtslose, zielgerichtete mörderische Planung nicht möglich. Wer eine wirklich gute Kindheit hatte, ist immun gegen die Verführung zum ideologisch motivierten Selbstmordattentat."
Das ist die simple Wahrheit. Wer eine wirklich gute Kindheit hatte, ist zu solchen und ähnlichen Taten nicht in der Lage. UND: Es gehört ein „hohem destruktivem Potential“ vor allem innerhalb der frühen Erfahrungen dazu, damit ein Mensch zu solchen Taten fähig wird. Ich habe in diesem Blog etliche Diktatoren und ähnliche Personen bzgl. ihrer Kindheit analysiert. (siehe hier) Ich bin von Anfang an davon ausgegangen, dass ich Gewalterfahrungen finden würde. Was ich fand übertraf all meine Vorstellungen, es waren nicht nur einfach Gewalterfahrungen. Es waren häufige, manchmal tägliche Bedrohungen und Demütigungen, Hohn, Missbrauch, schwere Vernachlässigung, schwere Schläge, überall Ausgrenzung, sich schlagend, streitende Eltern, tote Geschwister usw. usf.
Man wird nicht zum Massenmörder, wenn man ein paar mal von seinen Eltern geschlagen wurde oder ein Trennungskind ist. Die Menschen, die zu Massenmördern wurden und werden, erlebten schweren Terror, Hass und die reine Hölle bereits in ihrer Kindheit. Diese Geschichte führen sie auf die eine oder andere Art wieder auf. Hass und Gewalt ist die einzige Sprache, die sie von Geburt an lernten.
Diktatoren wurden aber auch über Jahre und Jahrzehnte analysiert und von Biografen skizziert. Entsprechend ließen sich hier einige nützliche Infoformationen finden. Bzgl. Anders Behring Breivik wird das schon schwieriger.
Seine Eltern trennten sich in England als er 1 Jahr alt war, schrieb er in sein "Manifest". Seine Mutter zog darauf mit ihren Kindern zurück nach Norwegen und leierte sich bald mit einem neuen Mann, einem Major in der norwegischen Armee. Anders beschreibt diesen Mann – seinen Stiefvater - als „primitives sexuelles Biest“, der viel Zeit „mit Prostituierten in Thailand“ verbracht hätte. Sein Stiefvater hätte mehr als 500 Sexualpartnerinnen gehabt, seine Mutter wusste darum und litt darunter, so Breivik. Sie fing sich dadurch auch eine folgenreiche Geschlechtskrankheit ein, aus der eine fatale Gehirnentzündung wurde, die den Verstand der Mutter auf das Niveau „einer Zehnjährigen“ reduzierte. („Auch eine seiner Halbschwestern habe sich mit einer solchen Krankheit angesteckt“, schreibt Caroline Fetscher, die für den Tagesspiegel das „Manifest“ durchgearbeitet hat. )
Zu seinem biologischen Vater hielt er losen Kontakt mit ca. einmal jährlichen Besuchen, so weit ich es verstanden habe. Ab seinem 15. Lebensjahr hätte er den Vater dann nicht mehr gesprochen und getroffen.
(Nachtrag:) Die Welt berichtet über die wohl bedeutsamsten Details aus Breiviks Kindheit:
„Als Anders Behring Breivik vier Jahre alt ist, soll die Mutter die Kinderschutzbehörde um Entlastung gebeten haben, und ein Psychologe wurde benannt, um den Bedarf zu beurteilen. Aber Entlastung war dem Psychologen zufolge nicht genug. Er beurteilte die Situation als so ernst, dass er empfahl, den Jungen unverzüglich und dauerhaft in ein Kinderheim zu bringen. Der Psychologe war der Auffassung, dass die Mutter ein gefühlsmäßig instabiles Verhältnis zum Sohn hatte. Er fürchtete, dass das Kind psychischen Schaden nehmen könnte. Der Junge kam nicht ins Kinderheim. Aber der Vierjährige wohnte eine Zeit lang bei einer Pflegefamilie. Auch die Pflegeeltern sollen besorgte Meldungen abgegeben haben.“
Ich denke, dass hier der Schlüssel liegt. Leider sind bisher keine konkreteren Details bzgl. der Mutter-Sohn-Beziehung öffentlich geworden, was sich zukünftig vielleicht noch ändert. Ein abwesender, desinteressierter Vater, ein destruktiver Stiefvater und ein derart destruktive Mutter, dass ursprünglich sogleich eine Heimunterbringung im Raum stand. Bis heute (Stand 20.04.2012) ist vor allem letzteres Detail von den deutschen Medien – außer von der „Welt“ – ignoriert worden. Breivik titelte in seinem Manifest zu Beginn des Abschnittes „Planning the operation" - in dem er ausführte, wie einzelne Menschen Attentate vorbereiten sollen - mit den Worten „Violence is the mother of change“. Ein Satz, der in die Tiefe blicken lässt. (Nachtrag Ende 2012): Mittlerweile gibt es wieder neue Details. Belegt ist, dass Breivik als Kleinkind von seiner Mutter geschlagen wurde und sie vielfach ihm gegenüber geäußert hat, dass sie seinen Tod wünsche. Siehe mehr dazu hier.
Aufschlussreich fand ich auch folgenden Satz von ihm: „The Illusion about love in a relationship between a man and a woman is the sum of irrational feelings based on desire.“ Für Breivik gibt es keine Liebe, Mann und Frau kommen einzig dazu zusammen, Kinder zu bekommen, schreibt er an anderer Stelle. Diese Passagen erzählen uns etwas über die Atmosphäre in der Familie. Für Liebe war hier wohl kein Platz.
Sehr wichtig finde ich weitere Informationen, die Caroline Fetscher im Tagesspiegel (siehe Link oben) herausgearbeitet hat: Breivik gibt an, noch nie eine feste Beziehung zu einem weiblichen Wesen gehabt zu haben(, was psychologisch aufschlussreich ist und auf eine tiefe Bindungsstörung hinweist). Am wichtigsten finde ich allerdings die Info, dass der Attentäter schreibt, die körperliche Züchtigung von Kindern – in allen skandinavischen Ländern gesetzlich verboten – müsse wieder rechtens werden, damit die „traditionelle Familie“ sich neu etabliert. Hier findet sich DIE Andeutung dafür, dass er selbst körperliche Gewalt erlebt hat. Ein nicht geschlagenes Kind kommt später nicht auf Idee zu sagen: "Mir und anderen Kindern fehlten Schläge." Nur einst geschlagene Kinder idealisieren später die schwarze Pädagogik. Fetscher schreibt: „Von Adornos analytischen Studien zur autoritären Persönlichkeit, deren Erträge sich inzwischen im „Erziehungskartell“ ausgebreitet hätten, fühlt sich Behring Breivik merklich narzisstisch gekränkt, angegriffen, beleidigt und bedroht. Auf „servile“, beflissene Weise würden wegen solcher Thesen „Sensibilisierungstraining“ und „Sprachcodes“ in der Erziehung verwendet, die auf „Massenpsychologie“ basieren. Kinder würden daher nicht mehr „gemäß ihrer Geschlechterrollen und biologischen Unterschiede“ erzogen. Ja, ganz Europa sei auf dem Weg der „Feminisierung“.“
Kinder, vor allem Jungen, müssen wieder härter in der Erziehung angepackt werden, könnte man hier auch zusammenfassen. Diese Sicht auf Erziehung verrät viel über das, was Breivik wohl selbst als Kind erlebt haben dürfte. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass der 32jährige immer noch bei seiner Mutter lebte und seinen Stiefvater, nachdem er ihn als "sexuelles Biest" bezeichnet und ihm Vorwürfe gemacht hat, gleichzeitig einen "guten, liebenswerten Menschen" nennt. Wenn Anders Breivik von beiden Gewalt auf die ein oder andere Art erfuhr, was ich für sehr sehr wahrscheinlich halte, dann hat er seinen Schmerz und seinen Hass ihnen gegenüber oder kurz gesagt das Opfer in sich abgespalten.
Wenn die Gesellschaft wirklich wissen wollte, was in der Familie des Attentäters alles vor sich ging, könnte sie es erfahren. Dafür müsste die Gesellschaft aber auch hinsehen wollen, sie müsste die richtigen Fragen stellen und umfassende Nachforschungen betreiben. Die obigen zitierten Medienberichte zeigen leider, dass dieses Hinsehen nicht immer gewollt ist.
Allerdings spricht bereits die grauenvolle, kaltblütige Tat als solche eine deutliche Sprache. Hervorheben möchte ich dabei, dass Breivik die eigentlichen erklärten politischen Feinde und Symbole „nur“ mit einer anonymen Bombe treffen wollte, während er den Kindern und Jugendlichen Auge in Auge gegenüber stand, während er sie tötete. Mehr noch, der Attentäter hatte sich als Polizist verkleidet und nach Augenzeugenaussagen Hilfe und Schutz angeboten, um die zu ihm kommenden jungen Menschen dann zu erschießen. Ein Polizist, der Freund und Helfer in Uniform, jemand, dem man sonst vertraut, er ist der Mörder. Ähnlich erleben es schwer misshandelte und missbrauchte Kinder. Ihre Eltern stehen für und sprechen von Liebe und Schutz, dann schlagen sie zu, missbrauchen, demütigen, im Namen der Liebe. Breivik hat seinem Manifest übrigens einige Fotos von sich angehängt. Mal sich mit Waffe, mal er in Uniform usw. Das letzte Bild zeigt ihn, wohl eine seiner Schwestern und seine Mutter in trauter Dreisamkeit. Für mich ist das sehr symbolisch, dass er ein Familienfoto an letzte Stelle stellt und dadurch besonders hervorhebt.
Mir fiel nach dieser Tat der Film „Natural born Killers“ von Oliver Stone ein, den ich als Jugendlicher einmal gesehen habe. Ich fand den Film damals ziemlich irritierend, schwer auszuhalten und merkwürdig. Ein junges Paar entdeckt den Spaß am Töten und zieht mordend – und von den Medien teils gefeiert - durch die USA. In Zwischenszenen, Flashbacks und Zeitsprüngen tauchen Erinnerungsblitze an die Kindheit der Akteure auf. Mallory wurde häufig von ihrem Vater sexuell missbraucht, ihre Mutter unternahm nichts dagegen. Gemeinsam mit ihrem Freund Mickey tötete sie ihre Eltern. Im Rausch erschießt Mickey in einer Wüste einen Indianer und erinnert sich dann an Misshandlungen durch seine Eltern und den Selbstmord seines Vaters. Der Film bekam damals viel Kritik. Dabei hatte er eine deutliche Message. Beide Massenmörder waren keine „Natural born Killers“, nicht von Natur aus böse. Der Titel legte dies nahe, im Film erfuhr man allerdings die wirklichen, tieferen Hintergründe. Die lustvollen Mörder wurden einst dazu geformt, durch Gewalt, Missbrauch und Terror in ihrer Kindheit. Der Film und sein Titel zeigten der Gesellschaft, was die tieferen Ursachen der Gewalt sind. Auch damals wurde das nicht richtig verstanden.
Eine interessante Studie, zitiert am 23.07.11 vom Tagesspiegel möchte hier noch erwähnen: „In einer Studie des Bundeskriminalamts und der Universität Duisburg/Essen – „Die Sicht der Anderen“ – wurden 24 Rechtsextremisten, neun Linksextremisten und sechs Islamisten, alle mit Gewalterfahrungen, eingehend befragt. Ihnen allen war gemeinsam, dass die Wurzel ihres Hasses in der Kindheit und der gestörten Beziehung zu den Eltern liegt. Gewalt gehörte schon früh zum Alltag. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es bei den meisten Befragten Zufall war, welcher Ideologie sie sich anschlossen. Es hing davon ab, welche extremistische Gruppe ein soziales Kontaktangebot schuf.“
Das ist genau das, was ich schon oft geschrieben habe, Zufälle, äußere Rahmenbedingungen und Möglichkeiten entscheiden über die Farbe der Gewalt, die Ursachen liegen immer in der Kindheit.
Donnerstag, 14. Juli 2011
Zwischenmeldung: Die Angst vor "Vergiftung" kommt wieder zurück
Nach einer kurzen Angst und „Virus“-Pause (seit meinem Beitrag „Von EHEC zu Griechenland. Von Angstherd zu Angstherd„) mehren sich jetzt wieder die Ängste in den Medien. Stark emotionale Titel durchziehen aktuelle Berichte, Untergangsfantasien und Ängste vor Vergiftung drängen wieder nach oben.
Einige Beispiele:
Schuldenkrise: "Die Unsicherheit ist Gift"
(ZEIT-Online)
Schuldenkrisen in Europa und den USA: Die Welt geht unter - aber nur bei euch
(sueddeutsche-online)
Wie die Eurogruppe gegen den Pleitevirus kämpfen will
(sueddeutsche-online)
Italien wappnet sich gegen das Griechen-Virus
(SPIEGEL-Online)
Europa fürchtet sich vor dem griechischen Virus
(Welt-Online)
"Währungsabwertung ist ein süßes Gift"
(wiwo.de)
Einige Beispiele:
Schuldenkrise: "Die Unsicherheit ist Gift"
(ZEIT-Online)
Schuldenkrisen in Europa und den USA: Die Welt geht unter - aber nur bei euch
(sueddeutsche-online)
Wie die Eurogruppe gegen den Pleitevirus kämpfen will
(sueddeutsche-online)
Italien wappnet sich gegen das Griechen-Virus
(SPIEGEL-Online)
Europa fürchtet sich vor dem griechischen Virus
(Welt-Online)
"Währungsabwertung ist ein süßes Gift"
(wiwo.de)
Sonntag, 10. Juli 2011
Kindheit auf Korsika und Evolution
Mein „Grundwissen“ über Korsika lernte ich als Kind durch den Comic „Asterix auf Korsika“. Ich erinnere mich noch, dass mich die düstere Atmosphäre, die in diesem Comic bzgl. der Sitten und Charakterstruktur „der Korsen“ aufgebaut wurde, als Kind etwas befremdete und ich Angst hatte. Ich habe als Kind alle Asterix Bände gelesen. „Asterix auf Korsika“ war der einzige Band, bei dem ich Angst hatte und den ich etwas unheimlich fand. Bei Asterix wird ja allgemein viel gerauft und geschlagen. Der Humor bleibt dabei aber meist im Vordergrund. Wenn die Korsen im entsprechenden Asterix Heft ihre Messer rausholten, fand ich das als Kind nicht witzig, sondern bedrohlich.
Meine nächste Begegnung mit Korsika hatte ich, als ich mich mit der Kindheit von Napoleon Bonaparte befasste. Demnach war traditionell auf Korsika die Kindererziehung rein Sache der Mütter. Im Falle von Napoleon war die Erziehung von schwerer Gewalt durch seine Mutter und Abwesenheit des Vaters geprägt.
Mein Wissen beschränkt sich hier im Grunde auf diese zwei Infos: Das Bild bzw. Vorurteile über „die Korsen“ und eine Kindheit als Fallbeispiel.
Mein Bild über Korsika konnte ich noch etwas erweitern. Die Geschichte Korsikas ist von Gewalt geprägt. Innerhalb von 25 Jahren vor dem Jahr 2000 kam es auf Korsika laut SPIEGEL zu ca. 10.000 Sprengstoffattentaten und ungefähr 220 Morden. "Auf Korsika", meldete ein Präfekt schon 1874, "stößt der Mörder auf der Flucht nicht auf die gleiche Ablehnung wie in Frankreich. Man hilft ihm." Das gilt noch heute, schreibt der SPIEGEL weiter. Ein Lokalpolitiker wird wie folgt zitiert: "Auf Korsika weiß immer jeder, wer die Mörder und die Attentäter sind. Aber Korsika schweigt." (vgl. DER SPIEGEL, 04.09.2000, „Das Gesetz des Schweigens“)
Auf einer privaten Seite, die sich intensiv mit Korsika befasst, fand ich folgendes: „Der amüsante Comic »Asterix auf Korsika« zeigt die Korsen als ehrbesessene Sturköpfe, denen das Messer locker sitzt. Stolz und Ehrgefühl sind Wesenszüge vieler Korsen, deren Entstehung hier nicht rückverfolgt werden kann.“ und „Die Korsen lebten jenseits von Recht und Gesetz und regelten ihre Angelegenheiten untereinander - oftmals mit dem Gewehr.“ Die Betreiber der Seite schreiben, dass im 18. Jh. Blutracheexzesse 30.000 Opfer gekostet hätten (was ich nicht weiter nachprüfen konnte). Unter dem Stichwort Vendetta (korsische Blutrache) fand ich im Marcopolo Reisführer folgendes: „Die Wahrung von Ehre und Recht nahmen die Korsen früher nach Kräften selbst in die Hand. Nach ihrem Ehrenkodex war ein Mann verpflichtet, schwere Kränkungen durch Mord zu rächen. Dieses Vendetta genannte Vergeltungsrecht erlebte seinen Höhepunkt in der ersten Hälfte des 19. Jhs., als die Zahl der durch Blutrache Ermordeten auf über tausend im Jahr anstieg und unzählige „Ehrenbanditen“ sich in der Macchia versteckt hielten.“
Über die korsische Blutrache fand ich hier und da auszugsweise weitere Artikel, die mich aber nicht wirklich weiter brachten. Fest steht wohl, dass noch im 18. und 19. Jahrhundert die Blutrache auf Korsika relativ weit verbreitet war.
