Rudolf Heß in einem Brief an seine Eltern vom 24.04.1925, in dem er sich und seine starke Anbindung an Hitler erklärte. „(…) Ich habe mich ja seinerzeit so gefreut, als nach dem November 23 (Anmerkung: Gemeint ist der 23.11.1923, als die NSDAP reichsweit verboten wurde), da fast alle wankten, Ihr unerschüttert zum Tribunen (Anmerkung: Gemeint ist Adolf Hitler) standet … Und lieber Gott, im Grunde seid Ihr ja eigentlich selbst daran schuld, dass ich so geworden bin und also so handeln muss …“ (Pätzold und Weißbecker, 2007: S. 444)
Die Kindheit von Rudolf Hess ergänzt das Bild, dass ich bisher über einzelne NS-Täter gezeichnet habe. Dazu im Text unten mehr. Allerdings ergänzt auch die Arbeit der Historiker Manfred Weißbecker (Jahrgang 1935) und Kurt Pätzold (Jahrgang 1930) das Bild, das ich immer wieder bei meinen Recherchen über die Kindheit diverser Diktatoren und ähnlicher Akteure fand. Die destruktive Kindheit wird zwar von den Historikern wahrgenommen und erwähnt, aber erstens nicht weitgehend ausgeführt und zweitens dementsprechend so kommentiert, dass ihr kaum Bedeutung beigemessen wird. Zunächst beginnen die Autoren ihre Schilderungen über die Familienatmosphäre so: Die Kinder „wuchsen in wohlhabenden Verhältnissen und sorglos auf; später wird Heß einmal den Eltern danken: »Wir haben eine freudenreiche und glänzende Jugend gehabt, wie man sie sich schöner und abwechslungsreicher nicht vorstellen kann.«“ (Pätzold und Weißbecker, 2007: S. 15) Diese Beschreibung einer „sorglosen“ Kindheit mag stimmen, wenn es um die finanziellen Verhältnisse und den Status der Familie ging, denn diese waren dank lukrativer Geschäfte in Ägypten (wo die Familie die ersten Lebensjahre von Rudolf ihren Hauptwohnsitz hatte) sehr gut. Die emotionale Situation war allerdings alles andere als sorglos, was auch die beiden Autoren kurz beschreiben.“Das Geschäft diktiert den Ablauf der Tage und wohl auch den Umgangston im Hause. Äußerste Pünktlichkeit, penible Ordnung und uneingeschränkte Disziplin galten als höchste Werte des patriarchalisch herrschenden Vaters, eines typischen Angehörigen stramm national gesinnter Schichten des deutschen Bürgertums.“ (ebd.: S. 17)
Aber gleich danach merken Sie an: „In der historischen Literatur ist immer wieder auf die Strenge des Vaters verwiesen worden. Spätere Entwicklungen und Verhaltensweisen des »Führer-Stellvertreters» sollen damit verstehbar werden. Psychoanalytische Deutungen dieser Art treffen gewiss zu, sie reichen jedoch keineswegs aus, alle Ursachen und die wesentlichsten Rahmenbedingungen der Sozialisation von Rudolf Heß zu erhellen. Mitunter verdecken sie andere, wichtigere Umstände und Faktoren.“ (ebd.: S. 17) Dann kritisieren sie auch noch die Quellenlage. Vieles sei aus den Erinnerungen von Rudolf Heß selbst überliefert, als er bereits an der Spitze der NSDAP stand oder aus seiner Zeit im Gefängnis. (wo ich mich frage, warum denn diese Erinnerungen keine Gültigkeit haben sollten?). Zudem kritisieren sie „manches, was von Autor zu Autor übernommen worden ist (…)“ (ebd.: S. 17), ohne zu erwähnen, welche Autoren sie meinen und was „manches“ bedeutet. Zumindest haben auch Pätzold und Weißbecker die Strenge des Vaters wahrgenommen, in dem sie oben die Werte des „patriarchalisch herrschenden Vaters“ beschreiben und etwas weiter im Text - nebenbei -von dem „oft als tyrannisch geschilderten Vater“ (ebd.: S. 21) berichten. Diesen Widerwillen gegenüber Kindheitseinflüssen auf politisches Verhalten und deren entsprechend geringer Gewichtung habe ich derart oft in Büchern von Historikern wahrgenommen, dass dies fast schon eine gesonderte, systematische Analyse Wert wäre.
Deutlichere Worte fand allerdings der Historiker Rainer F. Schmidt (Jahrgang 1955). „Alle Psychiater, die sich in späteren Jahren mit dem Charakter und der Persönlichkeitsstruktur von Rudolf Heß, mit seiner Fixierung auf Hitler und die Kommandowelt des Totalitären beschäftigen, stimmen darin überein, dass der Schlüssel für diese Disposition in der Phase der primären Sozialisation, in der Jugend mit einem strengen und übermächtigen Vater zu suchen ist.“ (Schmidt, 1997: S. 37) Schmidt berichtet über die Familie Heß: „Zum prägenden Faktor seiner frühen Jahre wurde eben jener strenge, polternde und keinen Widerspruch duldende Vater, der nach Rudolfs eigenen Worten »bleichen Schrecken bei seiner Brut« verbreitete.“ (ebd.: S. 38) Der ganze Tagesablauf der Familie war auf die Ansprüche des Vaters abgestimmt. „(…) von den vollzählig versammelten Familienmitgliedern erdreistete sich niemand, ein Wort zu sprechen, solange der Vater nicht geruhte, das Gespräch zu eröffnen. Er war es, der das Lachen der spielenden Kinder zum Verstummen brachte, wenn er das Haus betrat (…)“ (ebd.: S. 38,39) Der Vater zwang seinen Sohn auch - trotz anderer Befähigungen und Interessen- in den Kaufmannsberuf. Schmidt zitiert Heß wörtlich im Rückblick auf eine Szene: „Als eines Tages der liebe Vater feierlich die ernste Frage an mich stellte, was ich werden wollte – in dem Ton, bei dem allein uns schon das Blut zu gerinnen drohte …, da kam es mir gar nicht in den Sinn, etwas anderes zu stottern als «Kaufmann».“ (ebd.: S. 39)
Schmidt ergänzt danach, dass immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass viele führende Nationalsozialsten aus strengen Elternhäusern stammten und Hitler wiederum von den „Erziehungsschäden einer Epoche profitierte, die ihre pädagogischen Leitbilder von den Kasernenhöfen holte und ihre Söhne in den Härtekategorien von Kadetten aufzog“ (ebd..: S. 39; hier zitiert er Joachim Fest). Eine erstaunliche (weil relativ seltene) Aussage, deren Wahrheitsgehalt ich mich anschließe, sie trifft aber nicht meine Wahrnehmung bzgl. der Geschichtswissenschaft, dies diese Zusammenhänge oft unter den Tisch kehrt. (Zudem ist das Wort „streng“ wohl etwas verharmlosend, wenn man um die Realität der Kindheit im Deutschen Reich um 1900 weiß.) Rudolf Heß, so Schmidt weiter, „der unsäglich unter der tyrannischen Natur seines Vaters (…) litt, die immer wieder seinen Willen brach und die Basis schuf für die Anfälligkeit gegenüber und die Suche nach einem «Ersatzvater», entsprach exakt diesem Typus.“ (ebd.: S. 39)
Es bleibt unserer Vorstellungskraft überlassen, was sich alles an Gewalt, Gewaltformen und Gewaltandrohung im Hause Heß abgespielt hat. Wenn schon der Tonfall des Vaters das Blut des Sohnes gerinnen ließ, wie dieser es bildlich ausdrückte und der Vater „blanken Schrecken“ bei den Kindern verbreitete, was geschah dann eigentlich, wenn der Vater offen Strafen ausführte oder sich Launen hingab? Die Historiker lassen diese Frage offen. Ich halte es nach den o.g. Schilderungen für sehr sehr wahrscheinlich, dass Rudolfs Vater auch direkt körperliche Gewalt anwandte, sein Charakter und die Sitte der Zeit legen dies sehr nahe.
Es ist bezeichnend, dass man über die Mütter solcher historischen Persönlichkeiten meist weitaus weniger erfährt, als über die Väter. Dabei sind es ja vor allem die Mütter, die historisch die wesentlichen Erziehungsaufgaben übernahmen. Man kann sich auf Grund von zwei Zeugnissen und etwas Vorstellungskraft ausmalen, dass Rudolfs Mutter keine besonders mitfühlende Person/Mutter war. Von der Mutter erfuhr Rudolf während seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg direkten Zuspruch. Sie schrieb. „Wäre ich ein Mann in der Blüte der Jahre, ich würde auch mit Begeisterung für mein Vaterland kämpfen. Ich will versuchen, wenn auch nicht als Soldat, so doch für das Wohl der Zurückgebliebenen meine Kraft mit zu verwenden.“ (Pätzold und Weißbecker, 2007: S.22) Mit dieser Einstellung entsprach sie sicherlich den meisten Müttern der Zeit. Doch waren das herzliche, mitfühlende Mütter, die derart kriegsbegeistert waren? Noch deutlicher wird es an anderer Stelle. Bei beiden Heß Eltern kam Unmut auf, weil ihr Sohn im Ersten Weltkrieg anfänglich Reservist war und nicht sofort auf eines der umkämpften Schlachtfelder kam. „Klara Heß zeigte sich sechs Wochen nach Kriegsbeginn furchtbar enttäuscht, dass ihr Sohn immer noch «zurückgehalten» werde, seine «junge Kraft für die Freiheit des teuren Vaterlandes einzusetzen»“ (ebd.: S. 23) Und sie beteuerte: „Wir geben Dich dem Vaterland, kommst Du uns lebend zurück, so sehen wir dieses Glück als ein Geschenk Gottes an.“ (ebd.: S. 23) Was ist das für eine Mutter (und wie sah ihr Umgang früher ihren Kindern gegenüber aus), die derart bereitwillig ihren Sohn in den wahrscheinlichen Tod laufen lässt; die ihren Sohn geradezu zu opfern bereit ist?
Arno Gruen hat unter dem Zwischen-Titel „Der reduzierte Mensch“ (Gruen, 2002: S. 164) u.a. Rudolf Heß als Paradebeispiel für einen Menschen ausgewählt, der innerlich leer ist, „eines Ich ohne eigenes Selbst (…); eines Menschen, der keine eigene Identität entwickeln konnte und deshalb jemanden sucht, dem er sich bedingungslos unterwerfen kann. (…) Ein solcher Mensch ist völlig gefangen und völlig beherrscht von dem Diktat des Gehorsams, der ihm auferlegt wurde.“ (ebd.: S. 177,178) Diese innere „Fremdsein“ brachte Heß auch selbst deutlich zum Ausdruck. „Wenige Tage vor dem ersten Putsch der deutschen Faschisten bekante er, wie es um seine Gemütsverfassung stand. Er kenne sich nicht mehr aus in sich, so klagte er im Oktober 1923. Er meinte, sich als eine «eigentümliche Mischung» sehen zu müssen, woraus Spannungen entstünden, die ihm das Leben zeitweise so schwer machten. (…) «ich kenn` mich nicht aus mit mir. Sind`s moderne Kulturnerven in ihren Extremen, ist´s etwas Ungehobenes, das vorerst vergeblich nach einem Ausweg sucht, ich weiß es nicht»“ (Pätzold und Weißbecker, 2007: S.13,14)
Mir ist bzgl. Heß ergänzen aufgefallen, dass dieser grundsätzlich sehr selbstmordgefährdet war. Alleine schon sein begeisterter freiwilliger Kriegseintritt im Ersten Weltkrieg ist ein Zeichen dafür. Freudig zog er in die Todeszone, wie so viele Deutsche dieser Zeit. In einem Gedicht, in dem Heß seine Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg beschreibt, findet sich folgende erhellende und im Grunde alles sagende Stelle.
„(…) He, Franzmann, das ist böser Morgengruß!
Ihr dort müsst sterben, dass wir leben können,
wir selbst und unser ganzes armes Volk (…).“ (Pätzold und Weißbecker, 2007: S. 437)
Oder auch ein anderer Ausschnitt aus dieser Zeit: „Die Landschaft weiß von Schnee, Sternhimmel funkelt. … Brennende Ortschaften! Packend schön, Krieg!“ (Schmidt, 1997: S. 40)
Diese „Leben suchen“ im Tod (sowohl des Eigenen als auch des Anderen) ist etwas, das Arno Gruen in seinen Bücher oft beschrieben hat. Es ist die Suche des innerlich nicht Lebendigen, identitätslosen Menschen nach Leben und Fühlen, in einer pervertierten Form. Dies ist auch etwas, dass Mörder/Serienmörder beschrieben haben. (siehe hier und hier)
Nach dem Waffenstillstand und der Niederlage des Deutschen Reiches fühlte sich Heß im „schwersten Augenblicke“ seines Lebens. „An den Frieden darf man nicht denken.“ schrieb er nach Hause.„ (Schmidt, 1997: S. 42,43) Rachefantasien hielten ihn aufrecht, so scheint es. Denn zunächst dachte er nach dem Friedensschluss an Selbstmord. „Und das Leiden der Mehrheit der Guten der Heimat soll umsonst gewesen sein? … Nein, wär´s umsonst gewesen, bereute ich heute noch, dass ich am Tag, da die ungeheuerlichen Waffenstillstandsbedingungen und ihre Annahme bekannt wurden, ich mir nicht eine Kugel durchs Hirn jagte. Ich tat es damals nicht in der einzigen Hoffnung: Du kannst noch irgendwie dein Teilchen beitragen zur Wendung des Schicksals.“ (ebd.: S. 43)
Am 15. Oktober 1941 begeht Heß in britischer Haft einen Selbstmordversuch. Er leidet in der Folgezeit an Nervenkrankheiten. Am 17. August 1987 begeht Heß am Ende seiner Tage im Gefängnis in Spandau Selbstmord (Deutsches Historisches Museum, 2009) Auf Wikipedia sind weitere drei Selbstmordversuche beschrieben, die Quellen dafür kann ich allerdings hier nicht weiter nachverfolgen.
