Alice Schwarzer hat aktuell in ihrem Blog etwas zum Fall Dominique Strauss-Kahn geschrieben. Am Ende ihres Beitrages stellt sie die Fragen:
„Was bedeutet das eigentlich für uns, wenn Männer mit einem solchen Frauen- bzw. Menschenbild unsere Welt regieren? Was bedeutet es für ihre Motive, ihre Politik, ihre Entscheidungen? Und was heißt das, wenn Parteien und Medien das Sagen haben, die solche Männer an die Spitze hieven – und ihre ganze Energie damit verbringen, wegzusehen, zu leugnen, zu ignorieren?“
Mit diesen Fragen berührt sie einen Punkt, der mich auch umtreibt. Sollten sich die Vorwürfe (orale und anale Vergewaltigung einer jungen Frau, Versuch einer vaginal Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) gegen Strauss-Kahn im Verlauf des Gerichtsprozesses als wahr erweisen – wofür es laut Medienberichten bereits einige sehr ernste Hinweise gibt –, dann sagt diese Tat sehr viel über seinen Grundcharakter aus. Als Chef des Internationalen Währungsfonds, aber auch in seiner vorherigen Laufbahn verfügte Strauss-Kahn über erhebliche Macht und konnte maßgeblich internationale politische und ökomische Entscheidungen mit tragen und ins Rollen bringen. Ich selbst kannte den Namen Strauss-Kahn vor den aktuellen Ereignissen nicht und habe seinen politischen Weg nicht verfolgt. Falls Strauss-Kahn ein Vergewaltiger ist, dann muss allerdings auch sein politisches Handeln destruktive Züge getragen haben. Jemand, der eine solche charakterliche Grundstruktur aufweist, wird politisch kein Friedensbringer sein können oder ökonomische Entscheidungen auch emotional bzw. emphatisch ausloten. Jemand, der vergewaltigt, kann auch mitleidlos Entscheidungen treffen, die für ärmere und schwache Regionen ggf. fatale Folgen haben, ohne sich dabei schlecht zu fühlen. Vielleicht fühlt sich so jemand sogar besonders „glücklich“, „lustvoll berührt“,„stark“ und „übermächtig“, wenn er andere Menschen durch seine Entscheidungen ökonomisch „opfern“ kann.
Der Tätertherapeut Gail Ryan hat geschrieben: „Viele Sexualtäter sind als Kinder selbst (physisch, sexuell und/oder emotional) misshandelt worden. Soweit sie Opfer sexueller Übergriffe waren, muten ihre Delikte gelegentlich wie Neuauflagen der eigenen frühen Viktimisierung an." (Ryan, G. 2002: Der Sexualtäter. In: Helfer, M. E. / Kempe, R. S. / Krugman, R. D. (Hrsg,): Das misshandelte Kind. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., S. 491) und weiter:
„Im Laufe der Zeit ist deutlich geworden, dass Sexualtäter in allererster Linie „Miss-Braucher“ sind und dass ihr miss-brauchendes und ausnutzendes Verhalten für sie die „Lösung“ eines ihr Leben beherrschenden persönliches Dilemmas darstellt. Dieses Dilemma ist durch ein Gefühl der Hilflosigkeit gekennzeichnet, durch die Unfähigkeit, mit den Dingen zurechtzukommen, ihr Leben selbst zu steuern und sich entsprechend kompetent und sicher zu fühlen. In der Literatur werden Sexualdelikte eher mit dem Konzept der „Macht“ in Verbindung gebracht als mit der Sexualität. Dabei müssen wir uns allerdings darüber im Klaren sein, dass es nicht etwa Machtmenschen sind, die solche Handlungen begehen. Der Missbraucher ist seinerseits ein Produkt der Verletzlichkeit, genauer gesagt, ein Produkt der Machtlosigkeit.“
Menschen mögen noch so mächtige Positionen inne haben, trotzdem können sie sich dabei innerlich ganz klein, ohnmächtig und hilflos fühlen. Ich würde sogar behaupten, dass vermehrt gerade Menschen, die als Kind erhebliche Gewalt-/Ohnmachtserfahrungen gemacht haben, in Politik und Wirtschaft an die Macht drängen, um ihren inneren Konflikt zu „lösen“, sich „sicher“ zu fühlen und ihrerseits Macht zu missbrauchen.
Mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft sind laut Ryan typisch für Sexualstraftäter (so ist es weiter in seinem Text zu lesen). Große politische Macht und „mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft“…diese Kombination kann fatale Folgen haben, nicht nur für das einzelne Vergewaltigungsopfer, sondern für ganze Gruppen oder Gesellschaften, auf die das politische Verhalten des Akteurs einwirkt.
Auch Israels ehemaliger Staatspräsident Mosche Katzav war ca. 7 Jahre lang der mächtigste Mann in seinem Land. Katzav war Ende Dezember 2010 der Vergewaltigung einer Mitarbeiterin in zwei Fällen, der sexuellen Belästigung in weiteren Fällen sowie der Behinderung der Justiz für schuldig befunden worden und wurde am 22. März 2011 zu sieben Jahre Haft sowie zwei Jahre Bewährungsstrafe verurteilt. Auch dieser „Machtmann“ brauchte ganz offensichtlich Opfer, um sich „gut“ zu fühlen. Was das für seine politischen Entscheidungen bedeutete, wie viele Menschen er dadurch evtl. opferte, müsste im Rückblick genauer analysiert werden.
Abschließend bleibt mir noch anzumerken, dass es auch heute etliche westliche, demokratische Entscheidungsträger gibt, die ohne einen Hauch von Mitgefühl Entscheidungen treffen, die etlichen Menschen das Leben kosten (siehe derzeit z.B. den westlichen Einsatz in Libyen) oder die auch anderweitig fatale Folgen für das Leben von vielen Menschen haben. Diese Entscheidungsträger werden allerdings i.d.R. niemals auf einer Anklagebank landen, da ihre Handlungen als „zweckrationale Sachentscheidungen“ gewertet werden, wenn auch vielleicht mit „Irrtümern“ behaftet. Erst wenn diese Menschen direkt gegenüber Einzelpersonen handgreiflich werden und Menschen treffen, die unserer Rechtssprechung unterliegen, werden sie manchmal, oder besser gesagt ganz selten abgestraft. Als Kriegsherren können sie dagegen bedenkenlos Mord und auch Vergewaltigungen in Auftrag geben, dafür gibt es dann kein Gefängnis, sondern oftmals sogar noch Anerkennung.
Dienstag, 24. Mai 2011
Freitag, 20. Mai 2011
Der Libyeneinsatz war bisher ein "voller Erfolg"
Die westliche „Intervention“ in Libyen war bisher ein „voller Erfolg“, wenn meine Vermutung stimmt, dass die Eskalation der Gewalt das eigentliche (unbewusste) Ziel war. Bisherige Zahlen für Libyen:
Laut UN Angaben sind fast 750.000 Menschen auf der Flucht (stern.de), bis Ende April wird mit 10.000 bis 30.000 Toten gerechnet (welt.de), außerdem sollen bisher bis zu 55.000 Menschen verletzt worden sein (sueddeutsche.de)
Die Frage ist, wie hoch wären die Opfer- und die Flüchtlingszahlen, hätten die Alleierten keine Luftangriffe durchgeführt, keine ungezählten Waffen und Know-How geliefert? Wahrscheinlich wäre die „Rebellenarmee“ sehr schnell und heillos unterlegen, die Kämpfe wären also relativ schnell beendet worden, man hätte diplomatisch voher und nachher evtl. einiges erreichen können. Stattdessen ist Gaddafi nun „vogelfrei“, fühlt sich zu Recht mit Leib und Leben bedroht und wurde weiter in die Enge getrieben, was wahnsinnige und kriegerische Aktionen nochmal weiter begünstigt, weil er quasi nichts mehr zu verlieren hat.
Bis zum 20.05.2011 hat die westliche Militärallianz über 7.000 Einsätze in Libyen durchgeführt. (SPIEGEL-Online) Das sind - seit dem Beginn des Einsatzes am 19. März - ca. 113 Einsätze pro Tag! Diese Zahl verdeutlicht das ganze Ausmaß dieser "humanitären Aktion".
Schon der Jugoslawienkrieg wurde rückblickend als Erfolg im Weltwissen des Westens verbucht: Allein in der Zeit vom 24. März bis 10. Juni 1999 flogen die NATO-Luftstreitkräfte insgesamt 37.465 Einsätze, bei denen sie 20.000 Raketen und Bomben auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien abfeuerten. Neben großen Flüchtlingsströme, ungezählten Todesopfern und der Zerstörung der Infrastruktur verursachte diese “heldenhafte“ Aktion durch das systematische Bombardement von Betrieben der chemischen und pharmazeutischen Industrie, von Öl-Raffinerien und -Depots die größte Umwelt-Schädigung in Jugoslawien und seinen Nachbarstaaten seit dem Krieg der USA gegen Vietnam. Auch hier sind im Rückblick Zweifel angebracht, was das Wort „Erfolg“ angeht. Absurd ist, dass in den Medien im Zusammenhang mit dem Libyeneinsatz manches mal u.a. gerade der Jugoslawieneinsatz als Beispiel dafür angeführt wird, dass man Krieg mit Krieg erfolgreich bekämpfen kann.
Laut UN Angaben sind fast 750.000 Menschen auf der Flucht (stern.de), bis Ende April wird mit 10.000 bis 30.000 Toten gerechnet (welt.de), außerdem sollen bisher bis zu 55.000 Menschen verletzt worden sein (sueddeutsche.de)
Die Frage ist, wie hoch wären die Opfer- und die Flüchtlingszahlen, hätten die Alleierten keine Luftangriffe durchgeführt, keine ungezählten Waffen und Know-How geliefert? Wahrscheinlich wäre die „Rebellenarmee“ sehr schnell und heillos unterlegen, die Kämpfe wären also relativ schnell beendet worden, man hätte diplomatisch voher und nachher evtl. einiges erreichen können. Stattdessen ist Gaddafi nun „vogelfrei“, fühlt sich zu Recht mit Leib und Leben bedroht und wurde weiter in die Enge getrieben, was wahnsinnige und kriegerische Aktionen nochmal weiter begünstigt, weil er quasi nichts mehr zu verlieren hat.
Bis zum 20.05.2011 hat die westliche Militärallianz über 7.000 Einsätze in Libyen durchgeführt. (SPIEGEL-Online) Das sind - seit dem Beginn des Einsatzes am 19. März - ca. 113 Einsätze pro Tag! Diese Zahl verdeutlicht das ganze Ausmaß dieser "humanitären Aktion".
Schon der Jugoslawienkrieg wurde rückblickend als Erfolg im Weltwissen des Westens verbucht: Allein in der Zeit vom 24. März bis 10. Juni 1999 flogen die NATO-Luftstreitkräfte insgesamt 37.465 Einsätze, bei denen sie 20.000 Raketen und Bomben auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien abfeuerten. Neben großen Flüchtlingsströme, ungezählten Todesopfern und der Zerstörung der Infrastruktur verursachte diese “heldenhafte“ Aktion durch das systematische Bombardement von Betrieben der chemischen und pharmazeutischen Industrie, von Öl-Raffinerien und -Depots die größte Umwelt-Schädigung in Jugoslawien und seinen Nachbarstaaten seit dem Krieg der USA gegen Vietnam. Auch hier sind im Rückblick Zweifel angebracht, was das Wort „Erfolg“ angeht. Absurd ist, dass in den Medien im Zusammenhang mit dem Libyeneinsatz manches mal u.a. gerade der Jugoslawieneinsatz als Beispiel dafür angeführt wird, dass man Krieg mit Krieg erfolgreich bekämpfen kann.
Aus einem Gefühl heraus Soldat sein
Auf Zeit-Online wurde unter dem Artikelnamen „Beruf: Töten“ ein deutscher Elitesoldat vorgestellt. Wie so oft ergeben kleine Anmerkungen einen tiefen Eindruck über die eigentlichen Ursachen von Krieg oder eben auch der Entscheidung, (Elite-)Soldat zu werden.
Die entscheidende Textstelle im Artikel ist für mich folgende:
„Je länger man mit Stefan E. spricht, im OPZ, beim Rundgang durch die Kaserne, desto stärker schimmert etwas anderes durch. Stefan E. schwärmt von der Kameradschaft, er spricht davon, wie sehr das gemeinsame Durchleben der Gefahr zusammenschweißt, wie sehr man sich in Extremsituationen selbst erfährt, wie genau man hinterher weiß, wozu man fähig ist. Nicht der Einsatzgrund oder das Ziel stiftet Sinn, so scheint es, sondern der Einsatz selbst. So erleben das die meisten.“
Es geht um ein Gefühl oder besser um ein Gefühl, das vermisst wurde und in der „Soldatenfamilie“ scheinbar gefunden wird. Kameradschaft, Zusammengehörigkeitsgefühle und Selbsterfahrung oder das Gefühl, "lebendig" zu sein, im Angesicht des Todes. Emotionen oder vermisste Emotionen sind oft genannte Gründe für Menschen, Soldat zu werden und sein zu wollen. Das genaue Hinsehen auf die emotionalen Beweggründe der Menschen, die den Krieg direkt erleben und ausführen ist ganz besonders wichtig, da wissenschaftliche Kriegsursachentheorien fast immer nur von rationalen, ökonomischen Ursachen von Kriegen ausgehen und Emotionen systematisch ausblenden. Der Soldatenberuf scheint eine emotionale Lücke zu füllen, ein emotionales Loch zu stopfen (schon der als Kind traumatisierte und ungeliebte Kaiser Wilhelm II. fand beim 1. Garderegiment in Potsdam jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen".) und gleichzeitig – wie wir wissen – auch Emotionen zu töten, zu zerstören, Menschlichkeit abzubauen und Hassgefühle zu legalisieren. Menschen, die in der Kindheit Respekt erfahren haben, Zusammenhalt und Geborgenheit, brauchen später keine solche und ähnliche Berufe zu wählen (oder in Sekten zu gehen), um sich gebraucht und geborgen geschweige denn „lebendig“ zu fühlen. Der Soldatenberuf ist – so wird es mir immer deutlicher – ein Art Auffangbecken für einst ungeliebte Kinder, die auf gewisse Weise ihre Kindheit wiederaufführen (ohne dabei mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten). Die Entscheidung, Soldaten zu werden, hat dabei immer auch etwas mit Suizidabsichten und auch fehlendem Mitgefühl bzgl. anderen Menschen zu tun und somit mit gestörten Emotionen.
Welcher Sinn der Tod und das Töten für ihn habe wurde der Elitekämpfer gefragt: "Die Politiker entscheiden. Und wir machen dann unseren Job." Er habe da Vertrauen, dass die Politiker gute Gründe hätten, so zitiert ihn ZEIT-Online weiter. Auch diese Aussagen zeigen, wie wenig (scheinbar) rationale, politsche Entscheidungen im Grunde eine Rolle spielen. Kriege haben emotionale Ursachen, das belegt dieser Artikel einmal mehr.
Siehe ergänzend:
Die Soldaten: Gewalt und Gehorsamsforderung in der Familie ist das Fundament für das Militär und kriegerische Ziele
Die „offizielle“ Traumatisierung durch die militärische Ausbildung ähnelt der häuslichen Traumatisierung von Kindern
Die entscheidende Textstelle im Artikel ist für mich folgende:
„Je länger man mit Stefan E. spricht, im OPZ, beim Rundgang durch die Kaserne, desto stärker schimmert etwas anderes durch. Stefan E. schwärmt von der Kameradschaft, er spricht davon, wie sehr das gemeinsame Durchleben der Gefahr zusammenschweißt, wie sehr man sich in Extremsituationen selbst erfährt, wie genau man hinterher weiß, wozu man fähig ist. Nicht der Einsatzgrund oder das Ziel stiftet Sinn, so scheint es, sondern der Einsatz selbst. So erleben das die meisten.“
Es geht um ein Gefühl oder besser um ein Gefühl, das vermisst wurde und in der „Soldatenfamilie“ scheinbar gefunden wird. Kameradschaft, Zusammengehörigkeitsgefühle und Selbsterfahrung oder das Gefühl, "lebendig" zu sein, im Angesicht des Todes. Emotionen oder vermisste Emotionen sind oft genannte Gründe für Menschen, Soldat zu werden und sein zu wollen. Das genaue Hinsehen auf die emotionalen Beweggründe der Menschen, die den Krieg direkt erleben und ausführen ist ganz besonders wichtig, da wissenschaftliche Kriegsursachentheorien fast immer nur von rationalen, ökonomischen Ursachen von Kriegen ausgehen und Emotionen systematisch ausblenden. Der Soldatenberuf scheint eine emotionale Lücke zu füllen, ein emotionales Loch zu stopfen (schon der als Kind traumatisierte und ungeliebte Kaiser Wilhelm II. fand beim 1. Garderegiment in Potsdam jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen".) und gleichzeitig – wie wir wissen – auch Emotionen zu töten, zu zerstören, Menschlichkeit abzubauen und Hassgefühle zu legalisieren. Menschen, die in der Kindheit Respekt erfahren haben, Zusammenhalt und Geborgenheit, brauchen später keine solche und ähnliche Berufe zu wählen (oder in Sekten zu gehen), um sich gebraucht und geborgen geschweige denn „lebendig“ zu fühlen. Der Soldatenberuf ist – so wird es mir immer deutlicher – ein Art Auffangbecken für einst ungeliebte Kinder, die auf gewisse Weise ihre Kindheit wiederaufführen (ohne dabei mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten). Die Entscheidung, Soldaten zu werden, hat dabei immer auch etwas mit Suizidabsichten und auch fehlendem Mitgefühl bzgl. anderen Menschen zu tun und somit mit gestörten Emotionen.
Welcher Sinn der Tod und das Töten für ihn habe wurde der Elitekämpfer gefragt: "Die Politiker entscheiden. Und wir machen dann unseren Job." Er habe da Vertrauen, dass die Politiker gute Gründe hätten, so zitiert ihn ZEIT-Online weiter. Auch diese Aussagen zeigen, wie wenig (scheinbar) rationale, politsche Entscheidungen im Grunde eine Rolle spielen. Kriege haben emotionale Ursachen, das belegt dieser Artikel einmal mehr.
Siehe ergänzend:
Die Soldaten: Gewalt und Gehorsamsforderung in der Familie ist das Fundament für das Militär und kriegerische Ziele
Die „offizielle“ Traumatisierung durch die militärische Ausbildung ähnelt der häuslichen Traumatisierung von Kindern
Mittwoch, 11. Mai 2011
Die Symbolik des Codenamens "Geronimo"
Derzeit ließt man hier und da, dass sich einige Vertreter amerikanischer Indianer über den Codenamen „Geronimo“, der für die Operation gegen Osama bin Laden gewählt wurde, empören. Geronimo war ein Häuptling der Apachen, der Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Jahre gegen die Truppen der USA und Mexikos kämpfte, bis er sich 1886 ergab.
Der gewählte Name „Geronimo“ mag die Gefühle der heutigen Indianer zu Recht verletzen. Für mich symbolisiert diese Namenswahl allerdings noch mehr. Der echte Geronimo stand zwar für Widerstand der Indianer, dieser Widerstand war allerdings ein aussichtsloser und zum Scheitern verurteilter. Ende des 19. Jahrhunderts war die ursprüngliche Lebensart der Indianer endgültig zerstört und sie mussten ihr Leben in Reservaten dahin fristen. Die nordamerikanischen Indianer waren im Rückblick die damaligen „Giftcontainer“ der Weißen. „Wilde“, „Untermenschen“, die man jagen und töten durfte (sogar für staatlich bezahlte Kopfgelder).
Auch heute noch sind die Vereinigten Staaten von Amerika ständig auf der Suche nach „Feinden“, nach Giftcontainern, um die Erinnerungen an traumatische Kindheitserfahrungen abzuwehren bzw. diese außen wiederaufzuführen. Im letzten Irakkrieg wurden mindestens über 100.000 Zivilisten getötet. (siehe zusätzlich auch "Der Golfkrieg als emotionale Störung“) In Afghanistan sind die Zahlen bisher noch unklar. Osama bin Laden war DAS neue Feindsymbol nachdem der Ostblock zusammengebrochen war. Amerika brauchte das Symbol bin Laden, um nicht verrückt zu werden und innerlich zu zerfallen. Im 19. Jahrhundert wie heute sind Kriege Ausdruck von emotionalen Zerfall und der Suche nach Giftcontainern, um diesem Zerfall entgegenzuwirken. Damals waren die Indianer die „Feinde“ und Geronimo der letzte große feindliche Anführer. Heute ist die Situation etwas anders. Bin Ladens Tod wird den Terrorismus nicht beenden. Vielmehr stehen wir wohl eher am Anfang einer Epoche des Terrors. Der Auftrieb des Terrors ist allerdings eng verknüpft mit der Politik der USA, was jeder, der die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte etwas in den Medien verfolgt, leicht feststellen kann. Gleichzeitig sind die USA selbstgewählte Hauptkämpfer gegen den Terror. Wer Feinde sucht und im Grunde auch generiert, um sie dann zu bekämpfen, muss sich fragen lassen, ob das Kämpfen und Töten nicht das eigentliche Ziel des politischen Handelns ist.
Die Indianer waren die damaligen Giftcontainer, heute sind definierte Terroristen und die Bevölkerung drum herum die neuen Giftcontainer. Die Namenswahl „Geronimo“ für Osama bin Laden spricht insofern Bände und zieht eine rote Linie zu den Inianerkriegen. Dabei ist es keine Frage, dass die Person bin Laden ein realer Terrorist war. Mir geht es hier um die Symbolik, die Rückschlüsse auf emotionale Prozesse zu lässt.
Nebenbei fand ich eine Info auf wikipedia interessant. Prescott Bush, Vater von George H. W. Bush und Großvater von George W. Bush, soll im Mai 1918 den Schädel des Apachen-Häuptlings Geronimo aus dem Fort Sill bei Oklahoma eigenhändig mit fünf anderen Bonesmen aus vier Jahrgängen ausgegraben und ihn als Geschenk der Bruderschaft Skull & Bones präsentiert haben. Enkelkind George W. startete bekanntlich den Krieg gegen den Terror und befahl die Jagd auf bin Laden. Kürzlich wurde unter Obama „Geronimo“ alias bin Laden getötet. Eine erschreckende Symbolik.
Der gewählte Name „Geronimo“ mag die Gefühle der heutigen Indianer zu Recht verletzen. Für mich symbolisiert diese Namenswahl allerdings noch mehr. Der echte Geronimo stand zwar für Widerstand der Indianer, dieser Widerstand war allerdings ein aussichtsloser und zum Scheitern verurteilter. Ende des 19. Jahrhunderts war die ursprüngliche Lebensart der Indianer endgültig zerstört und sie mussten ihr Leben in Reservaten dahin fristen. Die nordamerikanischen Indianer waren im Rückblick die damaligen „Giftcontainer“ der Weißen. „Wilde“, „Untermenschen“, die man jagen und töten durfte (sogar für staatlich bezahlte Kopfgelder).
Auch heute noch sind die Vereinigten Staaten von Amerika ständig auf der Suche nach „Feinden“, nach Giftcontainern, um die Erinnerungen an traumatische Kindheitserfahrungen abzuwehren bzw. diese außen wiederaufzuführen. Im letzten Irakkrieg wurden mindestens über 100.000 Zivilisten getötet. (siehe zusätzlich auch "Der Golfkrieg als emotionale Störung“) In Afghanistan sind die Zahlen bisher noch unklar. Osama bin Laden war DAS neue Feindsymbol nachdem der Ostblock zusammengebrochen war. Amerika brauchte das Symbol bin Laden, um nicht verrückt zu werden und innerlich zu zerfallen. Im 19. Jahrhundert wie heute sind Kriege Ausdruck von emotionalen Zerfall und der Suche nach Giftcontainern, um diesem Zerfall entgegenzuwirken. Damals waren die Indianer die „Feinde“ und Geronimo der letzte große feindliche Anführer. Heute ist die Situation etwas anders. Bin Ladens Tod wird den Terrorismus nicht beenden. Vielmehr stehen wir wohl eher am Anfang einer Epoche des Terrors. Der Auftrieb des Terrors ist allerdings eng verknüpft mit der Politik der USA, was jeder, der die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte etwas in den Medien verfolgt, leicht feststellen kann. Gleichzeitig sind die USA selbstgewählte Hauptkämpfer gegen den Terror. Wer Feinde sucht und im Grunde auch generiert, um sie dann zu bekämpfen, muss sich fragen lassen, ob das Kämpfen und Töten nicht das eigentliche Ziel des politischen Handelns ist.