In einem Online-Forum fand ich einen Bericht aus dem Jahr 2009:
„Ich bin auf Korsika in Urlaub und erlebe die aggressive Bevölkerung dort. Mit Überraschung. Frauen schreien unbeherrscht fremde Touristen an. Wegen Falschparkens. Die Leute streiten sich offen auf der Straße, ich verstehe kein Wort, aber ich spüre die heftige Aggression. Die fast zu allem bereite Aggression. Ein Rätsel für mich. Ich lese im Geschichtsführer über Korsika. Die aggressive Geschichte dieses Volkes.“
Interessant fand ich auch den SPIEGEL Bericht „Korsika geht unter“ von Lutz Krusche „über Terror, Blutrache und Nationalstolz auf der "Insel der Schönheit". „ Hier wird die Gewalt vor Ort noch mal etwas weiter beleuchtet.
Die Vorurteile im Asterix Band fand ich also bestätigt. Die Korsen regelten ihre Angelegenheiten oftmals mit Gewalt, was sich wohl auch heute noch auf die korsische Gesellschaft auswirkt. Keine Zahlen fand ich über die Verbreitung von Kindesmisshandlung und die Kindererziehungspraxis auf Korsika. (Leider kann ich kein Französisch. Sicherlich ließen sich hier Infos auch online finden.) Insofern bleibt mein einziger Anhaltspunkt die gewaltvolle Kindheit von Napoleon Bonaparte.
Allerdings: Auf Grund der belegten korsischen Gesellschaftstruktur, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass sich auf Korsika die Kindererziehung nicht so weiterentwickelt hat, wie z.B. auf dem französischen Festland. Ich gehe stark davon aus, dass Napoleons Kindheit kein Einzelfall auf Korsika war (und ist?).
Korsika wäre insofern ein extrem interessantes Forschungsgegenstand, da es sich hier um eine Insel handelt, die relativ abgeschottet gegen Einflüsse von Außen war. Wenn sich hier und da Eltern fanden, die andere Erziehungspraktiken ausprobieren wollten, werden sie es auf einer Inseln mit ihren dörflichen Strukturen besonders schwer gehabt haben. Man stelle sich z.B. einen korsischen Vater zur Zeit Napoleons vor, der sich für seine Kinder interessiert und für sie da sein will. Die Gemeinschaft um ihn herum hätte ihn sicher schnell an die „Regeln“ und die Tradition „erinnert“.
Korsika ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wie auch geographische Bedingungen und sozial enge Strukturen eine schnelle Evolution der Kindererziehungspraxis erschweren können. Um die Evolution von Kindheit und Psyche besser erforschen zu können, halte ich eine Erhellung der Geschichte von Kindheit auf Korsika für ganz besonders wichtig! Mir persönlich fehlen die Mittel und die Zeit dafür. Vielleicht kann ich ja andere dazu anregen, hier weiter nach Infos zu suchen.
Meine nächste Begegnung mit Korsika hatte ich, als ich mich mit der Kindheit von Napoleon Bonaparte befasste. Demnach war traditionell auf Korsika die Kindererziehung rein Sache der Mütter. Im Falle von Napoleon war die Erziehung von schwerer Gewalt durch seine Mutter und Abwesenheit des Vaters geprägt.
Mein Wissen beschränkt sich hier im Grunde auf diese zwei Infos: Das Bild bzw. Vorurteile über „die Korsen“ und eine Kindheit als Fallbeispiel.
Mein Bild über Korsika konnte ich noch etwas erweitern. Die Geschichte Korsikas ist von Gewalt geprägt. Innerhalb von 25 Jahren vor dem Jahr 2000 kam es auf Korsika laut SPIEGEL zu ca. 10.000 Sprengstoffattentaten und ungefähr 220 Morden. "Auf Korsika", meldete ein Präfekt schon 1874, "stößt der Mörder auf der Flucht nicht auf die gleiche Ablehnung wie in Frankreich. Man hilft ihm." Das gilt noch heute, schreibt der SPIEGEL weiter. Ein Lokalpolitiker wird wie folgt zitiert: "Auf Korsika weiß immer jeder, wer die Mörder und die Attentäter sind. Aber Korsika schweigt." (vgl. DER SPIEGEL, 04.09.2000, „Das Gesetz des Schweigens“)
Auf einer privaten Seite, die sich intensiv mit Korsika befasst, fand ich folgendes: „Der amüsante Comic »Asterix auf Korsika« zeigt die Korsen als ehrbesessene Sturköpfe, denen das Messer locker sitzt. Stolz und Ehrgefühl sind Wesenszüge vieler Korsen, deren Entstehung hier nicht rückverfolgt werden kann.“ und „Die Korsen lebten jenseits von Recht und Gesetz und regelten ihre Angelegenheiten untereinander - oftmals mit dem Gewehr.“ Die Betreiber der Seite schreiben, dass im 18. Jh. Blutracheexzesse 30.000 Opfer gekostet hätten (was ich nicht weiter nachprüfen konnte). Unter dem Stichwort Vendetta (korsische Blutrache) fand ich im Marcopolo Reisführer folgendes: „Die Wahrung von Ehre und Recht nahmen die Korsen früher nach Kräften selbst in die Hand. Nach ihrem Ehrenkodex war ein Mann verpflichtet, schwere Kränkungen durch Mord zu rächen. Dieses Vendetta genannte Vergeltungsrecht erlebte seinen Höhepunkt in der ersten Hälfte des 19. Jhs., als die Zahl der durch Blutrache Ermordeten auf über tausend im Jahr anstieg und unzählige „Ehrenbanditen“ sich in der Macchia versteckt hielten.“
Über die korsische Blutrache fand ich hier und da auszugsweise weitere Artikel, die mich aber nicht wirklich weiter brachten. Fest steht wohl, dass noch im 18. und 19. Jahrhundert die Blutrache auf Korsika relativ weit verbreitet war.
In einem Online-Forum fand ich einen Bericht aus dem Jahr 2009:
„Ich bin auf Korsika in Urlaub und erlebe die aggressive Bevölkerung dort. Mit Überraschung. Frauen schreien unbeherrscht fremde Touristen an. Wegen Falschparkens. Die Leute streiten sich offen auf der Straße, ich verstehe kein Wort, aber ich spüre die heftige Aggression. Die fast zu allem bereite Aggression. Ein Rätsel für mich. Ich lese im Geschichtsführer über Korsika. Die aggressive Geschichte dieses Volkes.“
Interessant fand ich auch den SPIEGEL Bericht „Korsika geht unter“ von Lutz Krusche „über Terror, Blutrache und Nationalstolz auf der "Insel der Schönheit". „ Hier wird die Gewalt vor Ort noch mal etwas weiter beleuchtet.
Die Vorurteile im Asterix Band fand ich also bestätigt. Die Korsen regelten ihre Angelegenheiten oftmals mit Gewalt, was sich wohl auch heute noch auf die korsische Gesellschaft auswirkt. Keine Zahlen fand ich über die Verbreitung von Kindesmisshandlung und die Kindererziehungspraxis auf Korsika. (Leider kann ich kein Französisch. Sicherlich ließen sich hier Infos auch online finden.) Insofern bleibt mein einziger Anhaltspunkt die gewaltvolle Kindheit von Napoleon Bonaparte.
Allerdings: Auf Grund der belegten korsischen Gesellschaftstruktur, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass sich auf Korsika die Kindererziehung nicht so weiterentwickelt hat, wie z.B. auf dem französischen Festland. Ich gehe stark davon aus, dass Napoleons Kindheit kein Einzelfall auf Korsika war (und ist?).
Korsika wäre insofern ein extrem interessantes Forschungsgegenstand, da es sich hier um eine Insel handelt, die relativ abgeschottet gegen Einflüsse von Außen war. Wenn sich hier und da Eltern fanden, die andere Erziehungspraktiken ausprobieren wollten, werden sie es auf einer Inseln mit ihren dörflichen Strukturen besonders schwer gehabt haben. Man stelle sich z.B. einen korsischen Vater zur Zeit Napoleons vor, der sich für seine Kinder interessiert und für sie da sein will. Die Gemeinschaft um ihn herum hätte ihn sicher schnell an die „Regeln“ und die Tradition „erinnert“.
Korsika ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wie auch geographische Bedingungen und sozial enge Strukturen eine schnelle Evolution der Kindererziehungspraxis erschweren können. Um die Evolution von Kindheit und Psyche besser erforschen zu können, halte ich eine Erhellung der Geschichte von Kindheit auf Korsika für ganz besonders wichtig! Mir persönlich fehlen die Mittel und die Zeit dafür. Vielleicht kann ich ja andere dazu anregen, hier weiter nach Infos zu suchen.
Samstag, 25. Juni 2011
Die Folgen der Gewalt. Oder: Die Kindheit ist politisch!
Die gesamtgesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der Gewalt gegen Kinder werden allgemein eher nicht oder wenig wahrgenommen. Mehr noch, wer auf diese Auswirkungen hinweist, begibt sich in die Gefahr, nicht ernst genommen, verlacht, als unseriös bezeichnet zu werden oder es erfolgen manchmal sogar persönliche Angriffe. Wobei nach meiner Erfahrung die häufigste Reaktion einfach ignorieren und schweigen ist. Die verstorbene Kindheitsforscherin Alice Miller konnte ein Lied davon singen und hat in vielen Beiträgen immer wieder auf die dicken Mauern des Schweigens hingewiesen, die sie nicht oder kaum überwinden konnte. Manchmal habe ich auch Kritiken aus Wissenschaftskreisen gelesen, die dem Forschungsbereich Psychohistorie alles mögliche vorwerfen und ihn kaum ernst nehmen.
Dabei stehen die Schlussfolgerungen von Alice Miller und anderen ähnlich Forschenden und natürlich auch meine bescheidene Arbeit im Grunde auf einem ganz ganz dicken Fundament! Dieses Fundament ist wissenschaftlich durch unzählige internationale Studien abgesichert und kann von keinem Menschen, der ernsthaft und seriös, gar wissenschaftlich arbeitet in Zweifel gezogen werden.
Das Fundament besteht aus zwei wesentlichen Teilen:
A. Unzählige Studien über die Verbreitung von verschiedenen Formen von Gewalt gegen Kinder belegen, dass weltweit Kinder, die keine Gewalt durch ihre Eltern oder Elternfiguren erleben, nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind (siehe auszugsweise hier). Die meisten Kinder erleben mindestens eine Form von elterlicher Gewalt, oftmals auch mehrere Formen. Die einen Kinder erleben dies mehr, die anderen weniger. Die einen werden von verschiedenen Personen verletzt, die anderen nur von einer.
B.Gewalt gegen Kinder hat Folgen. Es gibt kurzfristige Folgen und ist gibt Langzeitfolgen, die auch die später Erwachsenen betreffen. Über die Folgen der Gewalt gegen Kinder gibt es ebenfalls etliche Studien, ganze Diplom- und Doktorarbeiten und natürlich Erfahrungsberichte von Betroffenen und SozialarbeiterInnnen/PsycholgInnen etc. Die Folgen sind um so schwerwiegender, je häufiger Gewalt und je schwerere Formen von Gewalt erlebt werden, je näher das Kind dem Täter/der Täterin steht, je jünger die Kinder beim Gewalterleben sind, je mehr unterschiedliche Formen von Gewalt zusammenkommen und je weniger Hilfen und andere positive Bezugspersonen zur Verfügung stehen. Die Folgen sind vor diesem Hintergrund von Kind zu Kind unterschiedlich. ( Manche Erwachsene schaffen es zudem, durch Psychotherapie die destruktiven Folgen abzumildern oder manchmal gar relativ gut aufzulösen. Doch viele Menschen machen eben auch keine Therapie und lassen die Dinge laufen wie sie sind.)
Einige von vielen möglichen Folgen habe ich hier einmal aufgeführt:
Verlust von Urvertrauen/innerer Zuversicht, Beeinträchtigung der Bindungsfähigkeit und ungünstiger Bindungsstil, Probleme in sozialen Beziehungen bzw. Probleme beim Lösen sozialer Konfliktsituationen, sozialer Rückzug, erhöhtes Risiko für verschiedene Störungen (Ängste, Zwänge, Depression, Störung des Sozialverhaltens, Suizidalität/Todessehnsucht, diverses Suchtverhalten) bzw. Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen, geringes Selbstvertrauen, negatives Selbstbild/gestörte Selbstwahrnehmung, Identitätsprobleme, Minderwertigkeitsgefühle, Überanpassung, Vermeidungs- und Fluchtverhalten, ständiges Misstrauen, selbstverletzendes Verhalten, psychosomatische Störungen, aggressive Verhaltensstörungen, Gewaltverhalten, erhöhte Akzeptanz von Gewalt als Konfliktlösung, fehlende Frustrationstoleranz, Missachtung emotionaler Grundbedürfnisse anderer, geringere Empathiefähigkeit; Unfähigkeit, eigene Grenzen wahrzunehmen und auch anderen deutlich aufzuzeigen; Übernahme der Opferrolle, Posttraumatische
Belastungsstörungen, psychische Abspaltung von gewaltvollen Erlebnissen und entsprechenden Gefühlen, Prostitution, Entwicklung von Schuldgefühlen, Schlafstörungen, Albträume, Konzentrationsstörungen, chronische körperliche Krankheiten, „eingefrorene“ Mimik und Gefühlslage usw.
So weit befinden wir uns in der Welt der anerkannten Wissenschaft und „Seriosität“. Wobei Teil A. (das hohe Ausmass der Gewalt gegen Kinder) nach meinem Eindruck trotz aller vorliegenden Erkenntnisse nicht wirklich umfassend öffentlich kommuniziert und wahrgenommen wird, was noch mal ein Thema für sich ist.
Ich fasse zusammen: Wir leben in einer Welt, in der die Mehrheit der Menschen als Kind Gewalt erlebte, missachtet wurde und/oder Ablehnung erfuhr. Diese Gewalt und Ablehnung geht häufig von den Menschen aus, die für die Pflege und Fürsorge der Kinder zuständig sind: Eltern und Verwandten/Pflegeeltern. Die destruktiven möglichen Folgen für den einzelnen Betroffenen sind umfassend analysiert und oben kurz angerissen. Die Folgen für Gruppen und ganze Gesellschaften sind dagegen bisher wenig erforscht und im Blickpunkt der Wissenschaft und Öffentlichkeit. Dabei muss mensch nur eins und eins zusammenzählen:
Eine Mehrheit von Gewaltbetroffenen bedeutet, dass eine Mehrheit unter möglichen Folgen leidet. Das ist eine ganz simple Wahrheit, die, wenn sie angesprochen wird, i.d.R. ignoriert oder zerrissen wird. Diese simple Wahrheit öffentlich zu machen, ist das eigentlich schwierige. Dabei ist es geradezu unlogisch, diese Zusammenhänge nicht sehen zu wollen. Es ist geradezu naiv, davon auszugehen, dass eine so hohe Gewaltbetroffenheit der Menschen keine politischen Auswirkungen hat; dass diese Erfahrungen quasi verpuffen, sobald sich Menschen auf der politischen und gesellschaftlichen Bühne bewegen, ist eine Illusion. Vermutlich bedingen wiederum die Folgen der Gewalt, dass auch eine Mehrheit der Gesellschaft nicht hinsehen kann und will, eben auf Grund der eigenen Betroffenheit und gedeckelten Schmerzen.
Diese Mehrheit der Gewaltbetroffenen findet sich zudem natürlich auch in allen möglichen Führungspositionen in Wirtschaft, Medien, Kultur und Politik wieder. Meine Vermutung ist sogar, dass von Ohnmachtserfahrungen und Gewalt Betroffene sogar in der Politik und bestimmten Bereichen der Wirtschaft verhältnismäßig überrepräsentiert sind, da sie nach großer Macht streben, um ihre innere Leere zu füllen und die Ohnmacht zu deckeln. (In manchen politischen und wirtschaftlichen Arbeitsbereichen ist es sogar sehr vorteilhaft, wenn mensch Emotionen und Mitgefühl abgespalten hat, da hier „maschinelle“ Entscheidungen gefragt sind.) Wenn dem so sein sollte, dann verschärfen sich dadurch noch einmal die Probleme der Gesellschaft, weil die Menschen an den Machthebeln mehrheitlich ggf. an diversen Folgen und emotionalen Störungen (die sie gerne verstecken) leiden.