Heß, der keine eigene Identität besaß und der in der Folge von (Selbst-)Hass durchzogen war, suchte den Tod, den eigenen, wie auch den von Millionen anderer Menschen.
Zum Abschluss noch eine persönliche Anmerkung. Wenn ich mir Fotos von Heß anschaue, dann springt mich die „innere Leblosigkeit“ dieses Mannes geradezu an. Tief verborgene, schattige Augenpartie, ungemein gerade und nichts-sagende Gesichtszüge, ein flacher Mund, leere Augen und Kälte. Der Gefängnis-Psychiater James Gilligan hat die von ihm untersuchten Mörder als „Untote“ bezeichnet, innerlich tot, körperlich am Leben. Rudolf Heß passt genau in diese Kategorie Mensch.
Quellen:
Deutsches Historisches Museum (2009): Biographie: Rudolf Heß. 1894-1987.
.
Gruen, Arno (2002): Der Fremde in uns. München. Deutscher Taschenbuch Verlag.
Pätzold, Kurt und Weißbecker, Manfred (2007): Rudolf Heß. Der Mann an Hitlers Seite. Leibzig. Militzke Verlag.
Schmidt, Rainer F. (1997): Rudolf Heß. "Botengang eines Toren"?, Der Flug nach Großbritannien vom 10. Mai 1941. Düsseldorf. ECON Verlag.
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Samstag, 9. Februar 2013
Dienstag, 4. Oktober 2016
INDEX
Inhaltsverzeichnis des Blogs
(nur wesentliche Beiträge)
Kontakt und Austausch
- Kontakt / Über mich und diesen Blog
- https://twitter.com/SvenFuchs15 (viele Infos + wichtige Nachrichten teile ich ergänzend zum Blog seit Anfang 2020 auch auf Twitter!)
Grundlagentexte
- Mein Arbeitspapier (2012): Als Kind geliebte Menschen fangen keine Kriege an: Plädoyer für einen offenen Blick auf die Kindheitsursprünge von Kriegen (extern)
(Etwas aktualisiert ist der Text auch unter dem Titel "Als Kind geliebte Menschen fangen keine Kriege an" im Jahrbuch für psychohistorische Forschung Band 17 im Jahr 2016 erschienen) - Mein Buch (Februar 2019): Die Kindheit ist politisch! Kriege, Terror, Extremismus, Diktaturen und Gewalt als Folge destruktiver Kindheitserfahrungen (extern)
- Kindheitsursprünge von politischer Gewalt und Extremismus (2023, Ausgewählte Beiträge des 26. Deutschen Präventionstages)
- The Childhood Origins of (Political) Violence and Extremism (FACTSHEET, 12.10.2021)
- Childhood is Political! (04.12.2022)
- (Destruktive) Kindheitserfahrungen im Kontext von Krieg (27.10.2008; Mein "Grundlagentext", deutlich veraltet und formal auch nicht perfekt, aber letztlich war der Text und die Arbeit daran die "Geburtsstunde" für diesen Blog)
- Francisco Franco. Geliebte Kinder werden zu Diktatoren (27.03.2010; Eine Einleitung zum Nachdenken)
- Das Schweigen und die Kritik: Banale Erkenntnisse und Gedankenspiele für ein komplexeres Verständnis der Ursachen von Gewalt (23.02.2017)
- Verklärt, beschönigt, verdrängt: Kindheiten von Gewalttätern und Extremisten. Eine Mahnung an die Forschung (25.06.2020)
- Kindheitsursprünge von Rechtsextremismus: DIE gesammelten Studien.
- Kindheit und islamistischer Extremismus/Terrorismus - eine Übersicht
- Das Geheimnis, das niemand wissen will (von Jens Söring)
Ausgewählte Beiträge
- Diagramme der menschlichen Destruktivität (16.08.2013)
- Islamistischer Terror und Gewalt. Die notwendige Modernisierung der muslimischen Familie. (07.02.2016)
- Die Kinder der NS-Täter und die Kindheit der NS-Täter (25.04.2014)
- Krieg als kurzfristige Transformation der Gewalt, die eh schon da ist? (11.11.2014)
- Die Welt von Morgen. Was sind die Folgen von Gewaltlosigkeit und Liebe gegenüber Kindern? (10.06.2014)
- Geboren 2012 = weitgehend gewaltfreies Aufwachsen, zumindest in Deutschland (05.03.2012)
- Warum Männer gewalttätiger sind als Frauen (14.06.2013)
- Kindesmisshandlung: Mütter als Täterinnen (11.06.2012)
- Gewalt durch Mütter/Stiefmütter gegen junge Frauen/Jugendliche in der Welt (09.11.2020)
- "Eine lieblose Kindheit haben viele erlebt und werden trotzdem nicht zu Mördern." (19.07.2013)
- „Andere Leute haben auch eine schwierige Kindheit gehabt!“: Wechselwirkung zwischen belastenden Kindheitserfahrungen und Genen (15.05.2019)
- Von der Notwendigkeit der emotionalen Abrüstung (21.04.2012)
- Elterliche Gewalt als Gradmesser für den seelischen Entwicklungsstand einer Gesellschaft (13.04.2012)
- Die Folgen der Gewalt. Oder: Die Kindheit ist politisch! (25.06.2011)
- Kritik und Abwehr (23.11.2011)
- Das Schweigen und die Kritik: Banale Erkenntnisse und Gedankenspiele für ein komplexeres Verständnis der Ursachen von Gewalt (13.02.2017)
- Vom Porno-Star über Milgram zu Hitler (10.04.2011)
- Basiswissen für die Kriminologie direkt aus dem Gefängnis: Das Kindheitsleid der Täter (09.01.2016)
- Sabine Rückert - ZEIT für eine grundsätzliche Kritik (30.11.2011)
- Offener Brief an UNICEF-Deutschland (30.11.2015)
- Wenn es um Gewaltursachen geht, frag (k)einen Experten...!? (24.10.2016)
- Kindheit und Prostitution. Eine "Branche", die auf verschüttete Emotionen und Selbsthass aufbaut (13.12.2013)
- Was hat Kindesmisshandlung mit Umweltzerstörung zu tun? (09.08.2012)
- Was die Krise der etablierten Parteien und "Fridays for Future" mit veränderten Kindheiten und Erziehungsstilen zu tun hat (21.06.2019)
- "Generation Greta" und was Kindheit damit zu tun haben könnte (03.11.2021)
- "Sogwirkungen" von Missachtung- und Gewalterfahrungen im Elternhaus (09.10.2020)
- Häusliche Gewalt gegen Frauen - Ein Blick auf die Zahlen und die Details (04.12.2018)
- Medusas Söhne. Oder: Wie Mann zum Maskulisten wird (24.06.2010)
- Extremsport und Kindheit (26.10.2016)
- Wie prägt Kindheit den Polizeiberuf? (06.07.2020)
- Pink-Panther, Terror und Gewalt: das ängstliche Kind im Täter (09.02.2022)
- "Ganz viele geprügelte Kinder sind nicht Nazis geworden, sondern Helfer" - Kriminologe Dirk Baier über mein Buch und meine Anmerkungen dazu (05.01.2024)
Ausmaß der Gewalt gegen Kinder / Länderreports
- Das weltweite Ausmaß der Gewalt gegen Kinder. Ein Kommentar und eine Übersicht (22.10.2022)
- Weltweit größte Studie zum Ausmaß der Gewalt gegen Kinder: Vor aller Augen erleidet die Mehrheit aller Kinder Gewalt. (10.11.2014)
- Studie: Zahlen über Kindesmisshandlung in 28 Ländern (09.07.2015)
- Kindheit in Afghanistan und der nie enden wollende Krieg und Terror (20.08.2021)
- Ägypten. Die Ursachen der gescheiterten Revolution liegen im Verborgenen (31.01.2013)
- Das Fundament des Bürgerkrieges in Syrien (24.07.2012)
- Gewalt gegen Kinder in Guatemala und El Salvador (14.04.2012)
- Gewalt gegen Kinder und bewaffneter Konflikt in Kolumbien (01.07.2019)
- Kindheit in Russland (03.04.2014)
- Kindheit in Russland - Teil 2 (26.11.2022)
- Kindheit in den USA (06.11.2010)
- Kindererziehung und Politik in Frankreich (26.06.2013)
- Kindheit und Gewalt in Liberia (29.06.2013)
- Studie: Gewalt gegen Kinder in Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Kongo und Senegal (15.03.2012)
- Gewalt gegen Kinder in Kenia, Uganda und Äthiopien (05.11.2011)
- Gewalt gegen Kinder in Tansania (02.11.2011)
- Kindheit und Terror in Ruanda (10.11.2014)
- Kindererziehung in Namibia - Ein Erfahrungsbericht (21.02.2012)
- Gewalt gegen Kinder in Afrika (eine Übersicht) (01.11.2011)
- Gewalt gegen Kinder in Israel und Palästina. Ein Zusammenhang zur irrationalen politischen Gewalt? (18.07.2014)
- Kindheit in Gaza und der nie enden wollende Krieg und Terror (05.11.2023)
- Gewalt gegen Kinder in Indien (17.03.2012)
- Kambodscha: Massenmord, Kindheit und Mütter aus einem anderen Leben (18.11.2011)
- Ursachen der Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik und wie man daran vorbeisehen kann (10.04.2014)
- Belarus. Was sagen uns Daten zum Ausmaß der Gewalt gegen Kinder über die aktuelle politische Situation und zukünftige Entwicklungen? (18.08.2020)
- "Babydiktator" Kim Jong-un, Kindheit in Korea und Kriegsrhetorik (12.04.2013)
- China und die Ein-Kind-Politik. Eine traumatisierte Gesellschaft? (16.04.2020)
- Gewalt gegen Kinder in Kanada (und Unterschiede im Vergleich zu den USA) (05.11.2020)
- Gewalt gegen Kinder in Deutschland in Zahlen. 1910 bis heute (aktualisiert am 18.09.2015)
- KFN Studie über Gewalt gegen Kinder in Deutschland: Auf dem Weg zur gewaltfreien Gesellschaft (14.04.2015)
- Wie häufig und in welchen Schweregraden erleben Kinder in Deutschland körperliche Elterngewalt? (28.05.2015)
- Deutschland: Kurzfristige Zunahme von Gewalt gegen Kinder und deren Ursachen (25.05.2019)
Destruktive Kindheit von...
Politische Führer:
- Kindheit von Adolf Hitler + Hitlers Kindheit im Schatten des Todes und Gedanken zum "Traumagesamtpaket" + Wurde die Mutter von Adolf Hitler von ihrem Mann misshandelt?
- Kindheit von Mao Zedong
- Kindheit von Pol Pot (24.01.2024)
- Kindheit von Xi Jinping (04.11.2022)
- Kindheit von Kim Il-sung (24.06.2022)
- Kindheit von Iwan III. Wassiljewitsch, "der Große" (Russland; 1440-1505) (16.06.2022)
- Kindheit von Iwan IV., genannt "der Schreckliche"
- Kindheit von Peter I., der Große (Russland, 1672 - 1725) (28.04.2022)
- Kindheit von Elisabeth I. (Russland, 1709-1761) (03.05.2022)
- Kindheit von Zar Peter III. (Russland, 1728-1762) (17.04.2022)
- Kindheit von Katharina II., die Große (Russland, 1729-1796) (29.04.2022)
- Kindheit von Zar Paul I. (Russland) (08.04.2022)
- Kindheit von Zar Nikolaus I. (1796-1855; Russland) (11.04.2022)
- Kindheit von Alexander II. (Russland, 1818 - 1881) (06.07.2022)
- Kindheit von Zar Nikolaus II. (Russland, 1868 - 1918) (20.05.2022)
- Kindheit von Leo Trotzki (14.10.2022)
- Kindheit von Lenin
- Kindheit von Stalin
- Die Kindheit von Wladimir Putin (12.05.2022)
- The Childhood of Vladimir Putin (19.05.2022)
- Kindheit von Kaiser Wilhelm II.