Die Indianer waren die damaligen Giftcontainer, heute sind definierte Terroristen und die Bevölkerung drum herum die neuen Giftcontainer. Die Namenswahl „Geronimo“ für Osama bin Laden spricht insofern Bände und zieht eine rote Linie zu den Inianerkriegen. Dabei ist es keine Frage, dass die Person bin Laden ein realer Terrorist war. Mir geht es hier um die Symbolik, die Rückschlüsse auf emotionale Prozesse zu lässt.
Nebenbei fand ich eine Info auf wikipedia interessant. Prescott Bush, Vater von George H. W. Bush und Großvater von George W. Bush, soll im Mai 1918 den Schädel des Apachen-Häuptlings Geronimo aus dem Fort Sill bei Oklahoma eigenhändig mit fünf anderen Bonesmen aus vier Jahrgängen ausgegraben und ihn als Geschenk der Bruderschaft Skull & Bones präsentiert haben. Enkelkind George W. startete bekanntlich den Krieg gegen den Terror und befahl die Jagd auf bin Laden. Kürzlich wurde unter Obama „Geronimo“ alias bin Laden getötet. Eine erschreckende Symbolik.
Dienstag, 3. Mai 2011
Amerikas Jubel als "zivilisatorischen Rückfall"?
Osama Bin Laden wurde getötet, wie wohl schon fast jeder weiß. Die „Partystimmung“ in den USA zeigt mir derzeit, wie sehr Feindbilder und die Feindesjagd bzw. die Suche nach einem „bösen Gegenpart“ tiefe (unbewusste) Emotionen der Menschen anspricht. Meine Zeit ist momentan etwas knapp, insofern verweise ich hiermit auf den SPIEGEL-Online Artikel „Er ist tot. Hurra?“, der meine Gedanken sehr trifft. Ein Auszug. „Es sind wohl letztlich leider nicht "die Kräfte des Friedens", die hier gesiegt haben, wie Merkel meint, sondern die Anhänger einer archaischen Blutrache-Moral. Dass sich die Spitzen unserer Regierungsparteien dieser Ideologie unterwerfen, bedeutet einen zivilisatorischen Rückfall. Die Erleichterung über den Tod Bin Ladens ist nachvollziehbar, der Applaus für seine Hinrichtung ist es nicht.“
Mir fällt in der aktuellen Berichterstattung aus den USA auf, dass sehr viele Junge Amerikaner und Amerikanerinnen jubelnd und feiernd gezeigt werden. Diese waren zur Zeit des 11. September allerdings noch Kinder und werden die Ereignisse zwar mit Schrecken mitbekommen haben, allerdings ohne diese klar einordnen zu können. Besonders erschreckend ist, dass diese neue, junge Generation so auf der Rachewelle und dem Jubeltaumel mitschwimmt und sie sogar die Medienbilder dominieren.
Amerikas derzeitiger Jubel und die mancher Europäer stellt nicht wirklich einen "zivilisatorischen Rückfall" dar, sondern zeigt den Ist-Zustand der emotionalen (Entwicklungs-)Lage auf.
Siehe ergänzend auch: "Kindheit in den USA"
Mir fällt in der aktuellen Berichterstattung aus den USA auf, dass sehr viele Junge Amerikaner und Amerikanerinnen jubelnd und feiernd gezeigt werden. Diese waren zur Zeit des 11. September allerdings noch Kinder und werden die Ereignisse zwar mit Schrecken mitbekommen haben, allerdings ohne diese klar einordnen zu können. Besonders erschreckend ist, dass diese neue, junge Generation so auf der Rachewelle und dem Jubeltaumel mitschwimmt und sie sogar die Medienbilder dominieren.
Amerikas derzeitiger Jubel und die mancher Europäer stellt nicht wirklich einen "zivilisatorischen Rückfall" dar, sondern zeigt den Ist-Zustand der emotionalen (Entwicklungs-)Lage auf.
Siehe ergänzend auch: "Kindheit in den USA"
Dienstag, 26. April 2011
Urvölker: Das falsche Ideal
Kürzlich bin ich auf den interessanten Artikel „Das Märchen vom edlen Wilden“ auf Sueddeutsche-Online gestoßen.
Bzgl. einiger Stämme unter den Ureinwohnern Nordamerikas, scheinen Belege dafür gefunden worden zu sein, dass diese Wälder abholzten und Wildbestände dezimierten, zum Nachteil des Ökosystems und der eigenen Lebensgrundlage. Des Weiteren verursachte Intensive Landnutzung z.B. häufige und starke Überflutungen und andere Nachteile für die Umwelt (was auch für Stämme aus Südamerika belegt ist). „Wenn es irgendwo keine Umweltzerstörung gegeben hat, liegt das daran, dass dort nur wenige Menschen gelebt haben, die nur über eine primitive Technik verfügt haben.“ wird Raymond Hames, Anthropologe an der University of Nebraska, zitiert.
„Das Märchen vom Indianer, der in tiefer spiritueller Verbundenheit mit der Natur lebt, verrät viel über die romantische Sehnsucht der Europäer und nichts über die indigene Bevölkerung Amerikas.“ schreibt die Sueddeutsche. Aufschlussreich und für mich neu ist auch, dass die bekannte Weissagung der Cree "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann." gar nicht von den Indianern stammte, sondern eine Erfindung des Filmregisseurs Ted Perry war.
Ohne Frage sind die heutigen Menschen weit aus größere Umweltverschmutzer als die damaligen Indianer, eben weil die Techniken und Möglichkeiten wesentlich weiterentwickelt sind. Hier geht es um etwas anderes. Wer diesen Blog genau liest, wird wahrgenommen haben, dass ich den Thesen von Lloyd deMause bzgl. der psychischen Evolution von Menschen und Gesellschaften ausgelöst durch sich verändernde Kindererziehungspraktiken zustimme. Wir werden in der Geschichte kein Ideal finden, was unsere Probleme lösen kann. Emotional sind viele heutige Menschen weiter entwickelt, als alle Generationen vor ihnen. Über Emotionen und Mitgefühl lassen sich auch Umweltprobleme besser in den Griff bekommen, wie ich meine. Aber das ist wieder ein Thema für sich.
Eigentlich möchte ich hier (erneut) festhalten, dass man sich vor einer Idealisierung von Urvölkern und Stämmen hüten sollte! Dies gilt insbesondere auch für die dort vorherrschenden Kindererziehungspraktiken, aber auch bzgl. aller möglichen anderen destruktiven Verhaltensweisen.
Weiterführendes zu dem Thema hier:
Hexenjagd in Papua-Neuguinea
Aborigines. Gewalt und Missbrauch. Entzauberung eines Urvolkes?
Historische Kindererziehungspraktiken und Persönlichkeiten
Bzgl. einiger Stämme unter den Ureinwohnern Nordamerikas, scheinen Belege dafür gefunden worden zu sein, dass diese Wälder abholzten und Wildbestände dezimierten, zum Nachteil des Ökosystems und der eigenen Lebensgrundlage. Des Weiteren verursachte Intensive Landnutzung z.B. häufige und starke Überflutungen und andere Nachteile für die Umwelt (was auch für Stämme aus Südamerika belegt ist). „Wenn es irgendwo keine Umweltzerstörung gegeben hat, liegt das daran, dass dort nur wenige Menschen gelebt haben, die nur über eine primitive Technik verfügt haben.“ wird Raymond Hames, Anthropologe an der University of Nebraska, zitiert.
„Das Märchen vom Indianer, der in tiefer spiritueller Verbundenheit mit der Natur lebt, verrät viel über die romantische Sehnsucht der Europäer und nichts über die indigene Bevölkerung Amerikas.“ schreibt die Sueddeutsche. Aufschlussreich und für mich neu ist auch, dass die bekannte Weissagung der Cree "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann." gar nicht von den Indianern stammte, sondern eine Erfindung des Filmregisseurs Ted Perry war.
Ohne Frage sind die heutigen Menschen weit aus größere Umweltverschmutzer als die damaligen Indianer, eben weil die Techniken und Möglichkeiten wesentlich weiterentwickelt sind. Hier geht es um etwas anderes. Wer diesen Blog genau liest, wird wahrgenommen haben, dass ich den Thesen von Lloyd deMause bzgl. der psychischen Evolution von Menschen und Gesellschaften ausgelöst durch sich verändernde Kindererziehungspraktiken zustimme. Wir werden in der Geschichte kein Ideal finden, was unsere Probleme lösen kann. Emotional sind viele heutige Menschen weiter entwickelt, als alle Generationen vor ihnen. Über Emotionen und Mitgefühl lassen sich auch Umweltprobleme besser in den Griff bekommen, wie ich meine. Aber das ist wieder ein Thema für sich.
Eigentlich möchte ich hier (erneut) festhalten, dass man sich vor einer Idealisierung von Urvölkern und Stämmen hüten sollte! Dies gilt insbesondere auch für die dort vorherrschenden Kindererziehungspraktiken, aber auch bzgl. aller möglichen anderen destruktiven Verhaltensweisen.
Weiterführendes zu dem Thema hier:
Hexenjagd in Papua-Neuguinea
Aborigines. Gewalt und Missbrauch. Entzauberung eines Urvolkes?
Historische Kindererziehungspraktiken und Persönlichkeiten
Sonntag, 10. April 2011
Vom Porno-Star über Milgram zu Hitler
In der Winterausgabe der EMMA berichtete „Kim“ im Artikel „Der Traum vom Porno-Star“ über ihre Zeit als Pornodarstellerin. Ihre Schilderungen sind sehr schockierend und zeigen die menschenunwürdigen Bedingungen, die in dieser Branche herrschen. (Kim über ihre Pornoerfahrungen: „Scheiße wird besser behandelt, die wird das Klo runtergespült. Die ist dann weg. Aber man selbst liegt noch da.“) Der EMMA Text ist unbedingt lesenswert und darüberhinaus Pflicht, wenn dieser Beitrag von mir hier richtig verstanden werden soll. Denn mir geht es hier jetzt um etwas anderes, als die Pornoszene.
Kim ist ganz offensichtlich in ihrer Kindheit und ihrer Familie schwer traumatisiert worden. Sie deutet dies direkt an: „Ich hab mich schlecht gefühlt, aber es kam so viel Anerkennung von wildfremden Menschen, das hatte ich in meiner eigenen Familie so noch nicht gehabt. (…) Wenn ich zu den Sets gefahren bin, habe ich aber immer stärker nach dieser Anerkennung gelechzt.“ An anderer Stelle wird sie noch deutlicher, bezieht ihre Aussagen allerdings nur auf Dritte (ich vermute allerdings sehr stark, dass sie damit auch sich selbst meint): „Und alle diese Mädchen (…) alle, alle, alle hatten eine schlimme Erfahrung gemacht. Oder mehrere. Ob es der Missbrauch durch den Vater war, die drogenabhängige Mutter oder Heimkinder. Und eigene Drogenerfahrungen, die ja auch irgendwoher gerührt haben. Es waren alles Mädchen mit einer Geschichte dahinter. (…) Viele kamen auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung (…)“
An einigen Stellen des Berichtes fielen mir auch mögliche Verbindungen zu traumatischen Erfahrungen auf. So z.B. als Kim berichtet, wie sie während der „Sets“ aus ihrem Körper rausgeht und woanders ist (etwas, dass in ähnlicher Weise sehr oft als Kind sexuell missbrauchte Menschen berichten.). Oder auch grundsätzlich, in der Art, wie sie sich selbst gar nicht als eigenständige Person wahrnimmt, sondern als jemanden, mit dem mann macht, der nicht entscheiden kann, der den Dingen hilflos ausgeliefert ist. Ein Beispiel dazu: Kim wurde von einem „Klaus“ das erste mal für einen Porno-Dreh vermittelt. Sie berichtet: „Er kam einen Abend vorher zu mir und hat prompt auch bei mir geschlafen und mir „schon mal ein paar Sachen gezeigt“. Ich wär’ ne ganz Tolle, hat er dann gesagt. Ich hätte ein ganz enges Loch, das würde ganz viel Spaß bringen mit mir.“ Wo ist hier der Mensch „Kim“, der sich und seine Würde verteidigt? „Klaus“ wertet über sie, er trifft die Entscheidungen. Der Mensch Kim ist…tja..irgendwo anders. Dieses Gefühl, nicht Herr bzw. Frau im eigenen Haus zu sein, mit sich Dinge geschehen zu lassen, Eigenverantwortung abzugeben, anderen absolute Macht über sich zu geben, ist typisch für Menschen, die als Kind kein eigenes Selbst aufbauen durften und schon früh massiv in ihrer Würde verletzt wurden. (Studien über Prostituierte - vgl. Zumbeck, 2001 - zeigen, dass diese sehr oft als Kind misshandelt und/oder sexuell missbraucht wurden. Ähnliche Ergebnisse würde man sicherlich auch bei PornodarstellerInnen vorfinden.)
Das Milgram-Experiment: Um mir große Erläuterungen dazu zu ersparen, verweise ich an diese Stelle auf den entsprechenden Wiki-Beitrag, der das ganze gut erklärt. Das Experiment zeigte, das Testpersonen („ganz normale Menschen“) unter bestimmten Bedingungen bereit sind, Befehle ggf. bedingungslos zu befolgen. Im Kernexperiment wurde eine vermeintliche andere Testperson (die eigentlich Schauspieler war) in einem Nebenraum durch die eigentliche Testperson auf Befehl des Experimentleiters (z.B. als Arzt aufgemacht) mit Stromstößen bestraft, wenn auf eine Frage falsche Antwort gegeben wurde. Die Mehrheit der Testpersonen waren bereit, Stromschläge bis zum Maximum (450 Volt) zu verabreichen, was den fiktiven Tod oder schwerste Verletzungen der anderen Testperson bedeutete. Keine Testperson blieb unter der 300-Volt-Grenze, vor dieser Phase (bei 200 Volt) waren noch schlimme Schreie des „Schauspielers“ zu hören. Ich selbst habe als Student an meiner Uni eine deutsche Variante dieses Experiments auf Video gesehen. Wenn man den Ablauf bildlich sieht und die Schreie hört, ist das Experiment und sein Ergebnis um so erschütternder.
Nur ganz ganz wenige Forscher wie Arno Gruen oder Lloyd deMause haben dieses Experiment mit traumatischen, von Gewalt geprägten Kindheitserfahrungen in Verbindung gebracht. Der Grundtenor all der anderen Forschenden lässt sich in etwa so zusammenfassen: Unter bestimmten Rahmenbedingungen scheinen fast alle ganz normalen Menschen zu grausamen Verhalten in der Lage zu sein.
Ich meine, dass es Menschen wie z.B. Kim sind, die in solchen Versuchen alle Verantwortung abgeben und blind dem Befehl von Autoritäten folgen. Viele Testpersonen im Milgram-Experiment zeigten dabei starke körperliche Reaktionen, Zeichen von großer Anspannung und Nervosität usw.
Ein Wiki-Zitat: „Ich beobachtete einen reifen und anfänglich selbstsicher auftretenden Geschäftsmann, der das Labor lächelnd und voller Selbstvertrauen betrat. Innerhalb von 20 Minuten war aus ihm ein zuckendes, stotterndes Wrack geworden, das sich rasch einem Nervenzusammenbruch näherte. Er zupfte dauernd an seinem Ohrläppchen herum und rang die Hände. An einem Punkt schlug er sich mit der Faust gegen die Stirn und murmelte: ‚Oh Gott lass uns aufhören‘. Und doch reagierte er weiterhin auf jedes Wort des Versuchsleiters und gehorchte bis zum Schluss.“ Im Grunde zeigt dies, dass sie sich auf der einen Seite darüber im Klaren waren, etwas falsches, gar Verbrecherisches zu tun. Trotzdem machten sie weiter. Warum ist das so?
Der Versuchsaufbau stellte – obwohl von den Experimentleitern wahrscheinlich gar nicht bewusst gewollt – die Kindheitserlebnisse vieler Menschen wieder her. Übermächtige Eltern bestraften ihre Kinder bei Vergehen oder aus Spaß. Bedingungsloser Gehorsam wurde von den Kindern verlangt, absolute Ohnmacht erlebt. (Man bedenke auch: Das Experiment wurde in den 60er Jahren durchgeführt. Die Kindheit der VersuchsteilnehmerInnen lag entsprechend in der Zeit der „schwarzen Pädagogik“.) Eigene Empfindungen, Sicht und Empathie wurden dadurch schon früh als etwas fremdes psychisch abgespalten. (Ich habe diesen Prozess sehr ausführlich auch hier beschrieben) Die alte Ohnmacht aus der Kindheit taucht unter den Bedingungen des Experimentes wieder auf. Ohnmächtig wird das getan, was die Autorität verlangt. Diese Seite, diese Folgen von Kindesmisshandlung und –missbrauch sind meiner Meinung nach sehr bedeutsam für die Gewaltursachenforschung. Trotz innerer Widerstände waren die VersuchsteilnehmerInnen nicht in der Lage, eigenständige, verantwortliche, auf Mitgefühl bauende Entscheidungen zu treffen oder besser gesagt einfach „Nein!“ zu sagen, “ Nein! Das mache ich nicht mit“. Auch Kim konnte dies (sehr lange) nicht, konnte nicht „Nein! Das will ich nicht, das mache ich nicht mehr mit!“ sagen, obwohl sie nicht zu den Pornodrehs gezwungen worden war, sondern Verträge unterschrieben hatte, die sie jederzeit hätte auflösen können. Auch die VersuchsteilnehmerInnen hätten den Versuch jederzeit abbrechen können. Viele taten dies nicht. Das Milgram-Experiment wird klassisch dazu herangezogen, Hitler-Deutschland zu erklären. Das ist auf eine Art meiner Meinung nach auch richtig. Allerdings sind es weniger die Umstände, die die Menschen lenken, als deren gewaltvolle Kindheitserfahrungen. Leider wird das auch heute noch immer nicht wirklich erkannt.
Heute würde das Milgram Experiment aus ethischen Prinzipien der Zeit nicht mehr durchgeführt werden. Allerdings bin ich sicher: Heute würde das Experiment etwas andere Ergebnisse bringen, da sich die Kindererziehungspraxis in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert hat.
Kim ist ganz offensichtlich in ihrer Kindheit und ihrer Familie schwer traumatisiert worden. Sie deutet dies direkt an: „Ich hab mich schlecht gefühlt, aber es kam so viel Anerkennung von wildfremden Menschen, das hatte ich in meiner eigenen Familie so noch nicht gehabt. (…) Wenn ich zu den Sets gefahren bin, habe ich aber immer stärker nach dieser Anerkennung gelechzt.“ An anderer Stelle wird sie noch deutlicher, bezieht ihre Aussagen allerdings nur auf Dritte (ich vermute allerdings sehr stark, dass sie damit auch sich selbst meint): „Und alle diese Mädchen (…) alle, alle, alle hatten eine schlimme Erfahrung gemacht. Oder mehrere. Ob es der Missbrauch durch den Vater war, die drogenabhängige Mutter oder Heimkinder. Und eigene Drogenerfahrungen, die ja auch irgendwoher gerührt haben. Es waren alles Mädchen mit einer Geschichte dahinter. (…) Viele kamen auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung (…)“
An einigen Stellen des Berichtes fielen mir auch mögliche Verbindungen zu traumatischen Erfahrungen auf. So z.B. als Kim berichtet, wie sie während der „Sets“ aus ihrem Körper rausgeht und woanders ist (etwas, dass in ähnlicher Weise sehr oft als Kind sexuell missbrauchte Menschen berichten.). Oder auch grundsätzlich, in der Art, wie sie sich selbst gar nicht als eigenständige Person wahrnimmt, sondern als jemanden, mit dem mann macht, der nicht entscheiden kann, der den Dingen hilflos ausgeliefert ist. Ein Beispiel dazu: Kim wurde von einem „Klaus“ das erste mal für einen Porno-Dreh vermittelt. Sie berichtet: „Er kam einen Abend vorher zu mir und hat prompt auch bei mir geschlafen und mir „schon mal ein paar Sachen gezeigt“. Ich wär’ ne ganz Tolle, hat er dann gesagt. Ich hätte ein ganz enges Loch, das würde ganz viel Spaß bringen mit mir.“ Wo ist hier der Mensch „Kim“, der sich und seine Würde verteidigt? „Klaus“ wertet über sie, er trifft die Entscheidungen. Der Mensch Kim ist…tja..irgendwo anders. Dieses Gefühl, nicht Herr bzw. Frau im eigenen Haus zu sein, mit sich Dinge geschehen zu lassen, Eigenverantwortung abzugeben, anderen absolute Macht über sich zu geben, ist typisch für Menschen, die als Kind kein eigenes Selbst aufbauen durften und schon früh massiv in ihrer Würde verletzt wurden. (Studien über Prostituierte - vgl. Zumbeck, 2001 - zeigen, dass diese sehr oft als Kind misshandelt und/oder sexuell missbraucht wurden. Ähnliche Ergebnisse würde man sicherlich auch bei PornodarstellerInnen vorfinden.)
Das Milgram-Experiment: Um mir große Erläuterungen dazu zu ersparen, verweise ich an diese Stelle auf den entsprechenden Wiki-Beitrag, der das ganze gut erklärt. Das Experiment zeigte, das Testpersonen („ganz normale Menschen“) unter bestimmten Bedingungen bereit sind, Befehle ggf. bedingungslos zu befolgen. Im Kernexperiment wurde eine vermeintliche andere Testperson (die eigentlich Schauspieler war) in einem Nebenraum durch die eigentliche Testperson auf Befehl des Experimentleiters (z.B. als Arzt aufgemacht) mit Stromstößen bestraft, wenn auf eine Frage falsche Antwort gegeben wurde. Die Mehrheit der Testpersonen waren bereit, Stromschläge bis zum Maximum (450 Volt) zu verabreichen, was den fiktiven Tod oder schwerste Verletzungen der anderen Testperson bedeutete. Keine Testperson blieb unter der 300-Volt-Grenze, vor dieser Phase (bei 200 Volt) waren noch schlimme Schreie des „Schauspielers“ zu hören. Ich selbst habe als Student an meiner Uni eine deutsche Variante dieses Experiments auf Video gesehen. Wenn man den Ablauf bildlich sieht und die Schreie hört, ist das Experiment und sein Ergebnis um so erschütternder.
Nur ganz ganz wenige Forscher wie Arno Gruen oder Lloyd deMause haben dieses Experiment mit traumatischen, von Gewalt geprägten Kindheitserfahrungen in Verbindung gebracht. Der Grundtenor all der anderen Forschenden lässt sich in etwa so zusammenfassen: Unter bestimmten Rahmenbedingungen scheinen fast alle ganz normalen Menschen zu grausamen Verhalten in der Lage zu sein.
Ich meine, dass es Menschen wie z.B. Kim sind, die in solchen Versuchen alle Verantwortung abgeben und blind dem Befehl von Autoritäten folgen. Viele Testpersonen im Milgram-Experiment zeigten dabei starke körperliche Reaktionen, Zeichen von großer Anspannung und Nervosität usw.
Ein Wiki-Zitat: „Ich beobachtete einen reifen und anfänglich selbstsicher auftretenden Geschäftsmann, der das Labor lächelnd und voller Selbstvertrauen betrat. Innerhalb von 20 Minuten war aus ihm ein zuckendes, stotterndes Wrack geworden, das sich rasch einem Nervenzusammenbruch näherte. Er zupfte dauernd an seinem Ohrläppchen herum und rang die Hände. An einem Punkt schlug er sich mit der Faust gegen die Stirn und murmelte: ‚Oh Gott lass uns aufhören‘. Und doch reagierte er weiterhin auf jedes Wort des Versuchsleiters und gehorchte bis zum Schluss.“ Im Grunde zeigt dies, dass sie sich auf der einen Seite darüber im Klaren waren, etwas falsches, gar Verbrecherisches zu tun. Trotzdem machten sie weiter. Warum ist das so?