Überhaupt ist es ein Problem, wenn Macht und emotionale Probleme zusammenkommen. Das gilt auch für den ganz normalen Alltag, wenn z.B. der Vermieter oder Chef vielleicht die ein oder anderen Folgen aufweist, insbesondere ist fehlendes Mitgefühl ein Problem. Es gibt darüberhinaus etliche gesellschaftliche Bereiche, die ebenfalls betroffen sind, wenn eine Mehrheit als Kind Gewalt erfuhr. Ich denke da z.B. an enormen Kosten für die Krankenkassen, sofern spätere Leiden und Krankheiten mit der erfahrenen Gewalt zusammenhängen. Ich denke auch an viele Menschen, die arbeitsunfähig sind oder sich schwer in Arbeit integrieren lassen, weil sie an diversen Folgen leiden. Ich denke an Kosten für die Jugendhilfe, Drogenberatungsstellen, Kosten für Polizei und Justiz, Kosten für psychosoziale Einrichtungen usw. usf.
Kurz: Gewalt gegen Kinder hat politische Konsequenzen, aber auch gesamtgesellschaftliche und ökonomische. Oder anders gesagt: Die Kindheit ist politisch! Dies alles wird noch immer fast nie wirklich in o.g. Zusammenhängen analysiert.
Die gute Nachricht für Deutschland: Die Gewalt gegen Kinder geht seit Jahren langsam aber stetig zurück. Zudem hat unsere Gesellschaft alle möglichen Hilfsmaßnahmen, Gesetze und Unterstützungsangebote für Kinder aufgebracht und zudem ein sehr differenziertes, breites Angebot von Psychotherapie für Kinder und Erwachsene aufgebaut, so dass kindliche Gewalterfahrungen aufgearbeitet und verarbeitet und Gefühle zurückerobert werden können. Wir werden in absehbarer Zeit in eine gesellschaftliche Situation kommen, in der die Mehrheiten kippen. Geschlagene Kinder werden absehbar in Deutschland nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Andere (Erziehungs)-Probleme bleiben. Trotzdem wird sich diese Veränderung der Kindererziehungspraxis und Verteilung in der Bevölkerung enorm auf die Dynamik unserer Gesellschaft auswirken. Für diesen Entwicklungsprozess gibt es bisher kein Beispiel in der Geschichte, denn die „Geschichte der Kindheit ist ein Albtraum, aus dem wir gerade erst erwachen“ (wie deMause schrieb). Wir befinden uns in einer einzigartigen Phase der Menschheitsgeschichte, auf die spätere Generationen in ihren Geschichtsbüchern mit Interesse zurückblicken werden. Wir steuern auf eine Gesellschaft zu, die Entscheidungen jedweder Art mit Mitgefühl verknüpfen wird. Die Zukunft wird friedlicher, kreativer, flexibler, selbstbewusster, freier und konstruktiver sein, weil die Kindheiten immer freier und friedlicher werden.
Dabei stehen die Schlussfolgerungen von Alice Miller und anderen ähnlich Forschenden und natürlich auch meine bescheidene Arbeit im Grunde auf einem ganz ganz dicken Fundament! Dieses Fundament ist wissenschaftlich durch unzählige internationale Studien abgesichert und kann von keinem Menschen, der ernsthaft und seriös, gar wissenschaftlich arbeitet in Zweifel gezogen werden.
Das Fundament besteht aus zwei wesentlichen Teilen:
A. Unzählige Studien über die Verbreitung von verschiedenen Formen von Gewalt gegen Kinder belegen, dass weltweit Kinder, die keine Gewalt durch ihre Eltern oder Elternfiguren erleben, nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind (siehe auszugsweise hier). Die meisten Kinder erleben mindestens eine Form von elterlicher Gewalt, oftmals auch mehrere Formen. Die einen Kinder erleben dies mehr, die anderen weniger. Die einen werden von verschiedenen Personen verletzt, die anderen nur von einer.
B.Gewalt gegen Kinder hat Folgen. Es gibt kurzfristige Folgen und ist gibt Langzeitfolgen, die auch die später Erwachsenen betreffen. Über die Folgen der Gewalt gegen Kinder gibt es ebenfalls etliche Studien, ganze Diplom- und Doktorarbeiten und natürlich Erfahrungsberichte von Betroffenen und SozialarbeiterInnnen/PsycholgInnen etc. Die Folgen sind um so schwerwiegender, je häufiger Gewalt und je schwerere Formen von Gewalt erlebt werden, je näher das Kind dem Täter/der Täterin steht, je jünger die Kinder beim Gewalterleben sind, je mehr unterschiedliche Formen von Gewalt zusammenkommen und je weniger Hilfen und andere positive Bezugspersonen zur Verfügung stehen. Die Folgen sind vor diesem Hintergrund von Kind zu Kind unterschiedlich. ( Manche Erwachsene schaffen es zudem, durch Psychotherapie die destruktiven Folgen abzumildern oder manchmal gar relativ gut aufzulösen. Doch viele Menschen machen eben auch keine Therapie und lassen die Dinge laufen wie sie sind.)
Einige von vielen möglichen Folgen habe ich hier einmal aufgeführt:
Verlust von Urvertrauen/innerer Zuversicht, Beeinträchtigung der Bindungsfähigkeit und ungünstiger Bindungsstil, Probleme in sozialen Beziehungen bzw. Probleme beim Lösen sozialer Konfliktsituationen, sozialer Rückzug, erhöhtes Risiko für verschiedene Störungen (Ängste, Zwänge, Depression, Störung des Sozialverhaltens, Suizidalität/Todessehnsucht, diverses Suchtverhalten) bzw. Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen, geringes Selbstvertrauen, negatives Selbstbild/gestörte Selbstwahrnehmung, Identitätsprobleme, Minderwertigkeitsgefühle, Überanpassung, Vermeidungs- und Fluchtverhalten, ständiges Misstrauen, selbstverletzendes Verhalten, psychosomatische Störungen, aggressive Verhaltensstörungen, Gewaltverhalten, erhöhte Akzeptanz von Gewalt als Konfliktlösung, fehlende Frustrationstoleranz, Missachtung emotionaler Grundbedürfnisse anderer, geringere Empathiefähigkeit; Unfähigkeit, eigene Grenzen wahrzunehmen und auch anderen deutlich aufzuzeigen; Übernahme der Opferrolle, Posttraumatische
Belastungsstörungen, psychische Abspaltung von gewaltvollen Erlebnissen und entsprechenden Gefühlen, Prostitution, Entwicklung von Schuldgefühlen, Schlafstörungen, Albträume, Konzentrationsstörungen, chronische körperliche Krankheiten, „eingefrorene“ Mimik und Gefühlslage usw.
So weit befinden wir uns in der Welt der anerkannten Wissenschaft und „Seriosität“. Wobei Teil A. (das hohe Ausmass der Gewalt gegen Kinder) nach meinem Eindruck trotz aller vorliegenden Erkenntnisse nicht wirklich umfassend öffentlich kommuniziert und wahrgenommen wird, was noch mal ein Thema für sich ist.
Ich fasse zusammen: Wir leben in einer Welt, in der die Mehrheit der Menschen als Kind Gewalt erlebte, missachtet wurde und/oder Ablehnung erfuhr. Diese Gewalt und Ablehnung geht häufig von den Menschen aus, die für die Pflege und Fürsorge der Kinder zuständig sind: Eltern und Verwandten/Pflegeeltern. Die destruktiven möglichen Folgen für den einzelnen Betroffenen sind umfassend analysiert und oben kurz angerissen. Die Folgen für Gruppen und ganze Gesellschaften sind dagegen bisher wenig erforscht und im Blickpunkt der Wissenschaft und Öffentlichkeit. Dabei muss mensch nur eins und eins zusammenzählen:
Eine Mehrheit von Gewaltbetroffenen bedeutet, dass eine Mehrheit unter möglichen Folgen leidet. Das ist eine ganz simple Wahrheit, die, wenn sie angesprochen wird, i.d.R. ignoriert oder zerrissen wird. Diese simple Wahrheit öffentlich zu machen, ist das eigentlich schwierige. Dabei ist es geradezu unlogisch, diese Zusammenhänge nicht sehen zu wollen. Es ist geradezu naiv, davon auszugehen, dass eine so hohe Gewaltbetroffenheit der Menschen keine politischen Auswirkungen hat; dass diese Erfahrungen quasi verpuffen, sobald sich Menschen auf der politischen und gesellschaftlichen Bühne bewegen, ist eine Illusion. Vermutlich bedingen wiederum die Folgen der Gewalt, dass auch eine Mehrheit der Gesellschaft nicht hinsehen kann und will, eben auf Grund der eigenen Betroffenheit und gedeckelten Schmerzen.
Diese Mehrheit der Gewaltbetroffenen findet sich zudem natürlich auch in allen möglichen Führungspositionen in Wirtschaft, Medien, Kultur und Politik wieder. Meine Vermutung ist sogar, dass von Ohnmachtserfahrungen und Gewalt Betroffene sogar in der Politik und bestimmten Bereichen der Wirtschaft verhältnismäßig überrepräsentiert sind, da sie nach großer Macht streben, um ihre innere Leere zu füllen und die Ohnmacht zu deckeln. (In manchen politischen und wirtschaftlichen Arbeitsbereichen ist es sogar sehr vorteilhaft, wenn mensch Emotionen und Mitgefühl abgespalten hat, da hier „maschinelle“ Entscheidungen gefragt sind.) Wenn dem so sein sollte, dann verschärfen sich dadurch noch einmal die Probleme der Gesellschaft, weil die Menschen an den Machthebeln mehrheitlich ggf. an diversen Folgen und emotionalen Störungen (die sie gerne verstecken) leiden.
Überhaupt ist es ein Problem, wenn Macht und emotionale Probleme zusammenkommen. Das gilt auch für den ganz normalen Alltag, wenn z.B. der Vermieter oder Chef vielleicht die ein oder anderen Folgen aufweist, insbesondere ist fehlendes Mitgefühl ein Problem. Es gibt darüberhinaus etliche gesellschaftliche Bereiche, die ebenfalls betroffen sind, wenn eine Mehrheit als Kind Gewalt erfuhr. Ich denke da z.B. an enormen Kosten für die Krankenkassen, sofern spätere Leiden und Krankheiten mit der erfahrenen Gewalt zusammenhängen. Ich denke auch an viele Menschen, die arbeitsunfähig sind oder sich schwer in Arbeit integrieren lassen, weil sie an diversen Folgen leiden. Ich denke an Kosten für die Jugendhilfe, Drogenberatungsstellen, Kosten für Polizei und Justiz, Kosten für psychosoziale Einrichtungen usw. usf.
Kurz: Gewalt gegen Kinder hat politische Konsequenzen, aber auch gesamtgesellschaftliche und ökonomische. Oder anders gesagt: Die Kindheit ist politisch! Dies alles wird noch immer fast nie wirklich in o.g. Zusammenhängen analysiert.
Die gute Nachricht für Deutschland: Die Gewalt gegen Kinder geht seit Jahren langsam aber stetig zurück. Zudem hat unsere Gesellschaft alle möglichen Hilfsmaßnahmen, Gesetze und Unterstützungsangebote für Kinder aufgebracht und zudem ein sehr differenziertes, breites Angebot von Psychotherapie für Kinder und Erwachsene aufgebaut, so dass kindliche Gewalterfahrungen aufgearbeitet und verarbeitet und Gefühle zurückerobert werden können. Wir werden in absehbarer Zeit in eine gesellschaftliche Situation kommen, in der die Mehrheiten kippen. Geschlagene Kinder werden absehbar in Deutschland nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Andere (Erziehungs)-Probleme bleiben. Trotzdem wird sich diese Veränderung der Kindererziehungspraxis und Verteilung in der Bevölkerung enorm auf die Dynamik unserer Gesellschaft auswirken. Für diesen Entwicklungsprozess gibt es bisher kein Beispiel in der Geschichte, denn die „Geschichte der Kindheit ist ein Albtraum, aus dem wir gerade erst erwachen“ (wie deMause schrieb). Wir befinden uns in einer einzigartigen Phase der Menschheitsgeschichte, auf die spätere Generationen in ihren Geschichtsbüchern mit Interesse zurückblicken werden. Wir steuern auf eine Gesellschaft zu, die Entscheidungen jedweder Art mit Mitgefühl verknüpfen wird. Die Zukunft wird friedlicher, kreativer, flexibler, selbstbewusster, freier und konstruktiver sein, weil die Kindheiten immer freier und friedlicher werden.
Dienstag, 21. Juni 2011
Von EHEC zu Griechenland. Von Angstherd zu Angstherd
Zerfall, Spaltung (Focus Money titelte z.B. am 22. Juni 2011 mit einem zerbrochenen EURO.) , Streit, Bankrott, Angst, Panik, Krise, Untergang, drohender Abschwung, Krawalle…
Die Liste aktueller Schlagzeilen ist lang. Kaum gab es bzgl. der „EHEC-Krise“ einigermaßen Entwarnung, schwenkten die Medien blitzschnell um und hoben die Griechenland-Krise wieder nach oben, die aktuell Top-Thema ist.
Ich hatte erst überlegt, ob ich wieder etwas zum jetzt neuen SPIEGEL Titel schreiben soll oder ob das ganze vielleicht doch etwas zu sehr durch mich interpretiert ist. Dann hörte ich gestern im Deutschlanfunk vor 11.00 Uhr, wie ein Experte etwas von dem „Infektionsherd“ Griechenland und der "Ansteckungsgefahr" für andere Länder sagte. Auch in der Folge fiel mir in anderen Nachrichten, Hörfunk und Berichten immer häufiger das Wort „Ansteckungsgefahr“ auf. Ich halte das mittlerweile nicht mehr für einen Zufall. Über drei Wochen lang grassierte in Deutschland die (meiner Meinung nach vollkommen übertriebene) (Todes-)Angst vor der Ansteckung mit EHEC. (siehe meine letzten Beiträge) Jetzt droht die „Ansteckung“ durch das „vergiftete“ Griechenland. Die Ängste haben sich wieder auf die ökonomischen Bereiche verschoben. Gruppenfantasien und Gruppenängste scheinen manchmal zu wandern, von Angstherd zu Angstherd.
Kommen wir zurück zum aktuellen SPIEGEL Nr. 25 vom 20.06.11, der den EURO „Plötzlich und Erwartet“ zu Grabe trägt.
Getreu des letzten Blogbeitrages habe ich den SPIEGEL nach (wie ich fand) relevanten Schlagwörtern und Sätzen in den Titeln und im Dickgedruckten durchsucht. Die gefundenen Wörter unterscheiden sich zu dem, was ich in den beiden vorherigen Ausgaben fand. Angst, Kriegs- und Zerstörungswörter und Gift/Virenstichworte dominieren hier. Ich bin kein Psychoanalytiker. Mir fiel aber in dieser Ausgabe besonders der relativ lange Artikel „Aus einer Leiche geboren“ ab Seite 112 auf. Berichtet wird über eine Frau, die gehirntod im Krankenhaus lag und einige Wochen später einen gesunden Sohn gebar. Der Artikel an sich ist wirklich sehr ergreifend und berührend. Um den Artikel an sich geht es mir weniger. Ich finde nur die Symbolik interessant. Der SPIEGEL trägt den EURO im Titel zu Grabe. Im selben Heft findet sich ein Artikel, wo eine „Tote Mutter“ einen Sohn gebar. Ich wage hier keine Deutungen, möchte aber auf mögliche Zusammenhänge hinweisen.
Hier nun die Schlagwörter:
Aufstand, Sohn, Zerstörung, Anarchie, Schuld, Krieg, Verhungernde, „Angst vor der Größe“, Sterben und Töten, Sorge, Arme Kinder, Blutarme Politik, „Auf Gedeih und Verderb“, Gefahr, Krise, Krise, Flächenbrand, Krisen, Schlimmsten, „Rette sich, wer kann“, Jugend, Mütter, Kinder, „Das Tor der Tränen“, Krieg, Schreckgespenst, Angreifern, „Schwere Geschütze“, Fluchtpunkt, „Sie können nur töten und hoffen“, „Wer die Schlacht will, kann sie haben“, „Eine furchtbar nette Familie“, Kindern, Gewalt, Wut, Gegenwehr, Angriff, letzte Schlacht, vernichtet, Krieg, Bombenangriffe, gekämpft, Kriegsschauplatz, Virenjäger, Killerprogramme, Sohnes, Böses, Virus, Viren, Bedrohung, Viren, tötete, „Aus einer Leiche geboren“, Mutter, „Es regnet Gift“, „Es regnet Geld“, „Loch in der Geschichte“, „Angst treibt uns voran“, Leere, Leidensbericht.