- Kindheit von Wilhelm II, Ludwig XIII., Friedrich II., Napoleon Bonaparte, Benito Mussolini, Francisco Franco, Nicolae Ceauşescu, Mao Zedong, Nero, Slobodan Milosevic, Saddam Hussein, Ronald Reagan, George H. W. Bush und George W. Bush (Im "Grundlagentext")
- Kindheiten von Tito, Augusto Pinochet, Jean-Bédel Bokassa und Hassan II. (extern im Buch)
- Kindheit von Recep Tayyip Erdoğan
- Kindheit von Mustafa Kemal Atatürk (30.09.2020)
- Das Buch "Tyrannen" und die Kindheit des Sultans Ibrahim (1615-1648) (31.12.2022)
- Kindheit von John F. Kennedy
- Kindheit von Ronald Reagan
- Kindheit von Richard Nixon (27.05.2020)
- Kindheit von Jimmy Carter (07.06.2022)
- Kindheit von Bill Clinton und Bill Clinton: Kindheit und Kriegsführungspersönlichkeit
- Kindheit von Donald Trump + "Too Much and Never Enough": Die Kindheit von Donald Trump
- Kindheit von Tony Blair
- Kindheit von Boris Johnson und die Irrationalitäten des Brexit-Lagers
- Kindheit von Viktor Orbán (26.07.2021)
- Kindheit von Javier Milei (15.01.2024)
- Kindheit von Jassir Arafat
- Kindheit von Ruhollah Khomeini (23.09.2022)
- Kindheit von Fidel Castro
- Kindheit von Manuel Noriega
- Kindheit von Francisco Franco
- Kindheit von Robert Mugabe (04.12.2020)
- Kindheit von dem Diktator Suharto (Indonesien) (06.01.2021)
- Kindheit von Alexander Lukaschenko (06.01.2021)
- Kindheit des japanischen Kaisers Hirohito (05.08.2021)
- Kindheit von Maximilien de Robespierre (02.05.2022)
- Kindheit von Richard III. (England, 1452-1485) (21.11.2023)
NS-Täter/Akteure:
- Kindheit von Adolf Hitler + Hitlers Kindheit im Schatten des Todes und Gedanken zum "Traumagesamtpaket" + Wurde die Mutter von Adolf Hitler von ihrem Mann misshandelt?
- Die Kindheit von Eva Braun (23.08.2022)
- Kindheit von Rudolf Heß
- Kindheit von Hermann Göring
- Adolf Eichmann - Eine ganz "normale" deutsche Kindheit
- Die Kindheit des NS-Generaloberst Alfred Jodl
- Die Kindheit von Ernst Kaltenbrunner
- Die Kindheit von Wilhelm Keitel
- Die Kindheit von Werner Best
- Die Kindheit von Odilo Globocnik
- Kindheit von Robert Ley (u.a. Reichsorganisationsleiter der NSDAP)
- Kindheit von Hitlers Chefideologen Alfred Rosenberg
- Kindheit von Heinrich Müller (Chef der Gestapo in der NS-Zeit)
- Kinheiten von Rudolf Heß, Joseph Goebbels, Heinrich Himmler, Hermann Göring, Martin Bormann, Albert Speer, Julius Streicher, Karl Dönitz, Joachim von Ribbentrop, Hans Frank, Rudolf Höß, Josef Mengele, Adolf Eichmann, Alfred Filbert, Amon Göth und Reinhard Heydrich (extern im Buch)
- Kindheit von Friedrich Paulus (18.11.2021)
- Kindheit des NS-Täters Franz Murer (12.03.2023)
- "Hitlers Mann im Vatikan": Kindheit von Bischof Alois Hudal (12.03.2023)
- "Die SS: Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe" / Anmerkungen über Kindheitshintergründe
- Hitlers Heerführer - Lebenswege von 25 NS-Akteuren und Details über Kindheit und mögliche Traumaerfahrungen (17.12.2021)
- Kindheiten von KZ-Kommandanten (11.07.2022)
- "Warum ich Nazi wurde“: Biogramme früher Nationalsozialisten (26.02.2023)
Terroristen und Extremisten:
- Kindheiten von RAF-Terroristen
- Kindheiten von Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Inge Viett, Horst Mahler, Peter-Jürgen Boock, Lutz Taufer und Astrid Proll (extern im Buch)
- RAF-Terror und Kindheit am Beispiel von Inge Viett
- Terror von Links - Kindheit von Peter-Jürgen Boock
- Terror von Links - Kindheit von Stefan Wisniewski
- Terror von Links- Kindheit von Susanne Albrecht
- Terror von Links - Kindheit von Silke Maier-Witt
- Terror von Links - Kindheit von Holger Meins
- Terror von Links - Kindheit von Henning und Wolfgang Beer
- Terror von Links - Kindheit von Till Meyer
- Terror von Links - Kindheit von Wolfgang Grams
- Terror von Links - Kindheit von Hans-Joachim Klein
- Terror von Links - Kindheit von Margrit Schiller
- Terror von Link - Die Kindheit von Birgit Hogefeld (27.08.2021)
- Terror von Links - Kindheit und Jugend von Michael "Bommi" Baumann
- Terror von Links - "Case history of a German terrorist" (wahrscheinlich Christof Wackernagel)
- Linksextremismus: Die Kindheit von Katharina de Fries
- Anschlag auf Charlie Hebdo. Die Kindheit der Täter + Ein reiner Albtraum: Die Kindheiten der Brüder Chérif und Saïd Kouachi. Neue Infos
- Islamistischer Terror: Die Kindheit der Brüder Merah (12.02.2023)
- Kindheit des Top-Terroristen Khalid Scheich Mohammed (18.01.2021)
- Omar Mateen - Erste Spuren zu einer destruktiven Kindheit
- Kindheit von Kerim Marc B. Nur ein Einzelfall?
- Islamistische Radikalisierung: Kindheit von Oliver N.
- Kindheiten und Lebenswege von zwei Dschihadisten
- Islamistischer Terror - Die Kindheit von Arid Uka (03.12.2020)
- Kindheit von Omar Bin Laden (als Indiz für die Kindheit von Osama Bin Laden; über die Kindheit von Osama siehe ergänzend und ausführlicher auch mein Buch)
- Islamistischer Terrorismus: Kindheit von Denis Cuspert (02.08.2021)
- Islamismus: Kindheit von Sven Lau (02.08.2021)
- Kindheit von Zacarias Moussaoui (21.04.2022)
- Linksextremist, Rechtsextremist, Söldner und Mörder. Die Kindheit von Thomas Adolf (01.12.2021)
- Kindheit von Anders Breivik und Attentäter Breivik: Natural born Killer?
- Kindheit des Rechtsterroristen und Massenmörders Brenton Tarrant (11.12.2020)
- Kindheit von Eric Rudolph (Bombenanschlag bei den Olympischen Spielen 1996) (19.03.2021)
- Beate Zschäpe. "Wenn sie ein Mensch ist, wird sie das nicht ertragen."
- Kindheit von Uwe Böhnhardt (25.05.2020)
- Attentat auf Henriette Reker. Die Kindheit des Täters.
- Brandanschlag von Solingen. Die Kindheit von Christian R.
- Mord an Walter Lübcke. Kindheit und Lebensweg von Stephan Ernst
- Anschlag in Hanau: Der Fall Tobias Rathjen
- Ein Neonazi steigt aus: Kindheit und Lebensweg von Kent Lindahl (22.06.2020)
- Kindheit des ehemaligen Neonazis Christian E. Weißgerber (25.01.2021)
- Kindheit des Ex-Nazis Achim Schmid (08.02.2021)
- Rechtsextremismus. Kindheit von Ingo Hasselbach (29.03.2021)
- Nazi-Familien: "Wir waren keine glückliche Familie" - Kindheit von Heidi Benneckenstein (09.09.2019)
- Kindheit des ehemaligen Neonazis Timo F. (Misshandlungsfamilien erinnern stark im Kleinen an das NS-Regime im Großen) (20.09.2021)
- Kindheit und Jugend des Nazi-Anführers Michael Kühnen (24.09.2020)
- "Familienkrieg" - Kindheit und Familie des Neonazis Simon (29.10.2020)
- Kindheit und Jugend des Neonazis und Söldners Wolfgang Niederreiter (19.11.2021)
- Kindheit des Ex-Nazis Stefan Jahnel (22.11.2021)
- "Vom Saulus zum Paulus": Kindheit des Ex-Skinheads Johannes Kneifel (23.11.2021)
- Kindheit von Timothy McVeigh (03.06.2020)
- Die Kindheit des Massenmörders und Rechtsextremisten Dylan Roof (23.07.2021)
- Kindheit des Ex-Nazis Matthew Collins (11.01.2022)
- Die angeblich harmonische Kindheit des Ex-Neonazis Nick W. Greger und meine Anmerkungen dazu (09.12.2021) + Mein Interview mit Nick Greger (16.12.2021)
- Kindheit des ehemaligen Skinheads und Rassisten Arno Michaelis (14.12.2021)
- Kindheit des ehemaligen Neonazis und Terroristen Odfried Hepp (10.11.2021)
- Kindheit des ehemaligen Nazis und Rechtsterroristen Stefan Michael Bar (29.11.2021)
Gewalttäter & Diverse:
- Die grausame Kindheit von grausamen Mördern
- Das Schwarze da unten (von Jens Söring)
- Kindheit von Gewalt- und Straftätern (diverse Studien)
- Gewalt und (Kindheits-)Biografie. Eine Studie mit 100 Befragten (10.07.2020)
- Kindheit von Soldaten und Soldatinnen (diverse Studien, extern im Buch)
- Belastende Kindheitserfahrungen von Soldaten und Soldatinnen
- Kindheit von SoldatInnen (auch mit Blick auf den aktuellen Krieg in der Ukraine) (03.03.2022)
- Kindheit von Charles Manson
- Serienmörder Frank Gust und wie Fachmensch an dessen Kindheitsalptraum vorbeisehen kann
- Serienmörder Carl Panzram: „Ich hasse die gesamte verdammte Menschheit, mich eingeschlossen.“
- Der Fall Josef Fritzl und die psychiatrische Gutachterin
- Kindheit von Stephen Paddock
- Massenmord in El Paso und Dayton. Die Kindheit der Täter und Kindheitshintergründe in über 150 weiteren Fällen
- Amokläufer Tim K.
- Kindliche Gewalterfahrungen von Sexualstraftätern
Positivbeispiele. Kindheit von...
- Die Kindheit von JudenretterInnen (Studie von Eva Fogelman)
- Oliner & Oliner: Die Kindheit von JudenretterInnen
- Kindheit von Oskar und Emilie Schindler
- Kindheit von Sophie Scholl
- Kindheit von Michail Gorbatschow (03.02.2023)
- Kindheit von Reinhard Mey
- Kindheit von Rosa Luxemburg
- Kindheit von Astrid Lindgren
- Kindheit von Alice Schwarzer
- Kindheit von André Stern. Oder: Der fehlende Schulbesuch war nicht der bedeutendste Faktor
- Kindheit von Siri Hustvedt
- Kindheit von Malala Yousafzai
- Kindheit von Albert Einstein
- Kindheit von Eglantyne Jebb, Ellen Key und Henry Bergh
Sonstige. Kindheit von...
- Kindheit von Hillary Clinton (oder Kindheit der Clintons)
- Kindheit von Kurt Cobain - Sein Leben als eine mögliche Ausdrucksform von Selbsthass
- Kindheit des Metallica-Sängers James Hetfield und das Selbstbild "Stück-Scheiße" (19.01.2021)
- Kindheit von Till Lindemann (Rammstein) (07.08.2023)
- Die Farben der Gewaltfolgen: Kinderbuchautor Janosch.
- Destruktive mögliche Lebenswege: Tomi Ungerer
- Kindheit und mögliche Lebenswege: Willi Voss
- Martin Luther. Eine Kindheit voller Gewalt
- Gewaltvolle Kindheiten von Helmut Schmidt, Sigmar Gabriel, den Klitschkos und Arnold Schwarzenegger.
- Kindheit von Horst Seehofer
- Kindheit von Joe Biden
- Nelson Mandela. Seine helle und seine dunkle Seite
- (Elite-)Soldaten - Die geschlagenen Kinder von gestern. Ein Fallbeispiel
- Interview mit "Beinahe-Amokläufer"
- Tochter eines Ku-Klux-Klan Mitglieds und Leben in der Hölle: Kindheit von Jvonne Hubbard (06.12.2021)
Extremismus & Ideologie
- Kindheitsursprünge von Rechtsextremismus: DIE gesammelten Studien.
- Kindheit und islamistischer Extremismus/Terrorismus - eine Übersicht
- Verklärt, beschönigt, verdrängt: Kindheiten von Gewalttätern und Extremisten. Eine Mahnung an die Forschung
- Trotz viel Empirie: Kindheiten von Extremisten sind oft kein Thema in der Extremismusforschungn (13.12.2022)
- Studienergebnis: Vergleichsweise unbelastete Kindheit von Terroristen? VORSICHT! (02.03.2022)
- Kindheit und Extremismus (mit Blick auch auf den NSU). Erneute Anregung für die Forschung (04.09.2020)
- Studie. Kindheiten von fremdenfeindlichen, teils rechtsextremen Gewalttätern.