Der Versuchsaufbau stellte – obwohl von den Experimentleitern wahrscheinlich gar nicht bewusst gewollt – die Kindheitserlebnisse vieler Menschen wieder her. Übermächtige Eltern bestraften ihre Kinder bei Vergehen oder aus Spaß. Bedingungsloser Gehorsam wurde von den Kindern verlangt, absolute Ohnmacht erlebt. (Man bedenke auch: Das Experiment wurde in den 60er Jahren durchgeführt. Die Kindheit der VersuchsteilnehmerInnen lag entsprechend in der Zeit der „schwarzen Pädagogik“.) Eigene Empfindungen, Sicht und Empathie wurden dadurch schon früh als etwas fremdes psychisch abgespalten. (Ich habe diesen Prozess sehr ausführlich auch hier beschrieben) Die alte Ohnmacht aus der Kindheit taucht unter den Bedingungen des Experimentes wieder auf. Ohnmächtig wird das getan, was die Autorität verlangt. Diese Seite, diese Folgen von Kindesmisshandlung und –missbrauch sind meiner Meinung nach sehr bedeutsam für die Gewaltursachenforschung. Trotz innerer Widerstände waren die VersuchsteilnehmerInnen nicht in der Lage, eigenständige, verantwortliche, auf Mitgefühl bauende Entscheidungen zu treffen oder besser gesagt einfach „Nein!“ zu sagen, “ Nein! Das mache ich nicht mit“. Auch Kim konnte dies (sehr lange) nicht, konnte nicht „Nein! Das will ich nicht, das mache ich nicht mehr mit!“ sagen, obwohl sie nicht zu den Pornodrehs gezwungen worden war, sondern Verträge unterschrieben hatte, die sie jederzeit hätte auflösen können. Auch die VersuchsteilnehmerInnen hätten den Versuch jederzeit abbrechen können. Viele taten dies nicht. Das Milgram-Experiment wird klassisch dazu herangezogen, Hitler-Deutschland zu erklären. Das ist auf eine Art meiner Meinung nach auch richtig. Allerdings sind es weniger die Umstände, die die Menschen lenken, als deren gewaltvolle Kindheitserfahrungen. Leider wird das auch heute noch immer nicht wirklich erkannt.
Heute würde das Milgram Experiment aus ethischen Prinzipien der Zeit nicht mehr durchgeführt werden. Allerdings bin ich sicher: Heute würde das Experiment etwas andere Ergebnisse bringen, da sich die Kindererziehungspraxis in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert hat.
Sonntag, 3. April 2011
Kindererziehungspraxis in Afrika (Ghana) - Bilder von "bösen Mamis"
Afrika ist ein Kontinent, über dessen Kindererziehungspraxis ich bisher sehr wenig gefunden habe. Bzgl. Nordafrika gibt es einige erschreckende Zahlen was Kindesmisshandlung angeht. In Südafrika liegen vor allem Zahlen bzgl. der sehr weit verbreiteten sexuellen Gewalt gegen Kinder und Frauen vor. Dazu kommen Berichte über die weit verbreitete Genitalienverstümmelung an Mädchen (teils auch an Jungen) und grausame Initiationsriten. Wirklich repräsentative Studien bzgl. Gewalt in der Familie für diverse afrikanische Länder habe ich bisher nicht gefunden. Mir scheinen hier aussagekräftige Zahlen zu fehlen.
In der Süddeutschen Zeitung wurde aktuell über eine Ausstellung ("Deadly and Brutal - Filmplakate aus Ghana" Die neue Sammlung - The International Design Museum Munich. Pinakothek der Moderne) berichtet, in der 70 Filmplakate (aus den 80er Jahren) aus Ghana gezeigt werden. (Artikel dazu: "Kunst der naiven Grausamkeit") Die online gestellten Bilder zeigen eine deutliche Symbolik: misshandelnde und missbrauchende „böse“ Mütter. Man sieht z.B. auf Bild 1 "Mami Water" - ein afrikanischer Wassergeist –, diese „Mami“ hat einen Schlangenkörper und ist von Schlangen umgeben (ein Bild, dass in ähnlicher Art und Weise vor allem Lloyd deMause in allen Regionen der Welt gefunden hat und in Zusammenhang mit leidvollen Kindheitsgeschichten bringt.). Auf Bild 2 schlägt die übergroße „Mami“ mit einem Knüppel auf ihre „Tochter“ ein. Bild 3 zeigt den Film „Bad Woman“, aus deren monströsen Gesicht bzw. Mund eine riesige Schlangenzunge schnellt, während der Kopf eines jungen Mannes in einem Topf voller Blut zu sehen ist. Unter dem Titel „I hate my village“ (Ich hasse mein Dorf) sind zwei Kannibalen zu sehen, die Menschenteile verzehren. Unter dem Titel „The God to serve“ sind auf Bild 10 drei Frauen zu sehen, aus deren Augen „böse“ Blitze schießen. Vor ihnen befindet sich ein großer Topf voller Blut. Eine der Frauen trägt dabei zwei Babys im Arm. Auch andere Bilder zeigen Spiele mit Leichenteilen.
Mir fällt an dieser Stelle wieder ein Zitat ein. Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Barbara Diepold (1998, S. 136) beschrieb bildlich und wahrlich erschreckend die innere Welt schwer traumatisierter Kinder. „Die innere Welt traumatisierter Kinder ist so, wie Hieronymus Bosch sie gemalt und Dante sie in seinem „Inferno“ beschrieben hat, oder der Mythos der Medusa sie erzählt: Gespenster und Geister, brennendes Feuer, Eiseskälte, Leichenstarre, von Kopf bis Fuss gespaltene Menschen, deren Fragmente sich zu ganzen Menschen zusammensetzen, Menschenleere und Einsamkeit, Spiele mit Leichenteilen, Unfälle und mörderische Aggressivität.“ (ebd., S. 136) Diese inneren Bilder finden sich in den oben aufgeführten Kinoplakaten deutlich wieder.
„Wegen der verzerrten Perspektive und falschen Größenverhältnissen, wirken die knallbunten Motive trotz aller Blutrünstigkeit naiv - fast so, als wären sie von Kindern selbst gemalt worden“, schreibt der Autor der Süddeutschen unter ein Bild. Und er spricht damit einen sehr wahren Kern an (ohne ihn richtig zu deuten): Die Bilder scheinen aus der leidvollen Kindheitsgeschichte ihrer Maler zu stammen und wirken insofern kindlich. Offensichtlich erfreuten sich diese Darstellungen in Ghana großer Beliebtheit. Es liegt auf der Hand, hier zu vermuten, dass in Ghana Gewalt und Missbrauch von Müttern ausgehend gegenüber ihren Babys und Kindern vor den 80er Jahren (heute?) weit verbreitet war.
Leider ist Afrika eine „Black Box“ was Studien über Gewalt in der Familie angeht. Der Auftrag an die Forschung wäre hier, etwas mehr Licht in diese Region zu bringen. Da in Afrika vor allem Frauen für die Kindererziehung zuständig sind, sollte hier vor allem auch ohne Scheuklappen geforscht werden. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst und bekannt, dass Frauengewalt (neben der Männergewalt) gegen Kinder sehr weit verbreitet ist . Erst wenn dies überhaupt bekannt ist, kann auch ein genaueres Hinsehen folgen. Sehr wahrscheinlich würden wir dann auf die tieferen Ursachen der oftmals gewaltvollen Konflikte in dieser Region stoßen. Spannend wäre hier, mögliche Unterschiede in der Kindererziehungspraxis zwischen afrikanischen Ländern herauszuarbeiten, die in der Vergangenheit oder auch aktuell blutige Konflikte und Diktaturen erlebt haben/erleben und den Ländern, die weniger oder keine blutigen Unruhen erlebt haben.
In der Süddeutschen Zeitung wurde aktuell über eine Ausstellung ("Deadly and Brutal - Filmplakate aus Ghana" Die neue Sammlung - The International Design Museum Munich. Pinakothek der Moderne) berichtet, in der 70 Filmplakate (aus den 80er Jahren) aus Ghana gezeigt werden. (Artikel dazu: "Kunst der naiven Grausamkeit") Die online gestellten Bilder zeigen eine deutliche Symbolik: misshandelnde und missbrauchende „böse“ Mütter. Man sieht z.B. auf Bild 1 "Mami Water" - ein afrikanischer Wassergeist –, diese „Mami“ hat einen Schlangenkörper und ist von Schlangen umgeben (ein Bild, dass in ähnlicher Art und Weise vor allem Lloyd deMause in allen Regionen der Welt gefunden hat und in Zusammenhang mit leidvollen Kindheitsgeschichten bringt.). Auf Bild 2 schlägt die übergroße „Mami“ mit einem Knüppel auf ihre „Tochter“ ein. Bild 3 zeigt den Film „Bad Woman“, aus deren monströsen Gesicht bzw. Mund eine riesige Schlangenzunge schnellt, während der Kopf eines jungen Mannes in einem Topf voller Blut zu sehen ist. Unter dem Titel „I hate my village“ (Ich hasse mein Dorf) sind zwei Kannibalen zu sehen, die Menschenteile verzehren. Unter dem Titel „The God to serve“ sind auf Bild 10 drei Frauen zu sehen, aus deren Augen „böse“ Blitze schießen. Vor ihnen befindet sich ein großer Topf voller Blut. Eine der Frauen trägt dabei zwei Babys im Arm. Auch andere Bilder zeigen Spiele mit Leichenteilen.
Mir fällt an dieser Stelle wieder ein Zitat ein. Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Barbara Diepold (1998, S. 136) beschrieb bildlich und wahrlich erschreckend die innere Welt schwer traumatisierter Kinder. „Die innere Welt traumatisierter Kinder ist so, wie Hieronymus Bosch sie gemalt und Dante sie in seinem „Inferno“ beschrieben hat, oder der Mythos der Medusa sie erzählt: Gespenster und Geister, brennendes Feuer, Eiseskälte, Leichenstarre, von Kopf bis Fuss gespaltene Menschen, deren Fragmente sich zu ganzen Menschen zusammensetzen, Menschenleere und Einsamkeit, Spiele mit Leichenteilen, Unfälle und mörderische Aggressivität.“ (ebd., S. 136) Diese inneren Bilder finden sich in den oben aufgeführten Kinoplakaten deutlich wieder.
„Wegen der verzerrten Perspektive und falschen Größenverhältnissen, wirken die knallbunten Motive trotz aller Blutrünstigkeit naiv - fast so, als wären sie von Kindern selbst gemalt worden“, schreibt der Autor der Süddeutschen unter ein Bild. Und er spricht damit einen sehr wahren Kern an (ohne ihn richtig zu deuten): Die Bilder scheinen aus der leidvollen Kindheitsgeschichte ihrer Maler zu stammen und wirken insofern kindlich. Offensichtlich erfreuten sich diese Darstellungen in Ghana großer Beliebtheit. Es liegt auf der Hand, hier zu vermuten, dass in Ghana Gewalt und Missbrauch von Müttern ausgehend gegenüber ihren Babys und Kindern vor den 80er Jahren (heute?) weit verbreitet war.
Leider ist Afrika eine „Black Box“ was Studien über Gewalt in der Familie angeht. Der Auftrag an die Forschung wäre hier, etwas mehr Licht in diese Region zu bringen. Da in Afrika vor allem Frauen für die Kindererziehung zuständig sind, sollte hier vor allem auch ohne Scheuklappen geforscht werden. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst und bekannt, dass Frauengewalt (neben der Männergewalt) gegen Kinder sehr weit verbreitet ist . Erst wenn dies überhaupt bekannt ist, kann auch ein genaueres Hinsehen folgen. Sehr wahrscheinlich würden wir dann auf die tieferen Ursachen der oftmals gewaltvollen Konflikte in dieser Region stoßen. Spannend wäre hier, mögliche Unterschiede in der Kindererziehungspraxis zwischen afrikanischen Ländern herauszuarbeiten, die in der Vergangenheit oder auch aktuell blutige Konflikte und Diktaturen erlebt haben/erleben und den Ländern, die weniger oder keine blutigen Unruhen erlebt haben.
Freitag, 1. April 2011
Libyen und die Eskalationsstrategie des Westens
Die These, die ich in diesem Blog schon oft vertreten habe, ist, dass die eigentlichen Ziele von Kriegen eben deren Folgen sind und das sind vor allem Opfer, Menschenopfer. Es geht darum, Menschen zu töten und Zerstörungen und Leid über eine Region zu bringen, parallel dazu geht es immer auch um Selbstzerstörung . Dieses eigentliche Kriegsziel entstammt aus tiefen, abgespaltenen Emotionen (aus der Kindheit) und ist insofern nicht wirklich greifbar zu machen. Dies gilt gerade in der heutigen Zeit, wo wir Demokraten eine „nettere“ Sprache brauchen, wie ich bereits ausführte. Das ganze Gerede um den „humanitären“ Kampfeinsatz in Libyen zeigt dies sehr deutlich.
Man muss sich jetzt einfach den Verlauf der Dinge anschauen. Vieles spricht dafür, dass die Kämpfe in Libyen längst beendet wären, hätte die westliche Allianz nicht interveniert. Die „Rebellen“ wären heillos unterlegen. Natürlich wären viele von Ihnen getötet worden. Doch alle Logik sagt mir, dass wochen- und monatelange andauernde Kämpfe nun mal mehr Menschenleben kosten, als ein Ende der Kämpfe mit Schrecken. Die Rebellen erobern mal diese mal jene Stadt, dann schlagen Regierungstruppen wieder zurück usw. Dabei sterben Menschen auf beiden Seiten. Und was ist eigentlich mit der Bevölkerung vor Ort? Diese ist immer zwischen den Fronten. Andauernde Kämpfe bedeuten also auch mehr zivile Opfer, mehr Traumatisierungen - gerade auch von Kindern, die die Kämpfe miterleben - oder auch Flüchtlinge. Vor allem letztere zeigen Medienberichte immer mehr.
Dass die Rebellenarmee ein Haufen von Fragezeichen aufwirft, zeigen aktuelle Berichte außerdem. So einige von ihnen könnten ehemalige „Gotteskrieger“ sein, die einst im Irak oder auch anderswo kämpften und die jetzt von der westlichen Allianz unterstützt werden. Ernsthaft wird derzeit darüber diskutiert, diese „Rebellenarmee“ mit Waffen aufzurüsten. Es ist schon absurd. Jahrelang wird Libyen und dessen Diktator vom Westen mit Waffen versorgt. Dann geht der Diktator mit diesen (westlichen) Waffen gegen Aufständische und sein Volk vor. Und jetzt soll die Gegenpartei wiederum mit westlichen Waffen versorgt werden… Das Ergebnis dieser Politik: Tod und Leid auf allen Seiten.
Für die Angriffe auf Libyen haben übrigens allein die USA bereits mehr als 550 Millionen Dollar ausgegeben hat! (vgl. sueddeutsche.de, 01.04.2011, "Rebellen wollen Waffenstillstand - und mehr Waffen") Da bekommt man eine Vorstellung davon, wie viele Bomben und Raketen abgefeuert wurden...
Die Entwicklungen der letzten Tage und Wochen zeigen immer mehr einen Weg in Richtung Eskalation. In Libyen herrscht Krieg. Nur sehr sehr wenig erfahren wir hier im Westen davon, was das an Leid für die Bevölkerung vor Ort bedeutet. Die Nachrichten konzentrieren sich auf „Rebellen“, „bösen Diktator“ und die „guten“ Luftschläge der Alleierten. Die Zukunft wird zeigen, was wiederum für Gräueltaten diese Rebellenarmee mit Unterstützung des Westens ausführen wird (oder bereits ausgeführt hat).
Nochmal: Die destruktiven Folgen von Kriegen sind deren eigentlichen Ziele. Mit dieser Denkweise im Gepäck ergibt sich ein ganz anderer Blick auf die Entwicklungen. Man schaut mehr auf die Ergebnisse der politischen Entscheidungen, als auf die verbal erklärten Ziele. Gesagt wird: Wir wollen Menschenleben schützen. Wenn das Ergebnis dann ist, dass weit mehr Menschen sterben, dann kann das erklärte Ziel nicht das eigentliche Ziel sein. Im Rückblick dürften die meisten Kriege einen solchen Verlauf aufzeigen. Beispielsweise denke ich an Vietnam oder auch den Irakkrieg. „Wir werden helfen, befreien, schützen“, das wird am Anfang gesagt. Am Ende finden sich nur noch Leichenberge.
Man muss sich jetzt einfach den Verlauf der Dinge anschauen. Vieles spricht dafür, dass die Kämpfe in Libyen längst beendet wären, hätte die westliche Allianz nicht interveniert. Die „Rebellen“ wären heillos unterlegen. Natürlich wären viele von Ihnen getötet worden. Doch alle Logik sagt mir, dass wochen- und monatelange andauernde Kämpfe nun mal mehr Menschenleben kosten, als ein Ende der Kämpfe mit Schrecken. Die Rebellen erobern mal diese mal jene Stadt, dann schlagen Regierungstruppen wieder zurück usw. Dabei sterben Menschen auf beiden Seiten. Und was ist eigentlich mit der Bevölkerung vor Ort? Diese ist immer zwischen den Fronten. Andauernde Kämpfe bedeuten also auch mehr zivile Opfer, mehr Traumatisierungen - gerade auch von Kindern, die die Kämpfe miterleben - oder auch Flüchtlinge. Vor allem letztere zeigen Medienberichte immer mehr.
Dass die Rebellenarmee ein Haufen von Fragezeichen aufwirft, zeigen aktuelle Berichte außerdem. So einige von ihnen könnten ehemalige „Gotteskrieger“ sein, die einst im Irak oder auch anderswo kämpften und die jetzt von der westlichen Allianz unterstützt werden. Ernsthaft wird derzeit darüber diskutiert, diese „Rebellenarmee“ mit Waffen aufzurüsten. Es ist schon absurd. Jahrelang wird Libyen und dessen Diktator vom Westen mit Waffen versorgt. Dann geht der Diktator mit diesen (westlichen) Waffen gegen Aufständische und sein Volk vor. Und jetzt soll die Gegenpartei wiederum mit westlichen Waffen versorgt werden… Das Ergebnis dieser Politik: Tod und Leid auf allen Seiten.
Für die Angriffe auf Libyen haben übrigens allein die USA bereits mehr als 550 Millionen Dollar ausgegeben hat! (vgl. sueddeutsche.de, 01.04.2011, "Rebellen wollen Waffenstillstand - und mehr Waffen") Da bekommt man eine Vorstellung davon, wie viele Bomben und Raketen abgefeuert wurden...
Die Entwicklungen der letzten Tage und Wochen zeigen immer mehr einen Weg in Richtung Eskalation. In Libyen herrscht Krieg. Nur sehr sehr wenig erfahren wir hier im Westen davon, was das an Leid für die Bevölkerung vor Ort bedeutet. Die Nachrichten konzentrieren sich auf „Rebellen“, „bösen Diktator“ und die „guten“ Luftschläge der Alleierten. Die Zukunft wird zeigen, was wiederum für Gräueltaten diese Rebellenarmee mit Unterstützung des Westens ausführen wird (oder bereits ausgeführt hat).
Nochmal: Die destruktiven Folgen von Kriegen sind deren eigentlichen Ziele. Mit dieser Denkweise im Gepäck ergibt sich ein ganz anderer Blick auf die Entwicklungen. Man schaut mehr auf die Ergebnisse der politischen Entscheidungen, als auf die verbal erklärten Ziele. Gesagt wird: Wir wollen Menschenleben schützen. Wenn das Ergebnis dann ist, dass weit mehr Menschen sterben, dann kann das erklärte Ziel nicht das eigentliche Ziel sein. Im Rückblick dürften die meisten Kriege einen solchen Verlauf aufzeigen. Beispielsweise denke ich an Vietnam oder auch den Irakkrieg. „Wir werden helfen, befreien, schützen“, das wird am Anfang gesagt. Am Ende finden sich nur noch Leichenberge.
Samstag, 26. März 2011
Kriegsgründe: Heutige Kriege werden moralisch ausgerechnet
Es gibt verschiedenste Aufstellungen von Kriegsursachen. Ich habe einfach einmal eine sehr objektive Auflistung herausgesucht, die von der „Bundeszentrale für politische Bildung“ (Ein Teil von „Panorama der Konflikte – Weltkonflikte“ unter http://www.bpb.de/die_bpb/ZTTVEX,0,PDFVersionen.html) veröffentlicht wurde. Folgende Kriegsursachen werden aufgelistet:
Hinweis nebenbei für neue LeserInnen: Dieser Beitrag wird mit am häufigsten durch Googel-Suchen aufgerufen. Er ist aber letztlich nur ein kleiner Gedankenbeitrag, den ich so nicht einmal in den INDEX aufgenommen habe. Für alle, die sich für die tieferen Ursachen von Kriegen interessieren, verweise ich auf den INDEX und meinen Text "Als Kind geliebte Menschen fangen keine Kriege an".
TERRITORIALANSPRÜCHE
Konkurrenz um Grenzen und Gebiete
HERRSCHAFTSINTERESSEN
Durchsetzung politischer und ökonomischer
Interessen durch Eliten
FEHLWAHRNEHMUNG
Falsche Beurteilung der Stärke und Absichten
anderer Staaten
HERRSCHAFTSSICHERUNG
Furcht vor einer Bedrohung von außen
ABLENKUNG
Ablenkung von Konflikten innerhalb eines
Staates
MACHTKONKURRENZ
Kampf um Vormachtstellungen in der Region
ROHSTOFFBEDARF
Konkurrenz um Ressourcen
INTERNER KOLONIALISMUS
Ökonomische Ausbeutung und politische
Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen
und Regionen
SOZIO-ÖKONOMISCHE HETEROGENITÄT
Auf krasser sozialer Ungerechtigkeit beruhende
Gesellschaftssysteme
ETHNISCH-KULTURELLE HETEROGENITÄT
Kein Interessensausgleich angesichts unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen, die keine „einheitliche Nation“ bilden
Diese Art von Kriegsursachenverständnis ist klassisch. Wenn man sich mit den emotionalen Ursachen (und dabei vor allem belastenden Kindheitserfahrungen) von Kriegen beschäftigt, erscheint einem diese Aufstellung allerdings doch sehr lückenhaft. Mehr noch, sie geht an den tieferen Ursachen komplett vorbei!
Einige Punkte möchte ich weiter besprechen und fange damit an, folgende zusammenzufassen (die anderen Punkte werde ich mir später vornehmen): TERRITORIALANSPRÜCHE, HERRSCHAFTSINTERESSEN, MACHTKONKURRENZ und ROHSTOFFBEDARF beinhalten letztlich alle das gleiche: Menschen bzw. Nationen (und ihre Eliten) wollen etwas haben, etwas in Besitz bringen, um sich dadurch mächtiger zu fühlen und/oder weil sie meinen, einen rechtlichen Anspruch darauf zu haben und/oder um für sich (vor allem ökonomische) Vorteile und Annehmlichkeiten zu sichern (was wiederum auch Machtzuwachs bedeutet). Für die Erreichung dieser Ziele ziehen sie in den Krieg und/oder motivieren andere dazu. Logisch und rational, oder?
Wenn man darum weiß, dass Menschen, die emotional lebendig sind und deren Mitgefühl nicht verschüttet ging, niemals (außer vielleicht in äußerster persönlicher Notwehr) einen anderen Menschen töten oder andere dazu motivieren könnten, dann erscheint dieses Ursachenverständnis weniger logisch. Macht, Geld, Land, Nahrung, Häuser usw. alles toll. Aber dafür töten? Nur Menschen, deren Emotionen erkaltet sind, können (der Macht willen) töten. Nur Menschen, deren Emotionen erkaltet sind, können hinterher irgendwie weiterleben, mit dem Wissen um ihre Taten. (Emotionen erkalten vor allem, wenn Gewalt in der Kindheit erlebt wird. Keine Lebensphase ist so bedeutend für die Entwicklung eines Menschen, wie die Kindheit. Die Regionen, in denen wir heute Kriege und Terror sehen, sind nachweisbar Regionen mit sehr hohen Raten von Kindesmisshandlung)
Zudem werden – so scheint es mir - oftmals kriegerische Konflikte zu oberflächlich betrachtet. Geht es denn wirklich immer nur um Land, Öl, Geld und Macht?
In diesem Blog habe ich bzgl. des Irakkrieges festgestellt, dass es nicht um Öl ging. Viele Kriege scheinen außerdem weit höhere Kosten mit sich zu bringen, als (scheinbare) Gewinne. Kaum ein Mensch rechnet das vorher und hinterher wirklich nach. Hitler-Deutschland und der Traum vom großen zusätzlichen Lebensraum oder gar der Weltherrschaft endete im genauen Gegenteil, dem Verlust großer Teile des Landes und der Zerstörungen der Infrastruktur und Ökonomie. Kein Gewinn, nur Verlust. Auch über den Billionen-Irakkrieg hatte ich schon oftmals etwas hier geschrieben. Kriege wirken ungemein destruktiv auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Sie behindern Innovationen und Fortschritt; binden Gelder, die in andere Bereiche investiert viel mehr einbringen würden; sie binden Personal und Führungskraft, sie schaden der eigenen Ökonomie und Gesellschaft. Trotzdem werden Kriege klassisch unter zweckrationalen (ökonomisch-politischen) Aspekten analysiert.