Die Ansteckungsangst geht um in den deutschen Medien. Einige Beispiele:
„Ansteckungsgefahr für unseren Wohlstand“ (Monitor Nr. 621 vom 16.06.2011)
„Es droht Ansteckungsgefahr“ (bild.de)
„Würden die europäischen Länder schockartig Griechenland in die Pleite schicken, würde diese Schockwelle eine Ansteckungsgefahr bedeuten und auch andere Länder in große Schwierigkeiten bringen.“ (Focus, 15.06.11)
Belgien warnt in Griechenland-Krise vor Ansteckung (europeonline-magazine.eu, 19.06.11)
"Angestrebt wird eine begrenzte Beteiligung der privaten Gläubiger, die aber keine Ansteckung (anderer Länder) nach sich zieht." (web.de, 16.06.11)
"über die Angst vor der „Ansteckung“ wenn Griechenland pleiteginge“. (handelsblatt.com, 20.06.11)
"Geht Griechenland pleite, so droht eine Ansteckung der anderen Peripheriestaaten wie Irland, Portugal oder Spanien." (berlinonline.de, bereits am 30. April 11)
Infiziert der »Griechenland-Virus« jetzt auch Bulgarien (Kopp Verlag, 14.06.11)
"Wann springt das Griechenland-Virus über?" (handelsblatt.com, 16.06.11)
Wir werden sehen, wie sich die Ängste weiter entwickeln und wer zuletzt geopfert wird...
Die Liste aktueller Schlagzeilen ist lang. Kaum gab es bzgl. der „EHEC-Krise“ einigermaßen Entwarnung, schwenkten die Medien blitzschnell um und hoben die Griechenland-Krise wieder nach oben, die aktuell Top-Thema ist.
Ich hatte erst überlegt, ob ich wieder etwas zum jetzt neuen SPIEGEL Titel schreiben soll oder ob das ganze vielleicht doch etwas zu sehr durch mich interpretiert ist. Dann hörte ich gestern im Deutschlanfunk vor 11.00 Uhr, wie ein Experte etwas von dem „Infektionsherd“ Griechenland und der "Ansteckungsgefahr" für andere Länder sagte. Auch in der Folge fiel mir in anderen Nachrichten, Hörfunk und Berichten immer häufiger das Wort „Ansteckungsgefahr“ auf. Ich halte das mittlerweile nicht mehr für einen Zufall. Über drei Wochen lang grassierte in Deutschland die (meiner Meinung nach vollkommen übertriebene) (Todes-)Angst vor der Ansteckung mit EHEC. (siehe meine letzten Beiträge) Jetzt droht die „Ansteckung“ durch das „vergiftete“ Griechenland. Die Ängste haben sich wieder auf die ökonomischen Bereiche verschoben. Gruppenfantasien und Gruppenängste scheinen manchmal zu wandern, von Angstherd zu Angstherd.
Kommen wir zurück zum aktuellen SPIEGEL Nr. 25 vom 20.06.11, der den EURO „Plötzlich und Erwartet“ zu Grabe trägt.
Getreu des letzten Blogbeitrages habe ich den SPIEGEL nach (wie ich fand) relevanten Schlagwörtern und Sätzen in den Titeln und im Dickgedruckten durchsucht. Die gefundenen Wörter unterscheiden sich zu dem, was ich in den beiden vorherigen Ausgaben fand. Angst, Kriegs- und Zerstörungswörter und Gift/Virenstichworte dominieren hier. Ich bin kein Psychoanalytiker. Mir fiel aber in dieser Ausgabe besonders der relativ lange Artikel „Aus einer Leiche geboren“ ab Seite 112 auf. Berichtet wird über eine Frau, die gehirntod im Krankenhaus lag und einige Wochen später einen gesunden Sohn gebar. Der Artikel an sich ist wirklich sehr ergreifend und berührend. Um den Artikel an sich geht es mir weniger. Ich finde nur die Symbolik interessant. Der SPIEGEL trägt den EURO im Titel zu Grabe. Im selben Heft findet sich ein Artikel, wo eine „Tote Mutter“ einen Sohn gebar. Ich wage hier keine Deutungen, möchte aber auf mögliche Zusammenhänge hinweisen.
Hier nun die Schlagwörter:
Aufstand, Sohn, Zerstörung, Anarchie, Schuld, Krieg, Verhungernde, „Angst vor der Größe“, Sterben und Töten, Sorge, Arme Kinder, Blutarme Politik, „Auf Gedeih und Verderb“, Gefahr, Krise, Krise, Flächenbrand, Krisen, Schlimmsten, „Rette sich, wer kann“, Jugend, Mütter, Kinder, „Das Tor der Tränen“, Krieg, Schreckgespenst, Angreifern, „Schwere Geschütze“, Fluchtpunkt, „Sie können nur töten und hoffen“, „Wer die Schlacht will, kann sie haben“, „Eine furchtbar nette Familie“, Kindern, Gewalt, Wut, Gegenwehr, Angriff, letzte Schlacht, vernichtet, Krieg, Bombenangriffe, gekämpft, Kriegsschauplatz, Virenjäger, Killerprogramme, Sohnes, Böses, Virus, Viren, Bedrohung, Viren, tötete, „Aus einer Leiche geboren“, Mutter, „Es regnet Gift“, „Es regnet Geld“, „Loch in der Geschichte“, „Angst treibt uns voran“, Leere, Leidensbericht.
Die Ansteckungsangst geht um in den deutschen Medien. Einige Beispiele:
„Ansteckungsgefahr für unseren Wohlstand“ (Monitor Nr. 621 vom 16.06.2011)
„Es droht Ansteckungsgefahr“ (bild.de)
„Würden die europäischen Länder schockartig Griechenland in die Pleite schicken, würde diese Schockwelle eine Ansteckungsgefahr bedeuten und auch andere Länder in große Schwierigkeiten bringen.“ (Focus, 15.06.11)
Belgien warnt in Griechenland-Krise vor Ansteckung (europeonline-magazine.eu, 19.06.11)
"Angestrebt wird eine begrenzte Beteiligung der privaten Gläubiger, die aber keine Ansteckung (anderer Länder) nach sich zieht." (web.de, 16.06.11)
"über die Angst vor der „Ansteckung“ wenn Griechenland pleiteginge“. (handelsblatt.com, 20.06.11)
"Geht Griechenland pleite, so droht eine Ansteckung der anderen Peripheriestaaten wie Irland, Portugal oder Spanien." (berlinonline.de, bereits am 30. April 11)
Infiziert der »Griechenland-Virus« jetzt auch Bulgarien (Kopp Verlag, 14.06.11)
"Wann springt das Griechenland-Virus über?" (handelsblatt.com, 16.06.11)
Wir werden sehen, wie sich die Ängste weiter entwickeln und wer zuletzt geopfert wird...
Mittwoch, 15. Juni 2011
Gruppenfantasien: Analyse der letzten beiden SPIEGEL Ausgaben.
Nachfolgenden Beitrag muss man im Zusammenhang mit den drei vorherigen Beiträgen lesen und verstehen!
Ich habe mir jetzt mal die Mühe gemacht und die beiden letzten SPIEGEL Ausgaben gründlich nach (emotionalen) Schlüsselwörtern und Wörtern wie Kind etc. durchsucht. Die nachfolgende Auflistung ist chronologisch, sprich vom Heftanfang bis zum Heftende. Die Wörter und Sätze stammen immer aus Titeln, Überschriften, Dickgedrucktem oder Untertiteln bzw. Bildunterschriften (nicht aus dem laufenden Text). Im Grunde müsste man die Ergebnisse mit zwei SPIEGEL Ausgaben aus einem anderen Jahr zum Vergleich heranziehen und schauen, ob solche Worte ganz normale Alltagssprache beim SPIEGEL sind oder eben doch Spitzen aufzeigen, die Rückschlüsse auf aktuelle emotionale Prozesse zulassen. Insofern ist mein Ergebnis natürlich fragwürdig. Trotzdem möchte ich es vorstellen, weil die gefundenen Wörter zu dem passen, was ich in den letzten drei vorherigen Blogbeiträgen ausgeführt habe.
Bei der aktuellen Ausgabe mit dem Titel „Bruder Todfeind“, die ich ja bereits in Zusammenhang mit abgespaltenen Gefühlen/Teilen und Hassliebe gebracht habe, sind mir vor allem auch in ganz anderen Artikeln Andeutungen zu etwas „Doppeltem“, Gegensätzlichen bzw. doppelte Titel wie "x oder Y" aufgefallen, die insofern zum zerrissenen Titelbild passen. Diese Teile habe ich noch einmal dickgedruckt hervorgehoben. Ansonsten fand ich die Titelstory geradezu langweilig, sie bot nichts neues oder außergewöhnliches und hatte zudem wenig mit dem Titel "Bruder Todfeind" zu tun. Vielleicht ist ja aber gerade das wiederum erhellend, dass Titel und Bilder gewählt wurden, die wenig mit dem Text und Inhalt der Story zu tun hatten...
Weiter kommentieren möchte ich meine Ergebnisse nicht. Wie immer finde ich, dass diese Art der Deutung von Medien(bildern) immer auch etwas von eigener Auslese haben kann und insofern anfällig für Fehler und übertriebene Deutungen ist. Die Leser und Leserinnen dieses Blogs mögen sich ihre eigenen Gedanken dazu machen.
DER SPIEGEL, Nr. 23, 06.06.11
Der Feind im Essen. EHEC: Die Geburt einer Seuche.
Hass auf die Deutschen, Jungfrauentest, Sterbehilfe, „Das Röcheln des Sterbenden“, Schizophrene Notwendigkeit, Tod hilft Leben, Militanz, Heer, Zickzackkurs, Stimmentief, Unberechenbar, Todsünde, Katastrophenschutz, Die Angst-Macher, „Auch der Feind hat eine Würde“, Endzeitstimmung, „Im Verdruss vereint“, „Die Stimmung wird kippen“, „Auge um Auge“, „Gefährliches Gewusel“, „Erhöhtes Risiko“, Stresstest, „Meine Mutter hat versagt“, Schweigen, Attacke, Schelte, „Wieder am Abgrund“, Waffen, „Bedeutung von Emotionen“, „Psychologischer Blickwinkel“, „Kinder einer Gedankenschule“, Angriff, Gefahr, „Er hat keinen mehr, der ihn kontrolliert“, Wirtschaftswachstum, „Wir sind sehr emotional“, Krieg oder Frieden, „Gut und Böse sind Kategorien für Kinder“, Krisenkinder, Jugend, Jungfrauen, gefährliche Verbrecherin, kämpfte, Wahnsinn, Katastrophe, „Böses reden, Gutes tun“, „ wie ein Kind, das heute sein Ritalin nicht genommen hat“, „Suche nach dem Verrückten“, lauert, Doktor Freud, Gewissenlos, „Puls der bösen Absichten“, Mozart statt Mamma“, „Neugeborene beruhigen, die aus medizinischen Gründen vorübergehend von ihrer Mutter getrennt werden“, Drogen, Anmerk. EHEC Teil Anfang: Outbreak in Deutschland“, „Infizierter Norden“, „Lauernde Gefahr“, „Ein Erreger für die Demut“, „Wir leben in einem fragilen System“, „Die Jagd wird mysteriöser“, „Entfesselter Erreger“, Anmerk. EHEC Teil Ende, Gier, Alarmzustand, Gestresste, „Verseuchtes Fleisch“, Tiefe, Schlafmittel, „Geraubte Kinder“, „Außen Ehre, innen Leere“, „Tausende Jungen und Mädchen wurden verschleppt“, „an ihrer zerbrochenen Kindheit leiden die meisten noch heute“
DER SPIEGEL, Nr. 24, 11.06.11
Hitler gegen Stalin. Bruder Todfeind
Zerwürfnis, „Leben und Leiden“, „Kunst der zwei Gesichter“, Opfer, „Verbrechen oder Heldentat?“, Verdächtige, Ziele formuliert, Zombies, „Direkt an die Front“, „Allianz des Misstrauens“, „Klima in der Regierung ist vergiftet“, Stimmungswechsel, „Bezahlen müssen wir alle“, „Gute Werte, schlechte Werte“, hasse, „Sehnsucht nach dem Ende“, Leiden, Mädchen, Tochter, Söhnen, „Hast du mich noch lieb?“, Toter Markt, „Wenn ihrem Kind etwas Schlimmes passiert“ (Werbeanzeige mit Bild von Kindern) Wunsch und Wirklichkeit, „Das Leben ist voller Höhen und Tiefen“ (Werbeanzeige), Eltern, Kind, Eltern, Schüler, Tochter, „Kind wird Junge und Mädchen“, Jugend, „Irgendwas kippt gerade“, „Wie behandeln die Deutschen Fremde?“, Verbotenen, Anmerk. jetzt folgt Hitler und Stalin Teil: Bestie, Unmensch, Gemetzel, Sohn, tobt, brüllt, grauenhafte, Kampf an mehreren Fronten, Anmerk. Ende Hitler und Stalin Teil, flüchten, bedroht, Angriff, „Kränkelnde Tochter“, gedroht, Pleite-Macher, Explosive Schlamperei, Verdächtige Millionen, Tödliche Spritze?, „Die Frau ist ein Grund zur Sorge“, „Geld und Truppen“, „Bunker und Kämpfer werden zerrissen“, „Man spürt den Wahnsinn jeden Tag“, Tiefgang, Tod, sterben, „Von Krämpfen geschüttelt, „Wir wollen keine Rache“, „Wie eine Tochter“, Verletzter, „um ihre Jungen kämpft“, „Die verlorenen Töchter“, Mädchen, Eltern, „Bedrohung für ihre Kinder“, Kind, Hauen oder stechen, Mädchen, „Rendite oder Leben“, „Das Drama im Kinderzimmer“, bedrohlich, unberechenbar, „Die Falschen und die Richtigen“, „Das wahre Gesicht der Volksrepublik zeigen“, „Angst ist spürbar“, „Gefährliches Gift“, Jugendsünden, Kindern
Ich habe mir jetzt mal die Mühe gemacht und die beiden letzten SPIEGEL Ausgaben gründlich nach (emotionalen) Schlüsselwörtern und Wörtern wie Kind etc. durchsucht. Die nachfolgende Auflistung ist chronologisch, sprich vom Heftanfang bis zum Heftende. Die Wörter und Sätze stammen immer aus Titeln, Überschriften, Dickgedrucktem oder Untertiteln bzw. Bildunterschriften (nicht aus dem laufenden Text). Im Grunde müsste man die Ergebnisse mit zwei SPIEGEL Ausgaben aus einem anderen Jahr zum Vergleich heranziehen und schauen, ob solche Worte ganz normale Alltagssprache beim SPIEGEL sind oder eben doch Spitzen aufzeigen, die Rückschlüsse auf aktuelle emotionale Prozesse zulassen. Insofern ist mein Ergebnis natürlich fragwürdig. Trotzdem möchte ich es vorstellen, weil die gefundenen Wörter zu dem passen, was ich in den letzten drei vorherigen Blogbeiträgen ausgeführt habe.
Bei der aktuellen Ausgabe mit dem Titel „Bruder Todfeind“, die ich ja bereits in Zusammenhang mit abgespaltenen Gefühlen/Teilen und Hassliebe gebracht habe, sind mir vor allem auch in ganz anderen Artikeln Andeutungen zu etwas „Doppeltem“, Gegensätzlichen bzw. doppelte Titel wie "x oder Y" aufgefallen, die insofern zum zerrissenen Titelbild passen. Diese Teile habe ich noch einmal dickgedruckt hervorgehoben. Ansonsten fand ich die Titelstory geradezu langweilig, sie bot nichts neues oder außergewöhnliches und hatte zudem wenig mit dem Titel "Bruder Todfeind" zu tun. Vielleicht ist ja aber gerade das wiederum erhellend, dass Titel und Bilder gewählt wurden, die wenig mit dem Text und Inhalt der Story zu tun hatten...
Weiter kommentieren möchte ich meine Ergebnisse nicht. Wie immer finde ich, dass diese Art der Deutung von Medien(bildern) immer auch etwas von eigener Auslese haben kann und insofern anfällig für Fehler und übertriebene Deutungen ist. Die Leser und Leserinnen dieses Blogs mögen sich ihre eigenen Gedanken dazu machen.
DER SPIEGEL, Nr. 23, 06.06.11
Der Feind im Essen. EHEC: Die Geburt einer Seuche.