- Studie "Die Sicht der Anderen". Wie Extremismus entsteht
- Studie: Familie und Rechtsextremismus
- Extremismus-Studie. Belastende Kindheitserfahrungen bedeutsamer als Ideologie (USA)
- Schweizer Studie über biografische Hintergründe von Rechtsextremisten
- Studie: Der soziobiographische Hintergrund rechtsextremistischer Gewalttäter
- Hallenser Gewaltstudie: Die Kindheitsgeschichte ostdeutscher, rechter Gewalttäter
- Studie: Kindheiten von rechten Gewalttätern
- Zwei kleine Studien über die Kindheitserfahrungen von Rechtsextremisten
- 3 Kindheitsbiografien von Rechtsextremisten und die Frage, warum psychoanalytische Arbeiten so selten in der Extremismusforschung besprochen werden
- Studie Nr. 30! Kindheiten von Rechtsextremistinnen (27.08.2021)
- Studie: Erziehungsnormen/Kindheit und rechtsextreme Einstellungen (22.04.2022)
- 4 Rechtsextremisten und ein 1 Islamist = 5 "Einzelfälle", die bzgl. Kindheitshintergründen typisch sind (13.08.2020)
- Einzelfall einer rechten Radikalisierung, der psychoanalytisch besprochen wurde (15.09.2020)
- Gewaltkarrieren: Jugendliche im Kreislauf von Gewalt und Missachtung + 3 Fallbeispiele aus der rechtsextremen Szene (25.09.2020)
- 3 Fallstudien über rechtsextreme Jugendliche (19.02.2021)
- Studie "The Racist Mind: Portraits of American Neo-Nazis and Klansmen"
- Studie: 10 ehemalige Rechtsextremisten aus Kanada (25.01.2021)
- Studie "Canadian Male Street Skinheads" und entsprechende Kindheitshintergründe (14.02.2022)
- Studie: Kindheit und Sozialisation von 20 Nazis in Norwegen (06.05.2021)
- Kindheit des schwedischen Neo-Nazis, Söldners und Mörders X. Eine Fallstudie. (10.02.2022)
- Kindheiten von rechten Jugendlichen und Hooligans (18.10.2021)
- Neue Studie: Kindheiten von rechten Jugendlichen (05.05.2022)
- Neue Studie: Adverse Childhood Experiences von Linksextremisten und Rechtsextremisten (17.08.2022)
- Kindheit von fünf jugendlichen Rechtsextremisten (07.09.2022)
- Fallstudie über den Nazi "Tom" (11.12.2022)
- Kindheiten von 27 Neo-Nazis/Skinheads aus Schweden und den USA (19.06.2023)
- Die Farben der Gewalt: Ideologie ist niemals selbst Motivation für das Morden.
- Kindheit von Extremisten vor einem Millionenpublikum diskutiert, aber nicht genug
- Islamistischer Terror und Gewalt. Die notwendige Modernisierung der muslimischen Familie
- Europäische Dschihadisten. Extremismus als eine von vielen destruktiven "Farbauswahlen"
- Islamistischer Terror. Weitere "Einzelfallbiografien" und der gesellschaftliche Unwille, die Ursachen klar zu benennen
- Studie: Traumatische Erfahrungen von französischen Islamisten (30.01.2022)
- Studie: Kindheiten von 50 weiblichen Dschihadisten aus Europa (07.04.2022)
- Traumahintergründe und Kindheit von ehemaligen IS-Terroristen (30.04.2023)
- IS-Terroristen: "Biografien der Vorhölle"
- Terror, Aufstand der Gedemütigten und die Sehnsucht nach dem eigenen Tod
- Forschungsprojekt im Libanon: Islamistische Terroristen hatten furchtbare Kindheiten
- Wie Extremismus entsteht - "Ich fühle mich wie ein Stück Dreck" versus "diese dreckigen Ungläubigen"
- Islamistischer Terror: Nur Untote sprengen sich in die Luft!
- Islamistische Radikalisierung: Religion, Milieu oder doch viel mehr die Kindheit?
- Studie über Einflussfaktoren für islamistische Radikalisierung (10.04.2021)
- Ursachen von Rechtsextremismus nach Hajo Funke
- Studie: Die Psychologie des Nationalsozialismus
- Erstaunliche Veröffentlichungen über die Ursachen von Rechtsextremismus und Delinquenz
- Psychogramm eines Nazitäters und die Probleme von Historikern
- Rechte Politiker, rechte Wähler und Kindheit
- Psychotraumatologie: Widerstandsinszenierungen, Rückschrittsfantasien und Opfer-Wahrnehmungen von rechten, politischen Bewegungen
- Züchtigungsverbot in Frankreich: Rechte Politiker sind für Körperstrafen gegen Kinder
- Studienergebnis: Vergleichsweise unbelastete Kindheit von Terroristen? VORSICHT!
- Neue Studie zeigt: IS-Terroristen sind extrem selten als Kind belastet. Warum dies nicht stimmen kann!
Geschichte der Kindheit
- Geschichte der Kindheit - Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Philippe Aries und Lloyd deMause
- Historische Kindererziehungspraktiken und Persönlichkeiten
- Bewusstsein für die Geschichte der Kindheit: Beispiel "straffes Wickeln"
- Gewalt gegen Kinder und Aufforderung zu kindlichem Gehorsam in der Bibel
- Der Beginn der Kinderschutzbewegung um 1900 als Folge der Evolution von Kindheit?
- Die grausame und rohe russische Familie des 17. Jahrhunderts und der Bezug zur heutigen Zeit (28.04.2022)
Psychohistorie, Fantasieanalyse & Co.
- Historische Kindererziehungspraktiken und Persönlichkeiten
- Weiterentwicklung der (deutschsprachigen) Psychohistorie
- Emotionale Gruppenprozesse: Feinde und Bedrohungen in Gestalt von Kraken und Meeresbestien
- Opferrituale. Ereignisse in der Türkei bestätigen psychohistorische Annahmen
- Politische Wahlen und die Identifikation mit dem Aggressor: Beispiel Brasilien.
- Brexit - "Warum nicht auch mal im Kollektiv Amok laufen?" Oder: Die Identitätskrisen von Nationen
- Vergiftete Staaten von Europa? Der mögliche Sinn hinter dem "letzten Gefecht"
- Psychohistorische Einordnung weltweiter Ängste und destruktiver Prozesse
- Krieg als ein selbstmörderischer Akt
- Politisches Framing. Die Macht des Wortes oder die Macht der Familiensysteme?
- Schweizer Kampagne gegen Ausländer als destruktive Gruppenfantasie
- Wortgewalt in den deutschen Medien
- SPD Parteitag und die "schallenden Ohrfeigen"
- Analyse der Regierungserklärung von Angela Merkel zum Afghanistan Krieg
- Der große SPIEGEL Krisenrückblick
- Aha-Erlebnis: EHEC und „Der Feind im Essen“ die Zweite und Der aktuelle Feind ist ein Keim namens EHEC
- Corona-Virus: Als wäre ein Krieg ausgebrochen…
USA Sonderteil
- Kindheit in den USA (04.11.2010)
- Belastende Kindheitserfahrungen in den USA: Neue Daten (05.06.2020)
- Alarming study: Adverse Childhood Experiences are increasing in the US! (08.04.2022)
- Politische Spaltung in den USA als Ausdruck von einer gespaltenen Kinderfürsorge? (16.06.2017)
- KFN-Studie. Ein Plädoyer für gewaltfreie Erziehung, um Gesellschaften voranzubringen (06.11.2015)
- 12.960 Terroropfer innerhalb der USA seit dem 11. September (09.11.2011)
- Jungenbeschneidung in den USA und das "Traumagesamtpaket" (14.01.2020)
- Irakkrieg: Das Märchen vom Krieg ums Öl -Teil1 (21.04.2010)
- Irakkrieg:Das Märchen vom Krieg ums Öl - Teil 2 (27.08.2010)
- Der Golfkrieg als emotionale Störung (24.04.2010)
- ACE-Studien in den USA / DIE Grafik (23.07.2019)
Stammesgesellschaften
- Das Märchen von den friedlichen Stammesgesellschaften
- Aborigines. Gewalt und Missbrauch. Entzauberung eines Urvolkes?
- Die Geisterwelt der Simatalu als Folge von Kindesmisshandlung?
- Stammesgesellschaften: Die Hälfte aller Männer erschlagen
- Hexenjagd in Papua-Neuguinea und Kritik an Arno Gruens Kulturkritik
- Das Leben in traditionellen Gesellschaften nach Jared Diamond (15.06.2020)
- Sind naturnahe Völker "im Grunde gut"? (17.05.2022)
Buchbesprechungen und Studien
- James Gilligan: Gewalt. (und die tieferen Ursachen)
- Jonathan H. Pincus: Was Menschen zu Mördern macht
- "Listening to Killers" von James Garbarino
- Stephan Harbort: Das Serien-Mörder-Prinzip.
- Eine Kritik an Volker Ullrichs Biografie über Adolf Hitler
- Erich Fromms: Anatomie der menschlichen Destruktivität
- Aage Borchgrevink: "A Norwegian Tragedy". Ein Lehrstück über die tieferen Ursachen von Terror. (Fall: Anders Breivik)
- Studie aus der Kriminalpsychologie: Vom Opfer zum Täter.
- Rezension. Joachim Bauer: Schmerzgrenze. Vom Urspung alltäglicher und globaler Gewalt
- Erziehung und Autoritäre Persönlichkeit. Gespräche mit der Deutschen Jugend Anfang der 50er Jahre
- Walter Hävenick: "Schläge" als Strafe. (Ein Stück deutsche Kindheitsgeschichte)
- Johann Benos: 20 europäische Diktatoren im Vergleich
- Steven Pinker: "Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit" und die alte Blindheit
- "Handbuch Kriegstheorien". Ein Kommentar
- Kindheit, Trauma und die Stasi
- Wandel der Kindererziehung: Das selbstständige Kind
- Necla Kelek:"Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes."
- Martin Miller: Das wahre "Drama des begabten Kindes". Eine kritische Besprechung
- Berühmte Leute und ihre schrecklichen Eltern
- Herbert Renz-Polster: "Erziehung prägt Gesinnung"
- Kritische Rezension des Buches "Kindheit 6.7" von Michael Hüter (13.05.2020)
- Doku "Das radikal Böse"
- Traumafolgekostenstudie: Was kostet (schwere) Kindesmisshandlung im Jahr? Antwort: 11 Milliarden Euro, mindestens!
Sonstiges
- Die emotionale Beschneidung der britischen Eliten in Internaten
- DER SPIEGEL über die Kindheit von Friedrich II. und wiederum auch nicht....
- Parallelen zwischen Folter und Kindesmisshandlung
- Ursachen des Zorns junger Männer
- Internationale Statistiken des Gewaltrückgangs
- Die Menschheit wird immer friedlicher!
- Gewalt gegen Kinder nimmt zu - zumindest laut den Medien
- Studie: Den meisten Kindern in Deutschland geht es wirklich gut
- Kindergesundheitsstudie: Die meisten Kinder fühlen sich glücklich
- Wie schneiden Deutschland und die USA in internationalen Rankings ab, wenn es um Kinder geht? (23.07.2021)
- Tabubruch: Kritik an muslimischen Frauen/Müttern
- Fall Tugce. Die Mutter von Sanel M.
- Terror, Aufstand der Gedemütigten und die Sehnsucht nach dem eigenen Tod
- Dany Levys: "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler
- Zwei alte Männer und die Revolution
- Neue Öffentlichkeit für das Thema Sexismus und Gewalt gegen Frauen als Zeichen für Fortschritt
- „Arabien ist die traurigste Region der Welt“ und die tieferen Ursachen dafür
- Holocaust. "Wann sprechen wir endlich über die Täter?": Offener Brief an Filipp Piatov
- Steht der Glaube an Verschwörungstheorien in einem Zusammenhang zu (destruktiven) Kindheitserfahrungen? (20.05.2020)
- Wie Peter Lustig mit "Löwenzahn" Kinder und vor allem Jungs geprägt hat (25.08.2020)
- Fehlende Öffentlichkeit: "Kindesmisshandlung betrifft uns alle" versus "all das hat doch keine Folgen" (21.10.2021)
- Trauma-Täter und der Gehirntumor meines Nazi-Großvaters (14.01.2022)
- Historiker Simon Sebag Montefiore über die Mütter von Hitler, Stalin und Trump. Eine kritische Anmerkung. (31.12.2023)
Montag, 27. Oktober 2008
2. Historische und aktuelle Dimensionen der Gewalt gegen Kinder
Hinweis: Mein gesamter "Grundlagentext" ist mittlerweile veraltet, insofern würde ich heute den Zahlenteil auch etwas anders darstellen. Bitte sonstige Blogbeiträge verfolgen, da ich mich immer wieder mit Zahlen und Studien befasse, alte Texte aber nicht ständig aktualisieren kann!