Zwei aktuelle Beispiele zum Israel-Palästina-Konflikt:
Am Mittwoch wurde in Israel ein Sprengstoffanschlag auf einen Bus verübt. Eine britische Touristin starb, viele andere Menschen wurden verletzt.
Am Freitag, dem 11. März 2011 wurde ein israelisches Ehepaar und ihre drei Kinder (wovon eines erst drei Monate alt war) in einem Siedlungsgebiet durch Attentäter im Schlaf erstochen. Berichten zufolge haben israelische Siedler daraufhin ab dem folgenden Samstag Steine, Molotow-Cocktails, Gewehre, Stöcke und Messer benutzt, um wahllos PalästinenserInnen in Fahrzeugen und Wohnhäusern in den Dörfern und Städten der gesamten Westbank anzugreifen…
Die meisten KriegsursachenforscherInnen würden diesen Konflikt wohl klassisch in die oben genannten Analyseebenen einordnen. Doch ist dies wirklich rein ein rationaler Kampf um Land? Und zusätzlich ein Kampf der Kulturen? Wem bringt es etwas, in diesem zweckrationalen Kampf, wenn eine britische Touristin stirbt und ein dreimonatiges Baby im Schlaf erstochen wird? Was für einen Sinn macht es, wenn israelische Siedler wahllos aus Rache irgendwelche Palästinenser angreifen?
Wenn jemand meint, einen legitimen Anspruch auf Land und Ungerechtigkeit erfahren zu haben, dann ist das eine Sache für sich. Das Töten von Menschen ist wiederum eine andere Sache, die nur oberflächig betrachtet etwas mit ersterer zu tun hat. Erstere Sache ist der Zündfunke oder das „rationale Ziel“, das die Menschen vordergründig gebrauchen, um ihren Hass und ihre Gewalt zu entemotionalisieren bzw. zu rationalisieren. Dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass nur emotional gestörte Menschen, Menschen mit einem tiefen inneren Hass, der seinen Ausdruck sucht, zu solchen Taten fähig sind. Menschen wollen hassen und wollen Gewalt, weil sie sich dadurch emotional kurzfristig befreit fühlen, „lebendig“ fühlen, Dampf ablassen können, bevor sich der Hass zu sehr gegen sie selbst richtet und sie selbst zerstört, bevor die Erinnerungen an die frühen Demütigungen zu sehr ins Bewusstsein gelangen. Um diesen gewollten Hass bauen sie sich ein „logisches Gerüst“, das meiner Meinung nach abgerissen gehört, um den Blick auf die tieferen Ursachen freizulegen. Das „logische Gerüst“ kommt zusätzlich je nach Region auf der Welt in anderen Formen und Farben zu Geltung. Jemand der als Kind schwer misshandelt wurde und voller abgespaltener Ängste, voller Wut und Hass ist, wird in Irland andere Feindbilder suchen und vorfinden, die er aufgreifen kann, als ein Mensch mit dem selben persönlichen Hintergrund, der in Nordafrika aufwächst oder in Russland lebt etc.
(Ähnlich wie oben aufgeführt verhält es sich übrigens auch bzgl. privater Gewalt. Bei der klassischen „Beziehungstat“ – also wenn ein Mensch in einer Trennungssituation seine Partnerin/ seinen Partner umbringt, oftmals in sehr brutaler Art und Weise z.B. mit 20-30 Messerstichen - lässt sich hinterher vielleicht ein Eskalationsprozess feststellen, jahrelange Streitigkeiten um dies und das und alles, was in destruktiven Beziehungen so vor sich geht, aber erklärt das dann auch das Töten? Ist nicht die gestörte Beziehung an sich schon ein Ausdruck von gestörten Emotionen der beiden Partner? Und ist nicht erst recht das Abschlachten des Partners/der Partnerin ein Beleg dafür, dass der Täter / die Täterin ihre Emotionen abgespalten hat?)
In der heutigen Zeit erleben wir, wie Kriege durch Mitgefühl gerechtfertigt werden. Unsere emotionale Entwicklung ist fortgeschrittener, als sie noch Anfang des 19. Jahrhunderts oder auch davor war. Offiziell braucht es heutzutage eine andere Sprache der Politik, damit die Bevölkerung nicht revoltiert und den Krieg stillschweigend mitträgt. Dabei bleibt auch diese „nettere“ Sprache Heuchelei und verdeckt nur, dass Entscheidungen für einen Krieg von Menschen getroffen werden, die kein Mitgefühl kennen. Sie reden auch heute von „Moral“ und von „Mitgefühl“ für das Volk in Libyen und rechtfertigen so ihren Krieg und das Töten von Menschen. Heutige Kriege werden moralisch ausgerechnet. Wie viele Menschen müssen wir töten, damit wie viele Menschen nicht getötet werden?
Tony Blair hat z.B. eindrucksvoll in seinem Buch „Mein Weg“ (2010) auf Seite 407 klar gemacht, dass er von 100.000 – 112.000 toten Irakern ausgeht. Davon seien aber ca. 70.000 nicht durch die westlichen Koalitionstruppen umgekommen, sondern durch religiös motivierte Gewalt... Den Streit um Zahlen und Wahrheit lassen wir hier mal außen vor. Blair übernimmt durch diese Aussage quasi die Verantwortung für zumindest 30-42.000 durch westliche Truppen getötete Iraker. Auf den Seiten davor und danach kommt dann seine moralische Gegenrechnung. Wie viele Kinder und Menschen hatte Saddam Hussein getötet, wie viele wären gestorben, wäre er weiter an der Macht geblieben? Sein moralischen Rechenergebnis: Ja, der Krieg war richtig, man tötete Menschen, aber viele andere konnten so gerettet werden...
Da könnten wir jetzt – diesen Gedankengang folgend - auch (wieder) anfangen, Menschen für medizinische Versuche zu gebrauchen und ihren möglichen Tod in Kauf zu nehmen, um andere, viele andere zu retten, oder?
Dann müssen wir außerdem unseren Kindern in Schule und Familie folgerichtig beibringen: Töten ist falsch, außer manchmal, alles klar? Wie erklärt man dies Kindern, dass das Töten hier falsch ist und dort richtig?
Ich versuche hier im Blog immer einigermaßen sachlich zu sein. Aber ich muss auch mal sagen dürfen: Ich finde diese gefühlskalte, heuchlerische Rhetorik (nicht nur von PolitikerInnen, sondern auch in Medien und Diskussionsrunden) , die vordergründig Gefühle und Mitgefühl verspricht und vorspielt, zum Kotzen! Ich finde den Militäreinsatz gegen Libyen zum Kotzen. Ich finde es zum Kotzen, dass die Welt immer noch nicht verstanden hat, dass Gewalt nicht durch Gewalt zu lösen ist.
Hinweis nebenbei für neue LeserInnen: Dieser Beitrag wird mit am häufigsten durch Googel-Suchen aufgerufen. Er ist aber letztlich nur ein kleiner Gedankenbeitrag, den ich so nicht einmal in den INDEX aufgenommen habe. Für alle, die sich für die tieferen Ursachen von Kriegen interessieren, verweise ich auf den INDEX und meinen Text "Als Kind geliebte Menschen fangen keine Kriege an".
TERRITORIALANSPRÜCHE
Konkurrenz um Grenzen und Gebiete
HERRSCHAFTSINTERESSEN
Durchsetzung politischer und ökonomischer
Interessen durch Eliten
FEHLWAHRNEHMUNG
Falsche Beurteilung der Stärke und Absichten
anderer Staaten
HERRSCHAFTSSICHERUNG
Furcht vor einer Bedrohung von außen
ABLENKUNG
Ablenkung von Konflikten innerhalb eines
Staates
MACHTKONKURRENZ
Kampf um Vormachtstellungen in der Region
ROHSTOFFBEDARF
Konkurrenz um Ressourcen
INTERNER KOLONIALISMUS
Ökonomische Ausbeutung und politische
Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen
und Regionen
SOZIO-ÖKONOMISCHE HETEROGENITÄT
Auf krasser sozialer Ungerechtigkeit beruhende
Gesellschaftssysteme
ETHNISCH-KULTURELLE HETEROGENITÄT
Kein Interessensausgleich angesichts unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen, die keine „einheitliche Nation“ bilden
Diese Art von Kriegsursachenverständnis ist klassisch. Wenn man sich mit den emotionalen Ursachen (und dabei vor allem belastenden Kindheitserfahrungen) von Kriegen beschäftigt, erscheint einem diese Aufstellung allerdings doch sehr lückenhaft. Mehr noch, sie geht an den tieferen Ursachen komplett vorbei!
Einige Punkte möchte ich weiter besprechen und fange damit an, folgende zusammenzufassen (die anderen Punkte werde ich mir später vornehmen): TERRITORIALANSPRÜCHE, HERRSCHAFTSINTERESSEN, MACHTKONKURRENZ und ROHSTOFFBEDARF beinhalten letztlich alle das gleiche: Menschen bzw. Nationen (und ihre Eliten) wollen etwas haben, etwas in Besitz bringen, um sich dadurch mächtiger zu fühlen und/oder weil sie meinen, einen rechtlichen Anspruch darauf zu haben und/oder um für sich (vor allem ökonomische) Vorteile und Annehmlichkeiten zu sichern (was wiederum auch Machtzuwachs bedeutet). Für die Erreichung dieser Ziele ziehen sie in den Krieg und/oder motivieren andere dazu. Logisch und rational, oder?
Wenn man darum weiß, dass Menschen, die emotional lebendig sind und deren Mitgefühl nicht verschüttet ging, niemals (außer vielleicht in äußerster persönlicher Notwehr) einen anderen Menschen töten oder andere dazu motivieren könnten, dann erscheint dieses Ursachenverständnis weniger logisch. Macht, Geld, Land, Nahrung, Häuser usw. alles toll. Aber dafür töten? Nur Menschen, deren Emotionen erkaltet sind, können (der Macht willen) töten. Nur Menschen, deren Emotionen erkaltet sind, können hinterher irgendwie weiterleben, mit dem Wissen um ihre Taten. (Emotionen erkalten vor allem, wenn Gewalt in der Kindheit erlebt wird. Keine Lebensphase ist so bedeutend für die Entwicklung eines Menschen, wie die Kindheit. Die Regionen, in denen wir heute Kriege und Terror sehen, sind nachweisbar Regionen mit sehr hohen Raten von Kindesmisshandlung)
Zudem werden – so scheint es mir - oftmals kriegerische Konflikte zu oberflächlich betrachtet. Geht es denn wirklich immer nur um Land, Öl, Geld und Macht?
In diesem Blog habe ich bzgl. des Irakkrieges festgestellt, dass es nicht um Öl ging. Viele Kriege scheinen außerdem weit höhere Kosten mit sich zu bringen, als (scheinbare) Gewinne. Kaum ein Mensch rechnet das vorher und hinterher wirklich nach. Hitler-Deutschland und der Traum vom großen zusätzlichen Lebensraum oder gar der Weltherrschaft endete im genauen Gegenteil, dem Verlust großer Teile des Landes und der Zerstörungen der Infrastruktur und Ökonomie. Kein Gewinn, nur Verlust. Auch über den Billionen-Irakkrieg hatte ich schon oftmals etwas hier geschrieben. Kriege wirken ungemein destruktiv auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Sie behindern Innovationen und Fortschritt; binden Gelder, die in andere Bereiche investiert viel mehr einbringen würden; sie binden Personal und Führungskraft, sie schaden der eigenen Ökonomie und Gesellschaft. Trotzdem werden Kriege klassisch unter zweckrationalen (ökonomisch-politischen) Aspekten analysiert.
Zwei aktuelle Beispiele zum Israel-Palästina-Konflikt:
Am Mittwoch wurde in Israel ein Sprengstoffanschlag auf einen Bus verübt. Eine britische Touristin starb, viele andere Menschen wurden verletzt.
Am Freitag, dem 11. März 2011 wurde ein israelisches Ehepaar und ihre drei Kinder (wovon eines erst drei Monate alt war) in einem Siedlungsgebiet durch Attentäter im Schlaf erstochen. Berichten zufolge haben israelische Siedler daraufhin ab dem folgenden Samstag Steine, Molotow-Cocktails, Gewehre, Stöcke und Messer benutzt, um wahllos PalästinenserInnen in Fahrzeugen und Wohnhäusern in den Dörfern und Städten der gesamten Westbank anzugreifen…
Die meisten KriegsursachenforscherInnen würden diesen Konflikt wohl klassisch in die oben genannten Analyseebenen einordnen. Doch ist dies wirklich rein ein rationaler Kampf um Land? Und zusätzlich ein Kampf der Kulturen? Wem bringt es etwas, in diesem zweckrationalen Kampf, wenn eine britische Touristin stirbt und ein dreimonatiges Baby im Schlaf erstochen wird? Was für einen Sinn macht es, wenn israelische Siedler wahllos aus Rache irgendwelche Palästinenser angreifen?
Wenn jemand meint, einen legitimen Anspruch auf Land und Ungerechtigkeit erfahren zu haben, dann ist das eine Sache für sich. Das Töten von Menschen ist wiederum eine andere Sache, die nur oberflächig betrachtet etwas mit ersterer zu tun hat. Erstere Sache ist der Zündfunke oder das „rationale Ziel“, das die Menschen vordergründig gebrauchen, um ihren Hass und ihre Gewalt zu entemotionalisieren bzw. zu rationalisieren. Dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass nur emotional gestörte Menschen, Menschen mit einem tiefen inneren Hass, der seinen Ausdruck sucht, zu solchen Taten fähig sind. Menschen wollen hassen und wollen Gewalt, weil sie sich dadurch emotional kurzfristig befreit fühlen, „lebendig“ fühlen, Dampf ablassen können, bevor sich der Hass zu sehr gegen sie selbst richtet und sie selbst zerstört, bevor die Erinnerungen an die frühen Demütigungen zu sehr ins Bewusstsein gelangen. Um diesen gewollten Hass bauen sie sich ein „logisches Gerüst“, das meiner Meinung nach abgerissen gehört, um den Blick auf die tieferen Ursachen freizulegen. Das „logische Gerüst“ kommt zusätzlich je nach Region auf der Welt in anderen Formen und Farben zu Geltung. Jemand der als Kind schwer misshandelt wurde und voller abgespaltener Ängste, voller Wut und Hass ist, wird in Irland andere Feindbilder suchen und vorfinden, die er aufgreifen kann, als ein Mensch mit dem selben persönlichen Hintergrund, der in Nordafrika aufwächst oder in Russland lebt etc.
(Ähnlich wie oben aufgeführt verhält es sich übrigens auch bzgl. privater Gewalt. Bei der klassischen „Beziehungstat“ – also wenn ein Mensch in einer Trennungssituation seine Partnerin/ seinen Partner umbringt, oftmals in sehr brutaler Art und Weise z.B. mit 20-30 Messerstichen - lässt sich hinterher vielleicht ein Eskalationsprozess feststellen, jahrelange Streitigkeiten um dies und das und alles, was in destruktiven Beziehungen so vor sich geht, aber erklärt das dann auch das Töten? Ist nicht die gestörte Beziehung an sich schon ein Ausdruck von gestörten Emotionen der beiden Partner? Und ist nicht erst recht das Abschlachten des Partners/der Partnerin ein Beleg dafür, dass der Täter / die Täterin ihre Emotionen abgespalten hat?)
In der heutigen Zeit erleben wir, wie Kriege durch Mitgefühl gerechtfertigt werden. Unsere emotionale Entwicklung ist fortgeschrittener, als sie noch Anfang des 19. Jahrhunderts oder auch davor war. Offiziell braucht es heutzutage eine andere Sprache der Politik, damit die Bevölkerung nicht revoltiert und den Krieg stillschweigend mitträgt. Dabei bleibt auch diese „nettere“ Sprache Heuchelei und verdeckt nur, dass Entscheidungen für einen Krieg von Menschen getroffen werden, die kein Mitgefühl kennen. Sie reden auch heute von „Moral“ und von „Mitgefühl“ für das Volk in Libyen und rechtfertigen so ihren Krieg und das Töten von Menschen. Heutige Kriege werden moralisch ausgerechnet. Wie viele Menschen müssen wir töten, damit wie viele Menschen nicht getötet werden?
Tony Blair hat z.B. eindrucksvoll in seinem Buch „Mein Weg“ (2010) auf Seite 407 klar gemacht, dass er von 100.000 – 112.000 toten Irakern ausgeht. Davon seien aber ca. 70.000 nicht durch die westlichen Koalitionstruppen umgekommen, sondern durch religiös motivierte Gewalt... Den Streit um Zahlen und Wahrheit lassen wir hier mal außen vor. Blair übernimmt durch diese Aussage quasi die Verantwortung für zumindest 30-42.000 durch westliche Truppen getötete Iraker. Auf den Seiten davor und danach kommt dann seine moralische Gegenrechnung. Wie viele Kinder und Menschen hatte Saddam Hussein getötet, wie viele wären gestorben, wäre er weiter an der Macht geblieben? Sein moralischen Rechenergebnis: Ja, der Krieg war richtig, man tötete Menschen, aber viele andere konnten so gerettet werden...
Da könnten wir jetzt – diesen Gedankengang folgend - auch (wieder) anfangen, Menschen für medizinische Versuche zu gebrauchen und ihren möglichen Tod in Kauf zu nehmen, um andere, viele andere zu retten, oder?
Dann müssen wir außerdem unseren Kindern in Schule und Familie folgerichtig beibringen: Töten ist falsch, außer manchmal, alles klar? Wie erklärt man dies Kindern, dass das Töten hier falsch ist und dort richtig?
Ich versuche hier im Blog immer einigermaßen sachlich zu sein. Aber ich muss auch mal sagen dürfen: Ich finde diese gefühlskalte, heuchlerische Rhetorik (nicht nur von PolitikerInnen, sondern auch in Medien und Diskussionsrunden) , die vordergründig Gefühle und Mitgefühl verspricht und vorspielt, zum Kotzen! Ich finde den Militäreinsatz gegen Libyen zum Kotzen. Ich finde es zum Kotzen, dass die Welt immer noch nicht verstanden hat, dass Gewalt nicht durch Gewalt zu lösen ist.
Freitag, 18. März 2011
Uno-Sicherheitsrat: Bomben, um zu zeigen, dass Bomben falsch ist
Der Uno-Sicherheitsrat hat militärische Aktionen gegen Libyen beschlossen. Soweit ich lesen konnte, ist im Grunde alles erlaubt, außer dem Einsatz von Besatzungstruppen. Die USA, Frankreich und Großbritannien rüsten sich bereits für den Angriff und wollen nun durch ihre Bombardements Gaddafi zeigen, dass das Bombardieren von Menschen falsch ist…
Bis vor einigen Monaten hatte man mit dem Gaddafi-Regime im Grunde eher weniger ein Problem. Berlusconi bezeichnete Gaddafi 2009 sogar noch als "Mann von tiefer Weisheit", zwischen den beiden herrschte offiziell sogar eine gute Männerfreundschaft. Auch Frankreich arbeitete jahrelang eng mit dem Diktator zusammen. 2007 beschloss Frankreich sogar, Gaddafi einen Atomreaktor zu liefern... Tja, das ließe sich sicherlich noch weiter ausarbeiten.
Nun hat der Westen wieder einmal einen „richtig Bösen“ gefunden, den man militärisch in die Knie zwingen will. Ich selbst halte Gaddafi für einen absolut Wahnsinnigen und die wenigen (!) Informationen, die zu uns dringen, zeigen, dass er offensichtlich rücksichtlos und brutal gegen seine Gegner und auch Zivilisten vorgeht. Mir stellen sich allerdings einige Fragen:
Rechtfertigt die aktuelle Situation jetzt einen Militärschlag? Sind die Rebellen mit ihrem Anführer Mustafa Abdel Dschalil „die Guten“, die es zu unterstützen gilt und die, wenn sie an der Macht sind, ganz tolle Demokraten werden? Und was ist mit der einfachen Putzfrau, die gerade in einer Militäranlage bei der Arbeit ist, während die westliche Allianz Bomben abwirft? Was ist mit denjenigen libyschen Soldaten, die vielleicht bisher gar nicht im Einsatz waren oder während der Einsätze keine Verbrechen begingen, darf man diese auch töten? Was ist mit den unzähligen Zivilisten, die durch fehlgeleitete westliche Bomben oder weil sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren sterben werden? Was ist mit den westlichen Soldaten, die nach Hause kommen werden, mit dem Wissen, Menschen getötet zu haben und dadurch selbst traumatisiert wurden; was ist mit ihren Kindern und ihren Ehefrauen? Was ist mit den unzähligen Zivilisten und Kindern, die nachts die Flugabwehrgeschosse und einschlagenden Bomben hören, welche traumatischen Ängste werden hier ausgelöst werden? Überhaupt: Wer hat den Tod verdient, wer nicht?
Militäreinsätze sind keine Option, sie können nur scheitern, neues Leid erzeugen und eine Eskalation herbeiführen. Man hätte mit Gaddafi schon vor Jahren politisch anders umgehen müssen. Jetzt ergibt sich für mich eher das Bild, dass man sich in Libyen einen möglichen „bösen Feind“ warm halten wollte, für den Fall, dass man mal wieder eine Militäraktion brauchen könnte, um „Gut“ und „Böse“ klar voneinander zu trennen und innere Traumata außen wiederaufzuführen. Es wäre interessant, wie sich die emotionale Lage in den USA, Großbritannien und Frankreich in den vorherigen Monaten dargestellt hat. Welche Bilder und Emotionen waren in den Medien dieser Länder vorherrschend?
Bis vor einigen Monaten hatte man mit dem Gaddafi-Regime im Grunde eher weniger ein Problem. Berlusconi bezeichnete Gaddafi 2009 sogar noch als "Mann von tiefer Weisheit", zwischen den beiden herrschte offiziell sogar eine gute Männerfreundschaft. Auch Frankreich arbeitete jahrelang eng mit dem Diktator zusammen. 2007 beschloss Frankreich sogar, Gaddafi einen Atomreaktor zu liefern... Tja, das ließe sich sicherlich noch weiter ausarbeiten.
Nun hat der Westen wieder einmal einen „richtig Bösen“ gefunden, den man militärisch in die Knie zwingen will. Ich selbst halte Gaddafi für einen absolut Wahnsinnigen und die wenigen (!) Informationen, die zu uns dringen, zeigen, dass er offensichtlich rücksichtlos und brutal gegen seine Gegner und auch Zivilisten vorgeht. Mir stellen sich allerdings einige Fragen:
Rechtfertigt die aktuelle Situation jetzt einen Militärschlag? Sind die Rebellen mit ihrem Anführer Mustafa Abdel Dschalil „die Guten“, die es zu unterstützen gilt und die, wenn sie an der Macht sind, ganz tolle Demokraten werden? Und was ist mit der einfachen Putzfrau, die gerade in einer Militäranlage bei der Arbeit ist, während die westliche Allianz Bomben abwirft? Was ist mit denjenigen libyschen Soldaten, die vielleicht bisher gar nicht im Einsatz waren oder während der Einsätze keine Verbrechen begingen, darf man diese auch töten? Was ist mit den unzähligen Zivilisten, die durch fehlgeleitete westliche Bomben oder weil sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren sterben werden? Was ist mit den westlichen Soldaten, die nach Hause kommen werden, mit dem Wissen, Menschen getötet zu haben und dadurch selbst traumatisiert wurden; was ist mit ihren Kindern und ihren Ehefrauen? Was ist mit den unzähligen Zivilisten und Kindern, die nachts die Flugabwehrgeschosse und einschlagenden Bomben hören, welche traumatischen Ängste werden hier ausgelöst werden? Überhaupt: Wer hat den Tod verdient, wer nicht?
Militäreinsätze sind keine Option, sie können nur scheitern, neues Leid erzeugen und eine Eskalation herbeiführen. Man hätte mit Gaddafi schon vor Jahren politisch anders umgehen müssen. Jetzt ergibt sich für mich eher das Bild, dass man sich in Libyen einen möglichen „bösen Feind“ warm halten wollte, für den Fall, dass man mal wieder eine Militäraktion brauchen könnte, um „Gut“ und „Böse“ klar voneinander zu trennen und innere Traumata außen wiederaufzuführen. Es wäre interessant, wie sich die emotionale Lage in den USA, Großbritannien und Frankreich in den vorherigen Monaten dargestellt hat. Welche Bilder und Emotionen waren in den Medien dieser Länder vorherrschend?