Hass auf die Deutschen, Jungfrauentest, Sterbehilfe, „Das Röcheln des Sterbenden“, Schizophrene Notwendigkeit, Tod hilft Leben, Militanz, Heer, Zickzackkurs, Stimmentief, Unberechenbar, Todsünde, Katastrophenschutz, Die Angst-Macher, „Auch der Feind hat eine Würde“, Endzeitstimmung, „Im Verdruss vereint“, „Die Stimmung wird kippen“, „Auge um Auge“, „Gefährliches Gewusel“, „Erhöhtes Risiko“, Stresstest, „Meine Mutter hat versagt“, Schweigen, Attacke, Schelte, „Wieder am Abgrund“, Waffen, „Bedeutung von Emotionen“, „Psychologischer Blickwinkel“, „Kinder einer Gedankenschule“, Angriff, Gefahr, „Er hat keinen mehr, der ihn kontrolliert“, Wirtschaftswachstum, „Wir sind sehr emotional“, Krieg oder Frieden, „Gut und Böse sind Kategorien für Kinder“, Krisenkinder, Jugend, Jungfrauen, gefährliche Verbrecherin, kämpfte, Wahnsinn, Katastrophe, „Böses reden, Gutes tun“, „ wie ein Kind, das heute sein Ritalin nicht genommen hat“, „Suche nach dem Verrückten“, lauert, Doktor Freud, Gewissenlos, „Puls der bösen Absichten“, Mozart statt Mamma“, „Neugeborene beruhigen, die aus medizinischen Gründen vorübergehend von ihrer Mutter getrennt werden“, Drogen, Anmerk. EHEC Teil Anfang: Outbreak in Deutschland“, „Infizierter Norden“, „Lauernde Gefahr“, „Ein Erreger für die Demut“, „Wir leben in einem fragilen System“, „Die Jagd wird mysteriöser“, „Entfesselter Erreger“, Anmerk. EHEC Teil Ende, Gier, Alarmzustand, Gestresste, „Verseuchtes Fleisch“, Tiefe, Schlafmittel, „Geraubte Kinder“, „Außen Ehre, innen Leere“, „Tausende Jungen und Mädchen wurden verschleppt“, „an ihrer zerbrochenen Kindheit leiden die meisten noch heute“
DER SPIEGEL, Nr. 24, 11.06.11
Hitler gegen Stalin. Bruder Todfeind
Zerwürfnis, „Leben und Leiden“, „Kunst der zwei Gesichter“, Opfer, „Verbrechen oder Heldentat?“, Verdächtige, Ziele formuliert, Zombies, „Direkt an die Front“, „Allianz des Misstrauens“, „Klima in der Regierung ist vergiftet“, Stimmungswechsel, „Bezahlen müssen wir alle“, „Gute Werte, schlechte Werte“, hasse, „Sehnsucht nach dem Ende“, Leiden, Mädchen, Tochter, Söhnen, „Hast du mich noch lieb?“, Toter Markt, „Wenn ihrem Kind etwas Schlimmes passiert“ (Werbeanzeige mit Bild von Kindern) Wunsch und Wirklichkeit, „Das Leben ist voller Höhen und Tiefen“ (Werbeanzeige), Eltern, Kind, Eltern, Schüler, Tochter, „Kind wird Junge und Mädchen“, Jugend, „Irgendwas kippt gerade“, „Wie behandeln die Deutschen Fremde?“, Verbotenen, Anmerk. jetzt folgt Hitler und Stalin Teil: Bestie, Unmensch, Gemetzel, Sohn, tobt, brüllt, grauenhafte, Kampf an mehreren Fronten, Anmerk. Ende Hitler und Stalin Teil, flüchten, bedroht, Angriff, „Kränkelnde Tochter“, gedroht, Pleite-Macher, Explosive Schlamperei, Verdächtige Millionen, Tödliche Spritze?, „Die Frau ist ein Grund zur Sorge“, „Geld und Truppen“, „Bunker und Kämpfer werden zerrissen“, „Man spürt den Wahnsinn jeden Tag“, Tiefgang, Tod, sterben, „Von Krämpfen geschüttelt, „Wir wollen keine Rache“, „Wie eine Tochter“, Verletzter, „um ihre Jungen kämpft“, „Die verlorenen Töchter“, Mädchen, Eltern, „Bedrohung für ihre Kinder“, Kind, Hauen oder stechen, Mädchen, „Rendite oder Leben“, „Das Drama im Kinderzimmer“, bedrohlich, unberechenbar, „Die Falschen und die Richtigen“, „Das wahre Gesicht der Volksrepublik zeigen“, „Angst ist spürbar“, „Gefährliches Gift“, Jugendsünden, Kindern
Samstag, 11. Juni 2011
Gruppenfantasien: Nach dem Feind im Essen jetzt "Bruder Todfeind".
Fast drei Wochen lang verfielen große Teile der Nation in panische Angst vor „dem Feind im Essen“ (siehe die beiden letzten Beiträge von mir).
Die psychohistorische Forschung weist immer wieder auf (wörtliche und echte) Bilder in den Medien hin, die Rückschlüsse auf aktuelle Gruppenfantasien zulassen.
Im letzten Beitrag hatte ich bereits meine Auffassung darüber dargelegt, dass Deutschland aktuell auf der Suche nach einem Feind ist. Lloyd deMause hat in seinen Arbeiten darauf hingewiesen, dass die Feindessuche (aber auch Kriege) vor allem auch in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums beginnt. Derzeit befinden wir uns in so einer ökonomischen Wachstumsphase. Nach deMause drohen in Zeiten von Wachstum und Wohlstand furchteinflößende (psychisch abgespaltene) Erinnerungen aus der Kindheit zurück ins Bewusstsein zu drängen. Diese Erinnerungen müssen abgewehrt werden. Z.B. durch Selbstzerstörung (auch ökonomischer Art) oder durch äußere Feinde.
Der SPIEGEL hat nach seinem letzten Titelthema „Der Feind im Essen“ mit der jetzt neuen Ausgabe noch mal in eine sehr interessante Richtung nachgelegt. „Bruder Todfeind“ lautet der Titel, womit gleich in zwei Ausgaben hintereinander das Wort „Feind“ groß im Titel zu lesen ist. Zu sehen sind die „Brüder“ Hitler und Stalin, beide Körper überlappen sich im Bild (gehören also irgendwie zusammen), allerdings stehen sie quasi Rücken an Rücken (ineinander), die Köpfe schauen jeweils in die entgegengesetzte Richtung. Solche und ähnliche Bilder gibt es immer wieder auch von einzelnen Führungspersonen, siehe z.B. ein Bild von Präsident Bush: Diese Bilder wie auch das aktuelle SPIGEL Titelbild geben Hinweise darauf, dass emotionale Prozesse in Gange sind, die etwas mit dem psychischen Phänomen der Abspaltung zu tun haben. Dass solche Bilder ihren Weg in die großen Medien finden, verwundert insofern nicht, wenn man darum weiß, dass NICHT geschlagene und vernachlässigte Kinder auch in Deutschland nicht die Regeln, sondern die Ausnahme sind. Insofern mussten die meisten heutigen Erwachsenen in ihrer Kindheit mal mehr mal weniger schwere Gewalterfahrungen und entsprechende Gefühle abspalten. Diese abgespaltenen Teile der Einzelnen können sich in bestimmten gesellschaftlichen Phasen zu einer Gruppenfantasie zusammenfinden und ihren Ausdruck auf der gesellschaftlichen Bühne finden.
Der Titel "Bruder Todfeind" hat zudem etwas mit Hassliebe zu tun. Gefühle von Hassliebe sind typisch für misshandelte Kinder, die ihre Eltern natürlich lieben wollen und auf eine Art auch lieben müssen, um psychisch zu überleben und auf der anderen Seite ihre Eltern abgrundtief für das hassen, was sie ihnen an Gewalt und Entbehrungen antun, diesen Hass aber nicht zeigen dürfen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir aktuell eine starke Phase vorfinden, was solche Gruppenfantasien angeht. Auch in anderen Kontexten als EHEC sind die deutschen Medien seit einiger Zeit merkbar mit Angst- und Kriegswörtern überhäuft. Da Deutschland auf Grund seiner Entwicklung allerding eher unwahrscheinlich einen äußeren Feind finden und bekämpfen wird, ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sich der unterdrückte Hass und die Angst wieder nach innen richten wird. Denkbar wäre z.B. ein Promineter oder ein Politiker, den man öffentlich fertig machen und opfern kann. Auch bestimmte Gruppen wie Ausländer oder sozial Schwache könnten potentielle Opfer sein. Dazu kommen Möglichkeiten, die ökonomische Entwicklung zu stoppen und ökonomische "Opfer" zu bringen. Entsprechend werde ich die Entwicklungen der nächsten Wochen und Monate aufmerksam verfolgen.
Übrigens: Wenn man auch darum weiß, dass die Kindheiten der beiden "Brüder" Stalin und Hitler erhebliche Parallelen aufweisen, ist der aktuelle SPIEGEL Titel auf eine Art in der Tiefe noch mal aufschlussreicher.
Die psychohistorische Forschung weist immer wieder auf (wörtliche und echte) Bilder in den Medien hin, die Rückschlüsse auf aktuelle Gruppenfantasien zulassen.
Im letzten Beitrag hatte ich bereits meine Auffassung darüber dargelegt, dass Deutschland aktuell auf der Suche nach einem Feind ist. Lloyd deMause hat in seinen Arbeiten darauf hingewiesen, dass die Feindessuche (aber auch Kriege) vor allem auch in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums beginnt. Derzeit befinden wir uns in so einer ökonomischen Wachstumsphase. Nach deMause drohen in Zeiten von Wachstum und Wohlstand furchteinflößende (psychisch abgespaltene) Erinnerungen aus der Kindheit zurück ins Bewusstsein zu drängen. Diese Erinnerungen müssen abgewehrt werden. Z.B. durch Selbstzerstörung (auch ökonomischer Art) oder durch äußere Feinde.
Der SPIEGEL hat nach seinem letzten Titelthema „Der Feind im Essen“ mit der jetzt neuen Ausgabe noch mal in eine sehr interessante Richtung nachgelegt. „Bruder Todfeind“ lautet der Titel, womit gleich in zwei Ausgaben hintereinander das Wort „Feind“ groß im Titel zu lesen ist. Zu sehen sind die „Brüder“ Hitler und Stalin, beide Körper überlappen sich im Bild (gehören also irgendwie zusammen), allerdings stehen sie quasi Rücken an Rücken (ineinander), die Köpfe schauen jeweils in die entgegengesetzte Richtung. Solche und ähnliche Bilder gibt es immer wieder auch von einzelnen Führungspersonen, siehe z.B. ein Bild von Präsident Bush: Diese Bilder wie auch das aktuelle SPIGEL Titelbild geben Hinweise darauf, dass emotionale Prozesse in Gange sind, die etwas mit dem psychischen Phänomen der Abspaltung zu tun haben. Dass solche Bilder ihren Weg in die großen Medien finden, verwundert insofern nicht, wenn man darum weiß, dass NICHT geschlagene und vernachlässigte Kinder auch in Deutschland nicht die Regeln, sondern die Ausnahme sind. Insofern mussten die meisten heutigen Erwachsenen in ihrer Kindheit mal mehr mal weniger schwere Gewalterfahrungen und entsprechende Gefühle abspalten. Diese abgespaltenen Teile der Einzelnen können sich in bestimmten gesellschaftlichen Phasen zu einer Gruppenfantasie zusammenfinden und ihren Ausdruck auf der gesellschaftlichen Bühne finden.
Der Titel "Bruder Todfeind" hat zudem etwas mit Hassliebe zu tun. Gefühle von Hassliebe sind typisch für misshandelte Kinder, die ihre Eltern natürlich lieben wollen und auf eine Art auch lieben müssen, um psychisch zu überleben und auf der anderen Seite ihre Eltern abgrundtief für das hassen, was sie ihnen an Gewalt und Entbehrungen antun, diesen Hass aber nicht zeigen dürfen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir aktuell eine starke Phase vorfinden, was solche Gruppenfantasien angeht. Auch in anderen Kontexten als EHEC sind die deutschen Medien seit einiger Zeit merkbar mit Angst- und Kriegswörtern überhäuft. Da Deutschland auf Grund seiner Entwicklung allerding eher unwahrscheinlich einen äußeren Feind finden und bekämpfen wird, ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sich der unterdrückte Hass und die Angst wieder nach innen richten wird. Denkbar wäre z.B. ein Promineter oder ein Politiker, den man öffentlich fertig machen und opfern kann. Auch bestimmte Gruppen wie Ausländer oder sozial Schwache könnten potentielle Opfer sein. Dazu kommen Möglichkeiten, die ökonomische Entwicklung zu stoppen und ökonomische "Opfer" zu bringen. Entsprechend werde ich die Entwicklungen der nächsten Wochen und Monate aufmerksam verfolgen.
Übrigens: Wenn man auch darum weiß, dass die Kindheiten der beiden "Brüder" Stalin und Hitler erhebliche Parallelen aufweisen, ist der aktuelle SPIEGEL Titel auf eine Art in der Tiefe noch mal aufschlussreicher.
Sonntag, 5. Juni 2011
Aha-Erlebnis: EHEC und „Der Feind im Essen“ die Zweite
Heute hatte ich ein wirkliches AHA-Erlebnis! An der Tankstelle leuchtete mir die Titelstory des aktuellen SPIEGEL entgegen. In übermäßig großen Buchstaben steht dort nur:
„Der Feind im Essen"
Ich muss gestehen, dass ich mich für eine Sekunde richtig erschreckt habe. Mir ist es richtig in die Glieder gefahren. Ich bin zwar sehr selbstbewusst, aber weiß auch um meine Schwächen und Fehler. Mir ist klar, dass ich irren kann oder im Eifer sogar – trotz allen Hinterfragens – manchmal echten Blödsinn sagen und schreiben kann. Als ich diese Titelzeilen las, dachte ich nur: „Sven, Du hattest recht mit deinem aktuellen Beitrag und Gedanken zur EHEC Panik… ach herrje.“ Es geht wirklich um die Suche nach einem neuen Feind! Mein nächster Gedanke war: „Wie kann man als SPIEGEL Redaktion so dumm sein, den Titel „Der Feind im Essen“ zu nennen, nachdem ich doch einige Tage vorher genau bzgl. solcher und ähnlicher Titel meine Kritik geäußert hatte. Ach ja, mein Blog wird ja nicht wirklich viel gelesen“, also im Verhältnis zum SPIEGEL :-), fiel mir dann natürlich gleich wieder ein…
DER SPIEGEL und SPIEGEL-Online sind beide im Grunde DIE Medien in Deutschland, die nicht nur immer wieder aktuelle emotionale Prozesse und Gruppenfantasien manchmal geradezu in Reinform aufzeigen und abbilden, sondern diese auch in erheblichem Maße mit anschieben, da sie Leitfunktionen inne haben.
Innerhalb der Printausgabe zum Titelthema liest man dann noch weitere Über- und Unterschriften in der Art wie „Outbreak in Deutschland“, „Infizierter Norden“, „Lauernde Gefahr“, „Ein Erreger für die Demut“, „Wir leben in einem fragilen System“, „Die Jagd wird mysteriöser“, „Entfesselter Erreger“.
Unter dem Titelbild ist zudem zu lesen: "EHEC: Die Geburt einer neunen Seuche" Das Wort Geburt ist in diesem Zusammenhang sicherlich kein Zufall, es hat mit Säuglingsein, Mutter und womöglich mit dem zu tun, was Lloyd deMause "fötales Drama" nennt.
Emotional ist zur Zeit einiges los in Deutschland, parallel dazu eskaliert der NATO-Krieg in Libyen (bei dem sich Deutschland raus gehalten hat und somit auch ein mögliches, klares Feindbild aufgegeben hat ) und wird jetzt auch mit Kampfhubschraubern geführt. Die aktuellen Prozesse sind erschreckend und ich werde weiter aufmerksam beobachten, was sich tut.
Darüberhinaus möchte ich anmerken, dass es mir für die von EHEC und HUS Betroffenen wirklich leid tut. Für diese Menschen ist dieser Keim wirklich eine reale Bedrohung. (Auch bin Laden war ein realer Terrorist und eine reale Bedrohung.) Allerdings analysiere ich hier absolut übertriebene und destruktive (manchesmal sogar mörderische) Reaktionen auf Gefahren oder inszenierte Gefahren und emotionale Prozesse, die einen Faden zu destruktiven Kindheitserfahrungen spannen. Darum geht es mir hier.
Nachtrag vom 06.06.11: Auf SPIEGEL-Online ist zu lesen: "Deutschlands oberster Ehec-Manager Daniel Bahr jagt erfolglos nach dem Feind im Essen."
Nachtrag vom 07.06.11: In der Tat legen andere Medien jetzt getreu der SPIEGEL-Titelüberschrift nach: "Der Feind in der Nahrung kommt auch aus der Natur" schreibt ZEIT-Online (in einem auch inhaltlich ganz furchtbaren Artikel).