Die Lebendigkeit und der Eigenwille des Kindes, die Quelle von Aufmüpfigkeit und Autonomie, muss eingedämmt werden, so dachte man großteils im geschichtlichen Verlauf. Es galt die Maxime, die von Schmidt 1887 in der "Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens" exemplarisch formuliert wurde: "Der Wille des Kindes muss gebrochen werden, d.h. es muss lernen, nicht sich selbst, sondern einem anderen zu folgen" (zit. n. Keupp, 1999, S. 6). Diese Maxime durchzieht die Geschichte fast aller menschlicher Gesellschaften. Die Bibel ist ein weiterer exemplarischer Beleg dafür: Wer seine Kinder liebt und vor Torheiten bewahren will, der schlägt und züchtigt sie, ist der „erzieherische“ Leitgedanke vor allem im Alten Testament. (vgl. z.B. Dtn 21,18-21; Spr 3,11; Spr 3,12; Spr 13,24; Spr 29,17; Sir 22,6; Sir 30,12) Zudem galten Kinder lange Zeit als Besitz ihrer Eltern bzw. des Vaters, mit denen nach Belieben umgegangen werden konnte; Kinder waren recht- und schutzlos. "Die Geschichte der Kindheit ist ein Alptraum, aus dem wir gerade erst erwachen.", schrieb der Psychohistoriker Lloyd deMause (1992) zur Evolution der Kindheit. (deMause, 1992, S. 12) Und: „Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto mehr sinkt das Niveau der Kindererziehung.“ (ebd., 2005, S. 269)
Nachfolgende Zahlen aus der Gegenwart zeigen, wie nachhaltig die „Geschichte der Kindheit“ weiterhin wirkt: In sozialwissenschaftlichen Studien ist belegt, dass die Hälfte bis zwei Drittel aller Eltern ihre Kinder körperlich bestrafen, wobei man davon ausgeht, dass 10 bis 15 % dies häufig und schwerwiegend tun.[1] (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2002, S. 220)
Eine bundesdeutsche Repräsentativstudie kommt auf der Opferseite zu ähnlichen Ergebnissen. 74,9 % der Befragten gaben an, in ihrer Kindheit körperliche Gewalterfahrungen seitens ihrer Eltern erlebt zu haben. 38,4 % wurden häufiger als selten körperlich gezüchtigt. Elterliche Misshandlungen erlebten 10,6 %, 4,7 % häufiger als selten. (vgl. Wetzels, 1997. S. 146)
Ein Vergleich zwischen drei repräsentativen Jugendstudien (jeweils 1992, 2002 und 2005) zeigt, dass ca. 30 % (jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 29,6 % und 32 %) der Jugendlichen gewaltfrei erzogen wurden. Die große Mitte sind die „konventionell“ erzogenen, die häufig leichte körperliche Bestrafungen und andere Sanktionen erfahren haben und in deren Erziehung „weitgehend“ auf schwere körperliche Gewalt verzichtet wurde. (Zahlen jeweils in der Reihenfolge der Jahreszahlen: 36,4 %, 51,2 % und 46, 7 %). Eine gewaltbelastete Erziehung (Diese Gruppe weist bei allen Sanktionsarten – inkl. psychischer Gewalt - eine überdurchschnittlich hohe Häufigkeit auf, insbesondere auch schwere Körperstrafen.) erlebten jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 19,3 % und 21,3 %. (vgl. Bundesministerium der Justiz, 2007, S. 18)
(Hinweis: Es gibt neuere rep. Studien zum Sexuellen Missbrauch, die andere Zahlen nahelegen!)
Bei einer weit gefassten Definition kann außerdem auf Grundlage von vor allem europäischen und nordamerikanischen Studien davon ausgegangen werden, dass jedes 3./4. Mädchen und jeder 7./8. Junge mindestens einmal sexuell missbraucht wird (ca. 25% der Übergriffe erfolgen durch Familienangehörige, weitere 50-60% durch Menschen aus dem sozialen Nahbereich). (vgl. Bange, 2002; Gloor / Pfister, 1995; Finkelhor, 1997; Bundesarbeitsgemeinschaft Prävention & Prophylaxe e.V.) DeMause (2005) hat darauf hingewiesen, dass höhere Raten nachgewiesen werden, wenn mit den Befragten ein Vertrauensverhältnis im Rahmen von Interviews, die zwischen einer und acht Stunden gehen, aufgebaut werden kann. Demnach gaben bei entsprechenden amerikanischen Studien zwischen 38% (Studie von Russel) und 45 % (Studie von Wyatt) der befragten Frauen an, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden zu sein. (vgl. deMause, 2005, S. 256)
Auch die Kindesvernachlässigung ist laut Einschätzungen von Experten eine weit verbreitete Form von Kindesmisshandlung. Esser (2002) geht davon aus, dass in Deutschland 5 bis 10 % aller Kinder mit klinisch relevanten Folgen durch ihre Eltern abgelehnt oder vernachlässigt werden. Esser beschreibt zudem eine deutsche Risikokinderstudie, in der 384 erstgeborene Kinder von der Geburt bis zum Alter von 11 Jahren begleitet wurden. Bei 15,4 % aller Kinder wurden Ablehnung und/oder Vernachlässigung festgestellt. (vgl. Esser, 2002, S, 103ff) Andere Quellen stellen das Ausmaß der Vernachlässigung wie folgt dar: Als Untergrenze wird geschätzt, das mindestens 50.000 Kinder in Deutschland unter erheblicher Vernachlässigung leiden, nach oben hin schwanken die Zahlen zwischen 250.000 und 500.000 Kindern. (vgl. Deutscher Kinderschutzbund / Institut für soziale Arbeit e.V., 2000)
Die Forschung bzgl. psychischer Misshandlung ist dagegen erst in den Anfängen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass die psychische Misshandlung die häufigste Form der Kindesmisshandlung ist und zudem oftmals mit anderen Misshandlungsformen einhergeht. (vgl. Brassard / Hardy, 2002, S. 589ff) Auch diese Misshandlungsform hat erhebliche Folgen für die Kinder.
Ein weiteres relativ unbeleuchtetes Feld ist das Miterleben von Gewalt und die möglichen Folgen für die Kinder. Strasser (2001) vermittelt eindrücklich, wie Gewalt gegen Frauen auch als Trauma für die mit den Erwachsenen zusammenlebenden Kinder wirken kann bzw. wie häusliche Gewalt gegen Frauen eine Form von psychischer Gewalt gegen Kinder darstellt.
Eine erste deutsche repräsentative Studie zeigt, dass von 10.000 befragten Frauen jede Vierte im Alter von 16 bis 85 Jahren bereits ein- oder mehrmals körperliche oder zusätzlich sexuelle Übergriffe eines Beziehungspartners erlitten hat. (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004a)
Sofern Kinder in den betreffenden Familien leben, werden hier die möglichen Dimensionen der von Kindern miterlebten Gewalt deutlich. Die Arbeit am zusätzlichen Tabuthema „Frauengewalt gegen Männer“ zeigt darüber hinaus, dass auch Frauen an häuslicher Gewalt beteiligt sein können und dies ebenfalls Folgen für die Kinder haben wird. (vgl. ausführlich Kantonale Fachkommission für Gleichstellungsfragen, 2006)
Auch Geschwister, die Gewalt miterleben, müssen in diesen Themenkomplex Beachtung finden. Elterliche Gewaltanwendung gegenüber Kindern ruft nicht nur Schäden bei dem unmittelbar angegriffenen Opfer hervor. Es wird angenommen, dass die nichtangegriffenen Geschwister psychisch in ebensolchem Maße geschädigt werden wie das eigentliche Opfer und so zu mittelbaren Opfern werden. Das Erlebnis von Tätlichkeiten der Eltern gegenüber dem Bruder oder der Schwester verursacht bei ihnen Furcht und vermittelt ein Gefühl der Verwundbarkeit und der mangelnden Geborgenheit. Zusätzlich werden Zusammenhänge zwischen eigenem späteren Gewaltverhalten und dem Miterleben von Gewalt angenommen. (vgl. Schneider, 1998, S. 337)
Ins Blickfeld der Wissenschaft gerät zunehmend auch der Fötus und dessen (psychische) Entwicklung im Mutterlaib. DeMause (2005) weist nach, dass bereits Föten Stress und Gewalt erleben und erinnern, was Auswirkungen auf das spätere Leben haben kann (Er nennt dies „Fötales Drama“). Föten erleben z.B. psychische oder körperliche Gewalt durch den Partner gegen die Mutter, direkte Ablehnung des Fötus, Belastungen durch Alkohol-, Drogen- oder Nikotinkonsum der Mutter, Belastungen durch Stress- und Angstzustände der Mutter usw. (vgl. deMause, 2005, S.56ff)
Ich habe lange nach einer passenden Formulierung für ein weiteres Themenfeld gesucht und diese schließlich (mehr zufällig) in einem Text gefunden, der sich mit den Auswirkungen der NS-Erziehungsideale beschäftigt: „Die Frage scheint mir berechtigt, ob die Enteignung des Kindes schon weit früher, vor der Geburt, sogar vor der Zeugung beginnt und ob dies für das Kind schon in frühem Stadium von Bedeutung sein könnte. Alle Eltern bilden ja aus Erwartungen, Hoffnungen, Fantasien erste Identitätsvorstellungen um das erwartete Kind herum. Sie weben damit gleichsam eine psychische Hülle, in die das Kind dann hineingeboren wird. Diese Hülle ist von der Einstellung der Eltern zum Kind stark geprägt. Bildlich gesprochen braucht das Neugeborene diese Hülle, um eine gesunde Haut bilden zu können.“ (Langendorf, 2006, S. 278ff) Die Erwartungen von Eltern innerhalb des NS-Systems wirkten sich schon früh negativ auf die Kinder aus, so der weitere Ansatz von Langendorf. Dies kann man sicherlich auch weiterstricken. Ich denke z.B. an Eltern, deren Grund fürs Kinderkriegen der ist, dass sie von „ihrem Unglücklichsein“ befreit werden wollen; ich denke an Frauen, die eine Trennung auf sich zukommen sehen und die „schnell noch mal“ ein Kind bekommen, um den Partner doch noch irgendwie zu binden; ich denke an Leihmütter, die das Kind für andere Eltern bekommen; ich denke an die Eltern, die ein zweites und drittes Kind bekommen, weil „es beim ersten irgendwie alles schief gelaufen ist“ usw. usf. Es geht also im Kern um den eigentlichen Grund fürs Kinder kriegen. In diesem Grund findet sich so manches mal schon die erste Demütigung, Missachtung und Funktionalisierung des Kindes.
Zu vermuten ist auch, dass Ausmaß und Härte der Kindesmisshandlung in noch weitgehend traditionelleren, patriarchalen Gesellschaften entsprechend höher und ausgeprägter sein könnte. Entsprechende Gesellschaftsstrukturen stellen laut Gelles (2002) einen Risikofaktor für Gewalt in der Familie dar. (vgl. Gelles, 2002, S. 1060)
In Ägypten sagten beispielsweise bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern geschlagen oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. Youssef, Attia & Kamel, 1998 zit. nach WHO, 2002, S. 62) In Äthiopien berichteten 21 % der befragten städtischen Schüler und 64 % der ländlichen Schüler von Blutergüsse oder Prellungen auf Grund körperlicher Bestrafungen durch ihre Eltern. (Ketsela & Kedebe, 1997 zit. nach WHO, 2002, S. 62) Im Iran wurden Schüler im Alter von 11 bis 18 Jahren befragt. 38,5 % berichteten über körperliche Gewalt in ihrer Familie, die leichte bis schwere Verletzungen zur Folge hatte. Im Yemen berichteten fast 90% der Kinder, dass körperliche Bestrafungen und Demütigungen die wesentliche Disziplinierungsform in ihren Familien darstellt. Das selbe Bild ergab eine Untersuchung in Südkorea, dort halten 90 % der Eltern körperliche Bestrafungen ihrer Kinder für notwendig. (vgl. UNICEF, 2006b, S. 52ff)
Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass 36,1 % aller kolumbianischen Kinder irgendwann Opfer von Misshandlungen werden. Jedes zehnte Kind, das in ein kolumbianisches Krankenhaus eingeliefert wird, muss wegen häuslicher Gewalt behandelt werden; die Dunkelziffer wird hier vermutlich viel höher liegen, da viele Ärzte sich nicht der Mühe unterziehen, Misshandlungen anzuzeigen. (vgl. BRENNPUNKT LATEINAMERIKA, 2005, S. 39)
Garbarino & Bradshaw (2002) berichten, dass in China Kinder als „Eigentum“ ihrer Eltern angesehen werden, wodurch auch die Wahrscheinlichkeit sinken würde, dass Nachbarn etc. bei einem Verdacht auf Misshandlungen z.B. in Form einer Anzeige eingreifen würden. (vgl. Garbarino & Bradshaw, 2002, S. 901) Bereits die Definition als "Eigentum" stellt meiner Ansicht nach eine erhebliche Demütigung und Missachtung des Kindes dar. Etwas mehr Licht ins chinesische Dunkelfeld bringen folgende Zahlen: 461 von 1000 (ca. 46 %) befragten chinesischen Eltern (in Hong Kong) berichteten, dass sie schwere körperliche Gewalt gegen ihre Kinder angewendet haben. (vgl. WHO, 2002, S. 63) Eine Studie, in der SchülerInnen direkt befragt wurden ergab, dass 22,6 % der chinesischen und 51,3 % der süd-koreanischen Kinder schwere körperliche Gewalt durch ihre Eltern erlebt haben. (ebd.)