Donnerstag, 17. März 2011
Konflikte und Kriege haben keinen ethnischen oder religiösen Hintergrund
...das sagt zumindest der deutsche Ethnologe Günther Schlee in einem sehr interessanten Interview.
Seine Grundthese lässt sich an Hand eines Zitats verdeutlichen:
„Die These vom Kampf der Kulturen besagt: Je größer der Unterschied, desto höher das Konfliktpotential. Aber schauen Sie sich pluriethnische oder multikulturelle postkoloniale Gesellschaften mit Gruppen von Menschen afrikanischen, europäischen, asiatischen und indischen Ursprungs an. Die kulturelle Verschiedenheit korreliert nicht mit der Konflikthäufigkeit. Auf der anderen Seite finden wir häufig Konflikte gerade zwischen kulturell besonders ähnlichen Gruppen. Als grobe Faustregel kann man sagen: Zwischen Menschen mit völlig unterschiedlichen Kulturen ist die Konfliktwahrscheinlichkeit geringer.“
Konflikte und Kriege haben nach Schlee häufig eine ethnische oder religiöse Ausdrucksform, die eigentlichen Ursachen sieht er allerdings woanders. Insbesondere meint er, dass es um materielle Ressourcen oder auch um Machtpositionen oder Posten ginge. Die ethnische Zugehörigkeit sei nur ein wichtiges Mobilisierungselement für bestimmte Akteursgruppen (Eliten), die den Konflikt wollten und davon profitierten. Entsprechend würden sich bei Konflikten, die als ethnisch oder religiös bezeichnet werden, erst im Verlauf des Konfliktes ein entsprechendes Bewusstsein oder eine Verhärtung dieser Identitäten herausbilden.
Schlee gibt einige Beispiele:
„In Darfur zum Beispiel haben große Teile der nicht arabischen Bevölkerung eine lange islamische Tradition, und zu den arabischen Reitermilizen gehören auch Schwarze. In den Medien wird das zu einfach dargestellt.“
„Schauen Sie sich die beklagenswerteste Gruppe der Opfer des Dritten Reiches an: Die Juden, die ja noch nicht einmal eine Konfliktpartei waren. Die Nazis mussten sie aus dem deutschen Volk herausdefinieren. Sie waren ja als Juden meist gar nicht erkennbar. Viele hatten als deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg gekämpft. Es kam zu einer künstlichen Abgrenzung der Mehrheit der Deutschen von einer Minderheit anderer Deutscher.“
Bzgl. dem Krieg in Jugoslawien sagt Schlee, dass z.B. viele bosnische Muslime gar nicht religiös waren. Schon deshalb scheide Religion als Begründung des Konflikts aus. Viele Menschen in dieser Region hatten z.B. auch einen serbischen Vater und eine kroatische Mutter. Erst im Verlauf des Konfliktes mussten sie sich für eine Identität entscheiden.
In Nordirland, wo Katholiken und Protestanten streiten, sind sich beide Parteien so ähnlich, wie es unterscheidbare Gruppen überhaupt sein können. Selbst in ihren Paraden gleichen sie sich, so Schlee weiter.
Ich finde es wichtig und sehr spannend, wie ein genaues Hinschauen oftmals andere Ergebnisse bringen kann. Sehr schnell wird immer wieder auf den Kriegsgrund Ethnie oder Religion verwiesen. Schlee hat seine Thesen in dem Buch „Wie Feindbilder entstehen: Eine Theorie religiöser und ethnischer Konflikte“ weiter ausgeführt. Bei Zeiten werde ich mir das Buch durchlesen und sicherlich nochmal auf das Thema zurückkommen.
Ich teile seine Ansicht, dass so etwas wie Religion oder Ethnie letztlich nur die Oberfläche kriegerischer Konflikte aufzeigt. Die tieferen Ursachen liegen woanders. Meiner Meinung nach allerdings nicht im Machtstreben von Eliten oder dem Streben nach Ressourcen. Kriege bringen keinen Gewinn, dass lehrt uns die Geschichte. In den beiden Texten über das „Märchen vom Krieg ums Öl“ habe ich auch die „Krieg für Öl“ These widerlegt (Teil 1, Teil 2). (Schlee dazu bzgl. des Irak-Krieges: "Dass für alle Beteiligten Öl eine große Rolle spielte, lässt sich wohl kaum leugnen.") Ich sehe die Ursachen vor allem in den Emotionen und destruktiven Kindheiten. Selbst wenn Machtstreben von Eliten einen wichtigen Hintergrund von Kriegen darstellen würde, erklärt dies nicht, warum sich die Massen so bereitwillig diesem Machtstreben und entsprechenden Manipulationen hingeben, warum sie andere Menschen bereitwillig töten. Und auch das Machtstreben der Eliten wäre emotional zu beleuchten. Ein emotional gesunder und lebendiger Mensch, würde niemals über Leichen gehen, um für sich ökonomische Vorteile zu sichern. Nur Menschen, deren Emotionen gestört sind, können so handeln. Machtstreben (destruktiver Ziele Willens) folgt nicht rationalen Mustern, sondern vor allem emotionalen.
Seine Grundthese lässt sich an Hand eines Zitats verdeutlichen:
„Die These vom Kampf der Kulturen besagt: Je größer der Unterschied, desto höher das Konfliktpotential. Aber schauen Sie sich pluriethnische oder multikulturelle postkoloniale Gesellschaften mit Gruppen von Menschen afrikanischen, europäischen, asiatischen und indischen Ursprungs an. Die kulturelle Verschiedenheit korreliert nicht mit der Konflikthäufigkeit. Auf der anderen Seite finden wir häufig Konflikte gerade zwischen kulturell besonders ähnlichen Gruppen. Als grobe Faustregel kann man sagen: Zwischen Menschen mit völlig unterschiedlichen Kulturen ist die Konfliktwahrscheinlichkeit geringer.“
Konflikte und Kriege haben nach Schlee häufig eine ethnische oder religiöse Ausdrucksform, die eigentlichen Ursachen sieht er allerdings woanders. Insbesondere meint er, dass es um materielle Ressourcen oder auch um Machtpositionen oder Posten ginge. Die ethnische Zugehörigkeit sei nur ein wichtiges Mobilisierungselement für bestimmte Akteursgruppen (Eliten), die den Konflikt wollten und davon profitierten. Entsprechend würden sich bei Konflikten, die als ethnisch oder religiös bezeichnet werden, erst im Verlauf des Konfliktes ein entsprechendes Bewusstsein oder eine Verhärtung dieser Identitäten herausbilden.
Schlee gibt einige Beispiele:
„In Darfur zum Beispiel haben große Teile der nicht arabischen Bevölkerung eine lange islamische Tradition, und zu den arabischen Reitermilizen gehören auch Schwarze. In den Medien wird das zu einfach dargestellt.“
„Schauen Sie sich die beklagenswerteste Gruppe der Opfer des Dritten Reiches an: Die Juden, die ja noch nicht einmal eine Konfliktpartei waren. Die Nazis mussten sie aus dem deutschen Volk herausdefinieren. Sie waren ja als Juden meist gar nicht erkennbar. Viele hatten als deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg gekämpft. Es kam zu einer künstlichen Abgrenzung der Mehrheit der Deutschen von einer Minderheit anderer Deutscher.“
Bzgl. dem Krieg in Jugoslawien sagt Schlee, dass z.B. viele bosnische Muslime gar nicht religiös waren. Schon deshalb scheide Religion als Begründung des Konflikts aus. Viele Menschen in dieser Region hatten z.B. auch einen serbischen Vater und eine kroatische Mutter. Erst im Verlauf des Konfliktes mussten sie sich für eine Identität entscheiden.
In Nordirland, wo Katholiken und Protestanten streiten, sind sich beide Parteien so ähnlich, wie es unterscheidbare Gruppen überhaupt sein können. Selbst in ihren Paraden gleichen sie sich, so Schlee weiter.
Ich finde es wichtig und sehr spannend, wie ein genaues Hinschauen oftmals andere Ergebnisse bringen kann. Sehr schnell wird immer wieder auf den Kriegsgrund Ethnie oder Religion verwiesen. Schlee hat seine Thesen in dem Buch „Wie Feindbilder entstehen: Eine Theorie religiöser und ethnischer Konflikte“ weiter ausgeführt. Bei Zeiten werde ich mir das Buch durchlesen und sicherlich nochmal auf das Thema zurückkommen.
Ich teile seine Ansicht, dass so etwas wie Religion oder Ethnie letztlich nur die Oberfläche kriegerischer Konflikte aufzeigt. Die tieferen Ursachen liegen woanders. Meiner Meinung nach allerdings nicht im Machtstreben von Eliten oder dem Streben nach Ressourcen. Kriege bringen keinen Gewinn, dass lehrt uns die Geschichte. In den beiden Texten über das „Märchen vom Krieg ums Öl“ habe ich auch die „Krieg für Öl“ These widerlegt (Teil 1, Teil 2). (Schlee dazu bzgl. des Irak-Krieges: "Dass für alle Beteiligten Öl eine große Rolle spielte, lässt sich wohl kaum leugnen.") Ich sehe die Ursachen vor allem in den Emotionen und destruktiven Kindheiten. Selbst wenn Machtstreben von Eliten einen wichtigen Hintergrund von Kriegen darstellen würde, erklärt dies nicht, warum sich die Massen so bereitwillig diesem Machtstreben und entsprechenden Manipulationen hingeben, warum sie andere Menschen bereitwillig töten. Und auch das Machtstreben der Eliten wäre emotional zu beleuchten. Ein emotional gesunder und lebendiger Mensch, würde niemals über Leichen gehen, um für sich ökonomische Vorteile zu sichern. Nur Menschen, deren Emotionen gestört sind, können so handeln. Machtstreben (destruktiver Ziele Willens) folgt nicht rationalen Mustern, sondern vor allem emotionalen.
Freitag, 25. Februar 2011
Kurze Anmerkung zu Verteidigungsminister Guttenberg
Wer einmal bei Googel Bilder „guttenberg“ + „afghanistan“ eingibt, wird auf etliche Bilder stoßen, die den Verteidigungsminister zusammen mit Soldaten und/oder im Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan zeigen. Guttenberg ist da mal mit Kampfhelm und Sonnenbrille, mal mit Bundewehrshirt und schusssicherer Weste, mal im Kampfhubschrauber hinter einem Soldaten am Bordmaschinengewehrs usw. zu sehen. Bilder sprechen manchmal eine deutlichere Sprache, als das, was gesagt wird. Guttenberg scheint der Job als Befehlshaber einer sich im Krieg befindenden Bundeswehr zu gefallen, das sagen die Bilder. Guttenberg war schon als junger Mann bei der Bundeswehr und absolvierte einen Unteroffizierslehrgang. Die Bundeswehr liegt ihm also.
Der aktuelle Skandal um seine Doktorarbeit ist ein Thema für sich. Für mich noch erschreckender ist, dass ein deutscher Verteidigungsminister Guttenberg, der sich mit seiner ihm unterstellten Armee in einem Krieg befindet und diesen auch richtig findet, lange Zeit beliebtester Politiker in Deutschland war, laut manchen Medienberichten sogar auch jetzt noch ist.
Der aktuelle Skandal um seine Doktorarbeit ist ein Thema für sich. Für mich noch erschreckender ist, dass ein deutscher Verteidigungsminister Guttenberg, der sich mit seiner ihm unterstellten Armee in einem Krieg befindet und diesen auch richtig findet, lange Zeit beliebtester Politiker in Deutschland war, laut manchen Medienberichten sogar auch jetzt noch ist.
Mittwoch, 23. Februar 2011
"Bruder Gaddafi" und seine "Familie"
"Gaddafi schreit sein Volk nieder", schreibt der SPIEGEL über die aktuelle Fernsehrede des Diktators. "Während das Land im Chaos versinkt, die Luftwaffe auf Demonstranten schießt und mehrere Städte des Landes schon in den Händen der Opposition sein sollen, gerierte sich Gaddafi wie eine Mischung aus realitätsfernem Exzentriker und wutentbranntem Vater, dem die Kinder davonrennen. Emotionale, endlose und stellenweise wirre Reden sind die Libyer von ihrem Diktator gewohnt - aber dieser Auftritt war zu diesem Zeitpunkt eine Kampfansage an das eigene Volk.“
Mir fällt immer wieder auf, dass Führer autoritärer Staaten oder Diktatoren - aber auch andere politische Führer - eine Familienrolle einnehmen; meist die des Vaters, der über sein Volk wacht, alles weiß, allmächtig ist und ggf. Strafen verhängt, wenn es Fehlverhalten in seinem Hause gibt. Ebenfalls gibt es Beispiele dafür, wie Saaten nach Familienrollen aufgeteilt waren (z.B. der „große Bruder Russland“ und die angehängten Länder der UDSSR oder das ehemalige Jugoslawien, in dem sich laut Alenka Puhar das „Familien-Zadruga-System“ der Region in der dortigen Staatenaufteilung und in den entsprechenden Verhaltensweisen widerfand.) Gaddafis aktuelle Rede im Staatsfernsehen kam auch mir wie die eines wutentbranntem, autoritären Vaters vor, dem die Kontrolle über die Kinder verloren zu gehen droht. Gaddafi selbst ließ sich in der Vergangenheit gerne als „Bruder Gaddafi“, „Bruder Führer“, „Bruder Oberst“ oder „Bruder Revolutionsführer“ ansprechen. Auch hier findet sich wieder die Verbindung zur Familie in Sprache und Geste. Ein Anführer des „Clan der Warfala“ (mit rund einer Million Angehörigen) hat jetzt gesagt, Gaddafi sei kein Bruder mehr. Die „Familienbande“ wurde aufgelöst, so scheint es. Gaddafi wird nicht länger als oberstes „Familienoberhaupt“ akzeptiert, sondern bekämpft.
Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein offensichtlich Wahnsinniger 40 Jahre lang ein Volk regieren und unterdrücken konnte? Ich bin der festen Überzeugung, dass „Familienmitglieder“, die in der Kindheit Respekt, Geborgenheit und Liebe erfahren durften, nicht plötzlich einen „neuen Vater“ oder „Bruder“ akzeptieren würden, der brutal und autoritär vorgeht. Eben, weil sie es anderes kannten, weil ihr ganzes Denken und Fühlen von Freiheit, Vertrauen, Respekt und innerer Sicherheit geprägt wurde. Wenn dann einer wie Gaddafi käme und die Macht übernehmen möchte, würden sie ihn relativ schnell aus ihrer „Familie“ schmeißen. Wenn aber die Kindheit schon von Anfang an von Gewalt und Demütigungen geprägt war, dann ist auch ein „Vater“ oder „Bruder“ Gaddafi eben etwas, was man gewohnt ist, was man nicht hinterfragt, dem man sich beugt, dessen Anweisungen befolgt werden usw.
In der islamischen Welt ist Gewalt in vielfältiger Form gegen Kinder sehr weit verbreitet. Diese familiäre Gewalt bildet das Fundament für Unrechtsstaaten und destruktive Führer. Würde das Volk zu einem großen Teil aus geliebten Kindern bestehen, hätten Diktatoren keine Chance.
Interessant wäre es allerdings zu untersuchen, in wie weit sich in den letzten drei Jahrzenten die Kindererziehungspraxis in dieser Region ggf. weiterentwickelt und verbessert hat. Wenn sich da eine kontinuierliche Verbesserung feststellen ließe, wäre dies vielleicht eine mögliche Erklärung für den jetzigen Aufruhr. Wie sich Slowenien - das sich bzgl. der Kindererziehungspraxis wesentlich besser entwickelt hatte, als die anderen Balkanstaaten - Anfang der 80er Jahre immer mehr wie eine „befreite Adoleszente“ (siehe Alenka Puhar) zu verhalten begann und gegen den autoritären "Bruder Serbien" aufbegehrte, könnte auch in der islamischen Welt ein ähnlicher Prozess in Gang sein. Allerdings nicht zwischen Staaten, sondern innerhalb der Nationen. Ob die dortigen Staaten sich weiter zu einer „erwachsenen“ Demokratie entwickeln, bleibt abzuwarten. Ähnliche kriegerische Konflikte wie im ehemaligen Jugoslawien bleiben uns hoffentlich erspart.
Mir fällt immer wieder auf, dass Führer autoritärer Staaten oder Diktatoren - aber auch andere politische Führer - eine Familienrolle einnehmen; meist die des Vaters, der über sein Volk wacht, alles weiß, allmächtig ist und ggf. Strafen verhängt, wenn es Fehlverhalten in seinem Hause gibt. Ebenfalls gibt es Beispiele dafür, wie Saaten nach Familienrollen aufgeteilt waren (z.B. der „große Bruder Russland“ und die angehängten Länder der UDSSR oder das ehemalige Jugoslawien, in dem sich laut Alenka Puhar das „Familien-Zadruga-System“ der Region in der dortigen Staatenaufteilung und in den entsprechenden Verhaltensweisen widerfand.) Gaddafis aktuelle Rede im Staatsfernsehen kam auch mir wie die eines wutentbranntem, autoritären Vaters vor, dem die Kontrolle über die Kinder verloren zu gehen droht. Gaddafi selbst ließ sich in der Vergangenheit gerne als „Bruder Gaddafi“, „Bruder Führer“, „Bruder Oberst“ oder „Bruder Revolutionsführer“ ansprechen. Auch hier findet sich wieder die Verbindung zur Familie in Sprache und Geste. Ein Anführer des „Clan der Warfala“ (mit rund einer Million Angehörigen) hat jetzt gesagt, Gaddafi sei kein Bruder mehr. Die „Familienbande“ wurde aufgelöst, so scheint es. Gaddafi wird nicht länger als oberstes „Familienoberhaupt“ akzeptiert, sondern bekämpft.
Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein offensichtlich Wahnsinniger 40 Jahre lang ein Volk regieren und unterdrücken konnte? Ich bin der festen Überzeugung, dass „Familienmitglieder“, die in der Kindheit Respekt, Geborgenheit und Liebe erfahren durften, nicht plötzlich einen „neuen Vater“ oder „Bruder“ akzeptieren würden, der brutal und autoritär vorgeht. Eben, weil sie es anderes kannten, weil ihr ganzes Denken und Fühlen von Freiheit, Vertrauen, Respekt und innerer Sicherheit geprägt wurde. Wenn dann einer wie Gaddafi käme und die Macht übernehmen möchte, würden sie ihn relativ schnell aus ihrer „Familie“ schmeißen. Wenn aber die Kindheit schon von Anfang an von Gewalt und Demütigungen geprägt war, dann ist auch ein „Vater“ oder „Bruder“ Gaddafi eben etwas, was man gewohnt ist, was man nicht hinterfragt, dem man sich beugt, dessen Anweisungen befolgt werden usw.
In der islamischen Welt ist Gewalt in vielfältiger Form gegen Kinder sehr weit verbreitet. Diese familiäre Gewalt bildet das Fundament für Unrechtsstaaten und destruktive Führer. Würde das Volk zu einem großen Teil aus geliebten Kindern bestehen, hätten Diktatoren keine Chance.
Interessant wäre es allerdings zu untersuchen, in wie weit sich in den letzten drei Jahrzenten die Kindererziehungspraxis in dieser Region ggf. weiterentwickelt und verbessert hat. Wenn sich da eine kontinuierliche Verbesserung feststellen ließe, wäre dies vielleicht eine mögliche Erklärung für den jetzigen Aufruhr. Wie sich Slowenien - das sich bzgl. der Kindererziehungspraxis wesentlich besser entwickelt hatte, als die anderen Balkanstaaten - Anfang der 80er Jahre immer mehr wie eine „befreite Adoleszente“ (siehe Alenka Puhar) zu verhalten begann und gegen den autoritären "Bruder Serbien" aufbegehrte, könnte auch in der islamischen Welt ein ähnlicher Prozess in Gang sein. Allerdings nicht zwischen Staaten, sondern innerhalb der Nationen. Ob die dortigen Staaten sich weiter zu einer „erwachsenen“ Demokratie entwickeln, bleibt abzuwarten. Ähnliche kriegerische Konflikte wie im ehemaligen Jugoslawien bleiben uns hoffentlich erspart.
Montag, 21. Februar 2011
Wikipedia Analyse über die Darstellungen der Kindheiten von Diktatoren und destruktiven Politikern
Derzeit befasse ich mich - wie im vorherigen Beitrag erwähnt - damit, wie weit psychohistorische Thesen online verbreitet sind. Dazu gehört für mich auch die Sicht auf die jeweilige Kindheitsanalyse von Diktatoren und destruktive Politiker. Wer einen Namen wie „Adolf Hitler“ oder „Stalin“ bei Googel eingibt, erhält als erste Treffer meist die Darstellung der Person bei Wikipedia. Jeder, der sich für diese Person interessiert, erhält erste Informationen also über dieses Webportal. Zudem sind die Texte Gemeinschaftsprojekte und geben somit ein Bild davon ab, wie weit bestimmte Dinge allgemein bekannt sind oder sich auf den Wiki-Seiten überhaupt durchsetzen lassen oder ggf. auf Widerstand stoßen und wieder gelöscht werden. Für mich macht es also Sinn, mal nachzuschauen, wie viel dort über die Kindheit und die entsprechenden Gewalterfahrungen inkl. möglicher Folgen über die Personen berichtet wird, die ich hier in meinem Blog bereits analysiert habe (siehe Grundlagentext und extra Bill Clinton und Tony Blair). Denn nur, wenn die gewaltvollen Kindheiten dieser Personen überhaupt bekannt sind, werden auch psychohistorische Thesen mehr von Interesse.
Von 17 Diktatoren/politischen Führern, bei denen ich erhebliche Gewaltverhältnisse/Vernachlässigung in der Kindheit nachgewiesen habe, wird bei Wikipedia nur bei 6 von ihnen auf die destruktive Kindheit hingewiesen oder diese angedeutet. Von diesen 6 beinhaltet wiederum nur die Wiki-Darstellung von Adolf Hitler auch eine direkte Verknüpfung zu den psychischen Folgeschäden seiner Kindheit und somit auch zu seinem späteren politischen Handeln. Bei den anderen 5 wurden Gewalterfahrungen nur kurz mit einem Satz oder einzelnen Wörtern erwähnt, ohne auf mögliche Auswirkungen einzugehen.
Personen, bei denen Gewalterfahrungen/destruktive Kindheitserfahrungen erwähnt wurden:
Adolf Hitler:
Relativ viel über Herkunft und Familie. Erwähnung der Gewalt durch den Vater: „In Mein Kampf schildert Hitler den Vater als streng, autoritär, mitunter auch jähzornig und gewalttätig.“ Besonders auffällig ist ein relativ langer Absatz über Arno Gruens Analyse der destruktiven Eltern-Kind-Beziehung Hitlers und Thesen über die psychischen Folgeschäden. Diese Darstellungen sind meiner Erinnerung nach relativ neu, auf Wikipedia, noch vor über einem Jahr fand ich dort keine Erwähnung von Gruens Thesen. Diese Wikipedia Darstellung eines Diktators/politischen Führers ist somit die einzige, bezogen auf die hier analysierten Personen, in der direkt auf die Folgen der erlebten Gewalt hingewiesen wird und somit auch ein direkter Bezug zum späteren politischen Handeln hergestellt wird.
Stalin:
Kurzer Bericht über gewalttätigen Vater und dessen Alkoholismus. Kein Bericht über Gewalt durch die Mutter.
Wilhelm II.:
Andeutungen, dass seine Mutter ihn nicht akzeptierte; erwähnt werden kurz und beispielhaft die Maßnahmen, zur Behandlung seines Armes; Erwähnung, dass er seine Kindheit als „unglücklich“ empfand.
Ludwig XIII.:
Einziges Wiki-Zitat: „Das empfindsame Kind litt unter der strengen, durch Schläge geprägten Erziehung und der Trennung vom vergötterten Vater.“
Friedrich II. (Preußen):
Bericht über „strenge, autoritär und religiös geprägte Erziehung“ und über „Brutale körperliche und seelische Züchtigungen“, außerdem extra Kapitel über Konflikte mit dem Vater. Insofern ist diese Darstellung im Vergleich zu den anderen schon etwas herausragend.
Bill Clinton:
Einziges Wiki-Zitat: „Mit 14 Jahren nahm Clinton den Namen seines Stiefvaters an, den er selbst als Spieler und Alkoholiker bezeichnete und dem er überdies unterstellte, regelmäßig seine Mutter und gelegentlich auch seinen Bruder misshandelt zu haben“, kein Hinweis darauf, dass auch Clinton Opfer dieser Gewalt wurde.