„Der Feind im Essen"
Ich muss gestehen, dass ich mich für eine Sekunde richtig erschreckt habe. Mir ist es richtig in die Glieder gefahren. Ich bin zwar sehr selbstbewusst, aber weiß auch um meine Schwächen und Fehler. Mir ist klar, dass ich irren kann oder im Eifer sogar – trotz allen Hinterfragens – manchmal echten Blödsinn sagen und schreiben kann. Als ich diese Titelzeilen las, dachte ich nur: „Sven, Du hattest recht mit deinem aktuellen Beitrag und Gedanken zur EHEC Panik… ach herrje.“ Es geht wirklich um die Suche nach einem neuen Feind! Mein nächster Gedanke war: „Wie kann man als SPIEGEL Redaktion so dumm sein, den Titel „Der Feind im Essen“ zu nennen, nachdem ich doch einige Tage vorher genau bzgl. solcher und ähnlicher Titel meine Kritik geäußert hatte. Ach ja, mein Blog wird ja nicht wirklich viel gelesen“, also im Verhältnis zum SPIEGEL :-), fiel mir dann natürlich gleich wieder ein…
DER SPIEGEL und SPIEGEL-Online sind beide im Grunde DIE Medien in Deutschland, die nicht nur immer wieder aktuelle emotionale Prozesse und Gruppenfantasien manchmal geradezu in Reinform aufzeigen und abbilden, sondern diese auch in erheblichem Maße mit anschieben, da sie Leitfunktionen inne haben.
Innerhalb der Printausgabe zum Titelthema liest man dann noch weitere Über- und Unterschriften in der Art wie „Outbreak in Deutschland“, „Infizierter Norden“, „Lauernde Gefahr“, „Ein Erreger für die Demut“, „Wir leben in einem fragilen System“, „Die Jagd wird mysteriöser“, „Entfesselter Erreger“.
Unter dem Titelbild ist zudem zu lesen: "EHEC: Die Geburt einer neunen Seuche" Das Wort Geburt ist in diesem Zusammenhang sicherlich kein Zufall, es hat mit Säuglingsein, Mutter und womöglich mit dem zu tun, was Lloyd deMause "fötales Drama" nennt.
Emotional ist zur Zeit einiges los in Deutschland, parallel dazu eskaliert der NATO-Krieg in Libyen (bei dem sich Deutschland raus gehalten hat und somit auch ein mögliches, klares Feindbild aufgegeben hat ) und wird jetzt auch mit Kampfhubschraubern geführt. Die aktuellen Prozesse sind erschreckend und ich werde weiter aufmerksam beobachten, was sich tut.
Darüberhinaus möchte ich anmerken, dass es mir für die von EHEC und HUS Betroffenen wirklich leid tut. Für diese Menschen ist dieser Keim wirklich eine reale Bedrohung. (Auch bin Laden war ein realer Terrorist und eine reale Bedrohung.) Allerdings analysiere ich hier absolut übertriebene und destruktive (manchesmal sogar mörderische) Reaktionen auf Gefahren oder inszenierte Gefahren und emotionale Prozesse, die einen Faden zu destruktiven Kindheitserfahrungen spannen. Darum geht es mir hier.
Nachtrag vom 06.06.11: Auf SPIEGEL-Online ist zu lesen: "Deutschlands oberster Ehec-Manager Daniel Bahr jagt erfolglos nach dem Feind im Essen."
Nachtrag vom 07.06.11: In der Tat legen andere Medien jetzt getreu der SPIEGEL-Titelüberschrift nach: "Der Feind in der Nahrung kommt auch aus der Natur" schreibt ZEIT-Online (in einem auch inhaltlich ganz furchtbaren Artikel).
Donnerstag, 26. Mai 2011
Der aktuelle Feind ist ein Keim namens EHEC
Ein Bekannter hat mir einen Artikel in den Lübecker Nachrichten (eine der größten Tageszeitungen in Schleswig-Holstein) vom 24.05.2011 zukommen lassen. Auf der kompletten Seite 3 befasst sich der Artikel mit dem EHEC-Bakterium. Über dem Artikel prangt in dicker, großer Schrift: „Der Feind in unserem Essen“. In den ebenfalls dick gedruckten zwei einleitenden Sätzen liest man dann von unserm Essen, dass durch Keime „vergiftet“ wäre, die aber nie ganz „auszurotten“ seien. "Der halb enttarnte Feind EHEC. RKI warnt vor norddeutschem Gemüse" schrieben die Potsdamer Neuste Nachrichten am 26.05.11. Eine ähnlich starke Sprachwahl fand ich bisher z.B. bei Bild.de, da war heute von „Horror-Keimen“ und „Killer-Keim“ die Rede. Die Hamburger Morgenpost schrieb gar etwas von "Killer-Gurken". Nett sind auch Formulierungen wie "Darmkeim EHEC wütet aggressiv in Deutschland" in den Ruhrnachrichten oder "Ich werde wie ein Mörder behandelt, weil ich Gurken verkaufe" auf SPIEGEL-Online. Nachtrag vom 27.05.: SPIEGEL-Online schrieb bzgl. dem Ehec-Erreger einen Artikel unter dem Titel "Gift im Blut". (siehe zum Thema "Gift" u.a. auch hier) Nachtrag vom 30.05.: Am 29.05 lief zwischen 18 und 20 Uhr auf dem Radiosender NDR1 Welle Nord eine Sondersendung ("Zur Sache") zum Thema EHEC mit drei geladenen Experten. Kurz vor 20 Uhr (zur besten Sendezeit) hörte ich zufällig kurz die Schlussworte eines der Experten. In Etwa sagte er: "In ein bis zwei Wochen werden wir wissen, wo der Feind steht." Er bezog sich damit darauf, dass die genaue Quelle des Erregers noch immer unklar ist.
Siehe ergänzend unbedingt auch "Aha-Erlebnis: EHEC und „Der Feind im Essen“ die Zweite"
Die gesamte Medienlandschaft durchzieht die Angst vor den Keimen, überall ist dies derzeit Top-Thema. Es war ja auch wieder mal eine ganze Weile ruhig. Nirgends ist derzeit eine Bedrohung oder ein Feind zu finden. Terrorwarnungen sind gerade kein Thema, bin Laden ist tot, Libyen ist weit weg, die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gut, Afghanistan schon fast vergessen…usw.
Da braucht es „Den Feind in unserem Essen“, etwas, vor dem wir mal wieder furchtbare Angst haben sollen, eine unkontrollierbare Bedrohung. Im Dezember 2009 hatte ich einen Beitrag über den „Schweinegrippewahn“ geschrieben. Da werden jetzt wieder Erinnerungen wach.
Laut o.g. LN Bericht erkrankten in den letzten Jahren jährlich ca. 830 bis zu 1180 Menschen an EHEC. Ungewöhnlich ist dieses Krankheitsbild also nicht, allerdings ist der Verlauf aktuell nach den Berichten ungewöhnlich schwer und es gibt viele Fälle in einem kurzen Zeitraum (bis heute sollen es ca. 600 Fälle sein).
Interessantes fand ich auf den Seiten des Robert Koch Institutes. Dort steht: „In den letzten Jahren ist die Zahl der nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtigen Durchfallerkrankungen, hervorgerufen durch Viren, Bakterien und Protozoen, von 251.000 im Jahr 2002 auf 353.000 im Jahr 2009 gestiegen.“
Mal ehrlich, hat das jemand bisher gewusst oder sich dafür interessiert? Hat ein Mensch vor den aktuellen Nachrichten mehr Angst gehabt, eine Durchfallerkrrankung zu bekommen (immerhin sind 2009 über 40 % Fälle mehr registriert worden, als 2002) als noch vor einigen Jahren? Wohl kaum. Bisher fand ich keine Zahlen über durchschnittliche Todesopfer in Deutschland, die mit Durchfallerkrankungen zusammenhängen. Sicherlich sind Todesfälle auf Grund dieses Krankheitsbildes relativ normal.
Das Leben ist lebensgefährlich und wir müssen mit vielerlei Risiken leben. Die Wahrscheinlichkeit, an EHEC zu sterben oder scher krank zu werden ist im Vergleich zu allen anderen möglichen Gefahren relativ gering. (Im Jahr 2006 starben in Deutschland z.B. 606 Menschen durch einen Badeunfall, was zu keiner panikartigen Vermeidung von Badeausflügen führte... Allein die schwerste saisonale Grippewelle der vergangenen Jahre kostete 1995/96 in Deutschland rund 30.000 Menschen das Leben, durchschnittliche Influenzawellen verursachen 5.000 bis 8.000 Todesfälle in Deutschland pro Jahr. vgl. Ecomed Medizin) Trotzdem schieben die Medien und die Menschen jetzt Panik. Laut einem Bericht in "Medizin Aspekte" sind übrigens 64,4 % der Todesfälle in Deutschland auch auf Fehlernährung zurückzuführen. Die Menschen sterben also nicht dadurch massenhaft, dass sie Gemüse essen, sondern gerade weil sie es nicht essen und stattdessen zu Fastfood, Süßigkeiten, übermäßig Fleisch und Alkohol greifen.
Die künstliche Aufregung geht so weit, dass derzeit sogar überall ganz offensichtliche Falschinformationen im Umlauf sind. Aktuell wird vor norddeutschen Tomaten gewarnt. Hallo! Wir haben Ende Mai, es gibt noch gar keine norddeutschen Tomaten! Auch vor norddeutschen Gurken wird gewarnt. Diese kommen um diese Jahreszeit allerdings noch aus Gewächshäusern. Und überhaupt, wer erklärt mir bitteschön, warum millionen Deutsche bisher nicht an EHEC erkrankt sind, obwohl sie in den letzten Tagen und Wochen millionenfach Salat und Gurken gegessen haben? Ganz nebenbei: Gülle und Mist direkt auf Gemüse auszubringen, ist mittelalterlich und unüblich.
Nein, da wird allerleih Unfug und Panik verbreitet. Aber darum geht es wohl auch, die Menschen wollen/sollen mal wieder Angst haben, vor einem „Feind“. Wenn es demnächst nicht mehr das Gemüse ist, dann vielleicht der Nachfolger von bin Laden oder sonst ein Bösewicht, den wir dann militärisch bekämpfen müssen.
Anhang:
Folgende von mir beispielhaft ausgewählte Googel-Suchbegriffe haben Leute u.a. eingegeben, die dann auf diesen Text in meinem Blog gestoßen sind...:
"EHEC, oder wie ein Volk vergiftet wird"
"Ehec auf deutschland verschüttet, von unseren feinden?"
"Sind die killergurken ein attentat?"
"Angst habe gurken gegessen"
"Gurke gegessen angst"
"EHEC sterben wir aus"
"EHEC-Infektion ODER kriegsführung"
"Werden jetz alle krank die in den letzten tagen gurken gegessen haben"
"Wahrscheinlichkeit durch ehec zu sterben"
----------------------------------------------------------------
Siehe zum Thema auch abschließend "Rückblick auf EHEC"
Siehe ergänzend unbedingt auch "Aha-Erlebnis: EHEC und „Der Feind im Essen“ die Zweite"
Die gesamte Medienlandschaft durchzieht die Angst vor den Keimen, überall ist dies derzeit Top-Thema. Es war ja auch wieder mal eine ganze Weile ruhig. Nirgends ist derzeit eine Bedrohung oder ein Feind zu finden. Terrorwarnungen sind gerade kein Thema, bin Laden ist tot, Libyen ist weit weg, die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gut, Afghanistan schon fast vergessen…usw.
Da braucht es „Den Feind in unserem Essen“, etwas, vor dem wir mal wieder furchtbare Angst haben sollen, eine unkontrollierbare Bedrohung. Im Dezember 2009 hatte ich einen Beitrag über den „Schweinegrippewahn“ geschrieben. Da werden jetzt wieder Erinnerungen wach.
Laut o.g. LN Bericht erkrankten in den letzten Jahren jährlich ca. 830 bis zu 1180 Menschen an EHEC. Ungewöhnlich ist dieses Krankheitsbild also nicht, allerdings ist der Verlauf aktuell nach den Berichten ungewöhnlich schwer und es gibt viele Fälle in einem kurzen Zeitraum (bis heute sollen es ca. 600 Fälle sein).
Interessantes fand ich auf den Seiten des Robert Koch Institutes. Dort steht: „In den letzten Jahren ist die Zahl der nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtigen Durchfallerkrankungen, hervorgerufen durch Viren, Bakterien und Protozoen, von 251.000 im Jahr 2002 auf 353.000 im Jahr 2009 gestiegen.“
Mal ehrlich, hat das jemand bisher gewusst oder sich dafür interessiert? Hat ein Mensch vor den aktuellen Nachrichten mehr Angst gehabt, eine Durchfallerkrrankung zu bekommen (immerhin sind 2009 über 40 % Fälle mehr registriert worden, als 2002) als noch vor einigen Jahren? Wohl kaum. Bisher fand ich keine Zahlen über durchschnittliche Todesopfer in Deutschland, die mit Durchfallerkrankungen zusammenhängen. Sicherlich sind Todesfälle auf Grund dieses Krankheitsbildes relativ normal.
Das Leben ist lebensgefährlich und wir müssen mit vielerlei Risiken leben. Die Wahrscheinlichkeit, an EHEC zu sterben oder scher krank zu werden ist im Vergleich zu allen anderen möglichen Gefahren relativ gering. (Im Jahr 2006 starben in Deutschland z.B. 606 Menschen durch einen Badeunfall, was zu keiner panikartigen Vermeidung von Badeausflügen führte... Allein die schwerste saisonale Grippewelle der vergangenen Jahre kostete 1995/96 in Deutschland rund 30.000 Menschen das Leben, durchschnittliche Influenzawellen verursachen 5.000 bis 8.000 Todesfälle in Deutschland pro Jahr. vgl. Ecomed Medizin) Trotzdem schieben die Medien und die Menschen jetzt Panik. Laut einem Bericht in "Medizin Aspekte" sind übrigens 64,4 % der Todesfälle in Deutschland auch auf Fehlernährung zurückzuführen. Die Menschen sterben also nicht dadurch massenhaft, dass sie Gemüse essen, sondern gerade weil sie es nicht essen und stattdessen zu Fastfood, Süßigkeiten, übermäßig Fleisch und Alkohol greifen.
Die künstliche Aufregung geht so weit, dass derzeit sogar überall ganz offensichtliche Falschinformationen im Umlauf sind. Aktuell wird vor norddeutschen Tomaten gewarnt. Hallo! Wir haben Ende Mai, es gibt noch gar keine norddeutschen Tomaten! Auch vor norddeutschen Gurken wird gewarnt. Diese kommen um diese Jahreszeit allerdings noch aus Gewächshäusern. Und überhaupt, wer erklärt mir bitteschön, warum millionen Deutsche bisher nicht an EHEC erkrankt sind, obwohl sie in den letzten Tagen und Wochen millionenfach Salat und Gurken gegessen haben? Ganz nebenbei: Gülle und Mist direkt auf Gemüse auszubringen, ist mittelalterlich und unüblich.
Nein, da wird allerleih Unfug und Panik verbreitet. Aber darum geht es wohl auch, die Menschen wollen/sollen mal wieder Angst haben, vor einem „Feind“. Wenn es demnächst nicht mehr das Gemüse ist, dann vielleicht der Nachfolger von bin Laden oder sonst ein Bösewicht, den wir dann militärisch bekämpfen müssen.
Anhang:
Folgende von mir beispielhaft ausgewählte Googel-Suchbegriffe haben Leute u.a. eingegeben, die dann auf diesen Text in meinem Blog gestoßen sind...:
"EHEC, oder wie ein Volk vergiftet wird"
"Ehec auf deutschland verschüttet, von unseren feinden?"
"Sind die killergurken ein attentat?"
"Angst habe gurken gegessen"
"Gurke gegessen angst"
"EHEC sterben wir aus"
"EHEC-Infektion ODER kriegsführung"
"Werden jetz alle krank die in den letzten tagen gurken gegessen haben"
"Wahrscheinlichkeit durch ehec zu sterben"
----------------------------------------------------------------
Siehe zum Thema auch abschließend "Rückblick auf EHEC"
Dienstag, 24. Mai 2011
Sexualtäter, mangelnde Empathie, innere Ohnmacht und große politische Macht
Alice Schwarzer hat aktuell in ihrem Blog etwas zum Fall Dominique Strauss-Kahn geschrieben. Am Ende ihres Beitrages stellt sie die Fragen:
„Was bedeutet das eigentlich für uns, wenn Männer mit einem solchen Frauen- bzw. Menschenbild unsere Welt regieren? Was bedeutet es für ihre Motive, ihre Politik, ihre Entscheidungen? Und was heißt das, wenn Parteien und Medien das Sagen haben, die solche Männer an die Spitze hieven – und ihre ganze Energie damit verbringen, wegzusehen, zu leugnen, zu ignorieren?“
Mit diesen Fragen berührt sie einen Punkt, der mich auch umtreibt. Sollten sich die Vorwürfe (orale und anale Vergewaltigung einer jungen Frau, Versuch einer vaginal Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) gegen Strauss-Kahn im Verlauf des Gerichtsprozesses als wahr erweisen – wofür es laut Medienberichten bereits einige sehr ernste Hinweise gibt –, dann sagt diese Tat sehr viel über seinen Grundcharakter aus. Als Chef des Internationalen Währungsfonds, aber auch in seiner vorherigen Laufbahn verfügte Strauss-Kahn über erhebliche Macht und konnte maßgeblich internationale politische und ökomische Entscheidungen mit tragen und ins Rollen bringen. Ich selbst kannte den Namen Strauss-Kahn vor den aktuellen Ereignissen nicht und habe seinen politischen Weg nicht verfolgt. Falls Strauss-Kahn ein Vergewaltiger ist, dann muss allerdings auch sein politisches Handeln destruktive Züge getragen haben. Jemand, der eine solche charakterliche Grundstruktur aufweist, wird politisch kein Friedensbringer sein können oder ökonomische Entscheidungen auch emotional bzw. emphatisch ausloten. Jemand, der vergewaltigt, kann auch mitleidlos Entscheidungen treffen, die für ärmere und schwache Regionen ggf. fatale Folgen haben, ohne sich dabei schlecht zu fühlen. Vielleicht fühlt sich so jemand sogar besonders „glücklich“, „lustvoll berührt“,„stark“ und „übermächtig“, wenn er andere Menschen durch seine Entscheidungen ökonomisch „opfern“ kann.