DeMause zeichnet ein eindrückliches Bild von der elterlichen Gewalt gegen Kinder in islamisch, fundamentalistischen Familien und Gesellschaften (z.B. Palästina, Pakistan, Afghanistan oder auch Saudi-Arabien) und kommt zu dem Schluss, dass die dort existierenden „Erziehungspraktiken“ jenen sehr ähnlich sind, wie sie einst Kindern im mittelalterlichen Westen routinemäßig zugefügt worden sind. In Form von: Sexuellem Missbrauch, strikter Gehorsamseinforderung, Schlagen, Treten, Schütteln, Schneiden, Vergiften, Unter-Wasser-Halten, Würgen, Beschießen, Stechen, Beißen, Verbrennen, Ermorden usw. (vgl. deMause, 2005, S. 39ff)
Für eine Diplomarbeit – vgl. Bette (2006) - wurden 287 afghanische Schulkinder aus Kabul, Afghanistan befragt. 41,6% der Kinder berichteten, von ihrem Vater geschlagen zu werden und 59,9% berichteten, von ihrer Mutter geschlagen zu werden. Fast ein Drittel aller Kinder berichteten von mehr als fünf Typen häuslicher Gewalterfahrungen. Die Typen häuslicher Gewalterfahrung, die am häufigsten berichtet wurden waren Schläge auf den Körper, die Arme oder die Beine und angeschrien oder beleidigt zu werden.
Besonders Afrika ist leider immer noch weitgehend eine „blackbox“, was die Forschung über die Kindererziehungspraxis und Kindesmisshandlung angeht. Bzgl. Kenia habe ich eine interessante HRW-Studie gefunden, die über das hohe Ausmaß von Gewalt gegen Kinder in Schulen berichtet: „For most Kenyan children, violence is a regular part of the school experience. Teachers use caning, slapping, and whipping to maintain classroom discipline and to punish children for poor academic performance. The infliction of corporal punishment is routine, arbitrary, and often brutal. Bruises and cuts are regular by-products of school punishments, and more severe injuries (broken bones, knocked-out teeth, internal bleeding) are not infrequent. At times, beatings by teachers leave children permanently disfigured, disabled or dead.„ (Human Rights Watch, 1999) Es ist naheliegend, dass eine solche Akzeptanz ja geradezu „Normalität“ von Gewalt an kenianischen Schulen gleichzeitig etwas über die Akzeptanz von elterlicher Gewalt aussagt. In der Studie heißt es dazu weiter. „Various forms of corporal punishment (and other punishments like manual labor) have a long pedigree in Kenya. Many Kenyans told Human Rights Watch that physical chastisement has long been accepted in Kenyan homes.” (ebd.)
In den 90er Jahren wurde in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass das Ausmaß der häuslichen Gewalt gegen Frauen in Entwicklungsgesellschaften (Ausmaß: ca. 30 bis 80 %) im Vergleich zu westlichen Ländern (Ausmaß: ca. 20 – 28 %) oftmals erheblich höher ist. Pakistan (Ausmaß: 80 %) und Tansania (Ausmaß: 60%) stehen dabei an der Spitze der Liste. (vgl. Seager (1998) zit. nach amnesty journal, 03/2008, S. 16) Entsprechend erleben in diesen Ländern auch Kinder häufiger Gewalt mit.
Untersuchungen aus den USA zeigen darüber hinaus, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Mütter und Gewalt gegen Kinder besteht. Die Überschneidung von häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung beträgt je nach Studiendesign 30 % bis 60 %. Zusätzlich wurde in medizinischen Versorgungseinrichtungen festgestellt, dass 45 % bis 59 % der Mütter von misshandelten Kindern gleichfalls von Gewalt betroffen sind. (vgl. Hellbernd / Brzank,. 2006, S. 93) Wenn man diese Zahlen auch für Entwicklungsgesellschaften zu Grunde legt, ergibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein sehr hohes Ausmaß an Kindesmisshandlung. Für Pakistan mit 80 % betroffenen Frauen wäre dann z.B. anzunehmen, dass auch die Kindesmisshandlung in diesem Land extrem verbreitet ist.
Zusätzlich lässt sich bei diesem Thema auch auf deutsche Untersuchungen bzgl. MigrantInnen zurückgreifen. In einem Sonderteil zeigt eine bereits weiter o.g. Untersuchung, dass in Deutschland lebende türkische Migrantinnen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger - nämlich 38 % der Befragten - Gewalt durch Beziehungspartner erfahren haben. Sie hatten außerdem auch mehr Situationen von Gewalt und – gemessen an den Verletzungsfolgen – schwerere und bedrohlichere Formen von Gewalt erlebt als der Bevölkerungsdurchschnitt. (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004a) Dass türkisch stämmige Kinder/Jugendliche im Vergleich zu Deutschen häufiger Gewalt zwischen ihren Eltern miterleben, bestätigen auch Pfeiffer & Wetzels (2000), die ca. 16.000 Jugendliche befragt haben. Fast jeder dritte türkische Jugendliche berichtete in den letzten 12.Monaten vor der Befragung Gewalt zwischen den Eltern miterlebt zu haben, gegenüber nur jedem elften Deutschen. Auch elterliche Misshandlungen erlebten türkische Jugendliche signifikant häufiger als Deutsche. (vgl. Pfeiffer & Wetzels, 2000) Dass ethnische Unterschiede im Gewalterleben innerhalb von Familien bestehen, zeigt auch die Untersuchung von Baier & Pfeiffer (2007) bei der ca. 14.300 Jugendliche befragt wurden. Häufiges Erleben von Ohrfeigen, hartes Anpacken, Werfen mit Gegenstand bzw. Erleben von Misshandlung (Verprügeln, mit der Faust schlagen) erlebten türkische (29,8 %), russische (25,4 %), jugoslawische (27,9 %), polnische (27,6 %) und italienische (30,7 %) Jugendliche häufiger als Deutsche (17 %) (Die Deutschen erlebten dagegen häufiger „leichte Züchtigungen“ als die anderen Gruppen). (vgl. Baier & Pfeiffer, 2007)
Dass Deutschland bzw. Europa – trotz erschreckend hoher Gewaltraten gegen Kinder – im internationalen Vergleich kein Maßstab ist, zeigt auch, dass weltweit nur 16 Länder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert haben (darunter auch Deutschland) - Stand 2006. Bis heute haben 106 Staaten die Prügelstrafe in Schulen nicht ausdrücklich verboten (dazu zählen auch die USA). Weitere Zahlen aus der UNICEF-Studie (2006) sprechen für sich: Schätzungsweise 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen unter 18 Jahren werden zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder geschlagen. Zwischen 133 und 275 Millionen Kinder und Jugendliche sind jedes Jahr in ihren Familien Zeugen von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Schätzungsweise 5,7 Millionen Kinder leben allein in Südasien in Schuldknechtschaft usw. usf. (vgl. UNICEF, 2006a)
Oftmals bedingt schon der kulturelle Kontext bzw. „die Tradition“ Gewalt. Ich denke da z.B. an Zwangsheiraten und an die Genitalienverstümmelung. Weltweit sind im Jahr 2008 nach Schätzungen von ExpertInnen 51 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren zur Heirat gezwungen worden. In den darauf folgenden 10 Jahren werden pro Tag ca. 25.000 hinzukommen, die meisten davon in Afrika und Asien. Die jüngsten Bräute leben in dem indischen Bundesstaat Rajastahn, dort sind 15 % aller Ehefrauen bei ihrer Hochzeit keine 10 Jahre alt. Im Haushalt der Ehemänner werden Kinderbräute oft ausgebeutet und Opfer von Gewalt. Unzählige werden in der Hochzeitsnacht vergewaltigt. (vgl. EMMA, 07./08. 2008) Wie sollen Mädchen und auch Jungen, die (gewaltvoll) zur Heirat gezwungen werden, liebevolle Eltern werden, wenn schon ihre “Liebe” keine echte ist und von Trauer, Wut und Ohnmacht begleitet ist? Und wie ergeht es Frauen, denen als Kind die Genitalien verstümmelt wurden? Ca. 2 Millionen Mädchen (täglich ca. 6000) werden jedes Jahr weltweit Opfer der Genitalenverstümmelung. (vgl. UNICEF, 1997)
Ebenso werden in vielen Ländern Jungen beschnitten. "Die relativ gesehen geringfügigere aber immer noch schwerwiegende Verstümmelung von Jungen wird nach wie vor größtenteils ignoriert, wie auch die Tatsache, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit unabhängig vom Geschlecht gilt. Darüberhinaus wird auch die Beschneidung von Knaben in Ländern der Dritten Welt etwa in Afrika, Vorderasien und Indonesien oder bei den Aborigines in Australien nicht unter Narkose und mit sterilisierten chirurgischen Instrumenten sondern mit sehr primitivem Werkzeug vorgenommen, was nicht selten zu bleibenden Schäden oder gar zum Tod führen kann." (www.uni-protokolle.de, "Beschneidung von Jungen und Männern")
(siehe ergänzend zu den Zahlen "Gewalt gegen Kinder in Entwicklungsländern"!)
Die weiteste Verbreitung der Gewalt gegen Kinder und die extremsten Ausformungen finden sich letztendlich bei den Stämmen und Urvölkern. DeMause hat – sowohl historisch als auch relativ aktuell - nachgewiesen, dass in diesen Kulturen sehr hohe Raten von Kindermord (bei den australischen Aborigines wurden früher z.B. bis zu 50 % der Säuglinge getötet; für Neuguinea gilt, dass die Mütter mindestens ein Drittel ihrer Neugeborenen umbringen), Inzest, Körperverstümmelung, Kindervergewaltigung, Folterung und emotionale Verstoßung zu finden sind. Routinemäßig sind dort dissoziative Persönlichkeitsstrukturen die Folge, was die kulturelle Weiterentwicklung hemmt. (vgl. deMause, 2005, S. 184ff)
Die Ergebnisse weiter o.g. Untersuchungen müssen zusätzlich unter einem Gesichtspunkt betrachtet werden, den eine UNICEF- Studie aus dem Jahr 2003 wie folgt darstellt: „So erschreckend die Ergebnisse solcher Befragungen sind, geben sie doch nur die halbe Wahrheit wieder. Denn man muss davon ausgehen, dass viele ehemalige Gewaltopfer nicht über ihre Erfahrungen in der frühen Kindheit sprechen können oder wollen.“ (UNICEF, 2003)
Von den in einer englischen Studie befragten jungen Erwachsenen, die von den Forschern als „schwer misshandelt“ eingestuft wurden, gaben beispielsweise weniger als die Hälfte dies zu. Von denen, die „gelegentlich misshandelt“ wurden, beschrieben sich weniger als 10 % als „misshandelt“, auch wenn alle von Handlungen sprachen, die sie als „niemals gerechtfertigt“ ansahen. Eine Befragung von 10.000 Erwachsenen in den USA (1994) ergab, das 40 % von denen, die als Kinder nach körperlichen Misshandlungen ein oder zwei Mal medizinische behandelt wurden, sich selbst nicht als „misshandelt“ einstuften.(vgl. ebd.) Das Bild, das Befragungen liefern, ist also nicht übertrieben, sondern scheint noch untertrieben.
US-amerikanische Studien zeigen auch, dass kleine Kinder am stärksten von körperlicher Gewalt bedroht sind. Körperliche Strafen gegen Kinder erreichen demnach einen Höhepunkt im Alter von drei Jahren. (vgl. Melzer/Lenz/Bilz, 2010, S. 962) Gerade bewusste Erinnerungen an konkrete Erlebnisse aus den ersten drei Jahren verblassen später allerdings oftmals. Eine irische Mutter, die ihre Kinder misshandelt hatte, formulierte es so: „Du musst sie schlagen, solange sie noch zu klein sind, um sich daran zu erinnern und dir Vorwürfe machen können.“ (deMause, 2005, S. 241)
Zusätzlich beleuchtet dieser Aspekt des Umdeutens, Verdrängens und der fehlenden bewussten Erinnerung der erlittenen Gewalt etwas, das ich im Kapitel „Das einst misshandelte Volk identifiziert sich mit dem Aggressor“ ausführlich darstellen werde.
Mir ist bewusst, dass manche Thesen, die im weiteren Textverlauf folgen werden, bei vielen LeserInnen starke Widerstände und Kritik hervorrufen könnten. An dieser Stelle des Textes möchte ich allerdings einen – wie ich empfinde - nicht übertriebenen Satz festhalten, der auf Grund obiger Datenlage kaum kritisierbar ist. Zu allen Zeiten, gestern, heute und morgen, herrscht auch in Friedenszeiten Krieg: Der Krieg der Erwachsenen gegen die Kinder. Das enorme Ausmaß ja geradezu die Normalität der Gewalt gegen Kinder und deren Vielfältigkeit muss man sich klar vor Augen führen bzw. muss man sich als ersten Schritt überhaupt bewusst machen, um daraus die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen ermessen zu können. (Alleine das Wahrnehmen der enormen Gewalt gegen Kinder braucht bei vielen Menschen meiner persönlichen Erfahrung nach oftmals Jahre bzw. ist mit erheblichen Abwehrhaltungen verbunden. Dies ist insofern verständlich und normal, da die Beschäftigung mit diesem Thema unweigerlich an eigenen verletzenden Erfahrungen rührt) ) Die o.g. UNICEF-Studie beschreibt mögliche Folgen der Gewalt gegen Kinder u.a. wie folgt: „Gewalt zieht Gewalt nach sich: So geraten die betroffenen Kinder als Erwachsene oft in eine Opferrolle oder üben selbst Gewalt gegen andere aus.“ (UNICEF, 2006a, siehe dazu u.a. auch Van der Kolk. / Streeck-Fischer, 2002) Diesem destruktivem Potential möchte ich im Kontext von Krieg und seinen Ursachen weitere Beachtung schenken.