Kein Bericht über Gewalterfahrungen und nichts oder fast nichts über Kindheit fand ich bei folgenden Personen:
Benito Mussolini
Francisco Franco
Nicolae Ceaușescu
Napoleon Bonaparte
Mao Zedong
Slobodan Milošević (außer vom Selbstmord des Vaters und Mutter erfährt man nichts über die Kindheit und Gewalt.)
Saddam Hussein (Erwähnung der versuchten Abtreibung durch seine Mutter, ansonsten kein Bericht über Gewalt und fast nichts über Kindheit.)
George W. Bush
George H. W. Bush
Ronald Reagan
Tony Blair
Von 17 Diktatoren/politischen Führern, bei denen ich erhebliche Gewaltverhältnisse/Vernachlässigung in der Kindheit nachgewiesen habe, wird bei Wikipedia nur bei 6 von ihnen auf die destruktive Kindheit hingewiesen oder diese angedeutet. Von diesen 6 beinhaltet wiederum nur die Wiki-Darstellung von Adolf Hitler auch eine direkte Verknüpfung zu den psychischen Folgeschäden seiner Kindheit und somit auch zu seinem späteren politischen Handeln. Bei den anderen 5 wurden Gewalterfahrungen nur kurz mit einem Satz oder einzelnen Wörtern erwähnt, ohne auf mögliche Auswirkungen einzugehen.
Personen, bei denen Gewalterfahrungen/destruktive Kindheitserfahrungen erwähnt wurden:
Adolf Hitler:
Relativ viel über Herkunft und Familie. Erwähnung der Gewalt durch den Vater: „In Mein Kampf schildert Hitler den Vater als streng, autoritär, mitunter auch jähzornig und gewalttätig.“ Besonders auffällig ist ein relativ langer Absatz über Arno Gruens Analyse der destruktiven Eltern-Kind-Beziehung Hitlers und Thesen über die psychischen Folgeschäden. Diese Darstellungen sind meiner Erinnerung nach relativ neu, auf Wikipedia, noch vor über einem Jahr fand ich dort keine Erwähnung von Gruens Thesen. Diese Wikipedia Darstellung eines Diktators/politischen Führers ist somit die einzige, bezogen auf die hier analysierten Personen, in der direkt auf die Folgen der erlebten Gewalt hingewiesen wird und somit auch ein direkter Bezug zum späteren politischen Handeln hergestellt wird.
Stalin:
Kurzer Bericht über gewalttätigen Vater und dessen Alkoholismus. Kein Bericht über Gewalt durch die Mutter.
Wilhelm II.:
Andeutungen, dass seine Mutter ihn nicht akzeptierte; erwähnt werden kurz und beispielhaft die Maßnahmen, zur Behandlung seines Armes; Erwähnung, dass er seine Kindheit als „unglücklich“ empfand.
Ludwig XIII.:
Einziges Wiki-Zitat: „Das empfindsame Kind litt unter der strengen, durch Schläge geprägten Erziehung und der Trennung vom vergötterten Vater.“
Friedrich II. (Preußen):
Bericht über „strenge, autoritär und religiös geprägte Erziehung“ und über „Brutale körperliche und seelische Züchtigungen“, außerdem extra Kapitel über Konflikte mit dem Vater. Insofern ist diese Darstellung im Vergleich zu den anderen schon etwas herausragend.
Bill Clinton:
Einziges Wiki-Zitat: „Mit 14 Jahren nahm Clinton den Namen seines Stiefvaters an, den er selbst als Spieler und Alkoholiker bezeichnete und dem er überdies unterstellte, regelmäßig seine Mutter und gelegentlich auch seinen Bruder misshandelt zu haben“, kein Hinweis darauf, dass auch Clinton Opfer dieser Gewalt wurde.
Kein Bericht über Gewalterfahrungen und nichts oder fast nichts über Kindheit fand ich bei folgenden Personen:
Benito Mussolini
Francisco Franco
Nicolae Ceaușescu
Napoleon Bonaparte
Mao Zedong
Slobodan Milošević (außer vom Selbstmord des Vaters und Mutter erfährt man nichts über die Kindheit und Gewalt.)
Saddam Hussein (Erwähnung der versuchten Abtreibung durch seine Mutter, ansonsten kein Bericht über Gewalt und fast nichts über Kindheit.)
George W. Bush
George H. W. Bush
Ronald Reagan
Tony Blair
Freitag, 18. Februar 2011
Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien werden nicht gesehen
Aktuell treibt mich intensiv die Frage um, warum Thesen, wie sie in diesem Blog vertreten werden (und wie sie durch BestsellerautorInnnen wie Gruen, Miller und deMause in etlichen Büchern nachvollziehbar ausgearbeitet worden sind), im Allgemeinen und in Fachkreisen und Medien im Besonderen i.d.R. gemieden werden wie die Pest. Genauer, eigentlich treibt mich mehr die Frage um, wie man diese Thesen weiter in die Öffentlichkeit bekommt.
Ein Beispiel: Die Slowenin Alenka Puhar hat zwei erschütternde aber sehr klare Beiträge veröffentlicht, die eindrucksvoll und gründlich die „Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien“ und die „Kindheitsalpträume und Rachephantasien“ auf dem Balkan analysieren. Bei aller Gründlichkeit und Nachvollziehbarkeit dieser Beiträge sollte man doch meinen, dass zumindest hier und da diese Texte zitiert oder besprochen wurden (gerade auch, weil die Texte zudem schon seit ein paar Jahren online für alle Interessierten kostenlos zu lesen sind). Vielleicht sogar ein Interview in einer Zeitung mit Puhar zu diesem Thema zu finden ist.
Wenn ich bei Googel "Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien" eingebe, erhalte ich heute ganze 39 Treffer. Für die Suchbegriffe "Alenka Puhar" + Krieg + Jugoslawien erscheinen 89 Treffer. Gibt man "Alenka Puhar" +Kindheit + Jugoslawien ein, erhält man ganze 30 Treffer. Die einzigen paar brauchbaren Treffer, die wirklich in Teilen auf die Texte und Thesen von Puhar eingehen, sind wiederum psychohistorische Texte, vor allem von Winfried Kurt. Natürlich erscheint auch mein Blog in der Trefferliste. Ansonsten erhält man weitegehend Treffer der Personensuchmaschine „yasni“ und ähnliche Registerseiten oder zwei, drei Links auf die Texte. Das war es! Keine einzige deutsche Zeitung scheint – zumindest laut Onlineabfrage – auf diese tieferen Ursachen des Krieges aufmerksam geworden zu sein. Der einzige – außerpsychohistorische – wissenschaftliche Beitrag, der sich kurz und eher in einem Nebensatz auf Puhar bezieht, ist der von Mišković unter dem Titel „Rezension zu Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.-20. Jahrhundert“.
Gebe ich dagegen als Suchworte „Ursachen + Krieg + Jugoslawien“ ein, dann erhalte ich enorme 297.000 Googel-Treffer. Die Ursachen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien waren und sind also von Interesse. Dass die psychohistorische Analyse im Grunde gar keine Aufmerksamkeit bekommt, ist niederschmetternd, leider aber nun mal Realität. Insofern hoffe ich, dass ich durch meinen Blog zukünftig etwas mehr Menschen dazu anrege, sich mit den Texten von Alenka Puhar zu befassen.
Ein Beispiel: Die Slowenin Alenka Puhar hat zwei erschütternde aber sehr klare Beiträge veröffentlicht, die eindrucksvoll und gründlich die „Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien“ und die „Kindheitsalpträume und Rachephantasien“ auf dem Balkan analysieren. Bei aller Gründlichkeit und Nachvollziehbarkeit dieser Beiträge sollte man doch meinen, dass zumindest hier und da diese Texte zitiert oder besprochen wurden (gerade auch, weil die Texte zudem schon seit ein paar Jahren online für alle Interessierten kostenlos zu lesen sind). Vielleicht sogar ein Interview in einer Zeitung mit Puhar zu diesem Thema zu finden ist.
Wenn ich bei Googel "Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien" eingebe, erhalte ich heute ganze 39 Treffer. Für die Suchbegriffe "Alenka Puhar" + Krieg + Jugoslawien erscheinen 89 Treffer. Gibt man "Alenka Puhar" +Kindheit + Jugoslawien ein, erhält man ganze 30 Treffer. Die einzigen paar brauchbaren Treffer, die wirklich in Teilen auf die Texte und Thesen von Puhar eingehen, sind wiederum psychohistorische Texte, vor allem von Winfried Kurt. Natürlich erscheint auch mein Blog in der Trefferliste. Ansonsten erhält man weitegehend Treffer der Personensuchmaschine „yasni“ und ähnliche Registerseiten oder zwei, drei Links auf die Texte. Das war es! Keine einzige deutsche Zeitung scheint – zumindest laut Onlineabfrage – auf diese tieferen Ursachen des Krieges aufmerksam geworden zu sein. Der einzige – außerpsychohistorische – wissenschaftliche Beitrag, der sich kurz und eher in einem Nebensatz auf Puhar bezieht, ist der von Mišković unter dem Titel „Rezension zu Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.-20. Jahrhundert“.
Gebe ich dagegen als Suchworte „Ursachen + Krieg + Jugoslawien“ ein, dann erhalte ich enorme 297.000 Googel-Treffer. Die Ursachen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien waren und sind also von Interesse. Dass die psychohistorische Analyse im Grunde gar keine Aufmerksamkeit bekommt, ist niederschmetternd, leider aber nun mal Realität. Insofern hoffe ich, dass ich durch meinen Blog zukünftig etwas mehr Menschen dazu anrege, sich mit den Texten von Alenka Puhar zu befassen.
Samstag, 5. Februar 2011
Nicht vergessen: Deutschland ist im Krieg!
Fünf deutsche Soldaten berichten, wie sie in Afghanistan verletzt wurden, wie Kameraden starben und wie „Taliban“ getötet wurden: „Die Narben des Krieges“
Dienstag, 1. Februar 2011
Kindheit und Volksaufstand in Ägypten
Erst ein Volksaufstand in Tunesien jetzt auch in Ägypten. Es ist einiges los in Nordafrika, einer Region, die mir nicht wirklich bekannt ist und über die ich politisch wenig beitragen kann. Wir werden sehen, wie sich diese Länder weiter entwickeln.
Mir fällt aktuell allerdings eine Studie ein. In Ägypten sagten bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern misshandelt oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. WHO, 2002, S. 62) Diese Zahlen sind heftig und erschreckend, vor allem auch bzgl. der schwerwiegenden Folgen der Gewalt, die hier berichtet wurden. Die Original Studie heißt: Youssef RM, Attia MS, Kamel MI. 1998: Children experiencing violence: parental use of corporal punishment. Child Abuse & Neglect , 22:959–973. Sie ist also aus dem Jahr 1998. Über 13 Jahre sind seitdem vergangen und diejenigen, die damals Kind waren, sind heute junge Männer und Frauen und viele von ihnen werden heute auf den Straßen sein, ob nun als Demonstrant, Polizist oder Militär. Die ältere Generation, die zukünftig Machtpositionen einnehmen wird, wird vermutlich sogar noch mehr und noch härter von elterlicher Gewalt betroffen sein.
Vor diesem Hintergrund wird es vermutlich ein schwerer Weg für eine echte Demokratiebewegung werden. Heute haben die Ägypter ein gemeinsames Ziel und einen realen Feind: Das autoritäre Regime Mubarak. Doch was kommt danach? Kann eine Nation, die zu über einem Drittel als Kind schwer misshandelt wurde, eine friedliche Revolution schaffen und eine echte Demokratie aufbauen? Grundsätzlich will ich hier nicht Nein sagen. Alles ist möglich. Die dortigen Entwicklungen bleiben spannend und schon jetzt wird deutlich, dass der Sturz autoritärer Regime in islamischen Ländern auch von den Menschen selbst geschafft werden kann. Man braucht dazu keine US-Invasion…
Mir fällt aktuell allerdings eine Studie ein. In Ägypten sagten bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern misshandelt oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. WHO, 2002, S. 62) Diese Zahlen sind heftig und erschreckend, vor allem auch bzgl. der schwerwiegenden Folgen der Gewalt, die hier berichtet wurden. Die Original Studie heißt: Youssef RM, Attia MS, Kamel MI. 1998: Children experiencing violence: parental use of corporal punishment. Child Abuse & Neglect , 22:959–973. Sie ist also aus dem Jahr 1998. Über 13 Jahre sind seitdem vergangen und diejenigen, die damals Kind waren, sind heute junge Männer und Frauen und viele von ihnen werden heute auf den Straßen sein, ob nun als Demonstrant, Polizist oder Militär. Die ältere Generation, die zukünftig Machtpositionen einnehmen wird, wird vermutlich sogar noch mehr und noch härter von elterlicher Gewalt betroffen sein.
Vor diesem Hintergrund wird es vermutlich ein schwerer Weg für eine echte Demokratiebewegung werden. Heute haben die Ägypter ein gemeinsames Ziel und einen realen Feind: Das autoritäre Regime Mubarak. Doch was kommt danach? Kann eine Nation, die zu über einem Drittel als Kind schwer misshandelt wurde, eine friedliche Revolution schaffen und eine echte Demokratie aufbauen? Grundsätzlich will ich hier nicht Nein sagen. Alles ist möglich. Die dortigen Entwicklungen bleiben spannend und schon jetzt wird deutlich, dass der Sturz autoritärer Regime in islamischen Ländern auch von den Menschen selbst geschafft werden kann. Man braucht dazu keine US-Invasion…
Freitag, 21. Januar 2011
11.664 Terroropfer innerhalb der USA seit dem 11. September
Je weiter die Zeit voranschreitet, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir hier in Deutschland und/oder anderen europäischen Ländern oder auch in den USA einen Terroranschlag erleben werden, der vor einem islamistisch-fundamentalistischen Hintergrund geschieht und bei dem Menschen sterben. Solange die Welt also noch im Hier und Jetzt rational denken kann und nicht Bilder von Opfern vor Augen hat, sollte so viel wie möglich darüber geschrieben werden, wie wir denn eigentlich mit diesen Anschlägen umgehen wollen.
Ich bin sicher nicht der Einzige, der mit Anschlägen rechnet. Zu sehr wurde der Hass seit 1990 geschürt. Neue Feindbilder mussten her, da der („böse“) Ostblock nicht mehr zur Verfügung stand. Die Globalisierung begünstigte zudem die Globalisierung des Terrors.
Die Ereignisse nach dem 11. September 2001 haben bei mir eine ganze neue Sorge ausgelöst. Diese Sorge habe ich am 05.10.2010 bereits formuliert und mir fällt keine bessere ein:
„Wenn man sich vor Augen führt, dass durch die Anschlagsserie vom 11. September ca. 3000 Menschen auf amerikanischem Boden starben, durch die kriegerische Reaktion der USA allerdings mehrere hunderttausend Menschen außerhalb der USA ihr Leben verloren, dann habe ich erlichgesagt mehr Angst vor eben dieser möglichen Reaktion auf zukünftige Terroranschläge.“
Wenn es um Wahrscheinlichkeitsrechnung geht, dann muss ich mir als in Deutschland lebender Mensch wenig Sorgen machen, Opfer eines Terroranschlages zu werden. Ein Verkehrsunfall und andere Risiken des (lebensgefährlichen) Lebens sind weitaus wahrscheinlicher. Das gilt auch für die USA. Es muss hier auch erlaubt sein, einfach mal 3.000 Opfer des 11. September den ca. 311 Millionen Einwohnern der USA gegenüberzustellen. Diese Zahlen zeigen: Die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Terror zu werden, ist sehr sehr gering, zumindest im Westen.
Nun will ich nicht sagen, dass ich den Schock, die Wut und die Angst, die die damalige Anschlagsserie auslöste, nicht nachvollziehen kann. Ich selbst war auch schockiert und traurig. Ich selbst stand ca. ein Jahr vorher noch als Tourist auf dem World Trade Center und bereiste damals die USA zusammen mit zwei Freunden drei Monate von Ost nach Süd, von Süd nach West und von West nach Ost. Nur den Hass, die Rache und den Krieg, kurz die Reaktionen der USA (und ihrer Verbündeten inkl. Deutschland) auf diese Anschläge bleiben für mich unverständlich und irrational. Damals flogen die Herzen und das Mitgefühl den USA zunächst noch zu. Wenn diese Nation fähig gewesen wäre, mit echter öffentlicher Trauer auf die Anschläge zu reagieren, statt mit Krieg und Gewalt, sie hätten die Welt verändert, zum Guten.
Ach ja… sage ich nur, was soll ich noch weiter dazu schreiben…
Also kommen wir zu dem eigentlichen Punkt, auf den ich durch diesen Beitrag hinweisen möchte:
Nach der UNICEF-Vergleichsstudie „Child Maltreatment Deaths in Rich Nations“ aus dem Jahr 2003 sterben in den USA jede Woche 27 Kinder auf Grund von Misshandlung und Vernachlässigung. In Deutschland sterben 2 Kinder die Woche. (Dazu muss erwähnt werden, dass sicher nicht alle Todesfälle von Kindern entsprechend gründlich untersucht werden und diese Zahlen real sicher noch etwas höher liegen.) Da die Gewalt gegen Kinder stetig aber sehr langsam abnimmt, könnten in den Folgejahren diese Zahlen etwas nach unten gegangen sein. Nehmen wir sie trotzdem zur Grundlage. Demnach sterben in den USA jedes Jahr ca. 1.296 Kinder auf Grund von (meist elterlicher) Misshandlung und Vernachlässigung (und das ist nur die Spitze des Eisberges an Terror in Form von Misshandlungen, Missbrauch und Vernachlässigung). Das sind seit dem 11. September (also einfach gerechnet runde 9 Jahre) 11.664 durch meist elterlichen Terror umgebrachte Kinder! Fast vier mal so viele Menschen, wie am 11. September umkamen. In Deutschland kamen demnach im gleichen Zeitraum ca. 864 Kinder um. Diese traurigen Ereignisse führten allerdings nicht dazu, dass die "Special Forces" sich von Kampfhubschraubern aus in die gepflegten Vorstadtgärten der USA abseilten, um Razzien durchzuführen und Geständnisse zu erpressen. Auch wurden keine Bomben über möglicherweise besonders verdächtige (sehr familienreiche) Orte abgeworfen. Letztendlich wurde noch nicht einmal viel über diese Zahlen berichtet und geredet.
Die Ereignisse vom 11. September waren ein Schock. Und die Bilder unglaublich. Einige Billionen Dollar wurden in der Folge für unnütze und brutale Kriege ausgegeben. Tausende Menschen starben. Ist das zu verstehen? Rational nicht. Emotional schon, wenn die tausenden Opfer als "Giftcontainer" für die emotionalen Probleme (abgespaltene traumatische Erfahrungen in der Kindheit) der USA und auch Europa gesehen werden. Die Opfer erfüllten also einen emotionalen Sinn. Keiner gibt dagegen Billionen dafür aus, dass Kinder im eigenen Land geschützt werden, obwohl diese Aktion sehr viel mehr Sinn machen würde und die Bedrohung sehr real und weitaus größer ist. Man hätte dann allerdings auch keinen bösen Feind und keine Opfer und keine Reinszenierung traumatischer Erlebnisse und würde sich nicht selbst zerstören... Die o.g. Zahlen über die unzähligen Terroropfer von (meist) Eltern sollten diese abgehobene und irrationale Reaktion noch einmal etwas in ein anderes Licht rücken. Ich weiß nicht, ob klar wird, um was es mir geht. Ich ahne allerdings, dass ich in Zukunft auf diesen Text verweisen werde müssen, leider.
Ich habe natürlich eine viel bessere Idee, aber auf mich hört ja keiner. Warum nicht einfach Milliarden Dollar in den Kinderschutz (auch international) investieren (und auf Terroranschläge mit Trauer, statt mit Militäraktionen reagieren!)? Das wäre sinnvoll, besser heute als Morgen.
Nochmal mein Fazit in deutlichen Worten: Zukünftig werden bei uns Menschen durch Terroranschläge sterben. Wir sollten unsere Ängste in der Folge relativieren und nicht mit dem Töten anderen Menschen oder dem weiteren Abbau demokratischer Strukturen darauf reagieren.
(Übrigens wurden zwischen 1990 und 2010 in Deutschland 137 Todesopfer rechter Gewalt registriert. Auch dies führte nicht zu abgehobenen Reaktionen und millionenschweren Militäreinsätzen mit unzähligen wahllosen Opfern.)
Ich bin sicher nicht der Einzige, der mit Anschlägen rechnet. Zu sehr wurde der Hass seit 1990 geschürt. Neue Feindbilder mussten her, da der („böse“) Ostblock nicht mehr zur Verfügung stand. Die Globalisierung begünstigte zudem die Globalisierung des Terrors.
Die Ereignisse nach dem 11. September 2001 haben bei mir eine ganze neue Sorge ausgelöst. Diese Sorge habe ich am 05.10.2010 bereits formuliert und mir fällt keine bessere ein:
„Wenn man sich vor Augen führt, dass durch die Anschlagsserie vom 11. September ca. 3000 Menschen auf amerikanischem Boden starben, durch die kriegerische Reaktion der USA allerdings mehrere hunderttausend Menschen außerhalb der USA ihr Leben verloren, dann habe ich erlichgesagt mehr Angst vor eben dieser möglichen Reaktion auf zukünftige Terroranschläge.“
Wenn es um Wahrscheinlichkeitsrechnung geht, dann muss ich mir als in Deutschland lebender Mensch wenig Sorgen machen, Opfer eines Terroranschlages zu werden. Ein Verkehrsunfall und andere Risiken des (lebensgefährlichen) Lebens sind weitaus wahrscheinlicher. Das gilt auch für die USA. Es muss hier auch erlaubt sein, einfach mal 3.000 Opfer des 11. September den ca. 311 Millionen Einwohnern der USA gegenüberzustellen. Diese Zahlen zeigen: Die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Terror zu werden, ist sehr sehr gering, zumindest im Westen.
Nun will ich nicht sagen, dass ich den Schock, die Wut und die Angst, die die damalige Anschlagsserie auslöste, nicht nachvollziehen kann. Ich selbst war auch schockiert und traurig. Ich selbst stand ca. ein Jahr vorher noch als Tourist auf dem World Trade Center und bereiste damals die USA zusammen mit zwei Freunden drei Monate von Ost nach Süd, von Süd nach West und von West nach Ost. Nur den Hass, die Rache und den Krieg, kurz die Reaktionen der USA (und ihrer Verbündeten inkl. Deutschland) auf diese Anschläge bleiben für mich unverständlich und irrational. Damals flogen die Herzen und das Mitgefühl den USA zunächst noch zu. Wenn diese Nation fähig gewesen wäre, mit echter öffentlicher Trauer auf die Anschläge zu reagieren, statt mit Krieg und Gewalt, sie hätten die Welt verändert, zum Guten.
Ach ja… sage ich nur, was soll ich noch weiter dazu schreiben…
Also kommen wir zu dem eigentlichen Punkt, auf den ich durch diesen Beitrag hinweisen möchte:
Nach der UNICEF-Vergleichsstudie „Child Maltreatment Deaths in Rich Nations“ aus dem Jahr 2003 sterben in den USA jede Woche 27 Kinder auf Grund von Misshandlung und Vernachlässigung. In Deutschland sterben 2 Kinder die Woche. (Dazu muss erwähnt werden, dass sicher nicht alle Todesfälle von Kindern entsprechend gründlich untersucht werden und diese Zahlen real sicher noch etwas höher liegen.) Da die Gewalt gegen Kinder stetig aber sehr langsam abnimmt, könnten in den Folgejahren diese Zahlen etwas nach unten gegangen sein. Nehmen wir sie trotzdem zur Grundlage. Demnach sterben in den USA jedes Jahr ca. 1.296 Kinder auf Grund von (meist elterlicher) Misshandlung und Vernachlässigung (und das ist nur die Spitze des Eisberges an Terror in Form von Misshandlungen, Missbrauch und Vernachlässigung). Das sind seit dem 11. September (also einfach gerechnet runde 9 Jahre) 11.664 durch meist elterlichen Terror umgebrachte Kinder! Fast vier mal so viele Menschen, wie am 11. September umkamen. In Deutschland kamen demnach im gleichen Zeitraum ca. 864 Kinder um. Diese traurigen Ereignisse führten allerdings nicht dazu, dass die "Special Forces" sich von Kampfhubschraubern aus in die gepflegten Vorstadtgärten der USA abseilten, um Razzien durchzuführen und Geständnisse zu erpressen. Auch wurden keine Bomben über möglicherweise besonders verdächtige (sehr familienreiche) Orte abgeworfen. Letztendlich wurde noch nicht einmal viel über diese Zahlen berichtet und geredet.