Der Tätertherapeut Gail Ryan hat geschrieben: „Viele Sexualtäter sind als Kinder selbst (physisch, sexuell und/oder emotional) misshandelt worden. Soweit sie Opfer sexueller Übergriffe waren, muten ihre Delikte gelegentlich wie Neuauflagen der eigenen frühen Viktimisierung an." (Ryan, G. 2002: Der Sexualtäter. In: Helfer, M. E. / Kempe, R. S. / Krugman, R. D. (Hrsg,): Das misshandelte Kind. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., S. 491) und weiter:
„Im Laufe der Zeit ist deutlich geworden, dass Sexualtäter in allererster Linie „Miss-Braucher“ sind und dass ihr miss-brauchendes und ausnutzendes Verhalten für sie die „Lösung“ eines ihr Leben beherrschenden persönliches Dilemmas darstellt. Dieses Dilemma ist durch ein Gefühl der Hilflosigkeit gekennzeichnet, durch die Unfähigkeit, mit den Dingen zurechtzukommen, ihr Leben selbst zu steuern und sich entsprechend kompetent und sicher zu fühlen. In der Literatur werden Sexualdelikte eher mit dem Konzept der „Macht“ in Verbindung gebracht als mit der Sexualität. Dabei müssen wir uns allerdings darüber im Klaren sein, dass es nicht etwa Machtmenschen sind, die solche Handlungen begehen. Der Missbraucher ist seinerseits ein Produkt der Verletzlichkeit, genauer gesagt, ein Produkt der Machtlosigkeit.“
Menschen mögen noch so mächtige Positionen inne haben, trotzdem können sie sich dabei innerlich ganz klein, ohnmächtig und hilflos fühlen. Ich würde sogar behaupten, dass vermehrt gerade Menschen, die als Kind erhebliche Gewalt-/Ohnmachtserfahrungen gemacht haben, in Politik und Wirtschaft an die Macht drängen, um ihren inneren Konflikt zu „lösen“, sich „sicher“ zu fühlen und ihrerseits Macht zu missbrauchen.
Mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft sind laut Ryan typisch für Sexualstraftäter (so ist es weiter in seinem Text zu lesen). Große politische Macht und „mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft“…diese Kombination kann fatale Folgen haben, nicht nur für das einzelne Vergewaltigungsopfer, sondern für ganze Gruppen oder Gesellschaften, auf die das politische Verhalten des Akteurs einwirkt.
Auch Israels ehemaliger Staatspräsident Mosche Katzav war ca. 7 Jahre lang der mächtigste Mann in seinem Land. Katzav war Ende Dezember 2010 der Vergewaltigung einer Mitarbeiterin in zwei Fällen, der sexuellen Belästigung in weiteren Fällen sowie der Behinderung der Justiz für schuldig befunden worden und wurde am 22. März 2011 zu sieben Jahre Haft sowie zwei Jahre Bewährungsstrafe verurteilt. Auch dieser „Machtmann“ brauchte ganz offensichtlich Opfer, um sich „gut“ zu fühlen. Was das für seine politischen Entscheidungen bedeutete, wie viele Menschen er dadurch evtl. opferte, müsste im Rückblick genauer analysiert werden.
Abschließend bleibt mir noch anzumerken, dass es auch heute etliche westliche, demokratische Entscheidungsträger gibt, die ohne einen Hauch von Mitgefühl Entscheidungen treffen, die etlichen Menschen das Leben kosten (siehe derzeit z.B. den westlichen Einsatz in Libyen) oder die auch anderweitig fatale Folgen für das Leben von vielen Menschen haben. Diese Entscheidungsträger werden allerdings i.d.R. niemals auf einer Anklagebank landen, da ihre Handlungen als „zweckrationale Sachentscheidungen“ gewertet werden, wenn auch vielleicht mit „Irrtümern“ behaftet. Erst wenn diese Menschen direkt gegenüber Einzelpersonen handgreiflich werden und Menschen treffen, die unserer Rechtssprechung unterliegen, werden sie manchmal, oder besser gesagt ganz selten abgestraft. Als Kriegsherren können sie dagegen bedenkenlos Mord und auch Vergewaltigungen in Auftrag geben, dafür gibt es dann kein Gefängnis, sondern oftmals sogar noch Anerkennung.
„Was bedeutet das eigentlich für uns, wenn Männer mit einem solchen Frauen- bzw. Menschenbild unsere Welt regieren? Was bedeutet es für ihre Motive, ihre Politik, ihre Entscheidungen? Und was heißt das, wenn Parteien und Medien das Sagen haben, die solche Männer an die Spitze hieven – und ihre ganze Energie damit verbringen, wegzusehen, zu leugnen, zu ignorieren?“
Mit diesen Fragen berührt sie einen Punkt, der mich auch umtreibt. Sollten sich die Vorwürfe (orale und anale Vergewaltigung einer jungen Frau, Versuch einer vaginal Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) gegen Strauss-Kahn im Verlauf des Gerichtsprozesses als wahr erweisen – wofür es laut Medienberichten bereits einige sehr ernste Hinweise gibt –, dann sagt diese Tat sehr viel über seinen Grundcharakter aus. Als Chef des Internationalen Währungsfonds, aber auch in seiner vorherigen Laufbahn verfügte Strauss-Kahn über erhebliche Macht und konnte maßgeblich internationale politische und ökomische Entscheidungen mit tragen und ins Rollen bringen. Ich selbst kannte den Namen Strauss-Kahn vor den aktuellen Ereignissen nicht und habe seinen politischen Weg nicht verfolgt. Falls Strauss-Kahn ein Vergewaltiger ist, dann muss allerdings auch sein politisches Handeln destruktive Züge getragen haben. Jemand, der eine solche charakterliche Grundstruktur aufweist, wird politisch kein Friedensbringer sein können oder ökonomische Entscheidungen auch emotional bzw. emphatisch ausloten. Jemand, der vergewaltigt, kann auch mitleidlos Entscheidungen treffen, die für ärmere und schwache Regionen ggf. fatale Folgen haben, ohne sich dabei schlecht zu fühlen. Vielleicht fühlt sich so jemand sogar besonders „glücklich“, „lustvoll berührt“,„stark“ und „übermächtig“, wenn er andere Menschen durch seine Entscheidungen ökonomisch „opfern“ kann.
Der Tätertherapeut Gail Ryan hat geschrieben: „Viele Sexualtäter sind als Kinder selbst (physisch, sexuell und/oder emotional) misshandelt worden. Soweit sie Opfer sexueller Übergriffe waren, muten ihre Delikte gelegentlich wie Neuauflagen der eigenen frühen Viktimisierung an." (Ryan, G. 2002: Der Sexualtäter. In: Helfer, M. E. / Kempe, R. S. / Krugman, R. D. (Hrsg,): Das misshandelte Kind. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., S. 491) und weiter:
„Im Laufe der Zeit ist deutlich geworden, dass Sexualtäter in allererster Linie „Miss-Braucher“ sind und dass ihr miss-brauchendes und ausnutzendes Verhalten für sie die „Lösung“ eines ihr Leben beherrschenden persönliches Dilemmas darstellt. Dieses Dilemma ist durch ein Gefühl der Hilflosigkeit gekennzeichnet, durch die Unfähigkeit, mit den Dingen zurechtzukommen, ihr Leben selbst zu steuern und sich entsprechend kompetent und sicher zu fühlen. In der Literatur werden Sexualdelikte eher mit dem Konzept der „Macht“ in Verbindung gebracht als mit der Sexualität. Dabei müssen wir uns allerdings darüber im Klaren sein, dass es nicht etwa Machtmenschen sind, die solche Handlungen begehen. Der Missbraucher ist seinerseits ein Produkt der Verletzlichkeit, genauer gesagt, ein Produkt der Machtlosigkeit.“
Menschen mögen noch so mächtige Positionen inne haben, trotzdem können sie sich dabei innerlich ganz klein, ohnmächtig und hilflos fühlen. Ich würde sogar behaupten, dass vermehrt gerade Menschen, die als Kind erhebliche Gewalt-/Ohnmachtserfahrungen gemacht haben, in Politik und Wirtschaft an die Macht drängen, um ihren inneren Konflikt zu „lösen“, sich „sicher“ zu fühlen und ihrerseits Macht zu missbrauchen.
Mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft sind laut Ryan typisch für Sexualstraftäter (so ist es weiter in seinem Text zu lesen). Große politische Macht und „mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft“…diese Kombination kann fatale Folgen haben, nicht nur für das einzelne Vergewaltigungsopfer, sondern für ganze Gruppen oder Gesellschaften, auf die das politische Verhalten des Akteurs einwirkt.
Auch Israels ehemaliger Staatspräsident Mosche Katzav war ca. 7 Jahre lang der mächtigste Mann in seinem Land. Katzav war Ende Dezember 2010 der Vergewaltigung einer Mitarbeiterin in zwei Fällen, der sexuellen Belästigung in weiteren Fällen sowie der Behinderung der Justiz für schuldig befunden worden und wurde am 22. März 2011 zu sieben Jahre Haft sowie zwei Jahre Bewährungsstrafe verurteilt. Auch dieser „Machtmann“ brauchte ganz offensichtlich Opfer, um sich „gut“ zu fühlen. Was das für seine politischen Entscheidungen bedeutete, wie viele Menschen er dadurch evtl. opferte, müsste im Rückblick genauer analysiert werden.
Abschließend bleibt mir noch anzumerken, dass es auch heute etliche westliche, demokratische Entscheidungsträger gibt, die ohne einen Hauch von Mitgefühl Entscheidungen treffen, die etlichen Menschen das Leben kosten (siehe derzeit z.B. den westlichen Einsatz in Libyen) oder die auch anderweitig fatale Folgen für das Leben von vielen Menschen haben. Diese Entscheidungsträger werden allerdings i.d.R. niemals auf einer Anklagebank landen, da ihre Handlungen als „zweckrationale Sachentscheidungen“ gewertet werden, wenn auch vielleicht mit „Irrtümern“ behaftet. Erst wenn diese Menschen direkt gegenüber Einzelpersonen handgreiflich werden und Menschen treffen, die unserer Rechtssprechung unterliegen, werden sie manchmal, oder besser gesagt ganz selten abgestraft. Als Kriegsherren können sie dagegen bedenkenlos Mord und auch Vergewaltigungen in Auftrag geben, dafür gibt es dann kein Gefängnis, sondern oftmals sogar noch Anerkennung.
Freitag, 20. Mai 2011
Der Libyeneinsatz war bisher ein "voller Erfolg"
Die westliche „Intervention“ in Libyen war bisher ein „voller Erfolg“, wenn meine Vermutung stimmt, dass die Eskalation der Gewalt das eigentliche (unbewusste) Ziel war. Bisherige Zahlen für Libyen:
Laut UN Angaben sind fast 750.000 Menschen auf der Flucht (stern.de), bis Ende April wird mit 10.000 bis 30.000 Toten gerechnet (welt.de), außerdem sollen bisher bis zu 55.000 Menschen verletzt worden sein (sueddeutsche.de)
Die Frage ist, wie hoch wären die Opfer- und die Flüchtlingszahlen, hätten die Alleierten keine Luftangriffe durchgeführt, keine ungezählten Waffen und Know-How geliefert? Wahrscheinlich wäre die „Rebellenarmee“ sehr schnell und heillos unterlegen, die Kämpfe wären also relativ schnell beendet worden, man hätte diplomatisch voher und nachher evtl. einiges erreichen können. Stattdessen ist Gaddafi nun „vogelfrei“, fühlt sich zu Recht mit Leib und Leben bedroht und wurde weiter in die Enge getrieben, was wahnsinnige und kriegerische Aktionen nochmal weiter begünstigt, weil er quasi nichts mehr zu verlieren hat.
Bis zum 20.05.2011 hat die westliche Militärallianz über 7.000 Einsätze in Libyen durchgeführt. (SPIEGEL-Online) Das sind - seit dem Beginn des Einsatzes am 19. März - ca. 113 Einsätze pro Tag! Diese Zahl verdeutlicht das ganze Ausmaß dieser "humanitären Aktion".
Schon der Jugoslawienkrieg wurde rückblickend als Erfolg im Weltwissen des Westens verbucht: Allein in der Zeit vom 24. März bis 10. Juni 1999 flogen die NATO-Luftstreitkräfte insgesamt 37.465 Einsätze, bei denen sie 20.000 Raketen und Bomben auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien abfeuerten. Neben großen Flüchtlingsströme, ungezählten Todesopfern und der Zerstörung der Infrastruktur verursachte diese “heldenhafte“ Aktion durch das systematische Bombardement von Betrieben der chemischen und pharmazeutischen Industrie, von Öl-Raffinerien und -Depots die größte Umwelt-Schädigung in Jugoslawien und seinen Nachbarstaaten seit dem Krieg der USA gegen Vietnam. Auch hier sind im Rückblick Zweifel angebracht, was das Wort „Erfolg“ angeht. Absurd ist, dass in den Medien im Zusammenhang mit dem Libyeneinsatz manches mal u.a. gerade der Jugoslawieneinsatz als Beispiel dafür angeführt wird, dass man Krieg mit Krieg erfolgreich bekämpfen kann.
Laut UN Angaben sind fast 750.000 Menschen auf der Flucht (stern.de), bis Ende April wird mit 10.000 bis 30.000 Toten gerechnet (welt.de), außerdem sollen bisher bis zu 55.000 Menschen verletzt worden sein (sueddeutsche.de)
Die Frage ist, wie hoch wären die Opfer- und die Flüchtlingszahlen, hätten die Alleierten keine Luftangriffe durchgeführt, keine ungezählten Waffen und Know-How geliefert? Wahrscheinlich wäre die „Rebellenarmee“ sehr schnell und heillos unterlegen, die Kämpfe wären also relativ schnell beendet worden, man hätte diplomatisch voher und nachher evtl. einiges erreichen können. Stattdessen ist Gaddafi nun „vogelfrei“, fühlt sich zu Recht mit Leib und Leben bedroht und wurde weiter in die Enge getrieben, was wahnsinnige und kriegerische Aktionen nochmal weiter begünstigt, weil er quasi nichts mehr zu verlieren hat.
Bis zum 20.05.2011 hat die westliche Militärallianz über 7.000 Einsätze in Libyen durchgeführt. (SPIEGEL-Online) Das sind - seit dem Beginn des Einsatzes am 19. März - ca. 113 Einsätze pro Tag! Diese Zahl verdeutlicht das ganze Ausmaß dieser "humanitären Aktion".
Schon der Jugoslawienkrieg wurde rückblickend als Erfolg im Weltwissen des Westens verbucht: Allein in der Zeit vom 24. März bis 10. Juni 1999 flogen die NATO-Luftstreitkräfte insgesamt 37.465 Einsätze, bei denen sie 20.000 Raketen und Bomben auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien abfeuerten. Neben großen Flüchtlingsströme, ungezählten Todesopfern und der Zerstörung der Infrastruktur verursachte diese “heldenhafte“ Aktion durch das systematische Bombardement von Betrieben der chemischen und pharmazeutischen Industrie, von Öl-Raffinerien und -Depots die größte Umwelt-Schädigung in Jugoslawien und seinen Nachbarstaaten seit dem Krieg der USA gegen Vietnam. Auch hier sind im Rückblick Zweifel angebracht, was das Wort „Erfolg“ angeht. Absurd ist, dass in den Medien im Zusammenhang mit dem Libyeneinsatz manches mal u.a. gerade der Jugoslawieneinsatz als Beispiel dafür angeführt wird, dass man Krieg mit Krieg erfolgreich bekämpfen kann.