[1] Diese Angaben treffen übrigens auch auf unsere Nachbarn in Österreich zu. (vgl. Buchner et.al., 2002, S. 139ff)
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Die Lebendigkeit und der Eigenwille des Kindes, die Quelle von Aufmüpfigkeit und Autonomie, muss eingedämmt werden, so dachte man großteils im geschichtlichen Verlauf. Es galt die Maxime, die von Schmidt 1887 in der "Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens" exemplarisch formuliert wurde: "Der Wille des Kindes muss gebrochen werden, d.h. es muss lernen, nicht sich selbst, sondern einem anderen zu folgen" (zit. n. Keupp, 1999, S. 6). Diese Maxime durchzieht die Geschichte fast aller menschlicher Gesellschaften. Die Bibel ist ein weiterer exemplarischer Beleg dafür: Wer seine Kinder liebt und vor Torheiten bewahren will, der schlägt und züchtigt sie, ist der „erzieherische“ Leitgedanke vor allem im Alten Testament. (vgl. z.B. Dtn 21,18-21; Spr 3,11; Spr 3,12; Spr 13,24; Spr 29,17; Sir 22,6; Sir 30,12) Zudem galten Kinder lange Zeit als Besitz ihrer Eltern bzw. des Vaters, mit denen nach Belieben umgegangen werden konnte; Kinder waren recht- und schutzlos. "Die Geschichte der Kindheit ist ein Alptraum, aus dem wir gerade erst erwachen.", schrieb der Psychohistoriker Lloyd deMause (1992) zur Evolution der Kindheit. (deMause, 1992, S. 12) Und: „Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto mehr sinkt das Niveau der Kindererziehung.“ (ebd., 2005, S. 269)
Nachfolgende Zahlen aus der Gegenwart zeigen, wie nachhaltig die „Geschichte der Kindheit“ weiterhin wirkt: In sozialwissenschaftlichen Studien ist belegt, dass die Hälfte bis zwei Drittel aller Eltern ihre Kinder körperlich bestrafen, wobei man davon ausgeht, dass 10 bis 15 % dies häufig und schwerwiegend tun.[1] (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2002, S. 220)
Eine bundesdeutsche Repräsentativstudie kommt auf der Opferseite zu ähnlichen Ergebnissen. 74,9 % der Befragten gaben an, in ihrer Kindheit körperliche Gewalterfahrungen seitens ihrer Eltern erlebt zu haben. 38,4 % wurden häufiger als selten körperlich gezüchtigt. Elterliche Misshandlungen erlebten 10,6 %, 4,7 % häufiger als selten. (vgl. Wetzels, 1997. S. 146)
Ein Vergleich zwischen drei repräsentativen Jugendstudien (jeweils 1992, 2002 und 2005) zeigt, dass ca. 30 % (jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 29,6 % und 32 %) der Jugendlichen gewaltfrei erzogen wurden. Die große Mitte sind die „konventionell“ erzogenen, die häufig leichte körperliche Bestrafungen und andere Sanktionen erfahren haben und in deren Erziehung „weitgehend“ auf schwere körperliche Gewalt verzichtet wurde. (Zahlen jeweils in der Reihenfolge der Jahreszahlen: 36,4 %, 51,2 % und 46, 7 %). Eine gewaltbelastete Erziehung (Diese Gruppe weist bei allen Sanktionsarten – inkl. psychischer Gewalt - eine überdurchschnittlich hohe Häufigkeit auf, insbesondere auch schwere Körperstrafen.) erlebten jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 19,3 % und 21,3 %. (vgl. Bundesministerium der Justiz, 2007, S. 18)
(Hinweis: Es gibt neuere rep. Studien zum Sexuellen Missbrauch, die andere Zahlen nahelegen!)
Auch die Kindesvernachlässigung ist laut Einschätzungen von Experten eine weit verbreitete Form von Kindesmisshandlung. Esser (2002) geht davon aus, dass in Deutschland 5 bis 10 % aller Kinder mit klinisch relevanten Folgen durch ihre Eltern abgelehnt oder vernachlässigt werden. Esser beschreibt zudem eine deutsche Risikokinderstudie, in der 384 erstgeborene Kinder von der Geburt bis zum Alter von 11 Jahren begleitet wurden. Bei 15,4 % aller Kinder wurden Ablehnung und/oder Vernachlässigung festgestellt. (vgl. Esser, 2002, S, 103ff) Andere Quellen stellen das Ausmaß der Vernachlässigung wie folgt dar: Als Untergrenze wird geschätzt, das mindestens 50.000 Kinder in Deutschland unter erheblicher Vernachlässigung leiden, nach oben hin schwanken die Zahlen zwischen 250.000 und 500.000 Kindern. (vgl. Deutscher Kinderschutzbund / Institut für soziale Arbeit e.V., 2000)
Die Forschung bzgl. psychischer Misshandlung ist dagegen erst in den Anfängen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass die psychische Misshandlung die häufigste Form der Kindesmisshandlung ist und zudem oftmals mit anderen Misshandlungsformen einhergeht. (vgl. Brassard / Hardy, 2002, S. 589ff) Auch diese Misshandlungsform hat erhebliche Folgen für die Kinder.
Ein weiteres relativ unbeleuchtetes Feld ist das Miterleben von Gewalt und die möglichen Folgen für die Kinder. Strasser (2001) vermittelt eindrücklich, wie Gewalt gegen Frauen auch als Trauma für die mit den Erwachsenen zusammenlebenden Kinder wirken kann bzw. wie häusliche Gewalt gegen Frauen eine Form von psychischer Gewalt gegen Kinder darstellt.
Eine erste deutsche repräsentative Studie zeigt, dass von 10.000 befragten Frauen jede Vierte im Alter von 16 bis 85 Jahren bereits ein- oder mehrmals körperliche oder zusätzlich sexuelle Übergriffe eines Beziehungspartners erlitten hat. (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004a)
Sofern Kinder in den betreffenden Familien leben, werden hier die möglichen Dimensionen der von Kindern miterlebten Gewalt deutlich. Die Arbeit am zusätzlichen Tabuthema „Frauengewalt gegen Männer“ zeigt darüber hinaus, dass auch Frauen an häuslicher Gewalt beteiligt sein können und dies ebenfalls Folgen für die Kinder haben wird. (vgl. ausführlich Kantonale Fachkommission für Gleichstellungsfragen, 2006)
Auch Geschwister, die Gewalt miterleben, müssen in diesen Themenkomplex Beachtung finden. Elterliche Gewaltanwendung gegenüber Kindern ruft nicht nur Schäden bei dem unmittelbar angegriffenen Opfer hervor. Es wird angenommen, dass die nichtangegriffenen Geschwister psychisch in ebensolchem Maße geschädigt werden wie das eigentliche Opfer und so zu mittelbaren Opfern werden. Das Erlebnis von Tätlichkeiten der Eltern gegenüber dem Bruder oder der Schwester verursacht bei ihnen Furcht und vermittelt ein Gefühl der Verwundbarkeit und der mangelnden Geborgenheit. Zusätzlich werden Zusammenhänge zwischen eigenem späteren Gewaltverhalten und dem Miterleben von Gewalt angenommen. (vgl. Schneider, 1998, S. 337)
Ins Blickfeld der Wissenschaft gerät zunehmend auch der Fötus und dessen (psychische) Entwicklung im Mutterlaib. DeMause (2005) weist nach, dass bereits Föten Stress und Gewalt erleben und erinnern, was Auswirkungen auf das spätere Leben haben kann (Er nennt dies „Fötales Drama“). Föten erleben z.B. psychische oder körperliche Gewalt durch den Partner gegen die Mutter, direkte Ablehnung des Fötus, Belastungen durch Alkohol-, Drogen- oder Nikotinkonsum der Mutter, Belastungen durch Stress- und Angstzustände der Mutter usw. (vgl. deMause, 2005, S.56ff)
Ich habe lange nach einer passenden Formulierung für ein weiteres Themenfeld gesucht und diese schließlich (mehr zufällig) in einem Text gefunden, der sich mit den Auswirkungen der NS-Erziehungsideale beschäftigt: „Die Frage scheint mir berechtigt, ob die Enteignung des Kindes schon weit früher, vor der Geburt, sogar vor der Zeugung beginnt und ob dies für das Kind schon in frühem Stadium von Bedeutung sein könnte. Alle Eltern bilden ja aus Erwartungen, Hoffnungen, Fantasien erste Identitätsvorstellungen um das erwartete Kind herum. Sie weben damit gleichsam eine psychische Hülle, in die das Kind dann hineingeboren wird. Diese Hülle ist von der Einstellung der Eltern zum Kind stark geprägt. Bildlich gesprochen braucht das Neugeborene diese Hülle, um eine gesunde Haut bilden zu können.“ (Langendorf, 2006, S. 278ff) Die Erwartungen von Eltern innerhalb des NS-Systems wirkten sich schon früh negativ auf die Kinder aus, so der weitere Ansatz von Langendorf. Dies kann man sicherlich auch weiterstricken. Ich denke z.B. an Eltern, deren Grund fürs Kinderkriegen der ist, dass sie von „ihrem Unglücklichsein“ befreit werden wollen; ich denke an Frauen, die eine Trennung auf sich zukommen sehen und die „schnell noch mal“ ein Kind bekommen, um den Partner doch noch irgendwie zu binden; ich denke an Leihmütter, die das Kind für andere Eltern bekommen; ich denke an die Eltern, die ein zweites und drittes Kind bekommen, weil „es beim ersten irgendwie alles schief gelaufen ist“ usw. usf. Es geht also im Kern um den eigentlichen Grund fürs Kinder kriegen. In diesem Grund findet sich so manches mal schon die erste Demütigung, Missachtung und Funktionalisierung des Kindes.
Zu vermuten ist auch, dass Ausmaß und Härte der Kindesmisshandlung in noch weitgehend traditionelleren, patriarchalen Gesellschaften entsprechend höher und ausgeprägter sein könnte. Entsprechende Gesellschaftsstrukturen stellen laut Gelles (2002) einen Risikofaktor für Gewalt in der Familie dar. (vgl. Gelles, 2002, S. 1060)
In Ägypten sagten beispielsweise bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern geschlagen oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. Youssef, Attia & Kamel, 1998 zit. nach WHO, 2002, S. 62) In Äthiopien berichteten 21 % der befragten städtischen Schüler und 64 % der ländlichen Schüler von Blutergüsse oder Prellungen auf Grund körperlicher Bestrafungen durch ihre Eltern. (Ketsela & Kedebe, 1997 zit. nach WHO, 2002, S. 62) Im Iran wurden Schüler im Alter von 11 bis 18 Jahren befragt. 38,5 % berichteten über körperliche Gewalt in ihrer Familie, die leichte bis schwere Verletzungen zur Folge hatte. Im Yemen berichteten fast 90% der Kinder, dass körperliche Bestrafungen und Demütigungen die wesentliche Disziplinierungsform in ihren Familien darstellt. Das selbe Bild ergab eine Untersuchung in Südkorea, dort halten 90 % der Eltern körperliche Bestrafungen ihrer Kinder für notwendig. (vgl. UNICEF, 2006b, S. 52ff)
Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass 36,1 % aller kolumbianischen Kinder irgendwann Opfer von Misshandlungen werden. Jedes zehnte Kind, das in ein kolumbianisches Krankenhaus eingeliefert wird, muss wegen häuslicher Gewalt behandelt werden; die Dunkelziffer wird hier vermutlich viel höher liegen, da viele Ärzte sich nicht der Mühe unterziehen, Misshandlungen anzuzeigen. (vgl. BRENNPUNKT LATEINAMERIKA, 2005, S. 39)
Garbarino & Bradshaw (2002) berichten, dass in China Kinder als „Eigentum“ ihrer Eltern angesehen werden, wodurch auch die Wahrscheinlichkeit sinken würde, dass Nachbarn etc. bei einem Verdacht auf Misshandlungen z.B. in Form einer Anzeige eingreifen würden. (vgl. Garbarino & Bradshaw, 2002, S. 901) Bereits die Definition als "Eigentum" stellt meiner Ansicht nach eine erhebliche Demütigung und Missachtung des Kindes dar. Etwas mehr Licht ins chinesische Dunkelfeld bringen folgende Zahlen: 461 von 1000 (ca. 46 %) befragten chinesischen Eltern (in Hong Kong) berichteten, dass sie schwere körperliche Gewalt gegen ihre Kinder angewendet haben. (vgl. WHO, 2002, S. 63) Eine Studie, in der SchülerInnen direkt befragt wurden ergab, dass 22,6 % der chinesischen und 51,3 % der süd-koreanischen Kinder schwere körperliche Gewalt durch ihre Eltern erlebt haben. (ebd.)
DeMause zeichnet ein eindrückliches Bild von der elterlichen Gewalt gegen Kinder in islamisch, fundamentalistischen Familien und Gesellschaften (z.B. Palästina, Pakistan, Afghanistan oder auch Saudi-Arabien) und kommt zu dem Schluss, dass die dort existierenden „Erziehungspraktiken“ jenen sehr ähnlich sind, wie sie einst Kindern im mittelalterlichen Westen routinemäßig zugefügt worden sind. In Form von: Sexuellem Missbrauch, strikter Gehorsamseinforderung, Schlagen, Treten, Schütteln, Schneiden, Vergiften, Unter-Wasser-Halten, Würgen, Beschießen, Stechen, Beißen, Verbrennen, Ermorden usw. (vgl. deMause, 2005, S. 39ff)
Für eine Diplomarbeit – vgl. Bette (2006) - wurden 287 afghanische Schulkinder aus Kabul, Afghanistan befragt. 41,6% der Kinder berichteten, von ihrem Vater geschlagen zu werden und 59,9% berichteten, von ihrer Mutter geschlagen zu werden. Fast ein Drittel aller Kinder berichteten von mehr als fünf Typen häuslicher Gewalterfahrungen. Die Typen häuslicher Gewalterfahrung, die am häufigsten berichtet wurden waren Schläge auf den Körper, die Arme oder die Beine und angeschrien oder beleidigt zu werden.