Die Ereignisse vom 11. September waren ein Schock. Und die Bilder unglaublich. Einige Billionen Dollar wurden in der Folge für unnütze und brutale Kriege ausgegeben. Tausende Menschen starben. Ist das zu verstehen? Rational nicht. Emotional schon, wenn die tausenden Opfer als "Giftcontainer" für die emotionalen Probleme (abgespaltene traumatische Erfahrungen in der Kindheit) der USA und auch Europa gesehen werden. Die Opfer erfüllten also einen emotionalen Sinn. Keiner gibt dagegen Billionen dafür aus, dass Kinder im eigenen Land geschützt werden, obwohl diese Aktion sehr viel mehr Sinn machen würde und die Bedrohung sehr real und weitaus größer ist. Man hätte dann allerdings auch keinen bösen Feind und keine Opfer und keine Reinszenierung traumatischer Erlebnisse und würde sich nicht selbst zerstören... Die o.g. Zahlen über die unzähligen Terroropfer von (meist) Eltern sollten diese abgehobene und irrationale Reaktion noch einmal etwas in ein anderes Licht rücken. Ich weiß nicht, ob klar wird, um was es mir geht. Ich ahne allerdings, dass ich in Zukunft auf diesen Text verweisen werde müssen, leider.
Ich habe natürlich eine viel bessere Idee, aber auf mich hört ja keiner. Warum nicht einfach Milliarden Dollar in den Kinderschutz (auch international) investieren (und auf Terroranschläge mit Trauer, statt mit Militäraktionen reagieren!)? Das wäre sinnvoll, besser heute als Morgen.
Nochmal mein Fazit in deutlichen Worten: Zukünftig werden bei uns Menschen durch Terroranschläge sterben. Wir sollten unsere Ängste in der Folge relativieren und nicht mit dem Töten anderen Menschen oder dem weiteren Abbau demokratischer Strukturen darauf reagieren.
(Übrigens wurden zwischen 1990 und 2010 in Deutschland 137 Todesopfer rechter Gewalt registriert. Auch dies führte nicht zu abgehobenen Reaktionen und millionenschweren Militäreinsätzen mit unzähligen wahllosen Opfern.)
Sonntag, 16. Januar 2011
Offener und verdeckter Wahn. Oder: Warum Jared Lee Loughner nicht psychisch krank wäre, wenn er doch Soldat geworden wäre
In der ZEIT ist aktuell der Artikel „Loughners Abstieg in den Wahn“ erschienen. Der Autor fasst seine Ansicht zusammen: „Wer die lange Liste durchgeht – in Amerika und Deutschland, in Finnland, Großbritannien und Japan – stößt stets auf das gleiche Muster. Das Verbrechen war nicht dem politischen Klima, der Ideologie oder den Gewaltvideos geschuldet, sondern der gestörten Psyche und entrückten Existenz des Täters.“ (Klassisch ist in dem Artikel, dass der Autor nicht fragt, wie psychische Störungen denn eigentlich entstehen. Aber das nur nebenbei.)
Dem gebe ich grundsätzlich Recht. I.d.R. gilt: Ohne Psychopathologie kein Mord und erst recht kein Amoklauf. Letzeres war die Tat letztlich, da sie sich wahllos gegen Menschen richtete, nachdem die demokratische Abgeordnete getroffen war. Ich glaube auch nicht, dass man führende Köpfe wie Sarah Palin hauptsächlich für die Tat mit in die Verantwortung nehmen kann. Geschossen hat natürlich nur der Täter. Trotzdem muss man auch weiter in die Tiefe gehen und dort Fragen stellen dürfen. Auch ein „Klima des Hasses“ wurde in den USA meiner Meinung nach letztlich nicht von Einzelnen geschaffen. Die Wurzeln des Hasses liegen tief in der amerikanischen Gesellschaft. Politische (emotionale) Delegierte vermögen den Hass – im „heimlichen Auftrag“ des Volkes - durch Reden etwas weiter an die Oberfläche zu spülen. Das Hauptproblem sind aber nicht diese wenigen Köpfe, sondern die vielen „ganz normalen“ Bürger und Bürgerinnen und deren gestörte Emotionen. (siehe auch: "Kindheit in den USA. God save America's children!") Nur diese Vielen erklären, warum der (mediale) Hass so offen in der amerikanischen Öffentlichkeit ausgetragen werden kann. Dieser allgemeine und tief verwurzelte Hass lenkt wiederum – sofern er deutlich in den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt wird - schwer gestörte Psychopathen und verleitet diese ggf. zu Anschlägen. Diesen Zusammenhang sollte man nicht ausblenden, auch wenn Loughner ein Fall für die Psychiatrie ist oder besser ein Fall für ein (therapeutisch begleitendes) Gefängnis.
Für mich stellt dieser Fall mal wieder eine schwierige Frage auf: Wie unterscheiden sich die „offen emotional Gestörten“ von den „verdeckt emotional Gestörten“? Oder besser: Wie geht die Gesellschaft mit den offen Wahnsinnigen um, wie mit den verdeckt Wahnsinnigen? Warum haben wir kein Problem damit, Einzeltäter, die einfache Menschen sind, als psychisch gestört anzusehen, während wir ganze Gruppen oder Gesellschaften oder Eliten, die destruktiv handeln, nicht als gestört ansehen?
Im Grundlagentext zitierte ich deMause. DeMause spricht in Folge kindlicher Gewalterfahrungen von abgespaltenen „Alter Egos“ (mehrere andere Ichs), diese sind letztlich wie (explosive) Koffer, in die die Menschen ihre traumatischen, abgespaltenen und urerträglichen Ängste und ihren Ärger packen. Diese Textstelle fällt mir hier wieder ein: „Mit Ausnahme einiger Psychopathen und Psychotiker bewahren die meisten von uns ihre Koffer im Schrank hinter verschlossener Tür auf, scheinbar abseits unseres täglichen Lebens – aber dann verleihen wir die Schlüssel an emotional Delegierte, von denen wir abhängig sind, um die Inhalte ausagieren zu können und die es uns möglich machen, die Identifikation mit den Handlungen zu verleugnen.“ DeMause bezieht dies vor allem auf die Entstehung von Kriegen.
Das Bild der Koffer bringt es wohl auf den Punkt. Vielleicht könnte man das Bild hier etwas weiter stricken. Menschen wie Loughner packen ihre Koffer aus, dabei achten sie allerdings nicht darauf, wie die Werte- und Normenvorstellungen der Gesellschaft aussehen, was „das Kofferauspacken“ angeht. Deshalb werden sie weggesperrt und als psychisch Kranke behandelt. Andere drücken ihre Koffer zu, sperren sie in den Schrank. Das mag dann ggf. sehr eigenverantwortliches Handeln sein oder auch andere Gründe haben. Aber eigentlich glaube ich, dass die Koffer nie wirklich zu verschließen sind (solange sie nicht therapeutisch entschärft wurden) und sich stets Destruktivität in den normalen Alltag mischt.
Viel wichtiger ist allerdings, dass es viele Menschen gibt, die ihre Koffer ebenfalls auspacken, genau wie Loughner. Sie gehen dabei nur geschickter vor, passen sich dem Werte- und Normenvorstellungen an und wissen sich gut zu verstellen. Z.B. indem sie einfach Soldat werden und legal Gewalt ausüben können. Da kann mensch dann z.B. über 80 Menschen töten und keiner würde einen später wegsperren oder als psychisch krank ansehen, sondern eher als „Opfer“ der Umstände Krieg. Wobei der Fall nicht so einfach ist, denn Loughner wollte ja Soldat werden und wäre heute wahrscheinlich in Afghanistan oder im Irak. Vielleicht wäre er sogar ein besonders guter Soldat geworden. Dass er polizeilich registriert war, brachte ihm eine Ablehnung beim Militär ein. Er wollte also ursprünglich die Spielregeln der legalen Gewalt akzeptieren. Nun steht er als psychisch Kranker da, da er die Regeln gebrochen hat.
Andere handeln destruktiv in der Wirtschaft, unterstützen dabei Prozesse, die etlichen Menschen das Leben kosten (manchmal mehr, als durch Krieg). Das sind dann rationale „Fehlentscheidungen“ usw. usf. Ich denke, man versteht, um was es mir hier geht.
Dazu kommt, dass der Faktor Macht ein guter Schutzschirm ist. Jemand der hoch angesehen ist und/oder über viel Macht verfügt, der kann schon mal seine Koffer auspacken, ohne gleich weggesperrt zu werden. George W. Bush ist da vielleicht ein klassisches Beispiel. Als demokratisch gewählter US-Präsident ist man vielleicht geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie man tausende Menschen umbringen kann, ohne jemals bestraft oder als psychisch Kranker weggesperrt zu werden.
Viele Gesellschaften sind psychisch krank. Die US-Gesellschaft nach meinem Empfinden wesentlich mehr als die deutsche, die afghanische erheblich mehr als die us-amerikanische usw. Heilung kann aber nur wirklich beginnen, wenn sich die Gesellschaft ihr Kranksein überhaupt eingesteht. Ansonsten ist der Weg ein Langsamer, dadurch dass sich die Kindererziehung stetig verbessert und Erwachsene Psychotherapie machen. Ja, ein schwieriges Thema.
Abschließend noch ein Zitat aus o.g. ZEIT Artikel: „Dann ein wütender Streit mit seinem Vater, nach dem der Sohn davon stürmt. Der Rest ist Geschichte, die Amerika noch lange quälen wird.“ Über Loughner hatte ich ja bereits einen Beitrag geschrieben. Es passt ins Bild und hat eine erhebliche Symbolik, dass er direkt nach einem großen Streit mit seinem Vater den Amoklauf begann. „Aber sie wird nicht von politischen Meteorologen geschrieben, sondern von Psychiatern und sorgfältig recherchierenden Reportern. Das "Klima des Hasses" ist eine andere Story, so real sie auch ist.“, schreibt der ZEIT-Autor im nächsten Satz weiter. Letztlich ist es das familiäre Klima des Hasses, das uns bzgl. Loughner und den DurschnittsamerikanerInnen interessieren sollte und das sehr wohl zur selben Story gehört.
Dem gebe ich grundsätzlich Recht. I.d.R. gilt: Ohne Psychopathologie kein Mord und erst recht kein Amoklauf. Letzeres war die Tat letztlich, da sie sich wahllos gegen Menschen richtete, nachdem die demokratische Abgeordnete getroffen war. Ich glaube auch nicht, dass man führende Köpfe wie Sarah Palin hauptsächlich für die Tat mit in die Verantwortung nehmen kann. Geschossen hat natürlich nur der Täter. Trotzdem muss man auch weiter in die Tiefe gehen und dort Fragen stellen dürfen. Auch ein „Klima des Hasses“ wurde in den USA meiner Meinung nach letztlich nicht von Einzelnen geschaffen. Die Wurzeln des Hasses liegen tief in der amerikanischen Gesellschaft. Politische (emotionale) Delegierte vermögen den Hass – im „heimlichen Auftrag“ des Volkes - durch Reden etwas weiter an die Oberfläche zu spülen. Das Hauptproblem sind aber nicht diese wenigen Köpfe, sondern die vielen „ganz normalen“ Bürger und Bürgerinnen und deren gestörte Emotionen. (siehe auch: "Kindheit in den USA. God save America's children!") Nur diese Vielen erklären, warum der (mediale) Hass so offen in der amerikanischen Öffentlichkeit ausgetragen werden kann. Dieser allgemeine und tief verwurzelte Hass lenkt wiederum – sofern er deutlich in den Medien und der Öffentlichkeit aufgeführt wird - schwer gestörte Psychopathen und verleitet diese ggf. zu Anschlägen. Diesen Zusammenhang sollte man nicht ausblenden, auch wenn Loughner ein Fall für die Psychiatrie ist oder besser ein Fall für ein (therapeutisch begleitendes) Gefängnis.
Für mich stellt dieser Fall mal wieder eine schwierige Frage auf: Wie unterscheiden sich die „offen emotional Gestörten“ von den „verdeckt emotional Gestörten“? Oder besser: Wie geht die Gesellschaft mit den offen Wahnsinnigen um, wie mit den verdeckt Wahnsinnigen? Warum haben wir kein Problem damit, Einzeltäter, die einfache Menschen sind, als psychisch gestört anzusehen, während wir ganze Gruppen oder Gesellschaften oder Eliten, die destruktiv handeln, nicht als gestört ansehen?
Im Grundlagentext zitierte ich deMause. DeMause spricht in Folge kindlicher Gewalterfahrungen von abgespaltenen „Alter Egos“ (mehrere andere Ichs), diese sind letztlich wie (explosive) Koffer, in die die Menschen ihre traumatischen, abgespaltenen und urerträglichen Ängste und ihren Ärger packen. Diese Textstelle fällt mir hier wieder ein: „Mit Ausnahme einiger Psychopathen und Psychotiker bewahren die meisten von uns ihre Koffer im Schrank hinter verschlossener Tür auf, scheinbar abseits unseres täglichen Lebens – aber dann verleihen wir die Schlüssel an emotional Delegierte, von denen wir abhängig sind, um die Inhalte ausagieren zu können und die es uns möglich machen, die Identifikation mit den Handlungen zu verleugnen.“ DeMause bezieht dies vor allem auf die Entstehung von Kriegen.
Das Bild der Koffer bringt es wohl auf den Punkt. Vielleicht könnte man das Bild hier etwas weiter stricken. Menschen wie Loughner packen ihre Koffer aus, dabei achten sie allerdings nicht darauf, wie die Werte- und Normenvorstellungen der Gesellschaft aussehen, was „das Kofferauspacken“ angeht. Deshalb werden sie weggesperrt und als psychisch Kranke behandelt. Andere drücken ihre Koffer zu, sperren sie in den Schrank. Das mag dann ggf. sehr eigenverantwortliches Handeln sein oder auch andere Gründe haben. Aber eigentlich glaube ich, dass die Koffer nie wirklich zu verschließen sind (solange sie nicht therapeutisch entschärft wurden) und sich stets Destruktivität in den normalen Alltag mischt.
Viel wichtiger ist allerdings, dass es viele Menschen gibt, die ihre Koffer ebenfalls auspacken, genau wie Loughner. Sie gehen dabei nur geschickter vor, passen sich dem Werte- und Normenvorstellungen an und wissen sich gut zu verstellen. Z.B. indem sie einfach Soldat werden und legal Gewalt ausüben können. Da kann mensch dann z.B. über 80 Menschen töten und keiner würde einen später wegsperren oder als psychisch krank ansehen, sondern eher als „Opfer“ der Umstände Krieg. Wobei der Fall nicht so einfach ist, denn Loughner wollte ja Soldat werden und wäre heute wahrscheinlich in Afghanistan oder im Irak. Vielleicht wäre er sogar ein besonders guter Soldat geworden. Dass er polizeilich registriert war, brachte ihm eine Ablehnung beim Militär ein. Er wollte also ursprünglich die Spielregeln der legalen Gewalt akzeptieren. Nun steht er als psychisch Kranker da, da er die Regeln gebrochen hat.
Andere handeln destruktiv in der Wirtschaft, unterstützen dabei Prozesse, die etlichen Menschen das Leben kosten (manchmal mehr, als durch Krieg). Das sind dann rationale „Fehlentscheidungen“ usw. usf. Ich denke, man versteht, um was es mir hier geht.
Dazu kommt, dass der Faktor Macht ein guter Schutzschirm ist. Jemand der hoch angesehen ist und/oder über viel Macht verfügt, der kann schon mal seine Koffer auspacken, ohne gleich weggesperrt zu werden. George W. Bush ist da vielleicht ein klassisches Beispiel. Als demokratisch gewählter US-Präsident ist man vielleicht geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie man tausende Menschen umbringen kann, ohne jemals bestraft oder als psychisch Kranker weggesperrt zu werden.
Viele Gesellschaften sind psychisch krank. Die US-Gesellschaft nach meinem Empfinden wesentlich mehr als die deutsche, die afghanische erheblich mehr als die us-amerikanische usw. Heilung kann aber nur wirklich beginnen, wenn sich die Gesellschaft ihr Kranksein überhaupt eingesteht. Ansonsten ist der Weg ein Langsamer, dadurch dass sich die Kindererziehung stetig verbessert und Erwachsene Psychotherapie machen. Ja, ein schwieriges Thema.
Abschließend noch ein Zitat aus o.g. ZEIT Artikel: „Dann ein wütender Streit mit seinem Vater, nach dem der Sohn davon stürmt. Der Rest ist Geschichte, die Amerika noch lange quälen wird.“ Über Loughner hatte ich ja bereits einen Beitrag geschrieben. Es passt ins Bild und hat eine erhebliche Symbolik, dass er direkt nach einem großen Streit mit seinem Vater den Amoklauf begann. „Aber sie wird nicht von politischen Meteorologen geschrieben, sondern von Psychiatern und sorgfältig recherchierenden Reportern. Das "Klima des Hasses" ist eine andere Story, so real sie auch ist.“, schreibt der ZEIT-Autor im nächsten Satz weiter. Letztlich ist es das familiäre Klima des Hasses, das uns bzgl. Loughner und den DurschnittsamerikanerInnen interessieren sollte und das sehr wohl zur selben Story gehört.
Dienstag, 11. Januar 2011
Attentat und die mögliche Geschichte dahinter
Jared Lee Loughner, der Attentäter von Arizona, erwähnte in seinem YouTube-Profil nach verschiedenen Medienberichten als seine Lieblingsbücher u.a. Hitlers „Mein Kampf“, "Fahrenheit 451", "Das kommunistische Manifest" und "Peter Pan". Die Zeit berichtet zudem, dass er auch „Alice im Wunderland“ gerne las.
Dies ist erst mal auf den ersten Blick eine verwirrende Auswahl an Büchern und – wäre da nicht „Mein Kampf“ dazwischen – sicherlich auch nichts, was besonderer Erwähnung bedürfte. Ich denke, dass jemand, der „Mein Kampf“ als Lieblingsbuch aufzählt, schon sehr viel über sich und seine Persönlichkeitsstruktur sagt. Allerdings verbinden sich diese Bücher auch. Hitlers Hassbuch, Marx radikale Gesellschaftstheorie, das Bücherhassbuch "Fahrenheit 451" und – für die meisten vielleicht besonders irritierend - die Kinderbücher Peter Pan und Alice im Wunderland, letztere sind die Auslöser für diesen Beitrag hier.
Viele Menschen werden diese beiden Kinderbücher lieben und das sei ihnen auch gelassen. Wenn jemand wie Jared Lee Loughner diese als Lieblingsbücher aufzählt, werde ich allerdings hellhörig. Der Hamburger Sexualwissenschaftler Professor Wolfgang Berner berichtete in einem Interview einmal: „Lewis Carrol, der "Alice im Wunderland" schrieb, war wohl ein Pädophiler. Ebenso James M. Barrie, der Autor von "Peter Pan" - dem Jungen, der nie erwachsen wurde.“ (Michael Jackson war ja auch nicht ohne Grund ein Peter Pan Fan und nannte seine Ranch „Neverland“.) Damit will ich nicht sagen, dass Loughner „pädophil“ ist. Nein, hier geht es um die Faszination, die diese beiden Bücher bei ihm auslösten. In beiden Geschichten finden sich symbolisch und in der Handlung viele Botschaften, die auf destruktive Elternfiguren und leidgeprüfte Kinder hinweisen. „Pädophile“ sind keine Kinderliebhaber, wie das Wort nahe legt, viel mehr sind sie Hasser. Ihren Hass haben sie nur sexualisiert. Hass und Gewalt tauchen hier deutlich auch in beiden Kinderbüchern auf. Dass Loughner beide Bücher liebte, verwundert vor den o.g. Hintergründen insofern nicht. Und natürlich vermute ich auch eine sehr leidvolle Kindheitsgeschichte bei diesem Attentäter, ohne seine Tat entschuldigen zu wollen. (Psychohistorisch wäre es interessant, wie sich dieses Attentat vorher möglicherweise in Bildern und Symbolen in den US-Medien aufbaute.) Der SPIEGEL berichtet: "Über Loughners eher bürgerliches Familienleben mit den Eltern Amy und Randy ist wenig bekannt. Nachbarn bezeichneten die Beziehungen der drei zueinander als "undurchschaubar", das Verhalten des Vaters als bisweilen "unangenehm" oder angriffslustig." Mehr ist wohl bisher nicht bekannt.
Bilder und Geschichten haben oft eine Bedeutung, werden aber von der Öffentlichkeit meist kaum wahrgenommen oder gedeutet. Dies wird auch an Hand eines anderern blutigen Falls deutlich. Der Schauspieler Michael Brea hat kürzlich seiner Mutter mit einem Samurai-Schwert den Kopf abgeschlagen. Er rechtfertigte die Tat so: "Ich habe sie nicht getötet. Ich tötete nur den Dämon in ihr. Es war der Wille Gottes. Gott erschien mir eines nachts über meinem Bett. Ich fühlte mich wie Neo im Film Matrix. Ich hörte Stimmen und fühlte mich stark."
Ludwig Janus hat einen Beitrag zum Film Matrix geschrieben: „Überlegungen zum Film »Matrix« Ich kenne den Beitrag noch nicht, kann mir den Inhalt allerdings gut vorstellen. Der Film ist voll von Verbindungen zu verdrängten/abgespaltenen traumatischen Kindheitserfahrungen. Dies kann ich hier jetzt nicht alles besprechen. Ein Hinweis sagt allerdings schon viel aus. Morpheus sagt im Film zu Neo: „Ich will dir sagen, wieso du hier bist. Du bist hier, weil du etwas weißt. Etwas, das du nicht erklären kannst. Aber du fühlst es. Du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was, aber es ist da. Wie ein Splitter in deinem Kopf, der dich verrückt macht. Dieses Gefühl hat dich zu mir geführt.“
Am besten hat vielleicht Alice Miller in ihren Büchern beschrieben, was hier im Film bildlich ausgedrückt wird. Das verbannte Wissen um den Selbstverrat des Kindes, das sich mit seinen gewalttätigen Eltern identifizieren muss, um zu überleben und später immer mit dem Gefühl durchs Leben geht, dass da "etwas" ist, was sich aber nicht erklären lässt.
Die wenigsten misshandelten Kinder rächen sich allerdings direkt bei ihren Peinigern, so wie Michael Brea dies wohl tat. Sondern sie agieren ihre Rache an anderen Stellen aus, suchen stellvertretende Opfer oder tun sich selbst Gewalt an.
Nochmal zum Abschluss: Bilder und Geschichten haben eine Bedeutung, dies gilt vor allem, wenn es um Attentäter und ähnliche Menschen geht. Wir sollten genauer hinschauen, was diese Bilder uns erzählen.
Dies ist erst mal auf den ersten Blick eine verwirrende Auswahl an Büchern und – wäre da nicht „Mein Kampf“ dazwischen – sicherlich auch nichts, was besonderer Erwähnung bedürfte. Ich denke, dass jemand, der „Mein Kampf“ als Lieblingsbuch aufzählt, schon sehr viel über sich und seine Persönlichkeitsstruktur sagt. Allerdings verbinden sich diese Bücher auch. Hitlers Hassbuch, Marx radikale Gesellschaftstheorie, das Bücherhassbuch "Fahrenheit 451" und – für die meisten vielleicht besonders irritierend - die Kinderbücher Peter Pan und Alice im Wunderland, letztere sind die Auslöser für diesen Beitrag hier.
Viele Menschen werden diese beiden Kinderbücher lieben und das sei ihnen auch gelassen. Wenn jemand wie Jared Lee Loughner diese als Lieblingsbücher aufzählt, werde ich allerdings hellhörig. Der Hamburger Sexualwissenschaftler Professor Wolfgang Berner berichtete in einem Interview einmal: „Lewis Carrol, der "Alice im Wunderland" schrieb, war wohl ein Pädophiler. Ebenso James M. Barrie, der Autor von "Peter Pan" - dem Jungen, der nie erwachsen wurde.“ (Michael Jackson war ja auch nicht ohne Grund ein Peter Pan Fan und nannte seine Ranch „Neverland“.) Damit will ich nicht sagen, dass Loughner „pädophil“ ist. Nein, hier geht es um die Faszination, die diese beiden Bücher bei ihm auslösten. In beiden Geschichten finden sich symbolisch und in der Handlung viele Botschaften, die auf destruktive Elternfiguren und leidgeprüfte Kinder hinweisen. „Pädophile“ sind keine Kinderliebhaber, wie das Wort nahe legt, viel mehr sind sie Hasser. Ihren Hass haben sie nur sexualisiert. Hass und Gewalt tauchen hier deutlich auch in beiden Kinderbüchern auf. Dass Loughner beide Bücher liebte, verwundert vor den o.g. Hintergründen insofern nicht. Und natürlich vermute ich auch eine sehr leidvolle Kindheitsgeschichte bei diesem Attentäter, ohne seine Tat entschuldigen zu wollen. (Psychohistorisch wäre es interessant, wie sich dieses Attentat vorher möglicherweise in Bildern und Symbolen in den US-Medien aufbaute.) Der SPIEGEL berichtet: "Über Loughners eher bürgerliches Familienleben mit den Eltern Amy und Randy ist wenig bekannt. Nachbarn bezeichneten die Beziehungen der drei zueinander als "undurchschaubar", das Verhalten des Vaters als bisweilen "unangenehm" oder angriffslustig." Mehr ist wohl bisher nicht bekannt.