Aus einem Gefühl heraus Soldat sein
Auf Zeit-Online wurde unter dem Artikelnamen „Beruf: Töten“ ein deutscher Elitesoldat vorgestellt. Wie so oft ergeben kleine Anmerkungen einen tiefen Eindruck über die eigentlichen Ursachen von Krieg oder eben auch der Entscheidung, (Elite-)Soldat zu werden.
Die entscheidende Textstelle im Artikel ist für mich folgende:
„Je länger man mit Stefan E. spricht, im OPZ, beim Rundgang durch die Kaserne, desto stärker schimmert etwas anderes durch. Stefan E. schwärmt von der Kameradschaft, er spricht davon, wie sehr das gemeinsame Durchleben der Gefahr zusammenschweißt, wie sehr man sich in Extremsituationen selbst erfährt, wie genau man hinterher weiß, wozu man fähig ist. Nicht der Einsatzgrund oder das Ziel stiftet Sinn, so scheint es, sondern der Einsatz selbst. So erleben das die meisten.“
Es geht um ein Gefühl oder besser um ein Gefühl, das vermisst wurde und in der „Soldatenfamilie“ scheinbar gefunden wird. Kameradschaft, Zusammengehörigkeitsgefühle und Selbsterfahrung oder das Gefühl, "lebendig" zu sein, im Angesicht des Todes. Emotionen oder vermisste Emotionen sind oft genannte Gründe für Menschen, Soldat zu werden und sein zu wollen. Das genaue Hinsehen auf die emotionalen Beweggründe der Menschen, die den Krieg direkt erleben und ausführen ist ganz besonders wichtig, da wissenschaftliche Kriegsursachentheorien fast immer nur von rationalen, ökonomischen Ursachen von Kriegen ausgehen und Emotionen systematisch ausblenden. Der Soldatenberuf scheint eine emotionale Lücke zu füllen, ein emotionales Loch zu stopfen (schon der als Kind traumatisierte und ungeliebte Kaiser Wilhelm II. fand beim 1. Garderegiment in Potsdam jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen".) und gleichzeitig – wie wir wissen – auch Emotionen zu töten, zu zerstören, Menschlichkeit abzubauen und Hassgefühle zu legalisieren. Menschen, die in der Kindheit Respekt erfahren haben, Zusammenhalt und Geborgenheit, brauchen später keine solche und ähnliche Berufe zu wählen (oder in Sekten zu gehen), um sich gebraucht und geborgen geschweige denn „lebendig“ zu fühlen. Der Soldatenberuf ist – so wird es mir immer deutlicher – ein Art Auffangbecken für einst ungeliebte Kinder, die auf gewisse Weise ihre Kindheit wiederaufführen (ohne dabei mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten). Die Entscheidung, Soldaten zu werden, hat dabei immer auch etwas mit Suizidabsichten und auch fehlendem Mitgefühl bzgl. anderen Menschen zu tun und somit mit gestörten Emotionen.
Welcher Sinn der Tod und das Töten für ihn habe wurde der Elitekämpfer gefragt: "Die Politiker entscheiden. Und wir machen dann unseren Job." Er habe da Vertrauen, dass die Politiker gute Gründe hätten, so zitiert ihn ZEIT-Online weiter. Auch diese Aussagen zeigen, wie wenig (scheinbar) rationale, politsche Entscheidungen im Grunde eine Rolle spielen. Kriege haben emotionale Ursachen, das belegt dieser Artikel einmal mehr.
Siehe ergänzend:
Die Soldaten: Gewalt und Gehorsamsforderung in der Familie ist das Fundament für das Militär und kriegerische Ziele
Die „offizielle“ Traumatisierung durch die militärische Ausbildung ähnelt der häuslichen Traumatisierung von Kindern
Die entscheidende Textstelle im Artikel ist für mich folgende:
„Je länger man mit Stefan E. spricht, im OPZ, beim Rundgang durch die Kaserne, desto stärker schimmert etwas anderes durch. Stefan E. schwärmt von der Kameradschaft, er spricht davon, wie sehr das gemeinsame Durchleben der Gefahr zusammenschweißt, wie sehr man sich in Extremsituationen selbst erfährt, wie genau man hinterher weiß, wozu man fähig ist. Nicht der Einsatzgrund oder das Ziel stiftet Sinn, so scheint es, sondern der Einsatz selbst. So erleben das die meisten.“
Es geht um ein Gefühl oder besser um ein Gefühl, das vermisst wurde und in der „Soldatenfamilie“ scheinbar gefunden wird. Kameradschaft, Zusammengehörigkeitsgefühle und Selbsterfahrung oder das Gefühl, "lebendig" zu sein, im Angesicht des Todes. Emotionen oder vermisste Emotionen sind oft genannte Gründe für Menschen, Soldat zu werden und sein zu wollen. Das genaue Hinsehen auf die emotionalen Beweggründe der Menschen, die den Krieg direkt erleben und ausführen ist ganz besonders wichtig, da wissenschaftliche Kriegsursachentheorien fast immer nur von rationalen, ökonomischen Ursachen von Kriegen ausgehen und Emotionen systematisch ausblenden. Der Soldatenberuf scheint eine emotionale Lücke zu füllen, ein emotionales Loch zu stopfen (schon der als Kind traumatisierte und ungeliebte Kaiser Wilhelm II. fand beim 1. Garderegiment in Potsdam jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen".) und gleichzeitig – wie wir wissen – auch Emotionen zu töten, zu zerstören, Menschlichkeit abzubauen und Hassgefühle zu legalisieren. Menschen, die in der Kindheit Respekt erfahren haben, Zusammenhalt und Geborgenheit, brauchen später keine solche und ähnliche Berufe zu wählen (oder in Sekten zu gehen), um sich gebraucht und geborgen geschweige denn „lebendig“ zu fühlen. Der Soldatenberuf ist – so wird es mir immer deutlicher – ein Art Auffangbecken für einst ungeliebte Kinder, die auf gewisse Weise ihre Kindheit wiederaufführen (ohne dabei mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten). Die Entscheidung, Soldaten zu werden, hat dabei immer auch etwas mit Suizidabsichten und auch fehlendem Mitgefühl bzgl. anderen Menschen zu tun und somit mit gestörten Emotionen.
Welcher Sinn der Tod und das Töten für ihn habe wurde der Elitekämpfer gefragt: "Die Politiker entscheiden. Und wir machen dann unseren Job." Er habe da Vertrauen, dass die Politiker gute Gründe hätten, so zitiert ihn ZEIT-Online weiter. Auch diese Aussagen zeigen, wie wenig (scheinbar) rationale, politsche Entscheidungen im Grunde eine Rolle spielen. Kriege haben emotionale Ursachen, das belegt dieser Artikel einmal mehr.
Siehe ergänzend:
Die Soldaten: Gewalt und Gehorsamsforderung in der Familie ist das Fundament für das Militär und kriegerische Ziele
Die „offizielle“ Traumatisierung durch die militärische Ausbildung ähnelt der häuslichen Traumatisierung von Kindern
Mittwoch, 11. Mai 2011
Die Symbolik des Codenamens "Geronimo"
Derzeit ließt man hier und da, dass sich einige Vertreter amerikanischer Indianer über den Codenamen „Geronimo“, der für die Operation gegen Osama bin Laden gewählt wurde, empören. Geronimo war ein Häuptling der Apachen, der Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Jahre gegen die Truppen der USA und Mexikos kämpfte, bis er sich 1886 ergab.
Der gewählte Name „Geronimo“ mag die Gefühle der heutigen Indianer zu Recht verletzen. Für mich symbolisiert diese Namenswahl allerdings noch mehr. Der echte Geronimo stand zwar für Widerstand der Indianer, dieser Widerstand war allerdings ein aussichtsloser und zum Scheitern verurteilter. Ende des 19. Jahrhunderts war die ursprüngliche Lebensart der Indianer endgültig zerstört und sie mussten ihr Leben in Reservaten dahin fristen. Die nordamerikanischen Indianer waren im Rückblick die damaligen „Giftcontainer“ der Weißen. „Wilde“, „Untermenschen“, die man jagen und töten durfte (sogar für staatlich bezahlte Kopfgelder).
Auch heute noch sind die Vereinigten Staaten von Amerika ständig auf der Suche nach „Feinden“, nach Giftcontainern, um die Erinnerungen an traumatische Kindheitserfahrungen abzuwehren bzw. diese außen wiederaufzuführen. Im letzten Irakkrieg wurden mindestens über 100.000 Zivilisten getötet. (siehe zusätzlich auch "Der Golfkrieg als emotionale Störung“) In Afghanistan sind die Zahlen bisher noch unklar. Osama bin Laden war DAS neue Feindsymbol nachdem der Ostblock zusammengebrochen war. Amerika brauchte das Symbol bin Laden, um nicht verrückt zu werden und innerlich zu zerfallen. Im 19. Jahrhundert wie heute sind Kriege Ausdruck von emotionalen Zerfall und der Suche nach Giftcontainern, um diesem Zerfall entgegenzuwirken. Damals waren die Indianer die „Feinde“ und Geronimo der letzte große feindliche Anführer. Heute ist die Situation etwas anders. Bin Ladens Tod wird den Terrorismus nicht beenden. Vielmehr stehen wir wohl eher am Anfang einer Epoche des Terrors. Der Auftrieb des Terrors ist allerdings eng verknüpft mit der Politik der USA, was jeder, der die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte etwas in den Medien verfolgt, leicht feststellen kann. Gleichzeitig sind die USA selbstgewählte Hauptkämpfer gegen den Terror. Wer Feinde sucht und im Grunde auch generiert, um sie dann zu bekämpfen, muss sich fragen lassen, ob das Kämpfen und Töten nicht das eigentliche Ziel des politischen Handelns ist.
Die Indianer waren die damaligen Giftcontainer, heute sind definierte Terroristen und die Bevölkerung drum herum die neuen Giftcontainer. Die Namenswahl „Geronimo“ für Osama bin Laden spricht insofern Bände und zieht eine rote Linie zu den Inianerkriegen. Dabei ist es keine Frage, dass die Person bin Laden ein realer Terrorist war. Mir geht es hier um die Symbolik, die Rückschlüsse auf emotionale Prozesse zu lässt.
Nebenbei fand ich eine Info auf wikipedia interessant. Prescott Bush, Vater von George H. W. Bush und Großvater von George W. Bush, soll im Mai 1918 den Schädel des Apachen-Häuptlings Geronimo aus dem Fort Sill bei Oklahoma eigenhändig mit fünf anderen Bonesmen aus vier Jahrgängen ausgegraben und ihn als Geschenk der Bruderschaft Skull & Bones präsentiert haben. Enkelkind George W. startete bekanntlich den Krieg gegen den Terror und befahl die Jagd auf bin Laden. Kürzlich wurde unter Obama „Geronimo“ alias bin Laden getötet. Eine erschreckende Symbolik.
Der gewählte Name „Geronimo“ mag die Gefühle der heutigen Indianer zu Recht verletzen. Für mich symbolisiert diese Namenswahl allerdings noch mehr. Der echte Geronimo stand zwar für Widerstand der Indianer, dieser Widerstand war allerdings ein aussichtsloser und zum Scheitern verurteilter. Ende des 19. Jahrhunderts war die ursprüngliche Lebensart der Indianer endgültig zerstört und sie mussten ihr Leben in Reservaten dahin fristen. Die nordamerikanischen Indianer waren im Rückblick die damaligen „Giftcontainer“ der Weißen. „Wilde“, „Untermenschen“, die man jagen und töten durfte (sogar für staatlich bezahlte Kopfgelder).
Auch heute noch sind die Vereinigten Staaten von Amerika ständig auf der Suche nach „Feinden“, nach Giftcontainern, um die Erinnerungen an traumatische Kindheitserfahrungen abzuwehren bzw. diese außen wiederaufzuführen. Im letzten Irakkrieg wurden mindestens über 100.000 Zivilisten getötet. (siehe zusätzlich auch "Der Golfkrieg als emotionale Störung“) In Afghanistan sind die Zahlen bisher noch unklar. Osama bin Laden war DAS neue Feindsymbol nachdem der Ostblock zusammengebrochen war. Amerika brauchte das Symbol bin Laden, um nicht verrückt zu werden und innerlich zu zerfallen. Im 19. Jahrhundert wie heute sind Kriege Ausdruck von emotionalen Zerfall und der Suche nach Giftcontainern, um diesem Zerfall entgegenzuwirken. Damals waren die Indianer die „Feinde“ und Geronimo der letzte große feindliche Anführer. Heute ist die Situation etwas anders. Bin Ladens Tod wird den Terrorismus nicht beenden. Vielmehr stehen wir wohl eher am Anfang einer Epoche des Terrors. Der Auftrieb des Terrors ist allerdings eng verknüpft mit der Politik der USA, was jeder, der die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte etwas in den Medien verfolgt, leicht feststellen kann. Gleichzeitig sind die USA selbstgewählte Hauptkämpfer gegen den Terror. Wer Feinde sucht und im Grunde auch generiert, um sie dann zu bekämpfen, muss sich fragen lassen, ob das Kämpfen und Töten nicht das eigentliche Ziel des politischen Handelns ist.
Die Indianer waren die damaligen Giftcontainer, heute sind definierte Terroristen und die Bevölkerung drum herum die neuen Giftcontainer. Die Namenswahl „Geronimo“ für Osama bin Laden spricht insofern Bände und zieht eine rote Linie zu den Inianerkriegen. Dabei ist es keine Frage, dass die Person bin Laden ein realer Terrorist war. Mir geht es hier um die Symbolik, die Rückschlüsse auf emotionale Prozesse zu lässt.
Nebenbei fand ich eine Info auf wikipedia interessant. Prescott Bush, Vater von George H. W. Bush und Großvater von George W. Bush, soll im Mai 1918 den Schädel des Apachen-Häuptlings Geronimo aus dem Fort Sill bei Oklahoma eigenhändig mit fünf anderen Bonesmen aus vier Jahrgängen ausgegraben und ihn als Geschenk der Bruderschaft Skull & Bones präsentiert haben. Enkelkind George W. startete bekanntlich den Krieg gegen den Terror und befahl die Jagd auf bin Laden. Kürzlich wurde unter Obama „Geronimo“ alias bin Laden getötet. Eine erschreckende Symbolik.
Dienstag, 3. Mai 2011
Amerikas Jubel als "zivilisatorischen Rückfall"?
Osama Bin Laden wurde getötet, wie wohl schon fast jeder weiß. Die „Partystimmung“ in den USA zeigt mir derzeit, wie sehr Feindbilder und die Feindesjagd bzw. die Suche nach einem „bösen Gegenpart“ tiefe (unbewusste) Emotionen der Menschen anspricht. Meine Zeit ist momentan etwas knapp, insofern verweise ich hiermit auf den SPIEGEL-Online Artikel „Er ist tot. Hurra?“, der meine Gedanken sehr trifft. Ein Auszug. „Es sind wohl letztlich leider nicht "die Kräfte des Friedens", die hier gesiegt haben, wie Merkel meint, sondern die Anhänger einer archaischen Blutrache-Moral. Dass sich die Spitzen unserer Regierungsparteien dieser Ideologie unterwerfen, bedeutet einen zivilisatorischen Rückfall. Die Erleichterung über den Tod Bin Ladens ist nachvollziehbar, der Applaus für seine Hinrichtung ist es nicht.“
Mir fällt in der aktuellen Berichterstattung aus den USA auf, dass sehr viele Junge Amerikaner und Amerikanerinnen jubelnd und feiernd gezeigt werden. Diese waren zur Zeit des 11. September allerdings noch Kinder und werden die Ereignisse zwar mit Schrecken mitbekommen haben, allerdings ohne diese klar einordnen zu können. Besonders erschreckend ist, dass diese neue, junge Generation so auf der Rachewelle und dem Jubeltaumel mitschwimmt und sie sogar die Medienbilder dominieren.
Amerikas derzeitiger Jubel und die mancher Europäer stellt nicht wirklich einen "zivilisatorischen Rückfall" dar, sondern zeigt den Ist-Zustand der emotionalen (Entwicklungs-)Lage auf.
Siehe ergänzend auch: "Kindheit in den USA"
Mir fällt in der aktuellen Berichterstattung aus den USA auf, dass sehr viele Junge Amerikaner und Amerikanerinnen jubelnd und feiernd gezeigt werden. Diese waren zur Zeit des 11. September allerdings noch Kinder und werden die Ereignisse zwar mit Schrecken mitbekommen haben, allerdings ohne diese klar einordnen zu können. Besonders erschreckend ist, dass diese neue, junge Generation so auf der Rachewelle und dem Jubeltaumel mitschwimmt und sie sogar die Medienbilder dominieren.
Amerikas derzeitiger Jubel und die mancher Europäer stellt nicht wirklich einen "zivilisatorischen Rückfall" dar, sondern zeigt den Ist-Zustand der emotionalen (Entwicklungs-)Lage auf.
Siehe ergänzend auch: "Kindheit in den USA"
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