Besonders Afrika ist leider immer noch weitgehend eine „blackbox“, was die Forschung über die Kindererziehungspraxis und Kindesmisshandlung angeht. Bzgl. Kenia habe ich eine interessante HRW-Studie gefunden, die über das hohe Ausmaß von Gewalt gegen Kinder in Schulen berichtet: „For most Kenyan children, violence is a regular part of the school experience. Teachers use caning, slapping, and whipping to maintain classroom discipline and to punish children for poor academic performance. The infliction of corporal punishment is routine, arbitrary, and often brutal. Bruises and cuts are regular by-products of school punishments, and more severe injuries (broken bones, knocked-out teeth, internal bleeding) are not infrequent. At times, beatings by teachers leave children permanently disfigured, disabled or dead.„ (Human Rights Watch, 1999) Es ist naheliegend, dass eine solche Akzeptanz ja geradezu „Normalität“ von Gewalt an kenianischen Schulen gleichzeitig etwas über die Akzeptanz von elterlicher Gewalt aussagt. In der Studie heißt es dazu weiter. „Various forms of corporal punishment (and other punishments like manual labor) have a long pedigree in Kenya. Many Kenyans told Human Rights Watch that physical chastisement has long been accepted in Kenyan homes.” (ebd.)
In den 90er Jahren wurde in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass das Ausmaß der häuslichen Gewalt gegen Frauen in Entwicklungsgesellschaften (Ausmaß: ca. 30 bis 80 %) im Vergleich zu westlichen Ländern (Ausmaß: ca. 20 – 28 %) oftmals erheblich höher ist. Pakistan (Ausmaß: 80 %) und Tansania (Ausmaß: 60%) stehen dabei an der Spitze der Liste. (vgl. Seager (1998) zit. nach amnesty journal, 03/2008, S. 16) Entsprechend erleben in diesen Ländern auch Kinder häufiger Gewalt mit.
Untersuchungen aus den USA zeigen darüber hinaus, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Mütter und Gewalt gegen Kinder besteht. Die Überschneidung von häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung beträgt je nach Studiendesign 30 % bis 60 %. Zusätzlich wurde in medizinischen Versorgungseinrichtungen festgestellt, dass 45 % bis 59 % der Mütter von misshandelten Kindern gleichfalls von Gewalt betroffen sind. (vgl. Hellbernd / Brzank,. 2006, S. 93) Wenn man diese Zahlen auch für Entwicklungsgesellschaften zu Grunde legt, ergibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein sehr hohes Ausmaß an Kindesmisshandlung. Für Pakistan mit 80 % betroffenen Frauen wäre dann z.B. anzunehmen, dass auch die Kindesmisshandlung in diesem Land extrem verbreitet ist.
Zusätzlich lässt sich bei diesem Thema auch auf deutsche Untersuchungen bzgl. MigrantInnen zurückgreifen. In einem Sonderteil zeigt eine bereits weiter o.g. Untersuchung, dass in Deutschland lebende türkische Migrantinnen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger - nämlich 38 % der Befragten - Gewalt durch Beziehungspartner erfahren haben. Sie hatten außerdem auch mehr Situationen von Gewalt und – gemessen an den Verletzungsfolgen – schwerere und bedrohlichere Formen von Gewalt erlebt als der Bevölkerungsdurchschnitt. (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004a) Dass türkisch stämmige Kinder/Jugendliche im Vergleich zu Deutschen häufiger Gewalt zwischen ihren Eltern miterleben, bestätigen auch Pfeiffer & Wetzels (2000), die ca. 16.000 Jugendliche befragt haben. Fast jeder dritte türkische Jugendliche berichtete in den letzten 12.Monaten vor der Befragung Gewalt zwischen den Eltern miterlebt zu haben, gegenüber nur jedem elften Deutschen. Auch elterliche Misshandlungen erlebten türkische Jugendliche signifikant häufiger als Deutsche. (vgl. Pfeiffer & Wetzels, 2000) Dass ethnische Unterschiede im Gewalterleben innerhalb von Familien bestehen, zeigt auch die Untersuchung von Baier & Pfeiffer (2007) bei der ca. 14.300 Jugendliche befragt wurden. Häufiges Erleben von Ohrfeigen, hartes Anpacken, Werfen mit Gegenstand bzw. Erleben von Misshandlung (Verprügeln, mit der Faust schlagen) erlebten türkische (29,8 %), russische (25,4 %), jugoslawische (27,9 %), polnische (27,6 %) und italienische (30,7 %) Jugendliche häufiger als Deutsche (17 %) (Die Deutschen erlebten dagegen häufiger „leichte Züchtigungen“ als die anderen Gruppen). (vgl. Baier & Pfeiffer, 2007)
Dass Deutschland bzw. Europa – trotz erschreckend hoher Gewaltraten gegen Kinder – im internationalen Vergleich kein Maßstab ist, zeigt auch, dass weltweit nur 16 Länder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert haben (darunter auch Deutschland) - Stand 2006. Bis heute haben 106 Staaten die Prügelstrafe in Schulen nicht ausdrücklich verboten (dazu zählen auch die USA). Weitere Zahlen aus der UNICEF-Studie (2006) sprechen für sich: Schätzungsweise 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen unter 18 Jahren werden zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder geschlagen. Zwischen 133 und 275 Millionen Kinder und Jugendliche sind jedes Jahr in ihren Familien Zeugen von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Schätzungsweise 5,7 Millionen Kinder leben allein in Südasien in Schuldknechtschaft usw. usf. (vgl. UNICEF, 2006a)
Oftmals bedingt schon der kulturelle Kontext bzw. „die Tradition“ Gewalt. Ich denke da z.B. an Zwangsheiraten und an die Genitalienverstümmelung. Weltweit sind im Jahr 2008 nach Schätzungen von ExpertInnen 51 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren zur Heirat gezwungen worden. In den darauf folgenden 10 Jahren werden pro Tag ca. 25.000 hinzukommen, die meisten davon in Afrika und Asien. Die jüngsten Bräute leben in dem indischen Bundesstaat Rajastahn, dort sind 15 % aller Ehefrauen bei ihrer Hochzeit keine 10 Jahre alt. Im Haushalt der Ehemänner werden Kinderbräute oft ausgebeutet und Opfer von Gewalt. Unzählige werden in der Hochzeitsnacht vergewaltigt. (vgl. EMMA, 07./08. 2008) Wie sollen Mädchen und auch Jungen, die (gewaltvoll) zur Heirat gezwungen werden, liebevolle Eltern werden, wenn schon ihre “Liebe” keine echte ist und von Trauer, Wut und Ohnmacht begleitet ist? Und wie ergeht es Frauen, denen als Kind die Genitalien verstümmelt wurden? Ca. 2 Millionen Mädchen (täglich ca. 6000) werden jedes Jahr weltweit Opfer der Genitalenverstümmelung. (vgl. UNICEF, 1997)
Ebenso werden in vielen Ländern Jungen beschnitten. "Die relativ gesehen geringfügigere aber immer noch schwerwiegende Verstümmelung von Jungen wird nach wie vor größtenteils ignoriert, wie auch die Tatsache, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit unabhängig vom Geschlecht gilt. Darüberhinaus wird auch die Beschneidung von Knaben in Ländern der Dritten Welt etwa in Afrika, Vorderasien und Indonesien oder bei den Aborigines in Australien nicht unter Narkose und mit sterilisierten chirurgischen Instrumenten sondern mit sehr primitivem Werkzeug vorgenommen, was nicht selten zu bleibenden Schäden oder gar zum Tod führen kann." (www.uni-protokolle.de, "Beschneidung von Jungen und Männern")
(siehe ergänzend zu den Zahlen "Gewalt gegen Kinder in Entwicklungsländern"!)
Die weiteste Verbreitung der Gewalt gegen Kinder und die extremsten Ausformungen finden sich letztendlich bei den Stämmen und Urvölkern. DeMause hat – sowohl historisch als auch relativ aktuell - nachgewiesen, dass in diesen Kulturen sehr hohe Raten von Kindermord (bei den australischen Aborigines wurden früher z.B. bis zu 50 % der Säuglinge getötet; für Neuguinea gilt, dass die Mütter mindestens ein Drittel ihrer Neugeborenen umbringen), Inzest, Körperverstümmelung, Kindervergewaltigung, Folterung und emotionale Verstoßung zu finden sind. Routinemäßig sind dort dissoziative Persönlichkeitsstrukturen die Folge, was die kulturelle Weiterentwicklung hemmt. (vgl. deMause, 2005, S. 184ff)
Die Ergebnisse weiter o.g. Untersuchungen müssen zusätzlich unter einem Gesichtspunkt betrachtet werden, den eine UNICEF- Studie aus dem Jahr 2003 wie folgt darstellt: „So erschreckend die Ergebnisse solcher Befragungen sind, geben sie doch nur die halbe Wahrheit wieder. Denn man muss davon ausgehen, dass viele ehemalige Gewaltopfer nicht über ihre Erfahrungen in der frühen Kindheit sprechen können oder wollen.“ (UNICEF, 2003)
Von den in einer englischen Studie befragten jungen Erwachsenen, die von den Forschern als „schwer misshandelt“ eingestuft wurden, gaben beispielsweise weniger als die Hälfte dies zu. Von denen, die „gelegentlich misshandelt“ wurden, beschrieben sich weniger als 10 % als „misshandelt“, auch wenn alle von Handlungen sprachen, die sie als „niemals gerechtfertigt“ ansahen. Eine Befragung von 10.000 Erwachsenen in den USA (1994) ergab, das 40 % von denen, die als Kinder nach körperlichen Misshandlungen ein oder zwei Mal medizinische behandelt wurden, sich selbst nicht als „misshandelt“ einstuften.(vgl. ebd.) Das Bild, das Befragungen liefern, ist also nicht übertrieben, sondern scheint noch untertrieben.
US-amerikanische Studien zeigen auch, dass kleine Kinder am stärksten von körperlicher Gewalt bedroht sind. Körperliche Strafen gegen Kinder erreichen demnach einen Höhepunkt im Alter von drei Jahren. (vgl. Melzer/Lenz/Bilz, 2010, S. 962) Gerade bewusste Erinnerungen an konkrete Erlebnisse aus den ersten drei Jahren verblassen später allerdings oftmals. Eine irische Mutter, die ihre Kinder misshandelt hatte, formulierte es so: „Du musst sie schlagen, solange sie noch zu klein sind, um sich daran zu erinnern und dir Vorwürfe machen können.“ (deMause, 2005, S. 241)
Zusätzlich beleuchtet dieser Aspekt des Umdeutens, Verdrängens und der fehlenden bewussten Erinnerung der erlittenen Gewalt etwas, das ich im Kapitel „Das einst misshandelte Volk identifiziert sich mit dem Aggressor“ ausführlich darstellen werde.
Mir ist bewusst, dass manche Thesen, die im weiteren Textverlauf folgen werden, bei vielen LeserInnen starke Widerstände und Kritik hervorrufen könnten. An dieser Stelle des Textes möchte ich allerdings einen – wie ich empfinde - nicht übertriebenen Satz festhalten, der auf Grund obiger Datenlage kaum kritisierbar ist. Zu allen Zeiten, gestern, heute und morgen, herrscht auch in Friedenszeiten Krieg: Der Krieg der Erwachsenen gegen die Kinder. Das enorme Ausmaß ja geradezu die Normalität der Gewalt gegen Kinder und deren Vielfältigkeit muss man sich klar vor Augen führen bzw. muss man sich als ersten Schritt überhaupt bewusst machen, um daraus die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen ermessen zu können. (Alleine das Wahrnehmen der enormen Gewalt gegen Kinder braucht bei vielen Menschen meiner persönlichen Erfahrung nach oftmals Jahre bzw. ist mit erheblichen Abwehrhaltungen verbunden. Dies ist insofern verständlich und normal, da die Beschäftigung mit diesem Thema unweigerlich an eigenen verletzenden Erfahrungen rührt) ) Die o.g. UNICEF-Studie beschreibt mögliche Folgen der Gewalt gegen Kinder u.a. wie folgt: „Gewalt zieht Gewalt nach sich: So geraten die betroffenen Kinder als Erwachsene oft in eine Opferrolle oder üben selbst Gewalt gegen andere aus.“ (UNICEF, 2006a, siehe dazu u.a. auch Van der Kolk. / Streeck-Fischer, 2002) Diesem destruktivem Potential möchte ich im Kontext von Krieg und seinen Ursachen weitere Beachtung schenken.
[1] Diese Angaben treffen übrigens auch auf unsere Nachbarn in Österreich zu. (vgl. Buchner et.al., 2002, S. 139ff)
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