Bilder und Geschichten haben oft eine Bedeutung, werden aber von der Öffentlichkeit meist kaum wahrgenommen oder gedeutet. Dies wird auch an Hand eines anderern blutigen Falls deutlich. Der Schauspieler Michael Brea hat kürzlich seiner Mutter mit einem Samurai-Schwert den Kopf abgeschlagen. Er rechtfertigte die Tat so: "Ich habe sie nicht getötet. Ich tötete nur den Dämon in ihr. Es war der Wille Gottes. Gott erschien mir eines nachts über meinem Bett. Ich fühlte mich wie Neo im Film Matrix. Ich hörte Stimmen und fühlte mich stark."
Ludwig Janus hat einen Beitrag zum Film Matrix geschrieben: „Überlegungen zum Film »Matrix« Ich kenne den Beitrag noch nicht, kann mir den Inhalt allerdings gut vorstellen. Der Film ist voll von Verbindungen zu verdrängten/abgespaltenen traumatischen Kindheitserfahrungen. Dies kann ich hier jetzt nicht alles besprechen. Ein Hinweis sagt allerdings schon viel aus. Morpheus sagt im Film zu Neo: „Ich will dir sagen, wieso du hier bist. Du bist hier, weil du etwas weißt. Etwas, das du nicht erklären kannst. Aber du fühlst es. Du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was, aber es ist da. Wie ein Splitter in deinem Kopf, der dich verrückt macht. Dieses Gefühl hat dich zu mir geführt.“
Am besten hat vielleicht Alice Miller in ihren Büchern beschrieben, was hier im Film bildlich ausgedrückt wird. Das verbannte Wissen um den Selbstverrat des Kindes, das sich mit seinen gewalttätigen Eltern identifizieren muss, um zu überleben und später immer mit dem Gefühl durchs Leben geht, dass da "etwas" ist, was sich aber nicht erklären lässt.
Die wenigsten misshandelten Kinder rächen sich allerdings direkt bei ihren Peinigern, so wie Michael Brea dies wohl tat. Sondern sie agieren ihre Rache an anderen Stellen aus, suchen stellvertretende Opfer oder tun sich selbst Gewalt an.
Nochmal zum Abschluss: Bilder und Geschichten haben eine Bedeutung, dies gilt vor allem, wenn es um Attentäter und ähnliche Menschen geht. Wir sollten genauer hinschauen, was diese Bilder uns erzählen.
Sonntag, 9. Januar 2011
Vergiftete Politikdebatte in Amerika
Der Hass in den USA wächst offensichtlich weiter. Am 05.11.2010 schrieb ich einen Beitrag unter dem Titel: „Barack Obama - Abbruchstimmung und Hass wächst. Wer wird der neue Feind der USA?„
Die emotionale Lage in den USA wird stetig schwieriger. Aktuelle, anschaubare (medienwirksame) äußere Feinde fehlen. Saddam Hussein ist tot. Afghanistan ist weit weg und bringt keine neuen Ängste und Feindbilder mehr auf. Mit Russland und China ist man wirtschaftlich und politisch relativ eng verbandelt. Doch irgendwo müssen die Ängste ausagiert werden. Neue Feinde müssen her. Da Außen nicht auffindbar, richtet sich der Hass jetzt ins Innere, ins eigene Land, sowohl ökonomisch, als auch politisch.
„Vergiftete Politikdebatte in Amerika?“ betitelt SPIEGEL-Online derzeit seine Diskussion im Forum zum Attentat im US-amerikanischen Arizona, das vor allem der demokratischen Abgeordneten Gabrielle Giffords galt. "In diesem "Klima des Gifts" werde bald kaum noch jemand für öffentliche Ämter kandidieren." zitiert die ZEIT einen Sheriff aus Arizona. Parallel erschüttert derzeit Deutschland ein großer Dioxin-Skandal (wieder Gift). Zum Thema Gift hatte ich ja kürzlich schon etwas zur EURO-Krise geschrieben. Hier verbindet sich offensichtlich einiges. Die Zeitpunkte der Geschehnisse könnten merkwürdiger nicht sein. Hier bei uns reales Gift, nachdem im Vorfeld Fantasien über die "vergifteten Staaten von Europa" kursierten. Drüben, in den USA, "politisches Gift".
Die Welt hat offensichtlich ein Problem damit, wenn keine offenen Feinde bereit stehen. Selbstzerstörung scheint die einzige Antwort darauf zu sein.
Die emotionale Lage in den USA wird stetig schwieriger. Aktuelle, anschaubare (medienwirksame) äußere Feinde fehlen. Saddam Hussein ist tot. Afghanistan ist weit weg und bringt keine neuen Ängste und Feindbilder mehr auf. Mit Russland und China ist man wirtschaftlich und politisch relativ eng verbandelt. Doch irgendwo müssen die Ängste ausagiert werden. Neue Feinde müssen her. Da Außen nicht auffindbar, richtet sich der Hass jetzt ins Innere, ins eigene Land, sowohl ökonomisch, als auch politisch.
„Vergiftete Politikdebatte in Amerika?“ betitelt SPIEGEL-Online derzeit seine Diskussion im Forum zum Attentat im US-amerikanischen Arizona, das vor allem der demokratischen Abgeordneten Gabrielle Giffords galt. "In diesem "Klima des Gifts" werde bald kaum noch jemand für öffentliche Ämter kandidieren." zitiert die ZEIT einen Sheriff aus Arizona. Parallel erschüttert derzeit Deutschland ein großer Dioxin-Skandal (wieder Gift). Zum Thema Gift hatte ich ja kürzlich schon etwas zur EURO-Krise geschrieben. Hier verbindet sich offensichtlich einiges. Die Zeitpunkte der Geschehnisse könnten merkwürdiger nicht sein. Hier bei uns reales Gift, nachdem im Vorfeld Fantasien über die "vergifteten Staaten von Europa" kursierten. Drüben, in den USA, "politisches Gift".
Die Welt hat offensichtlich ein Problem damit, wenn keine offenen Feinde bereit stehen. Selbstzerstörung scheint die einzige Antwort darauf zu sein.
Dienstag, 4. Januar 2011
Exkurs: Falschbeschuldigungen bei sexellen Missbrauch und falsche Informationen
Wikipedia ist gut und schön, hat aber auch Schwächen, wie jedem klar sein dürfte. Aktuell wurde ich auf den wikipedia Beitrag „Missbrauch mit dem Missbrauch“ aufmerksam. Dort steht: „Laut Angaben des Präsidenten des Deutschen Familiengerichtstages, Siegfried Willutzki, wird in ca. 40 % aller streitigen Sorgerechtsverfahren durch die um das Sorgerecht kämpfende Mutter ein Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen den Vater erhoben.“ Diese Angabe basiert auf einen Artikel in der Rheinische Post vom 26.3.1994, es gibt im Internet etliche Verweise auf diese Textstelle. Vor allem „Väterrechtler“ wie z.B. die paPPas, „Väter für Kinder“, „Väteraufbruch für Kinder“ aber auch Homepages der Maskulistenbewegung etc. verweisen immer wieder auf diese Quelle. Sogar der Focus (Heft Nr. 23) zitiert diese Zahl 1996 wie folgt: "In rund 40 Prozent aller Sorge- und Umgangsrechtsverfahren wird Schätzungen zufolge mittlerweile der Vorwurf des Sexmißbrauchs erhoben (meist von Müttern gegen Väter), oft unterstützt von Gutachtern der „Aufdeckungs“-Fraktion." (dieser Artikel ist immer noch online!)Diese belege das hohe Ausmass von willentlichen Falschbeschuldigungen gegen Väter, um diese zu zerstören und um vor allem den Kontakt zum Kind zu unterbinden, so der Tenor dieser “Männeraktivisten“. Da die Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs im Folgejahr nach 1994 zugenommen hätten, schreiben z.B. die paPPas auf ihrer Homepage: "In der Konsequenz hat also ein Vater, der gerichtlich um Sorge oder Umgang streitet, eine 1:1-Chance, sich den Vorwurf einzuhandeln."
Zu dem Thema an sich lässt sich mittlerweile ein ganzes Buch schreiben, so viel haarsträubendes und richtigzustellendes Material (u.a. auch erzeugt durch seriöse Medien wie den SPIEGEL – durch Gisela Friedrichsen - und die ZEIT – durch Sabine Rückert) liegt da mittlerweile vor. Da mein Blog eine sehr gute Googel Positionierung hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, in meinem bescheidenen Rahmen der Möglichkeiten zu der o.g. Zahl etwas zu schreiben.
Wenn man sich klar macht, dass z.B. 1996 in über 150.000 Fällen in entsprechenden Verfahren über die elterliche Sorge und in über 20.000 Fällen über die Regelung des Umgangs entschieden wurde (vgl. Ruhl, R. 2000: Väter - Opfer bei Trennung und Scheidung? In: Lenz, H.-J. (Hrsg.): Männliche Opfererfahrungen. Problemlagen und Hilfeansätze in der Männerberatung. Juventa, Weinheim. , S. 150) dann wären das bei 40 % 60.000 angezeigte Fälle sexuellen Missbrauch innerhalb von Sorgerechtstreitigkeiten und 8.000 angezeigte Fälle während Umgangsrechtstreitigkeiten. 1996 wurden aber nur 19.522 Fälle von sexuellem Missbrauch polizeilich registriert und diese Fälle beziehen sich wohlgemerkt auf eine Vielzahl von TäterInnengruppen, also nicht nur auf Väter. Die Zahl von 40 % lässt sich also alleine durch diese kleine Rechnung sehr leicht widerlegen. Aber ergänzen wir dies doch noch um eine Studie:
Busse / Steller / Volbert (2000) haben 1.394 Akten Berliner Familiengerichte zur Frage der Umgangsregelung aus den Jahrgängen 1988, 1993 und 1995 wissenschaftlich ausgewertet. In nur 45 Fällen (ca. 3,3 %) kam ein sexueller Missbrauchsverdacht zur Sprache. Eine Auswertung von 1.500 Sorgerechtsakten aus den drei genannten Jahrgängen erbrachte ebenfalls nur 45 Fälle ( 3,0 %), die einen Missbrauchsverdacht beinhalten. (vgl. Bange, D. / Körner, W. 2002: Handwörterbuch Sexueller Mißbrauch. Hogrefe-Verlag, S. 94)
Ein weiteres Rechenbeispiel bringt uns der Realität noch mal näher:
1996 waren nur 1.543 von den 19.526 (mutmaßlichen) Opfern mit dem Täter/der Täterin verwandt. Das entspricht 7,90 % der Fälle. (vgl. Bundesministerium des Inneren / Bundesministerium der Justiz, 2006: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht. S. 101) Ca. 3,5 % der Tatverdächtigen sind zudem weiblich, das zeigen die Statistiken (Dunkelfeldstudien zeigen da etwas anderes, aber das nur nebenbei). Da sich dieser Text auf die (angeblich massenhaften) Falschbeschuldigungsvorwürfe gegen Männer bzw. speziell Väter bezieht, können wir also nochmal 3,5 % von den 1.543 „Verwandtschaftsfällen“ abziehen, das wären Minus 54. Bleiben 1.489 Anzeigen gegen Männer, die mit dem (mutmaßlichen) Opfer verwandt sind. Nun muss mann auch noch wissen, dass z.B. im Jahr 1999 24,5 % aller Tatverdächtigen zwischen 8 und 21 Jahren alt waren, i.d.R. also gar keine eigenen Kinder haben. Und 8,1 % der Tatverdächtigen waren über 60 Jahre alt und fallen somit bzgl. Sorgerechtsstreitigkeiten auch raus. Ich vermute allerdings, dass innerhalb der „Verwandtschaftsfälle“ eher Tatverdächtige über 21 Jahre auftauchen. Insofern ziehe ich nochmal vorsichtige 10 % von den 1.489 Anzeigen gegen männliche Verwandte ab. Übrig bleiben dann noch 1340 Fälle. Innerhalb dieser verbleibenden Fälle werden jetzt nicht nur Väter stecken, sondern auch Onkel, evtl. der Cousin oder auch der angeheiratete Stiefvater, vielleicht auch noch ein paar junge Großväter, die über 60 Jahre alten Tatverdächtigen haben wir oben ja schon etwas rausgerechnet. Wieviele leibliche Väter angezeigt wurden, bleibt also Spekulation. Um eine gerade Zahl zu bekommen, rechne ich einfach mal mit hohen 1.000. Ich glaube dabei ehrlich gesagt, dass es weit weniger sind. Aber bleiben wir einfach bei dieser Zahl.
Kommen wir also zurück zu den 150.000 Sorgerechtsfällen aus dem Jahr 1996 und stellen diesen Fällen einfach alle 1.000 mögliche Anzeigen gegen Väter gegenüber (obwohl Anzeigen gegen Väter ja auch außerhalb von Sorgerechtsstreitigkeiten erfolgen). Das würde dann bedeuten, dass in nur 0,66 % der Sorgerechtsfälle ein Missbrauchsverdacht gegen Väter ausgesprochen wird!
(Die Berliner Studie von Busse / Steller / Volbert (2000) hatte um die 3 % ergeben. Dies legt den Schluss nahe, dass es regional ein unterschiedliches Anzeigeverhalten gibt und vor allem in Großstädten verhältnismäßig viel angezeigt wird.)
Die Polizeiliche Kriminalstatistik der letzten Jahre zeigt außerdem, dass von den angezeigten Fällen nur ca. 10 % zu einer Verurteilung führen. Von den oben berechneten fiktiven 1000 Vätern werden also nur 100 verurteilt (die meisten davon auf Bewährung oder mit einer Geldstrafe, auch das zeigt die Statistik). Die Gerichte agieren hier also sehr sehr vorsichtig und schicken nicht massenhaft Väter in die Gefängnisse, weil ihre durchgeknallten (unter feministischer Hypnose stehenden) EX-Ehefrauen mal „einfach so“ einen Missbrauchsverdacht aussprechen, um sich das Sorgerecht zu sichern.
Trotz dieser leicht herauszufindenden Daten spukt die Zahl von 40 % Anschuldigungen gegen Väter im Internet weiter herum, sogar auf wikipedia. Die entsprechenden (Internet-)Akteure müssen sich meines Erachtens nach fragen lassen, welche Motivation sie haben, eine solche falsche Zahl zu verbreiten? (Eigentlich müsste die Aufklärung über die wahren Zahlenverhältnisse sogar im Interesse der Väteraktivisten sein, alleine schon um ihre eigenen Nerven zu beruhigen.)
Dieses ganze Thema um angeblich massenhafte Falschbeschuldigungen und unzählige „böse Mütter“ und „rachsüchtige Feministinnen“ ist ein Thema mit unzähligen Abgründen. Hier wird all zu oft Realität gemacht, nicht gesehen. (Und ja, es gibt auch Väter, die real Opfer von Falschbeschuldigungen wurden. Aber nicht in dem Ausmass, wie das verbreitet wird.)
Ich möchte alle, die von dem Thema vielleicht das erste mal hören, dazu aufrufen, sehr vorsichtig und sehr kritisch zu sein, was das Thema Falschbeschuldigungen in Missbrauchsfällen angeht. Leider entpuppen sich all zu oft auch gerade angebliche Arbeiter für die Rechte von Vätern und Kinder als sehr destruktive Akteure, die allerleih Unsinn in die Welt setzen. Dem Schutz der Kinder dient es nicht, eine Zahl wie die o.g. von 40 % in der Welt zu verbreiten, sie dient dem Schutz der realen TäterInnen.
(Anmerkung: Dieser Text wurde am 07.01.2011 noch mal um einige Zeilen und Daten ergänzt - vor allem um die Berliner Studie und das anschließende Rechenbeispiel -, insofern beziehen sich die Kommentare unten noch auf die alte Textversion)
Weiterführende Links:
Gibt es einen »Missbrauch mit dem Missbrauch«?
Helfermafia" und "Fürsorgestasi" - Über den Missbrauch mit dem Missbrauch
Zu dem Thema an sich lässt sich mittlerweile ein ganzes Buch schreiben, so viel haarsträubendes und richtigzustellendes Material (u.a. auch erzeugt durch seriöse Medien wie den SPIEGEL – durch Gisela Friedrichsen - und die ZEIT – durch Sabine Rückert) liegt da mittlerweile vor. Da mein Blog eine sehr gute Googel Positionierung hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, in meinem bescheidenen Rahmen der Möglichkeiten zu der o.g. Zahl etwas zu schreiben.
Wenn man sich klar macht, dass z.B. 1996 in über 150.000 Fällen in entsprechenden Verfahren über die elterliche Sorge und in über 20.000 Fällen über die Regelung des Umgangs entschieden wurde (vgl. Ruhl, R. 2000: Väter - Opfer bei Trennung und Scheidung? In: Lenz, H.-J. (Hrsg.): Männliche Opfererfahrungen. Problemlagen und Hilfeansätze in der Männerberatung. Juventa, Weinheim. , S. 150) dann wären das bei 40 % 60.000 angezeigte Fälle sexuellen Missbrauch innerhalb von Sorgerechtstreitigkeiten und 8.000 angezeigte Fälle während Umgangsrechtstreitigkeiten. 1996 wurden aber nur 19.522 Fälle von sexuellem Missbrauch polizeilich registriert und diese Fälle beziehen sich wohlgemerkt auf eine Vielzahl von TäterInnengruppen, also nicht nur auf Väter. Die Zahl von 40 % lässt sich also alleine durch diese kleine Rechnung sehr leicht widerlegen. Aber ergänzen wir dies doch noch um eine Studie:
Busse / Steller / Volbert (2000) haben 1.394 Akten Berliner Familiengerichte zur Frage der Umgangsregelung aus den Jahrgängen 1988, 1993 und 1995 wissenschaftlich ausgewertet. In nur 45 Fällen (ca. 3,3 %) kam ein sexueller Missbrauchsverdacht zur Sprache. Eine Auswertung von 1.500 Sorgerechtsakten aus den drei genannten Jahrgängen erbrachte ebenfalls nur 45 Fälle ( 3,0 %), die einen Missbrauchsverdacht beinhalten. (vgl. Bange, D. / Körner, W. 2002: Handwörterbuch Sexueller Mißbrauch. Hogrefe-Verlag, S. 94)
Ein weiteres Rechenbeispiel bringt uns der Realität noch mal näher:
1996 waren nur 1.543 von den 19.526 (mutmaßlichen) Opfern mit dem Täter/der Täterin verwandt. Das entspricht 7,90 % der Fälle. (vgl. Bundesministerium des Inneren / Bundesministerium der Justiz, 2006: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht. S. 101) Ca. 3,5 % der Tatverdächtigen sind zudem weiblich, das zeigen die Statistiken (Dunkelfeldstudien zeigen da etwas anderes, aber das nur nebenbei). Da sich dieser Text auf die (angeblich massenhaften) Falschbeschuldigungsvorwürfe gegen Männer bzw. speziell Väter bezieht, können wir also nochmal 3,5 % von den 1.543 „Verwandtschaftsfällen“ abziehen, das wären Minus 54. Bleiben 1.489 Anzeigen gegen Männer, die mit dem (mutmaßlichen) Opfer verwandt sind. Nun muss mann auch noch wissen, dass z.B. im Jahr 1999 24,5 % aller Tatverdächtigen zwischen 8 und 21 Jahren alt waren, i.d.R. also gar keine eigenen Kinder haben. Und 8,1 % der Tatverdächtigen waren über 60 Jahre alt und fallen somit bzgl. Sorgerechtsstreitigkeiten auch raus. Ich vermute allerdings, dass innerhalb der „Verwandtschaftsfälle“ eher Tatverdächtige über 21 Jahre auftauchen. Insofern ziehe ich nochmal vorsichtige 10 % von den 1.489 Anzeigen gegen männliche Verwandte ab. Übrig bleiben dann noch 1340 Fälle. Innerhalb dieser verbleibenden Fälle werden jetzt nicht nur Väter stecken, sondern auch Onkel, evtl. der Cousin oder auch der angeheiratete Stiefvater, vielleicht auch noch ein paar junge Großväter, die über 60 Jahre alten Tatverdächtigen haben wir oben ja schon etwas rausgerechnet. Wieviele leibliche Väter angezeigt wurden, bleibt also Spekulation. Um eine gerade Zahl zu bekommen, rechne ich einfach mal mit hohen 1.000. Ich glaube dabei ehrlich gesagt, dass es weit weniger sind. Aber bleiben wir einfach bei dieser Zahl.
Kommen wir also zurück zu den 150.000 Sorgerechtsfällen aus dem Jahr 1996 und stellen diesen Fällen einfach alle 1.000 mögliche Anzeigen gegen Väter gegenüber (obwohl Anzeigen gegen Väter ja auch außerhalb von Sorgerechtsstreitigkeiten erfolgen). Das würde dann bedeuten, dass in nur 0,66 % der Sorgerechtsfälle ein Missbrauchsverdacht gegen Väter ausgesprochen wird!
(Die Berliner Studie von Busse / Steller / Volbert (2000) hatte um die 3 % ergeben. Dies legt den Schluss nahe, dass es regional ein unterschiedliches Anzeigeverhalten gibt und vor allem in Großstädten verhältnismäßig viel angezeigt wird.)
Die Polizeiliche Kriminalstatistik der letzten Jahre zeigt außerdem, dass von den angezeigten Fällen nur ca. 10 % zu einer Verurteilung führen. Von den oben berechneten fiktiven 1000 Vätern werden also nur 100 verurteilt (die meisten davon auf Bewährung oder mit einer Geldstrafe, auch das zeigt die Statistik). Die Gerichte agieren hier also sehr sehr vorsichtig und schicken nicht massenhaft Väter in die Gefängnisse, weil ihre durchgeknallten (unter feministischer Hypnose stehenden) EX-Ehefrauen mal „einfach so“ einen Missbrauchsverdacht aussprechen, um sich das Sorgerecht zu sichern.
Trotz dieser leicht herauszufindenden Daten spukt die Zahl von 40 % Anschuldigungen gegen Väter im Internet weiter herum, sogar auf wikipedia. Die entsprechenden (Internet-)Akteure müssen sich meines Erachtens nach fragen lassen, welche Motivation sie haben, eine solche falsche Zahl zu verbreiten? (Eigentlich müsste die Aufklärung über die wahren Zahlenverhältnisse sogar im Interesse der Väteraktivisten sein, alleine schon um ihre eigenen Nerven zu beruhigen.)
Dieses ganze Thema um angeblich massenhafte Falschbeschuldigungen und unzählige „böse Mütter“ und „rachsüchtige Feministinnen“ ist ein Thema mit unzähligen Abgründen. Hier wird all zu oft Realität gemacht, nicht gesehen. (Und ja, es gibt auch Väter, die real Opfer von Falschbeschuldigungen wurden. Aber nicht in dem Ausmass, wie das verbreitet wird.)
Ich möchte alle, die von dem Thema vielleicht das erste mal hören, dazu aufrufen, sehr vorsichtig und sehr kritisch zu sein, was das Thema Falschbeschuldigungen in Missbrauchsfällen angeht. Leider entpuppen sich all zu oft auch gerade angebliche Arbeiter für die Rechte von Vätern und Kinder als sehr destruktive Akteure, die allerleih Unsinn in die Welt setzen. Dem Schutz der Kinder dient es nicht, eine Zahl wie die o.g. von 40 % in der Welt zu verbreiten, sie dient dem Schutz der realen TäterInnen.
(Anmerkung: Dieser Text wurde am 07.01.2011 noch mal um einige Zeilen und Daten ergänzt - vor allem um die Berliner Studie und das anschließende Rechenbeispiel -, insofern beziehen sich die Kommentare unten noch auf die alte Textversion)
Weiterführende Links:
Gibt es einen »Missbrauch mit dem Missbrauch«?
Helfermafia" und "Fürsorgestasi" - Über den Missbrauch mit dem Missbrauch
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